Urteil des OLG Brandenburg vom 28.08.2008

OLG Brandenburg: dingliches recht, rücktritt vom vertrag, zwangsvollstreckung, kaufpreis, urkunde, grundstück, käufer, grundbuchamt, quelle, sicherungsmittel

1
2
3
4
Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 5.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 U 152/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 433 Abs 1 S 2 BGB, § 435 S 2
BGB
Grundstückskaufvertrag: Verpflichtung des Verkäufers zu einer
lastenfreien Übereignung bei einem eingetragenen Widerspruch
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 05. September 2007 verkündete Urteil der
4. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus – 4 O 338/06 – teilweise, unter Zurückweisung
der weitergehenden Berufung, dahin abgeändert, dass die Zwangsvollstreckung aus der
notariellen Urkunde vom 20. Juni 2006 (Notarin … in C., UR-Nr. 60725) nur Zug um Zug
gegen Löschung des in Abt. II des Grundbuchs von S. Blatt 2647-7 lfd. Nr. 9
eingetragenen Widerspruchs zulässig ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 110
% der aufgrund dieses Urteils beizutreibenden Beträge abwenden, wenn nicht die
vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
Die Beklagte betreibt aus einer notariellen Kaufvertragsurkunde der Notarin … in C. - UR-
Nr. 060725 - vom 20. Juni 2006 die Zwangsvollstreckung in das Vermögen der Klägerin,
die mit der Klage die Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung begehrt,
weil, wie sie meint, der Kaufpreis nicht fällig sei.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die Feststellungen im
angefochtenen Urteil sowie ergänzend auf die den Inhalt der von den Parteien
gewechselten Schriftsätze sowie der vorgelegten Unterlagen verwiesen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stehe gegenüber dem Anspruch der
Beklagten auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 98.226,00 € wegen des im
Grundbuch zugunsten der wahren Erben eingetragenen Widerspruchs ein
Zurückbehaltungsrecht gemäß §§ 320, 273 BGB zu. Die Beklagte könne die nach Ziffer
VI des notariellen Kaufvertrages vom 20. Juni 2006 vereinbarte Voraussetzung, den
verkauften Grundbesitz frei von im Grundbuch in Abteilung II und III eingetragenen
Belastungen und Beschränkungen zu verschaffen, wegen des in Abteilung II
eingetragenen Widerspruchs nicht mehr erfüllen. Der Widerspruch sei zwar kein
dingliches Recht im Sinne von § 435 BGB, sondern ein Sicherungsmittel eigener Art, das
das Bestehen des dinglichen Rechts an einem Grundstück gegen gutgläubigen Erwerb
Dritter schütze. Er sei aber einer derartigen in Ziffer VI. des Kaufvertrages
angesprochenen Beschränkung gleichzusetzen. Ein sachlich zutreffender Widerspruch
zerstöre die vom unrichtigen Grundbuchinhalt ausgehende Legitimation des nicht oder
nicht so Berechtigten, ohne zugleich eine Vermutungswirkung des Grundbucheintrags zu
beseitigen. Ein unrichtiger Widerspruch sei vom Verkäufer gemäß § 435 BGB zu
beseitigen. Ob der Widerspruch zu Recht oder zu Unrecht eingetragen sei, spiele für die
vertragliche Vereinbarung unter Ziffer VI. des Kaufvertrages zunächst keine Rolle.
Maßgeblich für den Zeitpunkt, dass der Kaufgegenstand frei von Belastungen und
Beschränkungen sei, könne nur die Vollendung des Eigentumserwerbs infolge
Auflassung und Eintragung sein. Bisher sei die Klägerin noch nicht als Eigentümerin in
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
Auflassung und Eintragung sein. Bisher sei die Klägerin noch nicht als Eigentümerin in
das Grundbuch eingetragen worden. Es spiele auch keine Rolle, ob die Klägerin aufgrund
der Auflassungsvormerkung und des nachrangig eingetragenen Widerspruchs die
Eintragung ihrer Eigentümerstellung in das Grundbuch – gutgläubig – erlangen könne.
Ausschlaggebend sei die vertragliche Regelung zwischen den Parteien, wonach die
Beklagte eine lastenfreie Übereignung des Grundbesitzes schulde. Stehe danach der
Klägerin ein Zurückbehaltungsrecht zu, sei der Kaufpreis in Höhe der ersten Rate von
98.226,00 € noch nicht zur Zahlung fällig.
Gegen das Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie Verletzung
materiellen Rechts rügt.
Die Beklagte meint, gemäß § 883 Abs. 2 BGB sei der nach Eintragung der
Auflassungsvormerkung eingetragene Widerspruch im Verhältnis zur Klägerin unwirksam
und hindere den Vollzug des Kaufvertrages nicht, da hierdurch sichergestellt sei, dass
die Klägerin lastenfreies Eigentum erwerbe bzw. gemäß § 888 BGB nach ihrer Eintragung
als Eigentümerin von den wahren Erben die Bewilligung der Löschung des Widerspruchs
verlangen könne. Dann könne der Widerspruch aber keine Belastung im Sinne des
Vertrages darstellen und sie, die Beklagte, sei ihrer Verpflichtung aus dem Kaufvertrag,
der Klägerin lastenfreies Eigentum, zu verschaffen, nachgekommen. Entsprechend habe
der Bundesgerichtshof (NJW 2006, S. 2557 ff) betreffend ein Veräußerungsverbot
entschieden. Würde man dem Käufer in einem derartigen Fall ein Zurückbehaltungsrecht
an der Kaufpreiszahlung zusprechen, würde dies im Ergebnis dazu führen, dass die
Durchführung eines Kaufvertrages in das Belieben des Erwerbers gestellt würde, wenn
nach Eintragung der Auflassungsvormerkung zu seinen Gunsten noch Belastungen im
weitesten Sinne im Grundbuch eingetragen würden, je nachdem, ob dieser von seinem
Anspruch auf Löschung des nachrangig eingetragenen Rechts Gebrauch mache oder
nicht. Es würde damit allein vom Zufall abhängen, ob der Käufer den Kaufpreis schon
gezahlt habe und er ein eigenes massives Interesse an der Löschung des nachrangig
eingetragenen Rechtes habe, oder ob ihm die Eintragung des Rechts als Anlass für einen
Rücktritt vom Vertrag gelegen komme Die Klägerin vereitele selbst die
Eigentumsumschreibung, indem sie den Kaufpreis nicht zahle. Im Übrigen sei der zu
Gunsten der wahren Erben eingetragene Widerspruch rechtlich unbeachtlich und
berechtige die Klägerin nicht zur Zurückbehaltung des Kaufpreises, da sie, die Beklagte,
im Zeitpunkt des Verkaufes aufgrund des bestandskräftigen Bescheides Eigentümerin
des Grundstücks gewesen sei. Hieran seien die Zivilgerichte gebunden.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Cottbus vom 13. Juni 2007 -
verkündet am 5. September 2007 – Az. 4 O 338/06 - die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil mit näherer Darlegung.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird ergänzend
auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
1. Die Berufung ist statthaft und zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und
begründet worden (§ 511 Abs. 1, 2 Nr. 1, §§ 513, 517, 519, 520 ZPO).
2. In der Sache hat die Berufung der Beklagten nur teilweise Erfolg.
Die Vollstreckungsgegenklage ist gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5, §§ 795, 797, 767 ZPO
statthaft und zulässig. Die Klägerin hat sich in der notariellen Urkunde der sofortigen
Zwangsvollstreckung aus der Urkunde wegen des Zahlungsanspruchs unterworfen, die
Beklagte vollstreckt aus der Urkunde wegen des Kaufpreises und die Klägerin macht mit
dem Leistungsverweigerungsrecht Einwendungen materiell-rechtlicher Art geltend. Diese
Einwendungen führen dazu, dass die Beklagte die Vollstreckung nur Zug um Zug gegen
Löschung der in Abt. II des Grundbuchs von S… Blatt 2647-7 lfd. Nr. 9 eingetragenen
Widerspruchs betreiben kann.
Gemäß § 433 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem notariellen Grundstückskaufvertrag,
gegen dessen Wirksamkeit keine Bedenken bestehen, kann die Beklagte von der
Klägerin die Bezahlung des Kaufpreises verlangen. In Höhe von 98.226,00 € ist der
17
18
19
20
21
22
23
24
Klägerin die Bezahlung des Kaufpreises verlangen. In Höhe von 98.226,00 € ist der
Betrag aufgrund einer Fälligkeitsanzeige des Notars seit dem 08. August 2006 zur
Zahlung fällig. Da die Klägerin von der Beklagten eine lastenfreie Übertragung des
Eigentums an dem Grundstück verlangen kann, die Beklagte hierzu aber, solange der
Widerspruch im Grundbuch eingetragen ist, nicht in der Lage ist, kann die Klägerin dies
der Beklagten gemäß § 320 BGB mit der Folge entgegenhalten, dass eine
Zwangsvollstreckung nur Zug um Zug gegen Löschung des Widerspruchs zulässig ist (§
322 Abs. 1, 767 Abs. 1 ZPO).
a) Die Klägerin ist hinsichtlich ihrer Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises in Höhe
von 98.226,00 € nicht vorleistungspflichtig, was einem Leistungsverweigerungsrecht
gemäß § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegenstehen könnte.
Gemäß Ziffer III des Vertrages war der Kaufpreis in dieser Höhe vier Wochen nach
Fälligkeitsanzeige des Notars zur Zahlung auf das Konto eines von der Beklagten
bevollmächtigten Rechtsanwalts fällig. Ziffer VII des Vertrages regelt, dass die
Übertragung des Eigentums an dem verkauften Grundbesitz, also die Auflassung und
Umschreibung des Trennstücks, nach Vermessung desselben und nach Vorlage der
amtlichen Katasterunterlagen, und damit unter Umständen schon vor Fälligkeit des
Kaufpreises, erfolgen solle. Ziffer V Abs. 3 des Vertrages ist zu entnehmen, dass auch
der Übergang des Besitzes und der Nutzungen nicht von der Zahlung des Kaufpreises
abhängig war. Schließlich hat auch der Notar eine Vorleistungspflicht der einen oder
anderen Partei nicht angenommen, wie seiner Belehrung in Ziffer VIII 3. des Vertrages zu
entnehmen ist.
Als Folge des Synallagmas besteht die Einrede des § 320 BGB bereits mit
Vertragsabschluss (BGH RNotZ 2004, 228, 229- NJW-RR 2004, 1135).
b) Gemäß § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin das
Grundstück frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Dies haben die Parteien
in Ziffer VI Abs. 3 des Vertrages auch ausdrücklich vereinbart und die Beklagte ist bisher
dieser Hauptpflicht aus dem Kaufvertrag nicht nachgekommen, weil im Grundbuch der
Widerspruch eingetragen worden ist. Auf diesen Widerspruch ist § 435 Satz 2 BGB
entsprechend anzuwenden. Danach steht es einem Rechtsmangel gleich, wenn im
Grundbuch ein nicht bestehendes Recht eingetragen ist. Bei dem Widerspruch handelt
es sich zwar nicht um ein dingliches Recht im Sinne von § 435 Satz 2 BGB sondern um
ein Sicherungsmittel eigener Art, das nur belegt, dass das Grundbuch unrichtig sein
kann. Es ist jedoch anerkannt, dass für einen Anspruch aus § 435 Satz 2 in Verbindung
mit § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB schon eine inhaltlich unzulässige Eintragung ausreicht,
sofern sie zu einer Erschwerung des Weiterverkaufs für einen daran interessierten Käufer
führt (RGZ 88, 22,25). Zudem ist auch für § 894 BGB aus diesem Grund anerkannt, dass
diese Vorschrift auf die Eintragung eines Widerspruchs entsprechend anzuwenden ist,
um den Eigentümer von dem lästigen Rechtsschein zu befreien (MünchKomm/Wacke, §
899 Rn. 30). Denn wer kauft schon ein Grundstück, auf dessen Grundbuchblatt ein
Widerspruch eingetragen ist.
Vorliegend handelt es sich bei dem eingetragenen Widerspruch um eine
Scheinbelastung, die § 435 Satz 2 BGB gleichzustellen ist und die Beklagte gemäß § 433
Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichtet, deren Löschung zu veranlassen.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das LARoV überhaupt zu einem
Eintragungsersuchen beim Grundbuchamt berechtigt war, obwohl, was das
Grundbuchamt zu überprüfen hatte, eine gesetzliche Vorschrift im Sinne von § 38 GBO
fehlt und im Zeitpunkt des Ersuchens ein sofort vollziehbarer Rückübertragungsbescheid
zu Gunsten der wahren Erben gemäß § 34 Abs. 1 Satz 8 VermG nicht vorlag (vgl. OLG
Naumburg, OLGR 1999, 87).
Die Eintragung des Widerspruchs gemäß § 899 BGB kam schon deswegen nicht in
Betracht, weil der Inhalt des Grundbuchs in Ansehung des Eigentumsrechts der
Beklagten nicht unrichtig war.
Die Beklagte hat gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 VermG unmittelbar durch die behördliche
Entscheidung das Eigentum an dem Grundstück durch den ihr gegenüber
bestandskräftig gewordenen Restitutionsbescheid vom 19. Oktober 2004 erworben,
ungeachtet der Tatsache, dass die wahren Erben an dem Restitutionsverfahren nicht
beteiligt waren, ihnen dieser Bescheid auch nicht zugestellt worden war und sie ihn
mangels Zustellung noch anfechten konnten (BGH NJW 1998, 3055, 3056). Der
Restitutionsbescheid hat privatrechtsgestaltende Wirkung, die von den Zivilgerichten zu
beachten ist (BGH a.a.O; BGHZ 132, 306, 308). Die Tatbestandswirkung des Bescheides,
die nicht nur den Eigentumsübergang als solchen zum Inhalt hat, sondern auch die
25
26
27
28
die nicht nur den Eigentumsübergang als solchen zum Inhalt hat, sondern auch die
Bestimmung, wer als Berechtigter nunmehr Eigentümer ist, setzt nicht seine
Wirksamkeit gegenüber allen Betroffenen voraus (BGH, a.a.O). Es genügt für diese
Wirkung, dass der Bescheid existent geworden ist, indem er den Innenbereich der
Verwaltung verlassen hat und einem von mehreren Betroffenen bekannt gegeben
worden ist. Hiernach kann eine Aufhebung des Bescheides nur Wirkung für die Zukunft
haben.
c) Die Beklagte kann die Klägerin nicht darauf verweisen, dass diese die Löschung des
ihr gegenüber unwirksamen Rechts selbst durchsetzen kann. Diese Möglichkeit würde
der Klägerin nicht das Recht nehmen, dem Zahlungsanspruch die Einrede des nicht
erfüllten Vertrages entgegenzuhalten (BGH RNotZ 2004, 228, 229). Hierzu ist die
Beklagte auch in der Lage, da sie gemäß § 894 BGB in entsprechender Anwendung
(h.M., MünchKomm/Wacker, § 899 Rn. 6), anders als bei einer zu Recht eingetragenen
Belastung, die Bewilligung der Löschung des Widerspruchs verlangen kann.
Demgegenüber dient § 888 Abs. 1 BGB nur dazu, den durch die Vormerkung
gesicherten fortbestehenden Anspruch gegen den Verkäufer (§ 883 Abs. 1 Satz 1, Abs.
2 Satz 1 BGB) unter Beachtung des formellen Konsensprinzips (§ 19 GBO)
verfahrensrechtlich durchzusetzen.
d) Die Einrede des § 320 BGB führt gemäß § 322 Abs. 1 BGB lediglich dazu, dass die
Zwangsvollstreckung aus der Urkunde Zug um Zug gegen Löschung des Widerspruchs
zulässig ist, so dass der darüber hinausgehende Antrag der Klägerin, die
Zwangsvollstreckung insgesamt für unzulässig zu erklären, keinen Erfolg haben kann vgl.
auch BGH NJW-RR97, S. 1272).
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen §§ 92, 708 Ziffer 10, 711 ZPO.
Gründe, die es rechtfertigen könnten, die Revision zuzulassen (§§ 543 Abs. 2 Satz 1
ZPO) sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum