Urteil des OLG Brandenburg vom 27.03.2007

OLG Brandenburg: unterbringung, psychiatrisches gutachten, heilbehandlung, therapie, genehmigung, selbstschädigung, verfügung, anhörung, verwahrung, leiter

1
2
3
4
5
6
7
Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht
11. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 Wx 20/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1906 Abs 1 BGB, § 1903 BGB,
§ 70g FGG, § 70m FGG
Voraussetzungen und Verhältnismäßigkeit der Unterbringung in
einer geschlossenen Anstalt
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des
Landgerichts Potsdam vom 27. März 2007 - Az.: 5 T 762/06 - wird zurückgewiesen.
Die Beschwerde des Leiters der Unterbringungseinrichtung wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Seit dem 11. August 2006 ist die Betroffene gem. § 1906 BGB untergebracht. Zuletzt
wurde die Unterbringung durch Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 29.
November 2006 bis zum 29. November 2007 verlängert (Bl. 240 d. A.). Gleichzeitig hat
das Amtsgericht den Einwilligungsvorbehalt für die Vermögenssorge verlängert und eine
Überprüfung zum 29. November 2008 angekündigt. Gegen die Unterbringung in einer
geschlossenen Anstalt hat sich die Betroffene mit der sofortigen Beschwerde vom 6.
Dezember 2006 ebenso gewandt wie gegen die Verlängerung des
Einwilligungsvorbehaltes. Das Landgericht hat die Betroffene und die behandelnden
Ärzte angehört und ein weiteres psychiatrisches Gutachten eingeholt. Sodann hat das
Landgericht die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Es hat die Unterbringung der
Betroffenen auf § 1906 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 gestützt und sich der Bewertung des
Gutachters C. angeschlossen. Wegen der Einzelheiten der Begründung und wegen des
weiteren bisherigen Verfahrensverlaufs wird auf den Beschluss vom 26. Januar 2007,
ebenso auf die in den Akten befindlichen Gutachten, Bezug genommen.
Auf die hiergegen eingereichte sofortige weitere Beschwerde bzw. weitere Beschwerde
der Betroffenen hat der Senat die landgerichtliche Entscheidung mit Beschluss vom 1.
März 2007 (Bl. 345 d. A.) aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Behandlung und
Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen; wegen der Einzelheiten wird auf den
den Beteiligten bekannten Beschluss Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Betreuungsbehörde gem. § 70 d Abs. 1 Nr. 4 FGG beteiligt, die
Stellung bezogen hat (Schreiben vom 22. März 2007; Bl. 359 d. A.). Der Leiter der
Einrichtung hat (Schreiben vom 16. März 2007; Bl. 363 d. A.) die Auffassung geäußert,
eine Behandlung sei unter den derzeitigen Unterbringungsbedingungen nicht möglich.
Durch Beschluss vom 27. März 2007 hat das Landgericht die sofortige Beschwerde
erneut zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt:
Die Unterbringung sei aus den Gründen des Beschlusses vom 26. Januar 2007 gem. §
1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB erforderlich, weil akute Suizidgefahr bestehe. Auch sei die
Unterbringung zur Heilbehandlung gem. § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu Recht angeordnet
worden. Das Landgericht hat insoweit entscheidend auf das Gutachten der
Sachverständigen Sch. und C. abgestellt.
Die Beschwerde gegen die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts hat das Landgericht
ebenfalls für unbegründet gehalten. Der Sachverständige C. habe zur Überzeugung der
Kammer ausgeführt, die Betroffene sei nicht in der Lage, sich bei Vertragsabschlüssen
von angemessenen Handlungs- und Planungsvorstellungen leiten zu lassen.
Gegen diesen Beschluss hat der Verfahrenspfleger der Betroffenen auf deren
Veranlassung mit Schriftsatz vom 10. April 2007, eingegangen beim Landgericht an
diesem Tage, erneute sofortige weitere Beschwerde eingelegt und diese wie folgt
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
diesem Tage, erneute sofortige weitere Beschwerde eingelegt und diese wie folgt
begründet:
Im Anschluss an die Senatsentscheidung vom 1. März 2007 rügt der Verfahrenspfleger,
das Landgericht habe die tatsächliche Möglichkeit der Heilbehandlung in der „H.“ nicht
näher abgeklärt. Im Übrigen bezweifelt er, dass die in der H. durchführbaren
Maßnahmen den Charakter einer Heilbehandlung hätten. Die Betroffene leide nicht unter
einer Krankheit, sondern unter einem - möglicherweise nicht korrigierbaren -
Persönlichkeitsdefizit. Pädagogische Maßnahmen dürften indes nicht zwangsweise
durchgesetzt werden. Der Verfahrenspfleger verweist darauf, dass die Kostenübernahme
noch immer nicht abzusehen sei, weil eine Kostenübernahmeerklärung von der
zuständigen Behörde verweigert werde. Die Unterbringung in der psychiatrischen Klinik
laufe auf eine reine „Verwahrung“ hinaus. Die Sachverhaltsermittlung durch das
Landgericht sei unvollständig, weil die Frage des Drogenkonsums der Betroffenen nicht
hinreichend berücksichtigt worden sei. Auch liege die letzte Exploration durch einen
Sachverständigen zu lange zurück. Schließlich fehle es in der angefochtenen
Entscheidung an der hinreichenden Bestimmung der Art der Heilbehandlung.
Von einer Suizidgefahr im Sinne einer unmittelbar drohenden Gefahr sei nicht bzw. nicht
mehr auszugehen.
Im Hinblick auf den Einwilligungsvorbehalt sei die Verhältnismäßigkeit vom Landgericht
nicht begründet worden, insbesondere im Hinblick auf dessen Dauer.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung vom 10. April 2007
(Bl. 420 d. A.) und den Schriftsatz vom 9. Mai 2007 (Bl. 474 d. A.) Bezug genommen.
Der Leiter des Klinikums … hat sich gegen den Unterbringungsbeschluss mit Schreiben
vom 12. April 2007 gewandt und ausgeführt: Da die Unterbringung in der H. sich als
undurchführbar erwiesen habe, sei auch die Verwahrung der Betroffenen gegen deren
Willen - ohne Aussicht auf erfolgreiche Therapie - unangemessen und stelle einen nicht
vertretbaren Eingriff in ihr Selbstbestimmungsrecht dar. Selbstschädigende Handlungen
der Betroffenen seien nicht in suizidaler Absicht vorgenommen worden.
Im Rechtsbeschwerdeverfahren hat die Betreuerin (Schreiben vom 8. Mai 2007)
mitgeteilt, dass das Jugendamt am 2. Mai 2007 die Kostenübernahme für eine
Unterbringung in der „H.“ nunmehr telefonisch zugesagt habe. Ein Platz in der „H.“ sei
für die Betroffene ab August 2007 frei. Der Verfahrenspfleger hat dagegen die Mitteilung
bekommen, der Platz sei ab dem 1. Oktober frei.
II.
Die Rechtsmittelschrift des Leiters des Klinikums … ist formunwirksam.
Eine weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht muss, wenn sie durch Einreichung
eines Schriftsatzes eingelegt wird, von einem Rechtsanwalt unterzeichnet werden (§ 26
Abs. 1 S. 2 FGG). Eine Ausnahme gilt nur für Behörden (§ 20 Abs. 1 S. 3 FGG). Da das
Klinikum keine Behörde im Sinne der Vorschrift ist, ist das Rechtsmittel als unzulässig zu
verwerfen.
III.
Die sofortige Beschwerde der Betroffenen, vertreten durch ihren Verfahrenspfleger, ist
zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 70 g Abs. 3 S. 1, 70
m Abs. 1, 22 Abs. 1, 27, 29 FGG). Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen die
Anordnung des Einwilligungsvorbehalts richtet, ist ebenfalls das Rechtsmittel der
sofortigen weiteren Beschwerde (§ 69 g Abs. 4 S. 1 Nr. 1 FGG) gegeben und vom
Verfahrenspfleger in zulässiger Weise eingelegt worden.
In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.
1. Soweit sich das Rechtsmittel gegen die Unterbringung gem. § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB
richtet, hat der Senat bereits mit Beschluss vom 1. März 2007 ausgeführt, dass die
diesbezüglichen Feststellungen des Landgerichts - vorbehaltlich des Ergebnisses der
Anhörung der Betreuungsbehörde - die Unterbringung rechtfertigen. Auch durch die im
weiteren Verfahren gewonnenen Erkenntnisse wird die akute Gefahr einer
Selbstschädigung - bis hin zur Selbsttötung - nicht in Frage gestellt. Noch im Schreiben
des Klinikums … vom 2. Mai 2007 (Posteingang; Bl. 460 d. A.) bezieht sich der Chefarzt
Dr. L. auf selbstschädigende Handlungen der Betroffenen, unter anderem durch
Drogenkonsum. Angesichts der vom Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellten, häufigen
19
20
21
22
23
24
25
26
Drogenkonsum. Angesichts der vom Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellten, häufigen
Schädigungshandlungen ist zweifelsfrei von einer erheblichen Wiederholungsgefahr
auszugehen. Auf die Frage, ob den Handlungen der Betroffenen eine
Selbsttötungsabsicht zugrunde liegt, kommt es hierbei nicht an.
Zutreffend ist allerdings, dass der mit der Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik -
ohne dass dort eine Erfolg versprechende Therapie geleistet werden könnte - ein
schwerwiegender Grundrechtseingriff verbunden ist, der in seiner Intensität, wie der
Verfahrenspfleger zutreffend vorbringt, eine Strafhaft in manchen Beziehungen noch
übertrifft. Gleichwohl hat das Landgericht die Unterbringung rechtsfehlerfrei für
verhältnismäßig angesehen. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen,
dass sich während des Rechtsbeschwerdeverfahrens gezeigt hat, dass die
Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Unterbringung gem. § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB - nach
Lage der Dinge ausschließlich zur Abwehr der Selbstschädigung - in absehbarer Zeit
beendet sein wird. Die Betreuerin hat nunmehr erreicht, dass eine Erfolg versprechende
Heilbehandlung spätestens ab Oktober 2007 beginnen kann, weil sowohl eine
Kostenzusage vorliegt, als auch ein Platz in der „H.“ verfügbar sein wird. Insbesondere
die nunmehr vorhandene Aussicht auf eine nachhaltige Therapie in angemessener Frist
lassen eine zeitlich begrenzte Unterbringung in der psychiatrischen Anstalt nicht als
unverhältnismäßig erscheinen.
Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde das Fehlen des Schlussgesprächs (§§ 70 c S. 5,
68 Abs. 5 S. 1 FGG). Zwar ist das Schlussgespräch grundsätzlich vorgeschrieben; hier
bestand für die Durchführung eines Gesprächs insbesondere deshalb Anlass, weil die
Anhörung der Betroffenen vor der Einholung des Sachverständigengutachtens lag. Auch
setzt sich der angefochtene Beschluss nicht mit der Frage auseinander, aus welchen
Erwägungen das Landgericht auf das Schlussgespräche verzichtet hat. Gleichwohl führt
dieser Verfahrensfehler nicht zur Aufhebung des Beschlusses; denn es ist nicht
ersichtlich und wird von der Rechtsbeschwerde auch nicht im Einzelnen vorgebracht,
dass die Durchführung eines Schlussgesprächs zur Gewährung rechtlichen Gehörs oder
zur Sachaufklärung erforderlich gewesen sind. Dies gilt hier vor allem deshalb, weil der
Verfahrenspfleger, wie seine schriftsätzlichen Äußerungen belegen, in regelmäßigem
Kontakt mit der Betroffenen stand und schon im landgerichtlichen Verfahren von der
Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, sich im Sinne der Betroffenen umfassend zu äußern.
Schließlich kann nicht außer Betracht bleiben, dass eine eingehende Erörterung der
Gutachten mit der Betroffenen nach Einschätzung der Sachverständigen ohnehin nicht
angezeigt ist.
2. Die Beschwerde hat auch insoweit keinen Erfolg, als sie sich gegen eine Unterbringung
der Betroffenen gem. § 1906 Abs. 1 S. 2 BGB richtet.
Zutreffend weist die Rechtsbeschwerde darauf hin, dass der angefochtene Beschluss
keine Ausführungen zu der Frage enthält, welche tatsächlichen Möglichkeiten zur
Durchführung einer Heilbehandlung der Betroffenen bestehen, obgleich der Senat
bereits im Beschluss vom 1. März 2007 (Ziffer II 3 a) dahingehende Feststellungen für
erforderlich gehalten hat. Die Kammer ist vielmehr davon ausgegangen, dass zum
Zeitpunkt ihrer Entscheidung eine solche Möglichkeit nicht bestehe (S. 12 unten, S. 13
oben des angefochtenen Beschlusses).
Die Genehmigung der Unterbringung stellt sich jedoch gleichwohl als rechtmäßig dar,
weil, wie ausgeführt, nunmehr ein Therapieplatz in der „H.“ in überschaubarer Frist zur
Verfügung stehen wird.
Die dort zur Verfügung stehenden Therapiemöglichkeiten hat das Landgericht mit Recht
als Heilbehandlung angesehen und nicht als (nur) pädagogisch zu bewertende
Maßnahme. Hierbei hat das Landgericht sich - in Kenntnis der teilweise
entgegenstehenden Stellungnahmen der behandelnden Ärzte - die Einschätzung des
Sachverständigen Sch., ohne dass Rechtsfehler erkennbar sind, zu Eigen gemacht, und
ist zu der Auffassung gelangt, dass eine Unterbringung zur Durchführung einer
Krankheitsbehandlung erforderlich ist.
Das Landgericht hat zwar die Art dieser Unterbringung nicht im Entscheidungstenor zum
Ausdruck gebracht; durch die Bezugnahme auf das Gutachten der Sachverständigen
Sch. und C. und die in den Akten als einzig nahe liegende Möglichkeit erörterte
Unterbringung in der „H.“ wird jedoch hinreichend deutlich, dass die Genehmigung der
Unterbringung gem. § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB sich nur auf eine solche in der „H.“ oder
einer dieser vergleichbaren geschlossenen pädagogisch-therapeutischen Einrichtung
beziehen kann.
In Bezug auf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bleibt anzumerken, dass von Seiten
26
27
In Bezug auf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bleibt anzumerken, dass von Seiten
des Gerichts die Unterbringung nicht angeordnet wird, sondern lediglich eine
Genehmigung für eine dahingehende Anordnung von Seiten der Betreuerin
ausgesprochen wird. Sowohl für die Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 als auch
nach Nr. 2 BGB gilt, dass die Betreuerin sie zu unterbrechen hat, wenn die
Voraussetzungen (Selbstschädigungsgefahr bzw. Notwendigkeit und Erfolgsmöglichkeit
der Heilbehandlung) nicht mehr gegeben sind.
3. Schließlich begegnet die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts (§ 1903 Abs. 1 BGB)
keinen Bedenken; auf die landgerichtliche Entscheidung wird zur Vermeidung von
Wiederholungen Bezug genommen. Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit
ist die Dauer von zwei Jahren nicht zu beanstanden, zumal die Betreuerin, sobald der
Anlass für die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts in Wegfall gerät, dem
Vormundschaftsgericht Mitteilung zu machen hat (§§ 1903 Abs. 4, 1901 Abs. 5 S. 1
BGB).
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum