Urteil des OLG Brandenburg vom 03.11.2008

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 1.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 Ss 14/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 6 Abs 1 S 1 MRK, § 46 StGB,
§ 358 Abs 2 S 1 StPO
Strafzumessung: Berücksichtigung von
Verfahrensverzögerungen; Bestimmung der Kompensation
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 7. Kleinen Strafkammer des
Landgerichts Potsdam vom 3. November 2008 wird als unbegründet verworfen.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Rechtsmittelverfahrens und die ihm in diesem
erwachsenen notwendigen Auslagen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Potsdam verurteilte am 11. April 2006 den Angeklagten wegen
Volksverhetzung gem. § 130 Abs. 3 StGB zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je
30,00 €. Gegen diese Entscheidung hat der Angeklagte Berufung eingelegt. Die Akte ist
durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft am 14. Juni 2006 beim Landgericht Potsdam
eingegangen. Infolge erheblicher Überlastung der Berufungskammer mit bis zu 1,69
Pensen hat der Vorsitzende erst mit Verfügung vom 30. Juli 2008 Termin zur
Hauptverhandlung auf den 3. November 2008 bestimmen können. Das Landgericht
Potsdam hat mit Entscheidung vom selben Tag die Berufung des Angeklagten mit der
der Maßgabe verworfen, dass die Höhe des Tagessatzes auf 20,00 € herabgesetzt
wurde. Zur Strafzumessung hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass auf Grund der
überlangen Verfahrensdauer von insgesamt 4 Jahren, wobei das Verfahren in der
Berufungsinstanz fast zwei Jahren nicht bearbeitet werden konnte, ein erheblicher
Strafmilderungsgrund gegeben ist. Die Urteilsgründe führen aus, dass ohne
Berücksichtigung der in der Berufungsinstanz eingetretenen Verfahrensverzögerung die
Kammer eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen für tat- und schuldangemessen erachtet
hätte, es jedoch mit Rücksicht auf die Verzögerung einen Abschlag von 30 Tagessätzen
vorgenommen hat.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Angeklagten, die ohne weitere
Ausführungen die Verletzung materiellen Rechts rügt.
II.
1. Die Revision ist gemäß § 333 StPO statthaft und gem. §§ 341, 344, 345 StPO form-
und fristgerecht bei Gericht angebracht worden.
2. In der Sache hat die Revision jedoch keinen Erfolg; sie ist unbegründet.
Die Nachprüfung des Schuldspruchs hat keinen Fehler zum Nachteil des Angeklagten
ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Auch der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat
für die festgestellte Straftat der Volksverhetzung mit rechtsfehlerfreien Erwägungen eine
Geldstrafe von 100 Tagessätzen als eigentlich verwirkt angesehen. Sodann hat es die
festgestellte, mehr als zweijährige Verzögerung des Verfahrens dadurch kompensiert,
dass es die eigentlich verwirkte Geldstrafe um 30 Tagessätze reduziert hat (sog.
Strafzumessungslösung). Aus Rechtsgründen ist zunächst nicht zu beanstanden, dass
die Berufungskammer bei der konkreten Bestimmung der Kompensation von einer an
sich verwirkten Geldstrafe von 100 Tagessätzen ausgegangen ist, die über der
Geldstrafe der vorausgehenden Verurteilung durch das Amtsgericht Potsdam vom 11.
April 2006 zu 70 Tagessätzen liegt. Das Verschlechterungsverbot nach § 358 Abs. 2
StPO verbietet nur, dass das angefochtene Urteil in Art und Höhe der Rechtsfolgen zum
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StPO verbietet nur, dass das angefochtene Urteil in Art und Höhe der Rechtsfolgen zum
Nachteil des Angeklagten geändert wird. Denn der Angeklagte soll bei seiner
Entscheidung darüber, ob er von einem ihm zustehenden Rechtsmittel Gebrauch
machen will, nicht durch die Besorgnis beeinträchtigt werden, es könne ihm durch die
Einlegung eines Rechtsmittels ein Nachteil in Gestalt härterer Bestrafung entstehen (
BGHSt 7, 86, 87; BGHSt 27, 176, 178; BGHSt 29, 269, 270; BGHSt 45, 308, 310). Darin
erschöpft sich grundsätzlich die Bedeutung dieser Rechtsvorschrift; sie hat insbesondere
nicht zur Folge, dass die Auffassungen und Wertungen, die der angefochtenen, aber
aufgehobenen Entscheidung zu Art und Höhe der Rechtsfolge zugrunde lagen, den
neuen Tatrichter in irgendeiner Form binden. Dieser hat vielmehr grundsätzlich über Art
und Höhe der Strafe so zu entscheiden, als ob das (aufgehobene) frühere tatrichterliche
Urteil nicht in der Welt wäre ( BGHSt 7, 86, 88). Hierbei hat er nach seinem eigenen
pflichtgemäßen Ermessen die Einordnung der Tat innerhalb des Strafrahmens
vorzunehmen und ist lediglich im Ergebnis an die durch § 358 Abs. 2 StPO gezogene
Obergrenze gebunden. Hiernach war die Strafkammer nicht gehindert, als an sich
verwirkte Strafe zur Bestimmung des Ausmaßes der Kompensation von einer Geldstrafe
von 100 Tagessätzen auszugehen (vgl. BGHSt 45, 308, 310).
Nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH – Großer Senat, Beschluss vom
17. Januar 2008 – GSSt 1/07 – NJW 2008, 860 ff.) wäre allerdings die Kompensation
wegen eines festgestellten Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK – und als solcher
wäre die im Urteil dargelegte Verfahrensverzögerung von nahezu zwei Jahren aufgrund
Überlastung des Berufungsgerichts zu werten- dadurch vorzunehmen gewesen, dass in
der Urteilsformel auszusprechen ist, dass ein bezifferter Teil der verhängten Strafe als
vollstreckt gilt (sog. Vollstreckungslösung; zur Entwicklung der Rechtsprechung vgl.
Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl. 2009, § 46 Rdnr. 61 ff., 121 ff., insbes. 129 ff.).
Die Nichtanwendung der Vollstreckungslösung führt allerdings nicht zu einer Aufhebung
des Strafausspruchs. Die Kammer hat zur Kompensation der von ihr angenommenen
Verfahrensverzögerung bei der Höhe der Geldstrafe einen Abschlag von 30 %
vorgenommen. Der Senat schließt daher aus, dass der Angeklagte angesichts des von
der Kammer gewährten Umfangs der Kompensation durch die Nichtanwendung der
Vollstreckungslösung beschwert sein könnte.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.
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