Urteil des OLG Brandenburg vom 03.05.2005

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 6.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 W 147/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 91 Abs 1 S 2 ZPO, § 91 Abs 2
S 1 Halbs 2 ZPO
Kostenerstattungsanspruch: Erstattungsfähigkeit der
Reisekosten eines Mitglieds der von der auswärtigen Partei
beauftragten überörtlichen Sozietät
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des
Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 3. Mai 2005 (11 O 97/03) teilweise dahin abgeändert,
dass der Kläger an den Beklagten über den bereits festgesetzten Betrag hinaus weitere
134,49 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
nach § 247 BGB seit dem 17.3.2005 zu zahlen hat.
Im übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 300 Euro festgesetzt.
Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf die Hälfte ermäßigt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger nahm das Land Brandenburg, dieses vertreten durch das Brandenburgische
Autobahnamt mit Sitz in H… N…, auf Zahlung von Schadensersatz aus einem
Überschwemmungsschaden in Anspruch. Der Beklagte ließ sich von einer überörtlichen
Rechtsanwaltssozietät mit Kanzleien in Hennigsdorf und in Rüdersdorf vertreten. Die
Gerichtstermine hat ein Prozessbevollmächtigter aus der Hennigsdorfer Kanzlei
wahrgenommen. Die Klage ist durch Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom
30.3.2005 rechtskräftig abgewiesen worden. Die Kosten des Rechtsstreits sind dem
Kläger auferlegt worden.
Mit dem Kostenfestsetzungsantrag vom 16.3.2005 machte der Beklagte u.a.
Reisekosten seines in Hennigsdorf residierenden Prozessbevollmächtigten geltend.
Durch Beschluss vom 3.5.2005 setzte das Landgericht die von dem Kläger an den
Beklagten zu erstattenden Kosten auf 2.094,74 Euro fest. Die Reisekosten des
Hennigsdorfer Prozessbevollmächtigen des Beklagten berücksichtigte es lediglich in
Höhe fiktiver Informationsreisekosten eines Mitarbeiters des Beklagten zu einem
Rechtsanwalt am Gerichtsort von 48 Euro.
Gegen diesen dem Beklagten am 12.5.2005 zugestellten Beschluss richtet sich dessen
am 26.5.2005 eingegangene sofortige Beschwerde. Er begehrt die Berücksichtigung der
Reisekosten seines Hennigsdorfer Prozessbevollmächtigten in voller Höhe.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde des Beklagten ist teilweise begründet. Der Beklagte
hat einen Anspruch auf Erstattung von Reiskosten über den bereits vom Landgericht
berücksichtigten Betrag hinaus in Höhe von 134,49 Euro. Im übrigen ist die sofortige
Beschwerde unbegründet.
1. Die sofortige Beschwerde ist im Betrage von 134,49 Euro begründet. Der Beklagte hat
Anspruch auf Erstattung von Reisekosten in dieser Höhe, die angefallen wären, wenn der
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Anspruch auf Erstattung von Reisekosten in dieser Höhe, die angefallen wären, wenn der
Rüdersdorfer Prozessbevollmächtigte die Gerichtstermine wahrgenommen hätte.
Die Zuziehung der nicht bei dem Prozessgericht zugelassenen und am Ort des
Prozessgerichts auch nicht wohnhaften Hennigsdorfer Rechtsanwälte des Beklagten war
zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung zweckmäßig gemäß § 91 II 1 ZPO.
Reisekosten, die einer Partei durch die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwaltes
entstanden sind, sind zu erstatten, wenn sie im Sinne des § 91 I 1 ZPO notwendig waren.
Hierbei kommt es darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die
die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich
ansehen durfte. Dabei darf die Partei ihre berechtigten Interessen verfolgen und die zur
vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen. Sie ist lediglich
gehalten, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen.
Bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder
Rechtsverteidigungsmaßnahme ist zudem eine typisierende Betrachtungsweise
geboten. Denn der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig differenzierenden
Betrachtung im Einzelfall zu erzielen ist, steht in keinem Verhältnis zu den sich
einstellenden Nachteilen, wenn in nahezu jedem Einzelfall darüber gestritten werden
könnte, ob die Kosten einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder
Rechtsverteidigungsmaßnahme zu erstatten sind oder nicht (BGH NJW-RR 2005, 1662).
Im allgemeinen handelt es sich um notwendige Kosten einer zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung oder –verteidigung, wenn eine vor einem auswärtigen Gericht klagende
oder verklagte Partei einen an ihrem Wohnsitz oder Geschäftsort ansässigen
Rechtsanwalt mit der Vertretung beauftragt (BGH NJW-RR 2004, 1500; WRP 2004, 495,
496; NJW 2003, 898). Eine solche Beauftragung empfiehlt sich schon allein wegen der
geringeren Kosten und der einfacheren Möglichkeit der Unterrichtung und Besprechung.
Ausgangspunkt für die Berechnung der gemäß § 91 I ZPO zu erstattenden Kosten für
notwendige Informationsreisen und Reisen zur persönlichen Wahrnehmung von
Gerichtsterminen ist bei Gebietskörperschaften der Sitz der Vertretungsbehörde (OLG
München, JurBüro 1992, 170). Nach außen hin ist es allein deren Angelegenheit, die
Information des Prozessbevollmächtigten vorzunehmen und Vertreter zu den
Gerichtsterminen zu entsenden, wenn dies erforderlich ist. In Übereinstimmung damit
bestimmt sich auch nach § 18 ZPO der allgemeine Gerichtsstand des Fiskus nach dem
Sitz der Vertretungsbehörde. In gleicher Weise ist deshalb auch der Sitz der
Vertretungsbehörde für die gemäß § 91 I ZPO zu erstattenden Reisekosten eines von
dieser mit der Prozessvertretung beauftragten Rechtsanwaltes maßgeblich.
Eine Ausnahme besteht hier nicht deshalb, weil schon im Zeitpunkt der Beauftragung
des Rechtsanwaltes festgestanden hätte, dass ein eingehendes Mandantengespräch für
die Prozessführung nicht erforderlich sein würde. Das ist weder vorgetragen, noch sonst
ersichtlich.
Der Kläger hat einen Schadensersatzanspruch aus Verletzung einer
Verkehrssicherungspflicht wegen ungenügender Entwässerungsanlagen im
Zusammenhang mit dem Bau eines Autobahnteilstückes geltend gemacht. Damit
handelte es sich absehbar um keinen einfachen Sachverhalt, der von vornherein ein
eingehendes Mandantengespräch entbehrlich gemacht hätte. Ausdruck dessen ist das
bereits in der Klageschrift als Beweis angebotene Gutachten eines Sachverständigen.
Ein umfangreiches Gutachten musste schließlich auch einschließlich eines Amtlichen
Gutachtens über die Niederschlagsverhältnisse am 12.8.2002 in Fürstenwalde, dem Tag
des Schadenseintrittes, eingeholt werden.
Allerdings sind die Reisekosten des Hennigsdorfer Prozessbevollmächtigten des
Beklagten nur in der Höhe fiktiver Reisekosten des Rüdersdorfer
Prozessbevollmächtigten der Klägerin erstattungsfähig (§ 91 I 1 ZPO).
Der Beklagte hat mit seiner Vertretung nicht nur den nach außen aufgetretenen
Rechtsanwalt, sondern die gesamte Sozietät beauftragt, der er angehört. Damit
schuldeten alle Rechtsanwälte dieser Sozietät grundsätzlich gemeinsam die Erfüllung
der anwaltlichen Pflichten. Es sind keine Umstände ersichtlich, die hier eine Ausnahme
von diesem Grundsatz rechtfertigen würden.
Da auf Grund dieses Mandates alle Rechtsanwälte der Sozietät die Termine wahrnehmen
konnten, war die Anreise des weiter vom Prozessgericht entfernt ansässigen
Rechtsanwaltes zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig (KG NJW-RR
2005, 655; OLG München JurBüro 2004, 599; OLG München NJW 2002, 1435; OLG
Hamburg OLG-Report 2003, 152). Dies gilt unabhängig davon, ob die in Hennigsdorf
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Hamburg OLG-Report 2003, 152). Dies gilt unabhängig davon, ob die in Hennigsdorf
ansässigen Sozien des Beklagten regelmäßig für sie tätig sind. Auf die Kenntnisse eines
einzelnen Rechtsanwaltes kann bei einer (überörtlichen) Sozietät, die ihre
Leistungsfähigkeit gerade auch aus ihrer Größe herleitet und diese im öffentlichen
Auftreten regelmäßig – z.B. auf Briefköpfen – auch hervorhebt, nicht abgestellt werden.
Die Möglichkeit der Arbeitsteilung und Spezialisierung der einzelnen Rechtsanwälte ist
gerade ein Vorteil einer Sozietät, die sich der Mandant mit deren Beauftragung zunutze
macht. An welchem Ort die Sozietät mit welchen fachlichen Kompetenzen präsent ist,
obliegt ihrer internen Entscheidung. Durch diese können aber dem Mandanten, der die
ganze Sozietät mit der Gesamtheit ihrer Fähigkeiten beauftragt hat, gebührenrechtlich
keine Nachteile entstehen.
Auch wenn der Rüdersdorfer Prozessbevollmächtigte des Beklagten beim
Prozessgericht, dem Landgericht Frankfurt (Oder) zugelassen ist, sind dessen fiktive
Reisekosten zu berücksichtigen.
Zwar waren gemäß § 91 II 2 ZPO in der bis zum 30.6.2004 geltenden Fassung der
obsiegenden Partei die Mehrkosten nicht zu erstatten, die dadurch entstanden waren,
daß der bei dem Prozessgericht zugelassene Rechtsanwalt seinen Wohnsitz oder seine
Kanzlei nicht an dem Ort hat, an dem sich das Prozessgericht oder eine auswärtige
Abteilung dieses Gerichts befindet. Diese Bestimmung ist jedoch durch das
Kostenrechtsmodernisierungsgesetz mit Wirkung vom 1.7.2004 ersatzlos aufgehoben
worden. Mangels Übergangsregelung ist hier damit § 91 II ZPO in der seit dem 1.7.2004
geltenden Fassung anzuwenden.
Reisekosten des Rüdersdorfer Prozessbevollmächtigten des Beklagten wären wie folgt
entstanden:
Termin am 20.10.2003
Termin am 9.3.2005
Entgegen der Auffassung des Beklagten hat er keinen darüber hinaus gehenden
Anspruch auf Erstattung fiktiver Reisekosten für eine Informationsreise der Partei vom
Sitz in Stolpe zum Rüdersdorfer Büro seiner Prozessbevollmächtigten. Der Beklagte hat
seine Prozessbevollmächtigten am Sitz seiner Vertretungsbehörde informiert. Diese
hätten den Rüdersdorfer Prozessbevollmächtigten des Beklagten instruieren können.
Entscheidet sich die Sozietät intern, den Aufwand der Instruktion sowie Einarbeitung des
Rüdersdorfer Sozius zu vermeiden, der mit den anfallenden Gebühren abgegolten
gewesen wäre und lässt statt dessen den Hennigsdorf residierenden Sozius die
Gerichtstermine wahrnehmen, sind die dadurch anfallenden Reisekosten deshalb nicht
notwendig und mithin nicht erstattungsfähig.
2. Im verbleibenden Betrag von 141,73 Euro ist die sofortige Beschwerde mithin
unbegründet.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 I ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes
beruht auf § 47 I 1 GKG.
Die Entscheidung über die Ermäßigung der Gebühr für das Beschwerdeverfahren beruht
auf GKG-KV Nr. 1811.
Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 574 II Nr. 1 ZPO zugelassen.
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