Urteil des OLG Brandenburg vom 27.03.2008

OLG Brandenburg: einrede des nichterfüllten vertrages, ordentliche kündigung, kopie, neues vorbringen, materielle rechtskraft, widerklage, abrede, einheit, mietvertrag, verkehrswert

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 3.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 U 64/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 550 BGB, § 578 Abs 1 BGB
Tankstellen-Stationärsvertrag: Wirksamkeit einer ordentlichen
Kündigung; Schriftformerfordernis
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das am 27. März 2008 verkündete Urteil des
Landgerichts Cottbus - 6 O 92/07 - wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils gegen ihn
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Als
Sicherheit genügt die schriftliche unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche und
selbstschuldnerische Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten
Kreditinstituts.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Prozessparteien streiten – im Rahmen von Klage und Widerklage – um
wechselseitige Ansprüche aus einem Tankstellenverwaltungsvertrag und einem
Grundstücksmietvertrag. Die Klägerin, deutsche Tochtergesellschaft eines italienischen
Mineralölkonzerns, nimmt den Beklagten als Tankstellenhalter betreffend das
Kalenderjahr 2006 auf Zahlung rückständiger Objektpacht für eine von ihr errichtete, in
C. belegene A.-Tankstelle in Anspruch. Der Beklagte, dem das Tankstellengrundstück
gehört und der es an die Klägerin vermietet hat, verlangt, weil er das Vertragsverhältnis
für beendet hält, widerklagend die Räumung des Areals, die Übereignung von
Baulichkeiten und eingebauten Einrichtungen zu dem von ihm behaupteten
Verkehrswert sowie die Bewilligung der Löschung der im Grundbuch zu Gunsten der
Klägerin eingetragenen Tankstellendienstbarkeit. Im Übrigen wird zur näheren
Darstellung des Tatbestandes und der erstinstanzlichen Prozessgeschichte auf das
angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Vom Landgericht Cottbus, das in der Vorinstanz entschieden hat, ist der Klage
vollumfänglich stattgegeben und die Widerklage abgewiesen worden. Zur Begründung
hat die Zivilkammer ausgeführt, die Klägerin könne vom Beklagten aus dem
Tankstellenverwaltungsvertrag für den streitgegenständlichen Zeitraum Objektpacht in
der geltend gemachten Höhe fordern; die Widerklage sei unbegründet, weil das
Vertragsverhältnis zwischen den Parteien fortbestehe. Das landgerichtliche Urteil, auf
das auch wegen der Entscheidungsgründe im Einzelnen Bezug genommen wird, ist dem
Beklagten am 11. April 2008 (GA II 359) – zu Händen seines erstinstanzlichen
Prozessbevollmächtigten – zugestellt worden. Am 08. Mai 2008 (GA II 370) hat er mit
anwaltlichem Schriftsatz Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel – nach der
antragsgemäßen Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 11. Juli 2008 (GA II 376) –
mit einem an diesem Tage per Telekopie beim Brandenburgischen Oberlandesgericht
eingegangen Anwaltsschriftsatz begründet (GA III 380 ff.).
Der Beklagte ficht das landgerichtliche Urteil – unter Wiederholung und Vertiefung seiner
bisherigen Darlegungen – in vollem Umfange seiner Beschwer an. Dazu trägt er
insbesondere Folgendes vor:
Die Eingangsinstanz habe zu Unrecht angenommen, dass seine – des Beklagten –
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Die Eingangsinstanz habe zu Unrecht angenommen, dass seine – des Beklagten –
ordentliche Kündigung vom 30. Mai 2007 unwirksam und er zu Pachtzahlungen
verpflichtet sei. Das Vertragsverhältnis könne mit gesetzlicher Frist gekündigt werden;
eine Abrede über die Entrichtung von Pacht gebe es zwischen den Parteien nicht. Über
die baulichen Mängel des Objekts hätte Beweis erhoben werden müssen. Der
Tankstellenverwaltungsvertrag und der Grundstücksmietvertrag bildeten, wovon das
Landgericht zutreffend ausgegangen und was zudem bereits im Vorprozess rechtskräftig
entscheiden worden sei, eine rechtliche Einheit; jedoch gelte das gesetzliche
Schriftformerfordernis dann für alle wesentlichen Vertragsbestandteile einschließlich
Nachtrags- und Zusatzvereinbarungen sowie Abreden über Konditionen. Nach der so
genannten Auflockerungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofes sei zwar die feste
körperliche Verbindung von Haupturkunde und Anlagen entbehrlich, nicht aber die
Schriftform für ausgelagerte Vertragsbestandteile. Im Streitfall gebe es – nach dem
Auslaufen der letzten Konditionenvereinbarung – seit 01. Januar 2003 keine schriftlichen
Abreden über die Objektpacht mehr; die Klage sei auf eine stillschweigende
Pachtvereinbarung gestützt, was den Formmangel impliziere. Die Anlage „ “
verweise weder auf den Tankstellenverwaltungsvertrag noch auf die entsprechende
Zusatzvereinbarung, nehme aber hinsichtlich der Provisionsregelung für
Autoschmierstoffe auf eine „ “ Bezug. Eine konkludente
Abrede, die ihn – den Beklagten – zu Pachtzahlungen nach dem 31. Dezember 2002
verpflichte, sei nicht zu Stande kommen. Aus der Fortzahlung des Entgelts bis Ende
2004 sowie im Januar und Juni 2005 lasse sich ein solcher Wille nicht entnehmen; im
Übrigen habe die Klägerin keinerlei Interesse an isolierten Absprachen über die
Objektpacht gehabt. Die Befristung der Entgeltregelungen sei von ihr vorgegeben
worden; von der Möglichkeit, ihrerseits ihm – dem Beklagten – keine Provisionen und
sonstigen Vergütungen mehr zu zahlen, habe die Klägerin keinen Gebrauch gemacht.
Der hilfsweise geltend gemachte Aufrechnungsanspruch bestehe wegen sämtlicher
Mängel, die im Privatgutachten vom 19. Oktober 2007 (Kopie Anlage B10/GA II 210 ff.)
ausgeführt seien. Die Überalterung und das Austauscherfordernis von Kfz-
Waschmaschine, Shopmöblierung, Kasse und Kaffeemaschine zu behaupten, reiche als
Mangelrüge aus; eine weitere Substanziierung sei nicht erforderlich. Mit Beseitigung der
Mangel befinde sich die Klägerin schon deshalb in Verzug, weil sie deren Vorhandensein
hier im Prozess bestritten habe. Die Einrede des nichterfüllten Vertrages dürfe ihm, dem
Beklagten, nicht versagt werden, wenn ihn das gerichtliche Urteil an den Abreden
festhalte.
Der Beklagte beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil abzuändern und
a) die Klage abzuweisen sowie
b) auf die Widerklage die Klägerin zu verurteilen,
aa) die Grundstücke … Straße 4/G. Landstraße in C., Flur 164, Flurstücke 40/4, 43/3,
46/4 und 46/5 der Gemarkung M., zu räumen, ausgenommen die von der Klägerin
errichteten Baulichkeiten, nämlich Tankstellenhäuschen (Shop, Kassenraum,
Aufenthaltsraum, Lager, Anschlussraum, Werkstatt, Mitarbeiter-WC, Herren-WC und
Damen-WC), Tankstellendach mit Stahlstützen, Fahrbahn und Waschhalle mit Lager
sowie die eingebauten Einrichtungen wie Hubbühne in der Werkstatt, Wasch- und
Wasseraufbereitungstechnik in der Waschhalle, Tankstellentechnik (Tankinseln mit
Tanksäulen, Treibstoff- und Elektroleitungen und elektronische
Übermittlungsvorrichtungen) sowie Treibstofftanks und die Agenturwaren,
bb) den Verkehrswert der Baulichkeiten und eingebauten Einrichtungen auf €
20.000,00 zuzüglich Mehrwertsteuer festzustellen und sie dem Beklagten zum
Verkehrswert zu übereignen und
cc) die Löschung der im Grundbuch von M. auf Bl. 21683 unter lfd. Nr. 3 in Abteilung
II zu Gunsten der Klägerin eingetragenen persönlich beschränkten Dienstbarkeit zu
bewilligen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt – ihr bisheriges Vorbringen ebenfalls wiederholend und vertiefend – das ihr
günstige landgerichtliche Urteil. Dazu trägt sie insbesondere Folgendes vor:
Bei dem Grundstücksmietvertrag und dem Tankstellenverwaltungsvertrag handele es
sich um verschiedene Rechtsgeschäfte. Letzterer bedürfe – einschließlich seiner
Zusatzvereinbarungen – nicht der gesetzlichen Schriftform; Ersterer sei formgerecht
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Zusatzvereinbarungen – nicht der gesetzlichen Schriftform; Ersterer sei formgerecht
abgeschlossen worden. Eingeklagt werde keine stillschweigend vereinbarte, sondern die
– in entsprechender Anwendung von § 316 BGB – für 2006 bestimmte Pacht. Soweit in
Urkunden von bis zu einem bestimmten Zeitpunkt „ “ Konditionen
die Rede sei, bedeute dies lediglich, dass sie bis dahin nicht geändert werden könnten;
dennoch würden sie darüber hinaus fortgelten. Die Verpflichtung des Beklagten zur
Pachtzahlung folge aus Nr. II 1 Abs. 1 der Zusatzvereinbarung vom 27./29. Dezember
2000 (Kopie Anlage K3/GA I 16. ff.), die in keinem Falle mit dem 31. Dezember 2002
ausgelaufen sei. Unstreitig hätten sich beide Seiten auch danach in allen Punkten an die
Konditionen gehalten. Die befristete Festschreibung sei im Interesse beider Seiten
gewesen; der Beklagte habe sich dann jedoch gegen eine Neuvereinbarung von
Konditionen gesperrt. Einen Anspruch auf Kostenvorschuss für die Ersatzvornahme von
Mängelbeseitigungen habe der Beklagte nicht: Die behaupteten Mängel seien bestritten
oder längst behoben worden. Verzug habe nicht vorgelegen. Ihre, der Klägerin,
Mitarbeiter seien durch den Beklagten vom Tankstellengrundstück verwiesen worden;
beim Wartungskontraktor lägen keine Meldungen über Mängel vor. Jedenfalls stehe ihr,
der Klägerin, hinsichtlich der Mängelbeseitigung ein verzugsausschließendes
Zurückbehaltungsrecht nach § 320 BGB zu, weil der Beklagte seit Jahren keine
Objektpacht mehr zahle.
Im Termin der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz wurde die Sach- und Rechtslage
mit den Prozessbevollmächtigten der Parteien eingehend erörtert und das Original des
Mietvertrages (Kopie Anlage K13/ GA I 117 ff.) in Augenschein genommen. Auf einen
entsprechenden Hinweis des Senats hat die Klägerin erklärt, dass die von ihr erteilte
Gutschrift auf die Monate Januar und Februar 2006 angerechnet werden soll; im
Umfange von € 44,91 nebst anteiliger Zinsen hat sie – mit Zustimmung des Beklagten –
betreffend den Zeitraum vom 27. April bis zum 22. Mai 2006 die Klage
zurückgenommen (GA III 454R). Zur Darstellung der weiteren Einzelheiten des Sach- und
Streitstandes sowie der bisherigen Prozessgeschichte wird ergänzend auf die
Schriftsätze beider Seiten einschließlich Anlagen, auf sämtliche Terminsprotokolle und
auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen. Nach dem Schluss der mündlichen
Verhandlung ist ein nicht nachgelassener Anwaltsschriftsatz des Beklagten vom 03.
Februar 2009 eingegangen (GA III 456 ff.), mit dem er im Kern um Wiedereröffnung der
mündlichen Verhandlung bittet und zur Begründung ausführt, der Senat habe in vier
Punkten seine Hinweis- und Aufklärungspflicht verletzt.
II.
A. Die Berufung des Beklagten ist zulässig, sie wurde insbesondere form- und
fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517 ff. ZPO). In der Sache selbst bleibt das
Rechtsmittel jedoch erfolglos, nachdem die Klägerin mit ihrer Erklärung, wie die dem
Beklagten erteilte Gutschrift von € 8.471,98 angerechnet werden soll, dem
Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO Rechnung getragen (vgl. dazu
Fischer in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., Kap. VIII
Rdn. 25), und wegen der geringfügigen Zuvielforderung die Klagerücknahme erklärt hat.
Einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung bedarf es insoweit nicht, weil sie in
diesem Umfang bereits kraft Gesetzes wirkungslos geworden ist (§ 269 Abs. 3 Satz 1 2.
Halbs. i.V.m. § 525 Satz 1 ZPO). Die Klägerin kann, wie das Landgericht zutreffend
angenommen hat, vom Beklagten – aufgrund der Vereinbarungen im
Tankstellenverwaltungsvertrag vom 26. Juni/17. Juli 1991 (Kopie Anlage K2/GA I 11 ff.) mit
den nachfolgenden Änderungen und Ergänzungen – auch für das Jahr 2006 die Zahlung
von Objektpacht verlangen. Geschuldet sind nebst Verzugszinsen noch € 43.296,45,
wovon € 808,02 auf den Monat Februar, je € 4.640,00 auf die Monate März sowie Juni bis
Dezember 2006, € 4.021,33 auf den Monat April und € 1.347,10 auf den Monat Mai 2006
entfallen. Der klägerische Anspruch ist keineswegs erloschen; dem Beklagten stehen
aufrechenbare Gegenforderungen nicht zu. Die Widerklage wurde in der Eingangsinstanz
ebenfalls zu Recht abgewiesen. Im Einzelnen gilt Folgendes:
1. Warum der Beklagte der Klägerin auch für das Kalenderjahr 2006 die
schuldet, hat das Landgericht im angefochtenen Urteil detailliert, mit großer Sorgfalt und
völlig zutreffend ausgeführt (LGU 7 ff.). Der Senat nimmt – zur Vermeidung von
Wiederholungen – auf die dortigen Erwägungen Bezug und tritt ihnen bei. Die Angriffe der
Berufung bleiben ohne Erfolg. Dass in dem Tankstellenverwaltungsvertrag (TVV) selbst
von einer Objektpacht keine Rede ist, auch nicht in dessen § 8 Nr. 2, auf den im Abschn.
II 1 der Zusatzvereinbarung vom 27./29. Dezember 2000 (Kopie Anlage K3/GA I 16 ff.)
Bezug genommen wird, ändert nichts daran, dass Zahlungen dieser Art nach dem Willen
beider Seiten von Anfang an durch den Beklagten geschuldet sein sollten. Die Klägerin
hat – als Anlagen K14 bis 19 (GA I 157 ff.) – in Kopie eine lückenlose Kette von
Nachtrags- und Zusatzabreden eingereicht, wonach vom Tankstellenhalter stets eine
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Nachtrags- und Zusatzabreden eingereicht, wonach vom Tankstellenhalter stets eine
Objektpacht zu entrichten war; die erste Nachtragsvereinbarung ist von den Parteien zur
selben Zeit unterzeichnet worden wie der Tankverwaltungsvertrag. Dass die Nutzung des
Objekts durch den Beklagten mit besonders niedrigen Provisionszahlungen seitens der
Klägerin abgegolten sein sollte, wie von ihm in der Eingangsinstanz wiederholt
eingewandt wurde, trifft offensichtlich nicht zu. Da die Klägerin das Objekt nach wie vor
für mangelfrei hält, hatte sie – entgegen der Auffassung des Beklagten – auch keinerlei
Anlass, nach dem 31. Dezember 2002, dem Auslaufen der letzten „ “
der Konditionen auf Pachtzahlungen des Beklagten zu verzichten. Für diesen bestand
offenbar ebenfalls keinerlei Zweifel daran, dass er solche Leistungen – zumindest dem
Grunde nach – zu erbringen hat; bis einschließlich Dezember 2004 und dann noch
einmal im Januar und im Juni 2005 ist der Beklagte seinen diesbezüglichen
Verpflichtungen nachgekommen. Einer konkludenten Abrede über die Fortzahlung von
Objektpacht, deren Zustandekommen der Beklagte verneint, bedurfte es nicht. Dass für
die Nutzung des Objekts ein ortsübliches und angemessenes Entgelt geschuldet wird,
stand für die Parteien von vornherein außer Frage; sie haben lediglich die Höhe für einen
Zeitraum von jeweils zwei Jahren neu bestimmt. Im Übrigen weist die Klägerin in der
Berufungsinstanz völlig zu Recht darauf hin, dass die letzte Zusatzvereinbarung vom
27./29. Dezember 2000 als solche einen Geltungszeitraum nicht ausweist und dass eine
befristete Festschreibung, von der in der zugehörigen Anlage die Rede ist (Kopie Anlage
K4/GA I 21, 22), keineswegs im Umkehrschluss bedeutet, nachfolgend sei
Unentgeltlichkeit vereinbart. Dass die offensichtlich fehlerhafte Bezugnahme in der
Urkunde auf eine andere – wie hier auf § 8 Nr. 2 TVV – unschädlich ist, braucht an dieser
Stelle schon deshalb nicht weiter erörtert zu werden, weil Schriftformfragen im
vorliegenden Zusammenhang noch keine Rolle spielen. Da sich der Beklagte nach wie
vor von dem Rechtsgeschäft mit der Klägerin lösen will, steht ihm die Einrede des
nichterfüllten Vertrages nicht zu; die erst im Ergebnis eines Zivilprozesses vom anderen
Teil erzwungene Vertragstreue steht freiwilliger weder gleich noch kann sie bereits bei
der Rechtsfindung zu Gunsten der vertragsuntreuen Partei berücksichtigt werden.
2. Einen aufrechenbaren Anspruch auf Vorschuss für Aufwendungen zur
Selbstbeseitigung von Mängeln gemäß § 536a Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 581 Abs. 2 und § 242
BGB hat der Beklagte gegen die Klägerin nicht. Denn es kommt ihm, wie sich aus
seinem eigenen Vorbringen ergibt, nicht darauf an, liquide finanzielle Mittel zu erlangen,
um damit den – nach seinen Behauptungen – schlechten Zustandes des Objekts durch
Mangelbeseitigung zu beheben; er will vielmehr allein gegen die Objektpachtforderungen
der Klägerin aufrechnen. Das widerspricht eindeutig dem Sinn und Zweck einer
Vorauszahlung von Aufwendungsersatz durch den Nutzungsgeber. Unabhängig davon
kann einem vertragsuntreuen Mieter, Pächter oder sonstigen Nutzer, der sich von dem
zugrunde liegenden Rechtsgeschäft lösen will und dem deshalb schon kein
Zurückbehaltungsrecht zusteht, erst recht kein Vorschuss zuerkannt werden. Dass ein
Zurückbehaltungsrecht und ein Vorschussanspruch nicht nebeneinander existieren
können, bedarf keiner weiteren Ausführungen. Im Übrigen ist die Klägerin mit der
Beseitigung von etwaigen Mängeln nicht in Verzug geraten. Hinsichtlich der im
Gutachten vom 19. Oktober 2007 (Kopie Anlage B10/GA II 210 ff.) aufgeführten Mängel
fehlt es, wie die Zivilkammer zu Recht angenommen hat (LGU 10), bereits an einer
Mahnung. Eine solche erfordert zwar keine Nachfristsetzung; die bloße Mangelanzeige
reicht dafür aber nicht aus. Entbehrlich war eine Mahnung – entgegen der Auffassung
des Beklagten – ebenfalls nicht. Denn eine Weigerung des Gegners mit der Begründung,
die erbrachte Leistung sei ordnungsgemäß, beinhaltet noch keine ernsthafte und
endgültige Erfüllungsverweigerung im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB (vgl. dazu
Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 281 Rdn. 14, m.w.N.). Angesichts dessen kann
dahinstehen, ob und inwieweit der Klägerin hinsichtlich der Beseitigung von Mängeln
wegen der erheblichen Objektpachtschulden des Beklagten ein – von der Zivilkammer in
Erwägung gezogenes (LGU 10; vgl. ferner Lehmann-Richter NJW 2008, 1196, 1199) –
Zurückbehaltungsrecht gemäß § 320 BGB zusteht, dessen objektive Existenz ausreicht,
um den Eintritt von Schuldnerverzug zu verhindern (vgl. Palandt/Grüneberg aaO, § 320
Rdn. 12, m.w.N.).
3. Die durch den Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 30. Mai 2007 (Kopie Anlage
B3/Sh) erklärte Kündigung hat die vertraglichen Beziehungen der Prozessparteien nicht
beendet. Die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem
Grunde, die der Beklagte als solche in der Berufungsinstanz nicht weiter problematisiert,
sind vom Landgericht zutreffend verneint worden (LGU 15 ff.). Eine ordentliche
Kündigung, die für den Beklagten zugleich ausgesprochen wurde, ist im Streitfall selbst
unter Hinweis auf § 550 i.V. m. § 578 Abs. 1 BGB nicht möglich.
a) Dabei kann im Ergebnis offen bleiben, ob es sich hier bei dem Mietvertrag und dem
Tankstellenverwaltervertrag um zwei selbstständige Rechtsgeschäfte oder um ein
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Tankstellenverwaltervertrag um zwei selbstständige Rechtsgeschäfte oder um ein
einheitliches handelt. Für beide Auffassungen lassen sich gute Argumente finden. Die
urkundliche Trennung, die verschiedenen Abschlussdaten und – nicht zuletzt – die
unterschiedlichen Laufzeitregelungen sprechen für die Eigenständigkeit. Die Motivlage
der Parteien und die Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag vom 17. Juni/11. Juli 1991
(Kopie Anlage K13/GA I 117, 122) lassen sich zur Begründung der Einheitlichkeit
anführen. Der Kartellsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts hat diese im
Vorprozess offenbar bejaht, weil er mit der Unzulässigkeit einer Teilkündigung
argumentiert; allerdings konnte und musste er keine Lösung aufzeigen, wie die
divergierenden Laufzeitbestimmungen zu harmonisieren sind. Ob der Argumentation
des Landgerichts gefolgt werden kann, das offenbar eine nur vorübergehende rechtliche
Einheit annimmt, die während ihrer Existenz zu einer Kündigungssperre führt (LGU 12 f.),
erscheint fraglich, braucht hier aber nicht abschließend beantwortet zu werden. Denn
rechtskräftige Feststellungen, die den Senat beziehungsweise die Parteien im Streitfall
binden, sind weder im Vorprozess noch durch die Eingangsinstanz getroffen worden.
Auch dort handelte es sich stets um eine bloße Vorfrage, deren Beantwortung durch das
jeweils erkennende Gericht, wie die Zivilkammer völlig zutreffend angenommen hat (LGU
14), nicht der materiellen Rechtkraft fähig ist.
b) Der Senat tendiert eher dazu, die Selbstständigkeit beider Verträge anzunehmen. Sie
sollten gewiss nur zusammen „ “; die unterschiedlichen Laufzeitregelungen sind
aber ein deutliches Anzeichen dafür, dass beide keineswegs miteinander „ “
sollten. Für sich betrachtet erfüllt der Mietvertrag zumindest in der Fassung der Zweiten
Zusatzvereinbarung vom 11./21. Januar 1992 (Kopie Anlage K13/GA I 117, 127), der ein
Lageplan beigefügt worden ist und die sowohl auf die Haupturkunde als auch auf die
Zusatzvereinbarung, wenn auch – was unschädlich ist – auf ein dort nicht existente „
“, verweist, das gesetzliche Schriftformerfordernis. Doch selbst wenn man ein
einheitliches Rechtgeschäft für gegeben hält, hilft dies dem Beklagten nicht weiter. Denn
dann handelt es sich um einen eigenständigen Stationärsvertrag, ein komplexes
Rechtsverhältnis in Gestalt eines gemischten Vertrages eigener Art, der die Merkmale
verschiedener Vertragstypen – insbesondere des Dienstvertrages – in sich vereinigt (vgl.
dazu BGHZ 52, 171, 175; OLG Düsseldorf, Urt. v. 29. 06.2000 - 10 U 150/99, OLG-Rp
2001, 7; für Österreich OGH, Urt. v. 28.05.1986 - 1 Ob 537/86, JBl. 1986, 721 [zitiert nach
http://www.ris.bka.gv.at], ferner Gitter, Gebrauchsüberlassungsverträge, § 10 B I c [S.
264 f.]; MünchKommBGB/Häublein, 5. Aufl., Vor § 535 Rdn. 32; Rehbinder, Der
Tankstellenvertrag im Blickfeld der Rechtstatsachenforschung, II 5 [S. 15]). Im
Unterschied zu zusammengesetzten (gekoppelten) Verträgen, bei denen sich die für
einen Vertragsteil geltenden Formvorschriften jedenfalls dann, wenn ihre Verletzung
gemäß § 125 BGB zur Nichtigkeit führt, was nach § 550 BGB ohnehin nicht zutrifft, auf
den Gesamtvertrag erstrecken (vgl. Jauernig/Vollkommer, BGB, 10. Aufl., § 311 Rdn. 29;
Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., Überbl v § 311 Rdn. 16; jeweils m.w.N.), sind
gemischte Verträge etwas Eigenständiges und deshalb unter Berücksichtigung ihres
Schwerpunktes und der Interessenlage der Parteien jeweils mit Blick auf die einzelne
Leistung rechtlich zu beurteilen (vgl. Jauernig/Vollkommer aaO Rdn. 33;
Palandt/Grüneberg aaO Rdn. 25 f.). Bereits deshalb gilt § 550 i.V.m. § 578 Abs. 1 BGB
nicht für den Stationärsvertrag. Durch ihn wird weder ein Miet- noch ein Pachtverhältnis
begründet (vgl. MünchKommInsO/Eckert, 2. Aufl., § 108 Rdn. 20). Ebenso wenig gebietet
der Schutzzweck des § 550 BGB dessen Anwendung auf Stationärsverträge; ein späterer
Erwerber des Grundstücks ist lediglich im Rahmen von § 566 BGB schutzbedürftig und
wird keineswegs kraft Gesetzes Tankstellenhalter.
B. Der nicht nachgelassene Anwaltsschriftsatz des Beklagten vom 03. Februar 2009 (GA
III 456 ff.), der in der Sache selbst kein neues Vorbringen enthält, gibt dem Senat zur
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung keinen Anlass (§ 156 Abs. 1 ZPO). Die
Voraussetzungen, unter denen die mündliche Verhandlung nach § 156 Abs. 2 ZPO
zwingend wieder zu eröffnen ist, liegen im Streitfall nicht vor. Zu Unrecht meint der
Beklagte, der Senat habe – in mehrfacher Weise – gegen die gerichtliche Aufklärungs-
und Hinweispflicht verstoßen. Die Sach- und Rechtslage ist – in Übereinstimmung mit §
139 ZPO – im Termin der mündlichen Verhandlung mit den Prozessbevollmächtigten
beider Seiten eingehend erörtert worden. Dabei wurden alle oben angesprochenen
Fragen behandelt. Ob die Einheit von Tankstellenverwaltungs- und
Grundstücksmietvertrag ein tragender Grund für die Entscheidung des Kartellsenats im
Vorprozess ist, kann dahinstehen; präjudizielle Rechtskraft erwächst daraus, wie später
noch zu vertiefen sein wird, für den Streitfall nicht. Soweit der Prozessbevollmächtigte
des Beklagten den Ausführungen im Termin der mündlichen Verhandlung entnommen
hat, der Senat verlange für einen Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 536a Abs. 2 Nr.
1 BGB eine Nachfristsetzung beziehungsweise eine endgültige Erfüllungsverweigerung,
hat er die Erörterungen – wie die obigen Ausführungen zeigen – offensichtlich
missverstanden. Inwieweit es für den Beklagten überraschend gewesen sein kann, wenn
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missverstanden. Inwieweit es für den Beklagten überraschend gewesen sein kann, wenn
der Senat im Termin – nach einer Zwischenberatung – mitteilt, er halte eine
Beweisaufnahme für nicht erforderlich, ist nicht nachvollziehbar; das Ergebnis einer
solchen Beratung den Parteien schon terminsvorbereitend mitzuteilen, ist unmöglich.
Unabhängig davon lässt der Beklagte offen, was er noch vorgetragen hätte, wenn ihm
die Rechtsauffassung des Senats schon vor der mündlichen Verhandlung mitgeteilt
worden wäre. Schriftsatznachlass ist von keiner Partei beantragt worden. Die
tatsächliche und rechtliche Argumentation des Beklagten hat der Senat zur Kenntnis
genommen und in Erwägung gezogen, jedoch nicht für durchgreifend erachtet.
C. Die Entscheidung über die Prozesskosten des Rechtsstreits zweiter Instanz beruht auf
§ 97 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit dem in § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO enthaltenen
Rechtsgedanken. Danach muss der Beklagte die Kosten der nahezu in vollem Umfange
erfolglosen Berufung tragen, weil er sie eingelegt hat. Die Zuvielforderung der Klägerin,
die durch eine entsprechende Klagerücknahme beseitigt wurde, war mit € 44,91
verhältnismäßig geringfügig und hat keine höheren Prozesskosten veranlasst.
D. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des vorliegenden Urteils ergibt
sich aus § 708 Nr. 10 sowie § 711 Satz 1 und 2 i.V.m. § 709 Satz 2 ZPO. Art und Umfang
der Sicherheitsleistung bestimmt der Senat nach § 108 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter
Berücksichtigung der in § 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO und in § 239 Abs. 2 BGB enthaltenen
Rechtsgedanken.
E. Die Revision wird vom Senat nicht zugelassen, weil es an den gesetzlichen
Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 133 GVG fehlt. Die Rechtssache
hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Bundesgerichtshofes als Revisionsgericht. Die vom Beklagten am Schluss des – nicht
nachgelassenen – Anwaltsschriftsatzes vom 03. Februar 2009 aufgeworfenen
Rechtsfragen (GA III 456, 459) sind im Streitfall bereits nicht entscheidungserheblich.
Unabhängig davon ist seit langem höchstrichterlich geklärt, dass sich die materielle
Rechtskraft allein auf die erstreckt, die der Richter aus dem Sachverhalt
durch Subsumtion geschlossen hat, und keineswegs auf bloße Vorfragen, die in dem
jeweiligen Prozess als solche nicht Streitgegenstand gewesen sind, mögen sie auch
unmittelbar das jeweilige Urteil tragen (vgl. BGHZ GSZ 13, 265, 278; 93, 330, 335,
m.w.N.; ferner Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 322 Rdn. 9 f.; Saenger, Hk-
ZPO, 2. Aufl., § 322 Rdn. 13 ff.; Schellhammer, Zivilprozess, 12. Aufl., Rdn. 877 ff.;
Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., Vor § 322 Rdn. 28, 34 und 36). Aus der Entscheidung
des BGH, Urt. v. 19.11.2003 - VIII ZR 60/03 (WM 2004, 350 = BGH-Rp 2004, 409) folgt,
anders als möglicherweise der Beklagte meint, nichts Abweichendes; dort war die Frage
des Annahmeverzuges in einem Vorprozess Gegenstand einer – rechtskräftig
abgewiesenen – Feststellungsklage. Dass der Senat eine Nachfristsetzung oder eine
endgültige Erfüllungsverweigerung für erforderlich hält, damit der Mieter einen Anspruch
auf Aufwendungsersatz nach § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB erlangen kann, trifft – wie bereits
oben ausgeführt wurde – nicht zu.
F. Der für den beträgt (§ 47 Abs. 1
Satz 1 i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG). Davon entfallen jeweils € 43.341,46 auf die Anfechtung
des Zahlungssausspruchs und auf die Hilfsaufrechnung (§ 3 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz
1 und § 45 Abs. 3 GKG), € 22.087,81 auf den Räumungsantrag (§ 41 Abs. 2 GKG) und €
23.800,00 (€ 20.000,00 + 19 % MwSt) auf den Übereignungsantrag (§ 3 ZPO i.V.m. § 48
Abs. 1 Satz 1 GKG). Der Antrag auf Löschungsbewilligung bleibt wegen des so
genannten Additionsverbots bei wirtschaftlicher Identität, die hier mit dem vom
Beklagten ebenfalls geltend gemachten Räumungsanspruch besteht, außer Ansatz (vgl.
dazu Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl., § 5 Rdn. 8). Der von der Zivilkammer – am Schluss
der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (LGU 18) – für die Eingangsinstanz
festgesetzte Wert bedarf keiner Abänderung, weil er auf derselben Gebührenstufe liegt.
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