Urteil des OLG Brandenburg vom 28.08.2007

OLG Brandenburg: mais, anbau, bewirtschaftung, verbraucherschutz, bundesamt, saatgut, inverkehrbringen, gefährdung, umwelt, nutzungsänderung

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht
Senat für
Landwirtschaftssachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 U (Lw) 138/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 585 BGB, § 586 Abs 1 S 3
BGB, § 590a BGB, § 1 Nr 1
GenTG, § 1 Nr 2 GenTG
Landpachtvertrag: Vertragsmäßigkeit des Anbaus von
genverändertem Mais; Beweislastumkehr bei Unklarheit über
die Auswirkung auf die Ertragsfähigkeit des Bodens
Tenor
Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts -
Landwirtschaftsgericht - Neuruppin vom 28. August 2007 - 44 Lw 36/07 - wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Verfügungsklägerin.
Gründe
I.
Die Verfügungsklägerin als Verpächterin der landwirtschaftlichen Nutzfläche der
Gemarkung K., Flur 2, Flurstück 18/2, mit einer Größe von 17,4738 ha, verlangt von der
Verfügungsbeklagten die Unterlassung des Anbaus von gentechnisch verändertem Mais
der Maislinie MON 810 und - erstinstanzlich - Beseitigung der auf der Pachtfläche
vorhandenen Pflanzen. Da die Pflanzen zwischenzeitlich abgeerntet wurden, haben die
Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich des Beseitigungsbegehrens übereinstimmend für
erledigt erklärt.
Die Verfügungsbeklagte hat mit Vertrag vom 27. Dezember 2000 landwirtschaftliche
Nutzflächen im Umfang von ca. 41,29 ha von einem Herrn T. A. für eine Pachtzeit von
zehn Jahren angepachtet. Die Pachtzeit läuft vom 01. Januar 2001 bis zum 31.
Dezember 2010. Gegenstand des Pachtvertrages ist unter anderem die Ackerfläche in
der Gemarkung K. Flur 2, Flurstück 18/2. Mit notariellem Vertrag vom 27. Dezember
2000 (Urkunde des Notars … V., UR-Nr. 782/2000) veräußerte der Verpächter T. A. die
landwirtschaftlichen Nutzflächen des Pachtvertrages an die Verfügungsklägerin, die am
20. Oktober 2004 als Eigentümerin in das Grundbuch von K. Blatt 309 eingetragen
wurde.
Im Anbaujahr 2007 baute die Verfügungsbeklagte auf der Ackerfläche der Gemarkung
K., Flur 2, Flurstück 18/2, gentechnisch veränderten Mais der Linie MON 810 an. Diese
Sorte bildet sogenannte Bt-Toxine aus, die der Abwehr des Schädlings Maiszünsler
dienen. Die bereits 1998 erteilte EU-Zulassung (durch Frankreich) für das
Inverkehrbringen von gentechnisch verändertem Mais der Linie MON 810 schränkte das
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) mit Bescheid vom
27. April 2007 dahingehend ein, dass die Abgabe von Saatgut an Dritte erst erfolgen
darf, nachdem das Herstellerunternehmen MONSANTO einen Plan zur Beobachtung der
Umweltauswirkung vorgelegt haben wird. Das Bundesamt wies zur Begründung des
Bescheides insbesondere darauf hin, dass nach neueren Erkenntnissen von einer
potentiellen Gefährdung von Nichtzielorganismen durch Bt-Toxine im Boden auszugehen
und deshalb eine eingehendere Überwachung notwendig sei. In seiner ergänzenden
schriftlichen Stellungnahme vom 18. Mai 2007 führte das Bundesamt aus, dass
Landwirte, die - wie unstreitig auch die Verfügungsbeklagte - das Saatgut der Maislinie
MON 810 bereits vor Erlass des Bescheides vom 27. April 2007 erworben und angebaut
haben, von diesem nicht betroffen werden.
Die Verfügungsklägerin hat vorgetragen, die Verwendung der Maissorte MON 810
widerspreche wegen der damit einhergehenden Gefährdung der Umwelt, der
Bodenorganismen und der Ertragsfähigkeit des Bodens durch Bt-Toxine den Regeln
einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung und stelle daher einen vertragswidrigen
Gebrauch der Pachtsache dar, wohingegen die Verfügungsbeklagte eingewandt hat,
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Gebrauch der Pachtsache dar, wohingegen die Verfügungsbeklagte eingewandt hat,
dass durch die Maispflanzen in den Boden eingetragene Bt-Toxine dort nicht lange
verblieben und negative Auswirkungen nicht nach sich ziehen würden; vielmehr würden
die Toxine rasch abgebaut, so dass nur geringfügige Mengen unterhalb der
Wirkungsschwelle die Vegetationsperiode überdauern würden.
Wegen des Parteivorbringens im Einzelnen sowie wegen der getroffenen Feststellungen
wird auf das erstinstanzliche Urteil des Landwirtschaftsgerichts Bezug genommen.
Mit Urteil vom 28. August 2007 hat das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - den
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es
ausgeführt, die Verfügungsklägerin habe weder einen Verfügungsanspruch noch einen
Verfügungsgrund glaubhaft machen können. Ein pachtvertraglicher Anspruch der
Verfügungsklägerin auf Unterlassung des Anbaus von gentechnisch verändertem Mais
und Beseitigung der bereits angewachsenen Pflanzen aus §§ 590 a, 586 Abs. 1 Satz 3
BGB wegen vertragswidrigen Gebrauchs der Pachtsache durch die Verfügungsbeklagte
bestehe nicht. Durch den Anbau von gentechnisch verändertem Mais der Linie MON 810
habe die Verfügungsbeklagte nicht gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen
Bewirtschaftung der Pachtsache verstoßen. Im Hinblick auf die gesetzgeberische
Wertung im Gentechnikgesetz, wonach der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen
grundsätzlich zulässig und der konventionellen sowie der ökologischen Erzeugung
gleichgestellt sei, sowie des Umstandes, dass von einer fortbestehenden Zulassung der
Maissorte MON 810 auszugehen sei, stelle sich der Anbau der Maissorte als
ordnungsgemäße Bewirtschaftung im Sinne des § 586 Abs. 1 Satz 3 BGB dar. Dies treffe
jedenfalls dann zu, wenn der Anbau unter Beachtung der gesetzlich vorgeschriebenen
Vorsorgemaßnahmen erfolge, die die Verfügungsbeklagte hier eingehalten habe. Die
Verfügungsbeklagte habe auch unter Beachtung des Bescheides des Bundesamtes für
Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vom 27. April 2007 ein zugelassenes
Saatgut mit der Maislinie MON 810 ausgebracht. Die Verfügungsklägerin könne sich
nicht darauf berufen, dass nach neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen von einer
konkreten Gefährdung von Boden und Umwelt durch gentechnisch veränderte Pflanzen
auszugehen sei. Denn maßgebend sei, ob eine konkrete erhebliche Beeinträchtigung
der nachhaltigen Ertragsfähigkeit der Pachtfläche drohe. Der Bescheid des
Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vom 27. April 2007
gehe lediglich von einer potentiellen Gefährdung von Nichtzielorganismen, also von
möglichen aber nicht bereits feststehenden Schadensfolgen, aus. Zwischen den
Parteien sei aber gerade streitig, in welchem Umfang die in den Boden eindringenden
Bt-Toxine langfristig nachteilige Auswirkungen auf die Bodenorganismen mit sich
brächten, und die Parteien hätten hierzu widersprüchliche wissenschaftliche
Stellungnahmen vorgelegt, wobei es noch keine standardisierte Methode zur Messung
von Bt-Toxinen im Boden gebe. Des Weiteren habe die Verfügungsklägerin nicht im
Einzelnen dargelegt, inwiefern die nachhaltige Ertragsfähigkeit der Pachtfläche erheblich
beeinträchtigt sei. Das Problem des ungewollten Durchwuchses gentechnisch
veränderter Maispflanzen, das in N., aber nicht in Brandenburg aufgetreten sei, führe
nicht zur Substanziierung eines Verstoßes gegen eine ordnungsgemäße
Bewirtschaftung. Ebenso wenig liege ein vertragswidriger Gebrauch der Pachtsache
wegen einer Änderung der Nutzungsart ohne erforderliche Erlaubnis im Sinne des § 590
BGB in Verbindung mit § 8 des Pachtvertrages vor. Unabhängig von der Frage, ob hier
durch den Anbau von gentechnisch verändertem Mais überhaupt eine
Nutzungsartänderung vorliege, sei diese nicht erlaubnispflichtig. Denn der Anbau des
gentechnisch veränderten Maises stelle vorliegend eine ordnungsgemäße
Bewirtschaftung dar. Darüber hinaus sei nicht glaubhaft gemacht, dass der Anbau von
gentechnisch verändertem Mais Auswirkungen über die Pachtzeit hinaus mit sich bringe.
Maßgeblich sei nicht eine etwaige Ertragsminderung, sondern die Frage, ob die
Nutzungsänderung nach einer ex ante Beurteilung voraussichtlich bis Ende der Pachtzeit
beseitigt werden könne. Bei einer bis zum Jahre 2010 laufenden Pachtzeit sei dies
grundsätzlich möglich. Der Verfügungsklägerin stehe auch kein eigentumsrechtlicher
Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB zu, da sie im Rahmen des zwischen den Parteien
bestehenden Pachtverhältnisses verpflichtet sei, den Anbau von gentechnisch
verändertem Mais der Linie MON 810 zu dulden. Die Verfügungsklägerin habe auch
einen Verfügungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Im Hinblick auf die bevorstehende
Ernte des Maises Mitte September 2007 sei eine relativ geringfügige
Schadensintensivierung durch Eintrag von Bt-Toxinen in den Boden zu besorgen, so
dass es nicht angemessen sei, der Verfügungsbeklagten noch aufzugeben, die Flächen
vorzeitig abzuernten und dadurch einen entsprechenden wirtschaftlichen Schaden
hinzunehmen. Die Verfügungsklägerin könne sich letztlich auch nicht mit Erfolg auf das
Haftungsrisiko aus § 906 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 36 a Gentechnikgesetz
berufen. Vielmehr lege der Regelungszusammenhang der Bestimmungen nahe, dass
allein der Nutzer des emittierenden Grundstücks, also der Pächter, und nicht der
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allein der Nutzer des emittierenden Grundstücks, also der Pächter, und nicht der
Verpächter ausgleichspflichtig sei. Dies gelte hier insbesondere im Hinblick auf die
Regelungen im Pachtvertrag, der keine entsprechenden Festlegungen enthalte. Die von
der Verfügungsklägerin befürchteten negativen Auswirkungen des Anbaus von
gentechnisch verändertem Mais auf das Image des von ihr betriebenen Tierhotels sei
nicht nachvollziehbar.
Gegen das ihr am 03. September 2007 zugestellte Urteil hat die Verfügungsklägerin mit
einen am 04. Oktober 2007 per Fax eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und
dieselbe mit einem per Fax am 05. November 2007, einem Montag, eingegangenen
Schriftsatz begründet.
Mit Bescheid vom 06. Dezember 2007 hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und
Lebensmittelsicherheit den Bescheid vom 27. April 2007 über die Einschränkung des
Inverkehrbringens der Maissorte MON 810 aufgehoben, da die Genehmigungsinhaberin
alle Auflagen und Bedingungen des Bescheides vom 27. April 2007 erfüllt habe.
Die Verfügungsklägerin rügt mit ihrer Berufung unter Wiederholung und Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Vorbringens die Verletzung materiellen Rechts. Entgegen der
Argumentation des Landwirtschaftsgerichts stelle der Anbau der Maislinie MON 810
einen vertragswidrigen Gebrauch der Pachtsache dar, weil ein Verstoß gegen die Pflicht
zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung vorliege. Entgegen dem Landwirtschaftsgericht
könne nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Zulassung des Maises
der Linie MON 810 fortbestehe. Die ursprüngliche Genehmigung des Inverkehrbringen
von MON 810 sei ausgelaufen. Nach § 16 Abs. 2 Satz 2 Gentechnikgesetz bestehe für
die Maislinie MON 810 nur eine Genehmigungsfiktion . Es werde aktuell eine erneute
Risikofolgenabschätzung vorgenommen (insoweit wird auf das Vorbringen in der
Antragsschrift Seite 4 ff verwiesen). Das Bundesamt für Verbraucherschutz und
Lebensmittelsicherheit habe mit Bescheid vom 27. April 2007 das Ruhen der Zulassung
über das Inverkehrbringen von Mais der Linie MON 810 angeordnet.
Auch die französische Regierung habe am 25. Oktober 2007 den Anbau
genmanipulierter Pflanzen (Anlagenkonvolut Nr. 27 des Antragstellers) gestoppt. Ferner
hätten zahlreiche Staaten bereits seit Jahren den Anbau von Mais der Maislinie MON 810
verboten (z. B. Polen, Österreich). Es werde vorliegend die Untersagung des Anbaus
wegen des in den neueren Untersuchungen nachgewiesenen höheren
Gefahrenpotentials begehrt; hierfür streite das in § 1 Abs. 1 Nr. 1 Gentechnikgesetz
normierte Vorsorgeprinzip. Der Anbau von gentechnisch verändertem Mais der Linie
MON 810 entspreche wegen der damit verbundenen Gefahren für die Umwelt nicht den
Anforderungen des Vorsorgegebotes und sei deshalb keine ordnungsgemäße
Bewirtschaftung der Pachtfläche. Der Verstoß ergebe sich aus den neueren
wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie aus der Begründung des Bescheides des
Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vom 27. April 2007. Auf
diese Interessenabwägung des Bundesamtes könne sich auch die Verpächterin berufen
und sich zu Eigen machen. Das vom Amtsgericht herangezogene Koexistenzprinzip sei
gegenüber dem Schutzzweck in § 1 Nr. 1 Gentechnikgesetz - dem Vorsorgeprinzip -
nachrangig. Auch der Umstand, dass es nicht möglich sei, den Umfang und die
Wahrscheinlichkeit einer schädlichen Auswirkung des Bt-Toxin zu klären, entbinde nicht
von der Einhaltung des Vorsorgegebots. Zu Unrecht habe das Landwirtschaftsgericht
eine erhebliche Beeinträchtigung der nachhaltigen Ertragsfähigkeit des Bodens verneint.
Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit gehe davon aus,
dass der Mais der Linie MON 810 durch Wurzelausscheidungen sowie
Zersetzungsprozesse Bt-Toxin an den Boden abgibt, das länger als 200 Tage
nachweisbar bleibe, was zu einer höheren potentiellen Gefährdung führe. Dass sich eine
Veränderung der Bodenorganismen langfristig negativ auf die Ertragsfähigkeit des
Bodens auswirken werde, sei anzunehmen. Im Übrigen sei es auch im Land Brandenburg
zum Durchwuchs gentechnisch veränderter Maispflanzen gekommen, und zwar im
Landkreis M. bei S. zwischen den Orten I. und G., wie dies von dem Naturschutzbund
Deutschland e. V. festgestellt und dokumentiert worden sei. Diese Problematik solle in
der Verordnung zur guten fachlichen Praxis auch geregelt werden.
Da der Mais auf dem Flurstück 18/2 zwischenzeitlich abgeerntet worden ist, haben die
Parteien die Anträge aus der Antragsschrift vom 04. Juli 2007 Ziffer 2 und 4
übereinstimmend für erledigt erklärt mit wechselseitigen Kostenanträgen.
Die Verfügungsklägerin beantragt,
1. unter Abänderung des am 28. August 2007 verkündeten Urteils des
Amtsgerichts Neuruppin - Landwirtschaftsgericht - Az. 44 Lw 36/07 - wird der
Berufungsbeklagten untersagt, auf der von (ihr) gepachteten landwirtschaftlichen Fläche
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Berufungsbeklagten untersagt, auf der von (ihr) gepachteten landwirtschaftlichen Fläche
der Gemarkung K., Flur 2, Flurstück 18/2, gentechnisch veränderten Mais der Linie MON
810 anzubauen;
2. unter Abänderung des am 28. August 2007 verkündeten Urteils des
Amtsgerichts Neuruppin - Landwirtschaftsgericht - Az. 44 Lw 36/07 - wird der
Berufungsbeklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassung ein
Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht
beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Verfügungsbeklagte führt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens
aus, dass der Anbau von Mais der Linie MON 810 auf Grund des Bestandsschutzes
zulässig sei, was im Einzelnen unter Anführung der gesetzlichen Vorschriften ausgeführt
wird. Des Weiteren wendet sie ein, dass keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse
vorlägen und verweist darauf, dass ein Eilantrag gegen die Entscheidung des
Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelschutzrecht vor dem
Verwaltungsgericht Braunschweig zurückgewiesen worden sei. Unter Hinweis auf den
Bescheid des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vom 27.
April 2007 führt sie aus, dass keine schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt und die
menschliche Gesundheit durch den Anbau von Mais der Linie MON 810 hervorgerufen
würden. Der Bescheid sei lediglich auf Weisung des zuständigen Bundesministeriums
ergangen. Eine eigene Risikowertung im Rahmen der Ermessensausübung habe die
Erlassbehörde nicht vorgenommen. Im Hinblick auf den Umweltfaktor Boden habe das
Bundesamt im Gegenteil Bezug genommen auf die Studien des Bundesamtes für
Naturschutz, das darauf hingewiesen habe, dass das Bt-Toxin als ausgesprochen
umweltfreundliches Pflanzenschutzmittel, das seit Jahrzehnten im biologischen
Pflanzenschutz verwendet werde, gelte, wobei es in der Literatur nur Spekulationen
gebe, aber keine Belege für eine Akkumulation von Bt-Toxin im Boden im Sinne einer
Anreicherung von toxikologisch bedenklichen Bt-Konzentrationen für
Nichtzielorganismen, so dass sich ein besonderes Risiko von MON 810 aus dem
Wissensstand Boden aus der Sicht des BVL nicht ableite. Die fachbehördliche
Einschätzung gehe demnach nicht von einer negativen Auswirkung des Anbaus von Mais
der Linie MON 810 durch Bt-Toxin-Eintrag in den Boden aus. Der Bescheid des
Bundesamtes vom 27. April 2007 sei auf Grund einer Weisung, die politisch motiviert sei,
erlassen worden. Die zentrale Kommission für die biologische Sicherheit teile die
Einschätzung des BVL nicht, dass ein berechtigter Grund zur Annahme bestehe, dass
der Anbau von Mais der Linie MON 810 eine Gefahr für die Umwelt darstelle. Die
Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft, Institut für Agroökologie in Braunschweig,
komme zu dem Schluss, dass die Bt-Konzentrationen im Boden so gering seien, dass
negative Auswirkungen auf Bodenorganismen nicht zu erwarten seien. Ackerbauliche
Maßnahmen zur Bekämpfung des Maiszünslers, wie sie die Verfügungsklägerin als
Alternative darstelle, seien nicht geeignet, um erfolgversprechend zu wirken. Das
Unterpflügen der zerkleinerten Maisstoppeln stelle auch aus ökologischer Sicht eine
nicht mehr zeitgemäße Bodenbearbeitungsform dar.
II.
Die Berufung der Verfügungsklägerin ist gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, §§ 516, 517,
519, 520 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet
worden.
In der Sache hat die Berufung der Verfügungsklägerin keinen Erfolg.
Die Verfügungsklägerin kann von der Verfügungsbeklagten keine strafbewehrte
Unterlassung des Anbaus von gentechnisch verändertem Mais der Linie MON 810
verlangen. Denn die darlegungs- und beweispflichtige Verfügungsklägerin hat einen
solchen Verfügungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Der Anbau von gentechnisch
verändertem Mais der Linie MON 810 stellt sich im Verhältnis der Pachtvertragsparteien
nicht als vertragswidriger Gebrauch der Pachtsache dar.
Ein pachtvertraglicher Unterlassungsanspruch wäre nur dann gegeben, wenn sich der
Anbau des gentechnisch veränderten Maises der Linie MON 810 als vertragswidriger
Gebrauch der Pachtsache darstellt, § 590 a BGB, sei es, weil es sich bei dem Anbau
dieser Maissorte nicht um eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Pachtsache
handelt oder sei es, weil es sich um eine pachtzeitüberschreitende Nutzungsänderung
im Sinne des § 590 Abs. 2 Satz 1 BGB, die erlaubnispflichtig wäre, handelt.
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Dies ist aber nicht der Fall.
Wie das Landwirtschaftsgericht zutreffend dargelegt hat, hat die Verfügungsbeklagte mit
dem Anbau von gentechnisch verändertem Mais weder gegen die Pflicht zur
ordnungsgemäßen Bewirtschaftung der Pachtsache verstoßen noch vertragswidrig von
der Pachtsache Gebrauch gemacht. Unstreitig enthält der Pachtvertrag vom 27.
Dezember 2000, in den die Verfügungsklägerin als Erwerberin unter anderem auch der
Pachtfläche K., Flur 2, Flurstück 18/2, eingetreten ist, keine Vereinbarungen betreffend
zu beachtende Umweltauflagen oder Naturschutzmaßnahmen.
Der Anbau des gentechnisch veränderten Mais auf der Pachtfläche des Flurstücks 18/2
der Flur 2 der Gemarkung K. widerspricht nicht einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung
der Pachtsache im Sinne des § 586 Abs. 1 Satz 3 BGB.
Eine Bewirtschaftung ist dann ordnungsgemäß, wenn sie nach den einschlägigen
technischen und wirtschaftlichen Regeln substanzschonend und erhaltend ausgeführt
wird. Darunter sind solche Maßnahmen zu verstehen, die nach allgemeiner Auffassung
unter Landwirten geeignet sind, einen ordentlichen, durchschnittlichen Anforderungen
genügenden Bewirtschaftungszustand zu erreichen oder zu erhalten. Der Pächter muss
unter Beachtung der Regeln der Agrikultur und der guten fachlichen Praxis die
Pachtsache substanzschonend gebrauchen, wozu auch die Erhaltung eines unbelasteten
Bodens zählt. Denn die Pflicht zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung verlangt von dem
Pächter insbesondere, dass er die nachhaltige Ertragsfähigkeit der Pachtsache
sicherstellt. Deshalb hat er alles zu unterlassen, wodurch die Pachtsache künftig nicht
mehr in der bisherigen Weise genutzt werden kann (Faßbender/Hötzel/Lukanow,
Landpachtrecht, 3. Aufl., § 586 Rn. 36 ff; Staudinger/von Jeinsen, BGB, § 586 Rdn. 35 ff;
vgl. auch BGH NJW-RR 2001, S. 272, 274; OLG Celle, AgrarR 1994, S. 209).
Entgegen der Auffassung der Verfügungsklägerin ist die Zulassung der Maissorte MON
810 nicht widerrufen worden. Auch die Zustimmung zum Inverkehrbringen dieser
Maissorte ist nicht widerrufen worden. Mit dem Bescheid des Bundesamtes für
Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vom 27. April 2007 wurde das teilweise
Ruhen der Zustimmung über das Inverkehrbringen dieser Maissorte angeordnet, soweit
es den Anbau dieser Maissorte in Deutschland betrifft, und dessen Anbau von
bestimmten Bedingungen abhängig gemacht, die Nachweispflichten des
Herstellers/Genehmigungsinhabers gegenüber dem Bundesamt für Verbraucherschutz
und Lebensmittelsicherheit betreffen. Bereits abgegebenes oder ausgesätes Saatgut ist
von dieser Maßnahme nicht betroffen. Daraus ergibt sich, dass dem Grundsatz nach die
Zulassung von Mais der Linie MON 810 zum Anbau und damit auch konsequenter Weise
zur Verwendung für Lebensmittel- und Futtermittelzwecke nicht betroffen ist. Soweit die
Verfügungsklägerin vorträgt, dass die ursprüngliche Genehmigung für das
Inverkehrbringen von Mais der Linie MON 810 ausgelaufen sei, hat die
Verfügungsbeklagte unwidersprochen vorgetragen, dass die von Seiten des Herstellers
im Mai 2007 zu stellenden Anträge auf Erneuerung der bestehenden Zulassung
rechtzeitig bei der Europäischen Kommission gestellt und entsprechend veröffentlicht
worden sind, so dass sich für die Zulassung von Mais der Linie MON 810 ein
Bestandsschutz ergibt, der durch die Regelung in § 16 Abs. 2 Satz 2 Gentechnikgesetz in
der nationalen Rechtsordnung fortwirkt. Demzufolge hat der Bescheid des Bundesamtes
für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vom 27. April 2007 nicht dazu geführt,
dass die Verfügungsbeklagte ein nicht zugelassenes Saatgut für die Bewirtschaftung der
Pachtfläche auf dem Flurstück 18/2 verwendet hat.
Soweit sich die Verfügungsklägerin darauf beruft, nach neueren wissenschaftlichen
Erkenntnissen bestehe ein höheres Gefährdungspotential für den Boden, weil die
Wirkung und die Verweildauer des in den Pflanzen gebildeten Toxins im Boden ungeklärt
sei und es länger als 200 Tage und damit über die Vegetationsperiode hinaus
nachweisbar sei, kann mit dem für das einstweilige Verfügungsverfahren erforderlichen
Maß der Glaubhaftmachung (überwiegende Wahrscheinlichkeit) nicht festgestellt werden,
dass die nachhaltige Ertragsfähigkeit der Pachtsache durch den Anbau des Maises der
Linie MON 810 beeinträchtigt wird. Bereits die Anknüpfungstatsachen, die zur Wertung
führen, eine Gefährdung des Bodens sei gegeben, sind in ihren Auswirkungen, wie sich
dem jeweiligen Vortrag der Parteien entnehmen lässt, wissenschaftlich umstritten und
zwischen den Parteien streitig. Gesichert ist nur, dass Bt-Toxin über die Pflanzen in den
Boden gelangt, jedoch sind Wirkung und Wirkungsschwellen zwischen den Parteien
streitig, wobei auch die wissenschaftlichen Methoden zur Feststellung der Wirkung und
Wirkungsschwellen des Bt-Toxins im Boden von den Parteien in Frage gestellt werden.
Aufgrund dieser Sachlage kann nicht festgestellt werden, dass beim Anbau von Mais der
Sorte MON 810 ein Risiko für Nichtzielorganismen besteht. Im Bescheid des BVL vom 27.
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Sorte MON 810 ein Risiko für Nichtzielorganismen besteht. Im Bescheid des BVL vom 27.
April 2007 wird insoweit lediglich ausgeführt, bei Untersuchungen sei deutlich geworden,
dass und in welchem Ausmaß das Bt-Toxin in höhere Nahrungskettenglieder gelange,
ohne dies jedoch näher zu präzisieren. In einer Stellungnahme des BVL zum Schreiben
des Bundesamtes für Naturschutz zur Risikobewertung im Rahmen des
Inverkehrbringens von GVO und des Risikomanagements und Monitoring für
gentechnisch veränderten Mais der Linie MON 810 sind ausgeführt „dass es zwar dem
Bundesamt für Naturschutz zustimme, dass Nahrungskettenglieder höhere trophischer
Ebenen über die Nahrungskette gegenüber dem Bt-Toxin exponiert sein können. Das
BVL könne aus den bisherigen Publikationen keine spezifischen (schädlichen)Wirkungen
des MON 810-Mais auf die Umwelt erkennen. ... Ein Risiko von MON 810-Mais lasse sich
aus dem Wissensstand Nichtzielorganismen aus Sicht des BVL nicht ableiten.“
Soweit die Berufung rügt, das Landwirtschaftsgericht habe eine fehlerhafte Abwägung
vorgenommen und dem in § 1 Nr. 2 Gentechnikgesetz normierten Koexistenzprinzip für
die Erzeugung von Lebens- und Futtermitteln den Vorrang vor dem in § 1 Nr. 1
Gentechnikgesetz normierten Vorsorgeprinzip eingeräumt, ist dem entgegenzuhalten,
dass der Gesetzgeber als Zweck des Gesetzes ebenso gekennzeichnet hat, zu
gewährleisten, dass Produkte, insbesondere Lebens- und Futtermittel, konventionell,
ökologisch oder unter Einsatz gentechnisch veränderter Organismen erzeugt und in den
Verkehr gebracht werden können. Es ist zweifelhaft, ob sich allein aus der Reihenfolge
der Zwecke des Gesetzes und deren Nummerierung mit der Zahlenreihe 1, 2, 3 eine
Vorrangfolge ergibt. Die Aufführung der Gesetzeszwecke ohne jegliche Bindeworte und
eine durch Kommata getrennte Aufreihung der Gesetzeszwecke spricht vielmehr dafür,
dass der Gesetzgeber mit dieser Normierung die widerstreitenden Interessen zum
Ausdruck und in Einklang bringen wollte. Der Gesetzgeber hat das Vorsorgeprinzip im
Gentechnikgesetz jedenfalls nicht dahingehend ausgestaltet, dass damit, wenn eine
konkrete Gefahr nicht nachweisbar ist, die Verwendung des Produkts, hier der
genveränderte Mais der Linie MON 810, untersagt wird. Zu diesem Schritt ist auch das
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) bei der Abwägung
der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht gekommen.
Bei dieser Sachlage kann eine Feststellung, dass eine umweltschädliche Bewirtschaftung
der Pachtfläche vorliegt, nicht getroffen werden.
Eine die Pachtzeit überschreitende Nutzungsänderung ist, wie das
Landwirtschaftsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht feststellbar. Eine
Nutzungsänderung liegt nicht vor, wenn und soweit sich die bestimmungsmäßige
Nutzung im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung hält. So ist z. B. die Aufgabe
der Fruchtfolge und die Einführung von Mais-Monokultur eine Nutzungsänderung. Dass
mit der Aussaat von genverändertem Mais die biotypische Belange des Bodens nicht
gewahrt werden, ist anhand des bisherigen Sach- und Streitstandes nicht feststellbar.
Hinzu kommt, dass das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit,
wie sich aus dem vorgelegten Schreiben vom 05. Dezember 2007 ergibt und zwischen
den Parteien unstreitig ist, den Bescheid vom 27. April 2007 und damit das Ruhen der
Zulassungsgenehmigung über das Inverkehrbringen von Mais der Linie MON 810
aufgehoben hat, da die Genehmigungsinhaberin durch die Einreichung und Umsetzung
des Monitoringplans alle Auflagen und Bedingungen des Bescheides vom 27. April 2007
erfüllt hat. Insoweit hat das Bundesamt ausgeführt, dass mit der Erfüllung der Auflagen
auch die in dem Bescheid genannte Begründung für die Inanspruchnahme von § 20 Abs.
2 Gentechnikgesetz gegenstandslos sei und der Abgabe von MON 810-Saatgut zu
kommerziellen Zwecken von Seiten des Bundesamtes für Verbraucherschutz und
Lebensmittelrecht keine Rechtshindernisse mehr im Wege stehen. Auch unter
Beachtung dieses in zweiter Instanz neu eingetretenen unstreitigen Umstandes kann
nicht festgestellt werden, dass eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Pachtsache
nicht vorliegt oder ein vertragswidriger Gebrauch von der Pachtsache gemacht wird.
Entgegen der Auffassung der Verfügungsklägerin führt die Unklarheit darüber, in welchen
Umfang Bodenorganismen beeinträchtigt werden und wie sich dies auf die künftigen
Ernten und damit die Ertragsfähigkeit des Bodens auswirken werde, nicht zu einer
Umkehr der Darlegungs- und Beweislast. Der Verfügungsbeklagten kann nicht auferlegt
werden, die Ungefährlichkeit des Anbaus des Maises der Linie MON 810 nachzuweisen.
Vielmehr kann sich die Verfügungsbeklagte darauf berufen, dass sie ein durch staatliche
Behörden für den Anbau zugelassenes Saatgut verwendet hat und verwenden kann.
Da, wie zuvor dargelegt, die Verfügungsklägerin im Rahmen des zwischen den Parteien
bestehenden Pachtverhältnisses verpflichtet ist, den Anbau von gentechnisch
verändertem Mais der Linie MON 810 zu dulden, besteht auch kein Anspruch aus § 1004
BGB auf Unterlassung des Anbaus.
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Da bereits ein Verfügungsanspruch zu Gunsten der Klägerin nicht besteht, kann die
Frage, ob ein Verfügungsgrund seitens der Verfügungsklägerin glaubhaft gemacht
worden ist, offen bleiben.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen, § 97 Abs. 1, § 91 a Abs.
1 ZPO. Auch hinsichtlich des von den Parteien übereinstimmend für erledigt erklärten
Antrags betreffend die Beseitigung des Genmaises nebst der begehrten Strafbewehrung
fallen die Kosten der Verfügungsklägerin zur Last, da sich aus dem Vorgesagten ergibt,
dass sie auch mit diesem Antrag im Berufungsverfahren unterlegen wäre, da eine nicht
ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Pachtfläche oder ein vertragswidriger Gebrauch
der Pachtsache nicht festgestellt werden kann.
Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 LwVG in Verbindung mit § 542 Abs. 2 ZPO findet gegen
Urteile, durch die über die Anordnung einer einstweiligen Verfügung entschieden worden
ist, die Revision nicht statt.
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