Urteil des OLG Brandenburg vom 15.05.2006

OLG Brandenburg: berechnung der frist, grundstück, beschlagnahme, verwertung, zwangsvollstreckungsverfahren, zugehörigkeit, erwerb, verjährungsfrist, link, quelle

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 7.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 U 105/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 49 InsO, § 217 InsO, § 259 Abs
1 InsO, § 261 Abs 1 S 2 InsO, §
256 Abs 1 ZPO
Absonderungsrecht im Insolvenzverfahren
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts
Cottbus vom 15.5.2006 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die
Absonderungsrechte dem Kläger für die Durchführung des Insolvenzplans in dem
Insolvenzverfahren beim Amtsgericht Cottbus, Az.: 63 IN 335/02, zustehen.
Die Kosten der Berufung trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 %
des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
Durch Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 1.9.2002 wurde über das Vermögen der
Wohnungsbau- und Verwaltungsgesellschaft "..." mbH (im Folgenden: Schuldnerin) das
Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte als Insolvenzverwalter ernannt. Im
Insolvenzverfahren meldete der Wasserverband F., dessen Rechtsnachfolger der Kläger
ist, Forderungen gegen die Schuldnerin in Höhe von insgesamt 46.006,86 € an. Der
Beklagte stellte die Forderungen am 12.3.2003 fest.
Der Beklagte wurde im September 2004 mit der Ausarbeitung und Vorlage eines
Insolvenzplans nach §§ 217 ff. InsO beauftragt, den er zum 31.1.2005 fertigte und der in
der Abänderungsfassung vom 3.5.2005 weder den Kläger noch seinen Rechtsvorgänger
als absonderungsberechtigten Gläubiger auswies.
Der Rechtsvorgänger des Klägers hat beantragt,
festzustellen, dass ihm im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin
(AG Cottbus, Az.: 63 IN 335/02) aufgrund der Beitragsbescheide vom 2.9.2002,
Bescheidnummern: AA 20056 und AA 20057, in der Fassung vom 18.9.2002,
Bescheidnummern: AA 20074 und 20075, ein Recht auf abgesonderte Befriedigung für
die hierzu unter der laufenden Nummer 202 der Tabelle festgestellte Forderung zusteht.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf
den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat durch Urteil vom 15.5.2006 die begehrte Feststellung getroffen. Zur
Begründung hat es ausgeführt, das Feststellungsinteresse des Klägers folge aus dem
Streit der Parteien über die Eingruppierung seiner Forderungen in den Insolvenzplan.
Dem Kläger stünden Rechte auf abgesonderte Befriedigung nach § 49 InsO in
Verbindung mit §§ 864 f. ZPO, 1120 f. BGB, 10 ff. ZVG zu. Seine Ansprüche unterfielen
als öffentliche Grundstückslasten der Rangklasse 3 nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG, zu der
insbesondere die Kommunalabgaben einschließlich der an die Zweckverbände zu
entrichtenden Wasser- und Abwasserbeiträge gehörten. Die Abgaben stellten nach § 8
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entrichtenden Wasser- und Abwasserbeiträge gehörten. Die Abgaben stellten nach § 8
Abs. 10 BbgKAG auf dem Grundstück ruhende öffentliche Lasten dar. Die bereits in der
Forderungsanmeldung des Klägers geltend gemachten Absonderungsrechte seien nicht
verwirkt. Der Kläger habe sich um den Fortgang des Verfahrens nicht weiter kümmern
müssen, nachdem der Beklagte einen Bescheid oder eine Mitteilung im Hinblick auf die
Absonderungsrechte nicht erteilt und mit Schreiben vom 26.2.2003 um das
Unterbleiben von Sachstandsanfragen gebeten habe. Auf das Schreiben des Beklagten
vom 17.5.2005, durch das die Nichtberücksichtigung von Absonderungsrechten
mitgeteilt worden sei, habe der Kläger umgehend unter dem 16.6.2005 dem
Insolvenzplan widersprochen. Der Beklagte könne nicht einwenden, dass der Kläger in
einer Zwangsversteigerung mit seinen Forderungen ausfallen werde. Nach § 10 Abs. 1
Nr. 3 ZVG seien auch einmalige Leistungen betreffende Beitragsrückstände für die Zeit
von vier Jahren nach ihrer Fälligkeit bevorrechtigt. Danach falle das Vorrecht nicht weg,
wenn der Berechtigte die Beschlagnahme des Grundstücks erwirkt habe; die Wahrung
des Vorrechts für die Dauer des Verfahrens gewährleiste dem Gläubiger den
Vollstreckungszugriff und hindere den Rangverlust.
Gegen dieses Urteil, das ihm am 24.5.2006 zugestellt worden ist, hat der Beklagte am
7.6.2006 Berufung eingelegt und diese am 24.6.2006 begründet.
Der Beklagte trägt - unwidersprochen - vor, dass durch Beschluss des Amtsgerichts
Cottbus vom 31.8.2005 das Insolvenzverfahren aufgehoben worden sei.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Cottbus vom 15.5.2006 die Klage
abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die Aufhebung des Insolvenzverfahrens führt nicht zur Unzulässigkeit der Berufung.
Der Beklagte hat dadurch nicht seine Prozessführungsbefugnis nach § 259 Abs. 1 InsO
verloren, nachdem ihm in dem gestaltenden Teil des Insolvenzplans vom 31.1.2005 in
der Änderungsfassung vom 3.5.2005 unter Ziffer VI. (Bl. 54, 54 R d.A.) die Überwachung
des Plans durch den Insolvenzverwalter übertragen worden ist mit der Folge, dass nach §
261 Abs. 1 Satz 2 InsO sein Amt für die Durchführung des Insolvenzplans, die
Gegenstand der Klage und der Berufung ist, fortbesteht.
2. Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg, da die Klage zulässig und begründet ist.
a) Zur Zulässigkeit der Klage folgt das erforderliche Feststellungsinteresse des Klägers
nach § 256 Abs. 1 ZPO aus der Beschlussfassung des Insolvenzgerichts vom 22.6.2005
(Bl. 83 d.A.), durch die ihm die Durchführung des Klageverfahrens zur Klärung des
Bestehens der geltend gemachten Absonderungsrechte aufgegeben worden ist. Es
besteht nach wie vor, da der Beklagte auch in der Berufung das Bestehen der
Absonderungsrechte in Abrede stellt.
b) Die Klage ist begründet, da dem Kläger im Hinblick auf die streitbefangenen
Forderungen Absonderungsrechte nach § 49 InsO in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Nr. 3, 7
ZVG für die Durchführung des Insolvenzplans zustehen.
aa) Mit Einwendungen gegen das Bestehen der Ansprüche des Klägers auf Zahlung von
19.665,67 € und 26.341,19 €, insgesamt 46.008,86 €, kann der Beklagte nicht gehört
werden, da er unstreitig die Forderungen nach ihrer Anmeldung zur Tabelle festgestellt
hat. Im Übrigen kommt es nicht darauf an, ob die vom Kläger erteilten Bescheide vom
2./18.9.2002 nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1.9.2002 noch hätten
ergehen dürfen, nachdem sie nicht mit dem Widerspruch angegriffen und demzufolge
bestandskräftig geworden sind.
bb) Die Ansprüche des Klägers führen zu Rechten auf Befriedigung aus dem
unbeweglichen Vermögen der Schuldnerin, da sie öffentliche Lasten des Grundstücks
nach § 10 Abs. 1 Nr. 3, 7 ZVG darstellen. Es handelt sich um an einen Zweckverband zu
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nach § 10 Abs. 1 Nr. 3, 7 ZVG darstellen. Es handelt sich um an einen Zweckverband zu
entrichtende Beiträge nach § 8 Abs. 1 BbgKAG, die nach § 8 Abs. 10 BbgKAG als
öffentliche Last auf dem Grundstück ruhen. Die landesrechtliche Bestimmung als
öffentliche Last des Grundstücks ist für die Einordnung im Rang nach § 10 Abs. 1 Nr. 3, 7
ZVG maßgebend (vgl. Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 10, Anm. 6.9). Das gilt auch und
insbesondere für einmalige Anschlussbeiträge, wie sie hier in Rede stehen; für diese
sehen weder § 8 Abs. 1, 10 BbgKAG noch § 10 Abs. 1 Nr. 3, 7 ZVG Ausnahmen vor (vgl.
BGH NZM 2006, 514, 516).
Soweit die Entstehung öffentlicher Lasten des Grundstücks und damit von
Absonderungsrechten des Klägers dessen hoheitliche Tätigkeit voraussetzt (vgl. Stöber,
a.a.O., § 10, Anm. 6.9; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 49, Rn. 46), ist das nach den
Umständen des Falles anzunehmen. Der Kläger wie sein Rechtsvorgänger sind nicht
juristische Personen des Privatrechts, sondern des öffentlichen Rechts. Die
Inanspruchnahme der Schuldnerin und des Beklagten ist in der für ein hoheitliches
Handeln typischen Art erfolgt, indem nicht Rechnungen ausgestellt, sondern Bescheide
in Form von Verwaltungsakten mit der Angabe der einschlägigen Satzungen als
Rechtsgrundlage und Rechtsbehelfsbelehrungen über die Möglichkeit des befristeten
Widerspruchs erlassen worden sind. Im Einklang damit bestimmen die vom Kläger in der
mündlichen Verhandlung vorgelegten Beitrags- und Gebührensatzungen (Bl. 307 ff., 315
ff. d.A.), dass Beiträge erhoben und festgesetzt und nicht etwa ein - vertragliches -
Entgelt berechnet wird; auch der weitere Inhalt der Satzungen enthält keine Hinweise auf
eine privatrechtliche Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zu den Nutzern und
Beitragsschuldnern. Eine solche kann schließlich auch nicht daraus hergeleitet werden,
dass für den Trinkwasseranschluss die gesetzliche Mehrwertsteuer an- und festgesetzt
worden ist. Das schließt eine hoheitliche Tätigkeit nicht aus, da unter den
entsprechenden Voraussetzungen nach § 2 UStG in Verbindung mit Nr. 23 UStR auch
dann eine Umsatzsteuerpflicht bestehen kann.
Ob die Ansprüche des Klägers Rückstände aus den letzten vier Jahren nach § 10 Abs. 1
Nr. 3 ZVG darstellen, kann dahinstehen. Denn auch ältere Rückstände führen nach § 10
Abs. 1 Nr. 7 ZVG zu Befriedigungsrechten aus dem Grundstück und damit zum Erwerb
von Absonderungsrechten; auf den Rangverlust gegenüber Ansprüchen nach § 10 Abs. 1
Nr. 3 ZVG kommt es für den vorliegenden Rechtsstreit nicht an, da der Kläger lediglich
die Feststellung des Bestehens eines Absonderungsrechts, nicht aber die Zugehörigkeit
zu einem bestimmten Rang nach § 10 Abs. 1 ZVG, begehrt. Dabei kann auch
dahinstehen, ob die Berechnung der Frist nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG an den Zuschlag
im Zwangsversteigerungsverfahren (Stöber, a.a.O., § 10, Rn. 6.17; Böttcher, ZVG, 4.
Aufl., § 10, Rn. 45) oder an die Beschlagnahme (Uhlenbruck a.a.O.; Smid/Depre, InsO, 2.
Aufl., § 49, Rn. 46; Dassler/Muth, ZVG, 12. Aufl., § 10, Rn. 21) anknüpft. Denn es ist für
Fälle wie den Vorliegenden, in denen es lediglich um die Einordnung einer Forderung in
einen Insolvenzplan geht, nicht zu verlangen, dass ein Gläubiger zur Aktivierung von
Absonderungsrechten nach § 10 Abs. 1 Nr. 3, 7 ZVG ein Zwangsvollstreckungsverfahren
in Gang setzt. Der Insolvenzplan soll im Gegenteil gerade die Herbeiführung einer
gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger, sei es durch eine Verwertung des
Vermögens des Schuldners oder in anderer, den Erhalt und Fortbestand des
Unternehmens zulassender Weise, außerhalb einer Zwangsvollstreckung ermöglichen
(vgl. HeidelbKomm./Flessner, InsO, 4. Aufl., Rn. 1, 4 vor § 217). Etwas anderes folgt nicht
aus der Rechtsprechung des OLG Hamm (NJW-RR 1994, 469, 470; vgl. auch:
MünchKomm./Ganter, InsO, § 49, Rn. 4), dass außerhalb des
Zwangsversteigerungsverfahrens öffentliche Abgaben nur nicht bevorrechtigte
Forderungen sind. Die Entscheidung lässt sich auf den hier zu entscheidenden Fall nicht
übertragen, da dort nicht über die Einordnung einer Forderung in einen Insolvenzplan,
sondern über einen Ersatzanspruch aus § 82 KO zu befinden gewesen ist.
cc) Mit der erstinstanzlich vorgetragenen Erhebung des Einwand der Verjährung (Bl. 143
d.A.) hat der Beklagte ausweislich der dazu gegebenen Begründung ersichtlich nur zum
Ausdruck bringen wollen, dass die Zeitgrenze nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG nicht
eingehalten sei. Darauf kommt es - wie dargestellt - jedoch nicht an. Im Übrigen ist die
nach § 199 Abs. 1 BGB frühestens mit dem Ablauf des 31.12.2002 beginnende
Verjährungsfrist durch die Erhebung der Klage im Juli 2005 (Bl. 1, 90 d.A.) rechtzeitig
gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt worden.
dd) Die Absonderungsrechte des Klägers sind nicht nach § 242 BGB verwirkt. Die
Verwirkung eines Rechts setzt voraus, dass der Berechtigte es über eine längere Zeit
nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und nach
dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte, dass das Recht
auch in Zukunft nicht geltend gemacht werde (BGH NJW 2006, 219 f.; 2003, 824; 1982,
1989; Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 242, Rn. 87). Das gilt zwar auch für
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1989; Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 242, Rn. 87). Das gilt zwar auch für
Absonderungsrechte im Insolvenzverfahren (Münch Komm./Ganter, a.a.O., Rn. 128 vor
§§ 49 ff.; Uhlenbruck/Berscheid, a.a.O., § 53, Rn. 19). Im vorliegenden Fall hat jedoch der
Beklagte nicht darauf vertrauen dürfen, dass der Rechtsvorgänger des Klägers, der mit
der Anmeldung seiner Forderungen zur Tabelle auch die Geltendmachung von
Absonderungsrechten erklärt hat, jene nicht weiter verfolgen werde. Dabei kommt es
nicht darauf an, ob der Rechtsvorgänger des Klägers an der vom Beklagten
vorgetragenen (Bl. 107 ff., 190 d.A.) "faktischen Zwangsverwaltung" hätte teilnehmen
können. Denn der Beklagte hat seinerseits mit Schreiben vom 26.2.2003 (Bl. 126 d.A.) -
auch - den Rechtsvorgänger des Klägers darum gebeten, von Sachstandsanfragen
Abstand zu nehmen, da deren Beantwortung die Verfahrensabwicklung unvertretbar
verzögern würde. Im Lichte dieser Erklärung hat der Beklagte die von ihm vorgetragene
Untätigkeit des Rechtsvorgängers des Klägers nicht so auffassen dürfen, dass -
entgegen der Anmeldung vom 18.9.2002 - von der Geltendmachung von
Absonderungsrechten abgesehen werde.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da weder die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543
Abs. 2 ZPO.
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