Urteil des OLG Brandenburg vom 02.03.2006

OLG Brandenburg: versicherungswert, treu und glauben, rücknahme der klage, zustandekommen des vertrages, vorvertrag, versicherte sache, versicherungsschutz, beratungspflicht, mitverschulden

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht
13. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
13 U 34/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 241 Abs 2 BGB, § 311 BGB, §
280 Abs 1 BGB, § 254 BGB
Beratungspflicht bzgl. der Versicherungssumme einer
Wohngebäudeversicherung
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22.2.2007 verkündete Urteil des
Landgerichts Potsdam teilweise zu Ziffer 1. des Tenors dahin abgeändert, dass die
Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 10.806,11 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 2.3.2006 sowie vorgerichtliche
Anwaltskosten in Höhe von 449,96 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit 29.6.2006 zu zahlen.
Im Übrigen wird die weitergehende Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Beklagte zu 90 %, der Kläger zu 10
%.
Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Bis Ende 2002 unterhielt der Kläger bei der D… AG (im Folgenden: A…) eine
Wohngebäudeversicherung für sein Wohngebäude …Straße 26 in W…. Die
Versicherungssumme 1914 ist im Versicherungsschein mit 23.900 Mark angegeben.
Nach Ziff. 3 des Versicherungsscheins ist sie nach Kubikmetern umbauten Raums
ermittelt worden. Die Versicherung enthielt einen Verzicht des Versicherers auf den
Unterversicherungseinwand. Mit Schreiben vom 9.5.1996 bestätigte die A... dem Kläger
den Versicherungswert von 1914. Gleichzeitig teilte sie mit, dass dieser Wert einem
Neubauwert 1996 in Höhe von 604.000 DM entspräche.
Da der Kläger, der seine übrigen Versicherungen bei der Beklagten unterhält, einen
Wechsel der Wohngebäudeversicherung erwog, um einen einheitlichen Ansprechpartner
für seine Versicherungen zu haben, kam es im Herbst 2002 im Haus des Klägers zu
einem Beratungsgespräch mit dem Versicherungsagenten der Beklagten, dem Zeugen
P…. Unter dem 10.9.2002 unterbreitete der Zeuge P… dem Kläger einen schriftlichen
Vorschlag für eine Wohngebäudeversicherung. Darin heißt es zur Versicherungssumme
wörtlich: "23.900 Mark 1914, das entspricht einem geschätzten Neubauwert von 247.000
€ in 2002".
Unter dem 28.11.2002 fertigte die Beklagte den Versicherungsschein für die ab 1.1.2003
in Kraft tretende Versicherung "Sicherheitspaket Optimal" aus und übersandte ihn dem
Kläger. Im letzten Abschnitt unter "Abweichung vom Antrag" heißt es: "Der
Versicherungsschein weicht in folgendem Punkt vom Antrag ab: Es gilt die
Unterversicherungsregelung gemäß § 12 VGF 2001".
Am 22.9.2005 entstand im klägerischen Wohngebäude ein Wasserschaden. Der
Gebäudeschaden belief sich auf 40.613 €. Zusätzlich entstanden Kosten durch den
Einsatz von Trocknungsgeräten und die Beauftragung eines Architekten. Diese sind noch
nicht abgerechnet. Die Beklagte zahlte unter Berufung auf eine ihrer Ansicht nach
bestehende Unterversicherung auf den Schaden 29.754,89 €.
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Mit seiner Klage nimmt der Kläger die Beklagte auf Zahlung der vollen Schadenssumme
in Anspruch. Er hat behauptet, der Versicherungsagent P… habe ihm zugesagt, der von
ihm mit der Beklagten vermittelte Versicherungsvertrag würde denselben
Versicherungsschutz wie der Vertrag bei der A... zu günstigeren Konditionen enthalten.
Es sei vereinbart worden, dass lediglich Wohnhaus ohne Garage und Nebengebäude
versichert werden sollten. Nach Rücknahme der Klage in Höhe von 2.423,04 € zuzüglich
anteiliger Zinsen hat der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.858,11 € nebst Zinsen sowie vorgerichtliche
Anwaltskosten in Höhe von 449,96 € zuzüglich Zinsen seit 29.6.2006 zu zahlen und
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sämtliche nach den Bedingungen
des streitgegenständlichen Versicherungsvertrages versicherten Aufwendungen des
Klägers aufgrund des Leitungswasserschadens vom 22.9.2005 zu ersetzen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat gemeint, aufgrund der bestehenden Unterversicherung zur
Versicherungsleistung über die gezahlte Quote hinaus nicht verpflichtet zu sein. Der im
Anschluss an den Eintritt des Schadensfalls ermittelte Versicherungswert 1914 sei
richtig. Maßgeblich sei der ermittelte Versicherungswert des gesamten Objektes
(Wohngebäude einschließlich aller Nebengebäude und Einrichtungen). Soweit sie sich
vorprozessual darauf eingelassen habe, dass nur das Wohnhaus Versicherungsobjekt
sei, binde sie dies nicht.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass
die Beklagte sich nicht auf eine etwa bestehende Unterversicherung berufen könne. Sie
habe den Kläger wegen Verletzung ihrer Beratungspflichten so zu stellen, als ob sie ihn
ordnungsgemäß beraten hätte. Aufgrund der besonderen Schwierigkeiten bei der
Bestimmung der Versicherungssumme 1914 hätte es der Beklagten oblegen, den
Kläger auf die Schwierigkeiten der Festlegung des Versicherungswertes und die Gefahren
einer falschen Festlegung hinzuweisen. Dass sie dies getan habe, habe sie selbst nicht
behauptet. Allein aus der Tatsache, dass der Kläger bereits vor Eingehung des
Versicherungsverhältnisses zur Beklagten eine Wohngebäudeversicherung bei einem
anderen Versicherer auf derselben Basis (Versicherungswert 1914) unterhalten habe,
könne auf besondere Kenntnisse des Klägers in Bezug auf die Berechnung und die
Gefahren einer falschen Berechnung dieses Versicherungswertes nicht geschlossen
werden. Auch ergäbe sich ein fehlendes Beratungsbedürfnis des Klägers nicht aus den
Umständen der Angabe "Kd wünscht 23.900 M 1914". Die in diesem Zusammenhang
angestellten Erwägungen der Beklagtenseite seien sämtlich Mutmaßungen und
Behauptungen. Selbst wenn der Kläger persönlich dem Versicherungsagenten P… den
Versicherungswert 1914 von 23.900 Mark angegeben haben sollte, stelle dies keine im
Rahmen von § 254 BGB zu berücksichtigende Obliegenheitsverletzung des Klägers dar.
Der Versicherungsagent habe anlässlich der vorgenommenen Hausbesichtigung einen
Einblick gewonnen und hätte den Kläger darauf hinweisen können und müssen, falls der
Versicherungswert unzutreffend bzw. zu niedrig angesetzt sei. Hätte der
Versicherungsagent oder die Beklagte den Kläger ausreichend beraten, so sei
entsprechend der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass der Kläger den
Versicherungsvertrag über einen ausreichenden Versicherungswert abgeschlossen
hätte.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie macht geltend, der Inhalt ihrer
Schriftsätze und die dargebotenen Beweise seien nicht ausreichend berücksichtigt
worden. Da sie erstmals am 2.11.2006 Kontakt zum Zeugen P… habe herstellen
können, um bei ihm nähere Erkundigungen zum Abschluss des Vertrages einzuholen,
habe das Landgericht verfahrensfehlerhaft von einer Wiedereröffnung der mündlichen
Verhandlung abgesehen. Die Behauptung des Klägers, dem Zeugen P… das Schreiben
der A... aus dem Jahr 1996 vor dem Antrag auf Versicherungsschutz bei der Beklagten
vorgelegt und ihm die Unterlagen zur alten Versicherungspolice übergeben zu haben,
sei unwahr. Der Zeuge P… habe bei den damaligen Vertragsverhandlungen das Papier
nicht gekannt und erst Recht nichts von einem Neubauwert 1996 von ca. 604.000 Mark
gewusst. Tatsächlich habe der Kläger dem Zeugen P… die Versicherungssumme von
23.900 Mark ohne weitere Erläuterung vorgegeben; der Zeuge habe diesen Wert
lediglich in Euro mit Stand 2002 umgerechnet. Daraus habe sich der Betrag von 247.000
€ ergeben. Die Frage wie es damals tatsächlich zur Angabe dieses Wertes von 23.900
Mark gekommen sei, sei deshalb entscheidungserheblich gewesen. Außerdem könne
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Mark gekommen sei, sei deshalb entscheidungserheblich gewesen. Außerdem könne
keine Rede davon sein, dass der Kläger mit dem Wert von 23.900 M nichts habe
anfangen können. Gänzlich abwegig sei die Vermutung, dem Kläger sei während der
Vertragsverhandlungen mit dem Zeugen P… möglicherweise der Inhalt des A...-
Schreibens nicht mehr geläufig gewesen. Unwahr sei auch die Behauptung des Klägers,
er habe dem Zeugen P… den neu ausgefertigten Versicherungsschein vorgelegt und
dieser habe ihm gesagt, es sei alles in Ordnung. Der Versicherungsschein sei dem
Zeugen P… niemals vorgelegt worden. Auch entsprechende Äußerungen des Zeugen
seien zu keiner Zeit gefallen. Soweit das Landgericht davon ausgegangen sei, der Zeuge
P… habe bei seiner Hausbesichtigung den Wert des Hauses zutreffend ermitteln können,
weist sie darauf hin, dass nicht jeder Versicherungsagent gleichzeitig ein
Bausachverständiger sei.
Sie beantragt,
das am 22.2.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam abzuändern und die
Klage abzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil. Gründe für Verfahrensfehler, insbesondere eine
Verpflichtung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz,
habe die Beklagte nicht dargelegt. Im Übrigen aber habe er bereits im Antwortschreiben
vom 10.2.2006 darauf hingewiesen, dass dem Zeugen P… vor Abschluss des
streitgegenständlichen Versicherungsvertrages die Anlage K 4 vorgelegt worden sei.
Soweit die Beklagte ihre Behauptungen in der Berufungsbegründung wiederhole und sie
erstmals durch den Zeugen P… unter Beweis stelle, sei sie mit diesem Vortrag gemäß §
531 ZPO präkludiert. Bei richtiger Beratung hätte er seinen bei der A... bestehenden
Versicherungsvertrag nicht gekündigt.
Die gemäß §§ 517, 519, 520 ZPO zulässige Berufung der Beklagten bleibt im Ergebnis
ganz überwiegend ohne Erfolg.
Das Landgericht hat dem Kläger zu Recht einen Anspruch auf Auskehrung der
Versicherungsleistung in Höhe der Urteilssumme des Berufungsurteils zuerkannt. Mit
ihren dagegen mit der Berufung geltend gemachten Einwendungen dringt die Beklagte
nicht durch.
Der Anspruch des Klägers auf Ersatz der erlittenen Gebäudeschäden in vollem Umfang
ist unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen Verletzung vorvertraglicher
Beratungspflichten, §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 und 3, 280 Abs. 1 BGB begründet.
Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass die Beklagte bei Abschluss einer
Wohngebäudeversicherung grundsätzlich eine Beratungs- und Aufklärungspflicht in
Bezug auf die Wertermittlung der Versicherungssumme 1914 trifft. In der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist bei Abschluss von
Wohngebäudeversicherungen in Bezug auf die Angaben zum Versicherungswert 1914
angesichts der Schwierigkeiten der Wertermittlungen eine gesteigerte Beratungspflicht
des Versicherers anerkannt (VersR 89, 472 f).
Diese gesteigerte Beratungspflicht hat die Beklagte gegenüber dem Kläger verletzt.
Daran ändert auch ihr unter Beweis durch Zeugnis des damaligen Abschlussvertreters
P… gestelltes Vorbringen in der Berufungsbegründung nichts.
Soweit die Beklagte eine Beratungspflicht gegenüber dem Kläger unter Hinweis darauf in
Abrede stellt, dass dieser aus Sicht des Zeugen P… nicht beratungsbedürftig, weil
sachkundig, gewesen sei, dringt sie damit nicht durch. Allerdings ist für die Frage der
Kenntnis von bestehendem Beratungsbedarf des Versicherungsnehmers die des
Abschlussvertreters maßgeblich, § 166 BGB. Er ist als Wissensvertreter der Beklagten
anzusehen. Die Beklagte hat indessen schon nicht dargelegt, aufgrund welcher
konkreten Umstände der Zeuge P… annehmen konnte und durfte, dass der Kläger der
höchstrichterlich grundsätzlich geforderten Beratung nicht bedurfte. Allein aus dem -
zwischen den Parteien streitigen - Umstand, dass der Kläger gegenüber dem Zeugen
P… den Versicherungswert 1914 ohne nähere Angaben mit 23.900 Mark angegeben hat,
lässt sich mangelnde Beratungsbedürftigkeit aufgrund besserer eigener Kenntnis des
Klägers nicht ableiten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie im Fall des Klägers - keine
konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kunde selbst als
Bausachverständiger tätig ist oder sonst über besondere Kenntnisse auf diesem Gebiet
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Bausachverständiger tätig ist oder sonst über besondere Kenntnisse auf diesem Gebiet
verfügt. Dass ein solcher Fall hier vorliegt, macht die Beklagte selbst nicht geltend. Auch
das übrige Verhalten des Klägers und die im Einzelnen streitige Vorgeschichte zum
Abschluss des Versicherungsvertrages rechtfertigen die von der Beklagten unterstellte
Annahme mangelnden Beratungsbedarfs in der Person des Klägers selbst auf der
Grundlage ihres eigenen Vorbringens nicht.
Ausweislich der bei den Akten befindlichen „Durchschrift für den Antragsteller“ enthielt
das vom Kläger unterzeichnete und an die Beklagte überreichte Antragsformular die
Angaben zum Versicherungswert 1914 noch nicht. Um diese ist der Antrag des Klägers
vielmehr erst bei dessen Bearbeitung in der Vertragsabteilung der Beklagten ergänzt
worden. Eben so unstreitig hatte der Kläger bereits bei Ausfüllen des Antragsformulars
angegeben, bei der A... eine Vorversicherung zu unterhalten. Wenn dann im Zuge der
Bearbeitung des unvollständig ausgefüllten Versicherungsantrages des Klägers -
veranlasst durch wen auch immer - eine Ergänzung um Angaben zum
Versicherungswert 1914 erfolgt, lässt dies bei Fehlen jeglicher ergänzender
Erläuterungen des Kunden zu dem von ihm mitgeteilten Versicherungswert allenfalls den
Rückschluss darauf zu, dass dieser seine ergänzenden Angaben zum Versicherungswert
1914 dem Versicherungsschein zum Vorvertrag entnommen hat. Unabhängig davon, ob
eine dahin gehende Schlussfolgerung bei Kenntnis von einem Vorvertrag gerechtfertigt
und - was die Beklagte nicht ausdrücklich vorbringt - von ihr auch so gezogen worden ist,
konnte und durfte sie daraus allerdings nicht den weiteren Schluss ziehen, dass es einer
Beratung des Klägers nicht bedurfte. Die nach dem Vortrag der Beklagten allenfalls zu
unterstellende Übertragung einer Wertangabe aus einem Vorvertrag belegt gerade, ob
und ggf. in welchem Umfang Beratungsbedarf in diesem Punkt besteht. Gerade mit Blick
auf die bei Wohngebäudeversicherungsverträgen anerkannte gesteigerte
Beratungspflicht kann der Versicherer nicht ohne Weiteres annehmen, dass sich der
Kunde, selbst wenn er - wie die Beklagte behauptet - einen Versicherungswert 1914
vorgibt, der Schwierigkeiten der Wertermittlung und insbesondere der sich bei Annahme
eines unrichtigen Versicherungswertes bestehenden Risiken im Schadensfall bewusst ist.
Das Vertrauen des Versicherers auf die Entbehrlichkeit einer umfassenden (erneuten)
Beratung zum Versicherungswert 1914 könnte allenfalls dann gerechtfertigt sein, wenn
ihr bekannt ist, dass bei Abschluss der Vorversicherung eine umfassende Beratung
erfolgt ist, der Versicherungswert 1914 eine fest stehende, keinen Schwankungen
unterworfene Größe darstellt und der angestrebte neue Versicherungsschutz ansonsten
mit dem aus der bestehenden Versicherung völlig identisch ist. An den v. g.
Voraussetzungen fehlt es hier.
Zunächst ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten kein konkreter Anhalt dafür, dass
sie auf eine umfassende Beratung des Klägers im Zusammenhang mit dem Abschluss
des Vorvertrages vertrauen durfte. Ohne Weiteres aber konnte die Beklagte sich nicht
darauf verlassen, dass der Kläger bei Abschluss des Vorversicherungsvertrages
umfassend über die Schwierigkeiten der Ermittlung des Versicherungswertes 1914 und
dessen Bedeutung für den Schadensfall aufgeklärt worden war und aus diesem Grund
einer (erneuten) Beratung durch sie nicht bedurfte. Zum einen kann sich ein
Vertragspartner nicht darauf verlassen, dass ein früherer Vertragspartner seine
Beratungspflichten gegenüber dem Kunden vollständig und zuverlässig erfüllt. Zum
anderen hätte sie allenfalls dann von einer umfassenden Beratung und infolge dessen
mangelndem Beratungsbedarf des Klägers ausgehen können und dürfen, wenn der bei
ihr beantragte Versicherungsschutz zu denselben Konditionen gewährt werden sollte wie
der bestehende, insbesondere einen Verzicht auf die Unterversicherung enthalten
würde; bei inhaltlich unveränderter Übernahme der Konditionen des Vorvertrages durch
die Beklagte wäre die zutreffende Angabe zum Versicherungswert 1914 mit Blick auf den
gleichzeitigen Verzicht auf den Unterversicherungseinwand für den angestrebten Vertrag
nicht von entscheidender Bedeutung, Beratungsbedarf des Klägers nicht gegeben
gewesen.
Eine solche, die Beklagte von der Beratungspflicht befreiende, Fallgestaltung liegt hier
indessen nicht vor. Dem Zeugen P… waren nach ihrem eigenen Vorbringen die
Einzelheiten der bestehenden Vorversicherung nicht bekannt. Ihm sollen bei den
Vertragsverhandlungen mit dem Kläger weder der Versicherungsschein des früheren
Versicherungsvertrages noch das Schreiben der A... aus dem Jahre 1996 vorgelegen
haben. Ohne jegliche Kenntnis von den Versicherungsbedingungen des Vorvertrages
bestand gerade kein begründeter Anlass zu der Annahme, dass eine etwaige
umfassende Aufklärung des Klägers zum Versicherungswert 1914 gelegentlich des
Abschlusses des Vorversicherungsvertrages bei der A... für den nunmehr angestrebten
Vertragsschluss Geltung beanspruchen und auf eine erneute Beratung verzichtet
werden konnte. Um ihren aus Treu und Glauben folgenden gesteigerten
Beratungspflichten nachzukommen, hätte sie sich spätestens bei Bearbeitung des
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Beratungspflichten nachzukommen, hätte sie sich spätestens bei Bearbeitung des
Antrags des Klägers über noch bestehenden Beratungsbedarf vergewissern und klären
müssen, 1. auf welcher Grundlage die ergänzenden Angaben des Klägers zum
Versicherungswert 1914 beruhen und 2. ob der frühere Vertrag im Übrigen,
insbesondere hinsichtlich der Unterversicherungsverzichtsregelung dem beabsichtigten
Vertrag inhaltlich vollständig entspricht. Dies gilt umso mehr, als sie selbst nicht geltend
gemacht hat, den Kläger über die Risiken, die sich aus einem etwaigen
Unterversicherungsverzicht ergeben, beraten zu haben. Die Übertragung eines
möglicherweise unzutreffenden Versicherungswertes 1914 aus dem Vorvertrag wäre bei
gleichzeitiger Übertragung des Verzichts auf den Unterversicherungseinwand folgenlos
geblieben. Darauf weist der Kläger in seiner Erwiderung auf die Berufung zu Recht hin.
Eine entsprechende Verpflichtung traf sie umso mehr, als sie selbst ausweislich der
Anlage K7 auf dem ihrer Vertragsabteilung vorliegenden Antragsformular auf der
Grundlage der Angaben des Klägers zur Größe des zu versichernden Objekts einen
deutlich höheren Versicherungswert 1914 als den vom Kläger persönlich oder über den
Zeugen P… mitgeteilten Versicherungswert 1914 ermittelt und auch die Angaben zum
Unterversicherungsverzicht durch Ankreuzen des Kästchens „ohne
Unterversicherungsverzicht“ ergänzt hat. Bei entsprechender Nachfrage und Beratung
wäre nämlich bemerkt worden, dass es - wie bei seinem Vorvertrag - auf die zutreffende
Ermittlung des Versicherungswertes 1914 allenfalls dann nicht ankommt, wenn zugleich
ein mit dem Vorvertrag inhaltlich übereinstimmender Unterversicherungsverzicht
vereinbart wird.
Dem Kläger ist entgegen der Ansicht der Beklagten ein seinen Anspruch minderndes
oder gar ausschließendes Mitverschulden gemäß § 254 BGB nicht anzulasten. Er hat im
Zusammenhang mit dem Zustandekommen des Vertrages keine Obliegenheit zur
Schadensverhinderung oder -abwendung verletzt.
Den Geschädigten trifft ein Mitverschulden an der Schadensentstehung, wenn er
diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die jedem ordentlichen und verständigen Menschen
obliegt, um sich selbst vor Schaden zu bewahren (Palandt-Heinrichs, BGB, 66. Aufl., §
254 Rn. 9 mwN.). An einem solchen dem Kläger vorwerfbaren Verhalten im Vorfeld des
Vertragsschlusses fehlt es hier.
Anknüpfungspunkt für ein Mitverschulden des Klägers könnte zunächst die ungeprüfte
bzw. nicht hinreichend geprüfte Übertragbarkeit und Übertragung der Daten aus dem
Vorvertrag auf den angestrebten Vertrag bei der Beklagten sein. Ausweislich des
Vorschlags des Zeugen P… vom 10.9.2002 erstreckt sich der dem Kläger
vorgeschlagene Versicherungsschutz bei der Beklagten auf Nebengebäude und sonstige
Grundstücksbestandteile. Ausweislich der Police des Vorvertrags demgegenüber waren
die Nebengebäude ausdrücklich vom Versicherungsschutz der
Wohngebäudeversicherung ausgenommen. Der vorgeschlagene
Wohngebäudeversicherungsvertrag könnte daher gegenüber dem bestehenden eine
Erweiterung beinhalten. Eine etwaige Erweiterung des Versicherungsumfanges könnte
zur Folge haben, dass die Versicherungssumme 1914 entsprechend anzupassen wäre.
Ungeachtet der Frage, ob eine gegenüber dem Vorvertrag vorgenommene Erweiterung
dem Kläger auffallen und ihm unter Umständen Veranlassung zur Nachfrage hätte
geben müssen, würde die Annahme einer entsprechenden Obliegenheit des Klägers
voraussetzen, dass ihm die Bedeutung der Angaben zum Versicherungswert 1914
bekannt sind. Schon davon kann nicht ausgegangen werden. Hinzu kommt, dass im
Vorschlag des Zeugen P… als versicherte Sache vergleichbar den Angaben in der Police
zur Vorversicherung des Klägers lediglich das Wohngebäude bezeichnet ist. Wenn
danach allein auf der Grundlage des Vorschlags des Zeugen P… schon nicht hinreichend
deutlich eine Abweichung des vorgeschlagenen vom bestehenden Vorvertrag erkennbar
war, bestand für eine Nachfrage nach deren möglichen Auswirkungen kein Anlass.
Eben so wenig begründet der unterlassene Widerspruch des Klägers gegen die im
Versicherungsschein der Beklagten zum Ausdruck gebrachten Abweichungen vom
Antrag zum Verzicht auf den Unterversicherungseinwand ein Mitverschulden im Sinne
des § 254 BGB. In diesem Zusammenhang kann dahin stehen, ob der Zeuge P… den
Kläger durch beschwichtigende Äußerungen von einem Widerspruch abgehalten hat. Wie
das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, hat nicht die mangelnde Nachfrage des
Klägers, sondern die unterlassene Beratung der Beklagten den nunmehr eingetretenen
Schaden herbeigeführt. Bei ausführlicher und entsprechender Beratung des Klägers
hätte dieser, den mit der A... bestehenden Vorvertrag nicht gekündigt, so dass jedenfalls
der Unterversicherungseinwand nicht hätte erhoben werden können.
In der Rechtsfolge ist der Kläger so zu stellen wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung der
Beratungspflicht gestanden hätte. Er macht dazu unwidersprochen geltend, bei richtiger
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Beratungspflicht gestanden hätte. Er macht dazu unwidersprochen geltend, bei richtiger
Beratung durch die Beklagte seine bestehende Wohngebäudeversicherung bei der A...
nicht gekündigt zu haben. Nach dem Versicherungsvertrag mit der A... wäre wegen des
darin vereinbarten Unterversicherungsverzichtseinwandes die volle Schadenssumme
ersetzt worden. Danach kann er Schadensersatz in Höhe der ihm nach dem Vertrag mit
der A... zustehenden Versicherungsleistung beanspruchen ohne dass - entsprechend
der Vermutung beratungsgerechten Verhaltens - ein etwaiger erhöhter
Versicherungsbeitrag bei Annahme eines höheren Versicherungswertes 1914 oder eines
vertraglichen Unterversicherungsverzichts - davon in Abzug gebracht würde.
Allerdings muss er sich im Wege der Vorteilsausgleichung die infolge Kündigung des
Vertrages mit der A... ersparten Versicherungsprämien auf seinen Schaden anrechnen
lassen. Nach seinem eigenen Vortrag sind das jährlich 9 €, insgesamt mithin 45 € für die
Jahre 2003 bis 2007.
Wegen des Anspruchs auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige
Schäden, die dem Grunde nach aus dem Vorstehenden folgt, wird zur Vermeidung von
Wiederholungen auf die zutreffenden und erschöpfenden Ausführungen im
angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Der Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten sowie der Zinsen ist unter
dem Gesichtspunkt des Verzuges, §§ 280, 286 Abs. 1 BGB begründet. Zur Vermeidung
von Wiederholungen wird auf die zutreffenden und erschöpfenden Ausführungen im
angefochtenen Urteil verwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 und 2 ZPO, die zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 543
Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
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