Urteil des OLG Brandenburg vom 27.03.2007

OLG Brandenburg: zustellung, abgabe, link, quelle, sammlung, unterliegen, beschwerdefrist, rechtsmittelfrist, hauptsache

1
2
3
4
Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 2.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 WF 187/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 120 Abs 4 S 2 ZPO , § 124 Nr 2
ZPO, § 172 Abs 1 ZPO, § 329
Abs 2 ZPO
Prozeßkostenhilfe: Anforderungen an die Zustellung von
Aufforderungen zur Erklärung über die wirtschaftlichen
Verhältnisse
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Das Schreiben des Antragsgegners vom 16.4.2007, beim Amtsgericht eingegangen am
18.6.2007, stellt eine sofortige Beschwerde gegen die Aufhebung der bis dahin ratenfrei
bewilligten Prozesskostenhilfe durch Beschluss vom 27.3.2007 dar. Sie ist zulässig. Denn
die Beschwerdefrist ist mangels wirksamer Zustellung der angefochtenen Entscheidung
nicht in Lauf gesetzt worden (vgl. Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 28. Aufl., § 569 Rz. 4).
Die Rechtsmittelfrist hat nämlich nicht begonnen, weil der Aufhebungsbeschluss nicht
den Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners zugestellt worden ist.
Eine Zustellung an den Prozessbevollmächtigten hat gemäß § 172 Abs. 1 ZPO jedenfalls
dann zu erfolgen, wenn dieser für das Prozesskostenhilfeverfahren bestellt ist. Das findet
seinen Ausdruck darin, dass der (ursprüngliche) Prozesskostenhilfeantrag, wie hier, nicht
von der Partei selbst, sondern von ihrem Prozessbevollmächtigten gestellt wurde (BAG,
Beschluss vom 19.07.2006, bei juris; NZA 2006, 1128; LAG Rheinland-Pfalz, MDR 2007,
432). Diese Bestellung gilt auch in einem nach Instanzbeendigung durchgeführten
Überprüfungsverfahren gemäß § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO. Denn wenn schon die in einem
Vorprozess erteilte Prozessvollmacht sowohl zur Erhebung der Wiederaufnahmeklage
gemäß §§ 578 ff. ZPO wie zur Verteidigung ihr gegenüber ermächtigt, § 81 ZPO, und
Zustellungen an den so bevollmächtigten Rechtsanwalt zu richten sind (Zöller/Greger,
ZPO, 26. Aufl., § 585, Rz. 7), dann muss das erst recht gelten, wenn es sich um ein und
dasselbe Verfahren handelt. Das ist im Hinblick auf die Überprüfung der
Prozesskostenhilfebewilligung gemäß § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO der Fall, die nichts
anderes als eine Fortsetzung des Prozesskostenhilfeverfahrens über die
Instanzbeendigung in der Hauptsache hinaus darstellt. Etwas anderes gilt auch nicht
deshalb, weil es sich bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe und ihrer Überprüfung
um eine Justizverwaltungsangelegenheit handelt, da sie jedenfalls den Vorschriften der
ZPO und damit auch ihrem allgemeinen Teil unterliegen (vgl. BAG, a.a.O.; a. A. OLG
München, FamRZ 1993, 580; OLG Brandenburg, 1. Familiensenat, FamRZ 2002, 403;
FamRZ 2005, 47; OLG Koblenz, FamRZ 2005, 531; Zöller/Philippi, a.a.O., § 120, Rz. 28).
Soweit der Senat in der Vergangenheit eine abweichende Auffassung vertreten hat, hält
er hieran nicht mehr fest.
II.
Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung
der Prozesskostenhilfebewilligung gemäß § 124 Nr. 2 ZPO sind nicht erfüllt.
Gemäß § 124 Nr. 2, 2. Alternative ZPO kann das Gericht die Bewilligung der
Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2
ZPO nicht abgegeben hat. Nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO hat sich die Partei auf
Verlangen des Gerichts darüber zu erklären, ob eine Änderung der Verhältnisse
eingetreten ist. Daher ist, bevor die Prozesskostenhilfe aufgehoben werden kann, stets
erforderlich, dass das Gericht die Partei zuvor aufgefordert hat, innerhalb einer
5
6
7
8
erforderlich, dass das Gericht die Partei zuvor aufgefordert hat, innerhalb einer
bestimmten Frist zu erklären, inwieweit sich ihre persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse seit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe geändert haben (Zöller/Philippi,
a.a.O., § 124, Rz. 10 a). Vorliegend hat das Amtsgericht den Antragsgegner zwar unter
dem 1.8. und 4.12.2006 und dem 22.2.2007 zur Abgabe einer Erklärung aufgefordert.
Diese Aufforderungen waren aber in dreierlei Hinsicht fehlerhaft, sodass die Aufhebung
der Prozesskostenhilfebewilligung darauf nicht gestützt werden kann.
1. Da die Aufforderung mit einer Fristbestimmung erfolgt, bedarf es gemäß § 329 Abs. 2
ZPO der förmlichen Zustellung (vgl. auch Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 329, Rz. 16). In
den vorliegenden Akten findet sich weder eine ausdrückliche Anordnung, die
Aufforderungsschreiben förmlich zuzustellen, noch ein entsprechender Nachweis für eine
förmliche Zustellung wie eine Zustellungsurkunde oder ein Empfangsbekenntnis.
2. Auch die Aufforderung zur Abgabe einer Erklärung im Sinne von § 120 Abs. 4 Satz 2
ZPO ist an den für das Prozesskostenhilfeverfahren bestellten Prozessbevollmächtigten
zu richten. Denn auch dafür gilt § 172 Abs. 1 ZPO (LAG Rheinland Pfalz, a.a.O.;
Zöller/Stöber, a.a.O., § 172, Rz. 2). Dies ist nicht geschehen.
3. Die Erklärung gemäß § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO kann der Partei nicht in Gestalt des
Vordrucks über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abverlangt werden, da
anders als bei der erstmaligen Bewilligung gemäß § 117 Abs. 4 ZPO ein Vordruckzwang
nicht besteht (Senat, FamRZ 1996, 806; Verfahrenshandbuch Familiensachen/Gutjahr, §
1 Rz. 297; Zöller/Philippi, a.a.O., § 120, Rz. 28). Vor diesem Hintergrund kann die
Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung auch deshalb nicht auf die
Aufforderungsschreiben vom 1.8. und 4.12.2006 und vom 22.2.2007 gestützt werden,
weil der Antragsgegner jeweils ausdrücklich aufgefordert worden ist, sich in dem
anliegenden Formblatt zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zu
erklären.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum