Urteil des OLG Brandenburg vom 22.02.2006

OLG Brandenburg: anwartschaft, auskunft, deckungskapital, umrechnung, leibrente, beitrag, lebensversicherungsvertrag, versorgung, öffentlich, sammlung

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 3.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
15 UF 43/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1587a Abs 1 S 1 BGB, § 1587a
Abs 1 S 2 BGB, § 1587a Abs 3
Nr 1 BGB, § 1587a Abs 3 Nr 2
BGB, § 1587b Abs 1 BGB
Versorgungsausgleich: Bewertung und Übertragung einer
Leibrente aus Lebensversicherung - Ausgleich von
Anwartschaften aus öffentlich-rechtlicher
Zusatzversorgungskasse - Einbezug einer
Erwerbsunfähigkeitsrente
Tenor
Auf die Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung … wird der Beschluss des
Amtsgerichts - Familiengerichts - Rathenow vom 22. Februar 2006 - 5 F 140/05 -
abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Von dem Versicherungskonto Nr. … der Antragsgegnerin bei der Deutschen
Rentenversicherung B. werden, bezogen auf das Ende der Ehezeit am 30. Juni 2005,
Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 17,89 € auf das Versicherungskonto Nr. …
des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung … übertragen.
Der Monatsbetrag der zu übertragenden Anwartschaften ist in Entgeltpunkte
umzurechnen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe
Die gemäß § 621 e ZPO zulässige Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung …,
über die der Senat nach Gewährung rechtlichen Gehörs ohne die in § 53 b Abs. 1 FGG
vorgesehene mündliche Verhandlung entscheidet (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15.
Aufl., 2003, § 53 b, Rz. 5), ist begründet. Der Versicherungsträger rügt zu Recht, dass
das Amtsgericht auf Seiten des Antragstellers den ehezeitbezogenen Wert der fiktiv
berechneten Rentenanwartschaften und nicht denjenigen der Erwerbsunfähigkeitsrente,
die der Antragsteller zum Zeitpunkt des versorgungsausgleichsrechtlichen Endes der
Ehezeit bereits bezogen hat und die ihm vor Vollendung des 65. Lebensjahres
voraussichtlich nicht mehr entzogen wird, einbezogen hat. Aus heutiger Sicht sind weiter
die Änderungen zu berücksichtigen, die die BarwertVO durch die Dritte VO zur Änderung
der BarwertVO vom 03.05.2006 (BGBl. I, S. 1144) erfahren hat. Schließlich ist die
Lebensversicherung Nr. … des Antragstellers bei der C.., die das Amtsgericht noch in
den Versorgungsausgleich eingestellt hat, nicht mehr zu berücksichtigen, weil sie
ausweislich der im Beschwerdeverfahren durch den Senat eingeholten ergänzenden
Auskunft des Versicherers vom 18.04.2006 zwischenzeitlich gekündigt und der
Rückkaufswert ausgezahlt worden ist (vgl. hierzu BGH, NJW 2003, 1320; NJW-RR 2003,
1153). Danach ist der Versorgungsausgleich nunmehr richtigerweise wie folgt
durchzuführen:
1. a) Der Antragsteller bezieht seit dem 01.01.2001 eine Rente wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit, mit deren Entzug nicht mehr zu rechnen ist, der mehr Entgeltpunkte
zugrunde liegen als der fiktiv berechneten Altersrente und die deshalb für den
Versorgungsausgleich maßgeblich ist (BGH, FamRZ 1985, 688; FamRZ 1989, 723).
Ausweislich der Auskunft der Deutschen Rentenversicherung … vom 21.12.2005 beträgt
der auf die versorgungsausgleichsrechtliche Ehezeit vom 01.07.1991 bis zum
30.06.2005 entfallende Anteil dieser Rente monatlich 395,12 € ; es handelt sich um eine
regeldynamische Rente. Ferner steht dem Antragsteller eine Anwartschaft auf eine
Leibrente aus einem während der Ehe geschlossenen privaten
Lebensversicherungsvertrag zu.
Nach der Auskunft des Versicherers, der W. Lebensversicherung auf Gegenseitigkeit,
vom 29.07.2005 handelt es sich um eine fondsgebundene Rentenversicherung, deren
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vom 29.07.2005 handelt es sich um eine fondsgebundene Rentenversicherung, deren
Deckungskapital sich zum Ende der Ehezeit auf 33.406,32 € belaufen hat.
Diesen Anrechten stehen ausweislich der Auskunft der BfA vom 22.09.2005 auf Seiten
der Antragsgegnerin, ebenfalls bezogen auf die Ehezeit, regeldynamische
Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 502,56 € gegenüber. Ferner hat die
Antragsgegnerin nach der Auskunft der VBL vom 01.09.2005 eine Anwartschaft auf
Leistungen aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes erlangt, deren
Ehezeitanteil sich auf monatlich 171,48 € beläuft. Nicht in den Versorgungsausgleich
einzubeziehen sind ihre beiden Lebensversicherungen bei der C.., die das Amtsgericht
bei der Vorbereitung seiner Entscheidung offenbar übersehen hat; nach den Angaben
des Versicherers in seiner durch den Senat im Beschwerdeverfahren eingeholten
ergänzenden Auskunft vom 23.06.2006 handelt es sich dabei nämlich nicht um
Rentenversicherungen.
b) Der Wert der Anwartschaft der Antragsgegnerin auf Leistungen aus der
Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes steigt nur im Leistungsstadium, nicht aber
im Anwartschaftsstadium in gleicher Weise wie derjenige einer Anwartschaft in der
gesetzlichen Rentenversicherung (BGH, NJW 2004, 2676); sie kann deshalb nicht mit den
von dem Antragsteller in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen
Rentenanwartschaften saldiert werden, denn hierdurch würde der Halbteilungsgrundsatz
des § 1587 a Abs. 1 Satz 2 BGB verletzt. Für die Erstellung der Ausgleichsbilanz aller in
den Versorgungsausgleich einzustellenden Anrechte ist daher eine Umrechnung des
Anrechts in eine (fiktive) Rentenanwartschaft erforderlich, deren Dynamik derjenigen der
in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Rentenanwartschaften entspricht
und die deshalb mit diesen vergleichbar ist. Die Umrechnung richtet sich angesichts
dessen, dass die aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes zu erbringenden
Leistungen nicht aus einem Deckungskapital gewährt werden, nach § 1587 a Abs. 3 Nr. 2
BGB. Danach ist die Regelaltersrente zugrunde zu legen, die sich ergäbe, wenn für den
auf die Ehezeit entfallenden Teil der Versorgung ein Barwert ermittelt und als Beitrag in
die gesetzliche Rentenversicherung entrichtet würde. Hierdurch wird die Vergleichbarkeit
der Anwartschaft mit den (regel-)dynamischen Anrechten in der gesetzlichen
Rentenversicherung hergestellt.
Der für die Ermittlung des Barwerts maßgebliche Kapitalisierungsfaktor ist der Tabelle 1
zur BarwertVO in der Fassung der Dritten VO zur Änderung der BarwertVO vom
03.05.2006 (BGBl. I, S. 1144) zu entnehmen; er beträgt bei einem Lebensalter der
Antragsgegnerin von 49 Jahren zum Ehezeitende und einem Rentenbeginn mit
Vollendung des 65. Lebensjahres 5,7. Da die in Rede stehende Versorgung im
Leistungsstadium volldynamisch ist (BGH, a.a.O.), ist der Faktor gemäß § 2 Abs. 2 Satz
4 BarwertVO um 50 % zu erhöhen; der maßgebliche Faktor beträgt mithin 8,55. Mit
diesem Faktor ist der Jahresbetrag der Rente zu multiplizieren, § 2 Abs. 1 BarwertVO.
Dies führt zu einem Barwert von 17.593,85 € (= 171,48 € x 12 Monate x 8,55).
Dieser Barwert ist so zu behandeln, als würde er als Beitrag in die gesetzliche
Rentenversicherung eingezahlt, indem er mit Hilfe des für das Ehezeitende (31.06.2005)
maßgeblichen Umrechnungsfaktors in Entgeltpunkte umgerechnet und die
Entgeltpunkte sodann mit dem für das Ehezeitende maßgeblichen Rentenwert
multipliziert werden. Auf dieser Grundlage ergibt sich ein Rentenwert von monatlich
79,73 € (= 17.593,85 € x 0,0001734318 x 26,13).
c) Die Anwartschaft des Antragstellers auf die Leibrente aus dem privaten
Lebensversicherungsvertrag ist statisch und kann wegen ihrer fehlenden Dynamik
ebenfalls nicht mit den von der Antragsgegnerin in der gesetzlichen Rentenversicherung
erworbenen Rentenanwartschaften saldiert werden. Auch hier ist daher eine
Umrechnung des Anrechts in eine (fiktive) Rentenanwartschaft erforderlich, deren
Dynamik derjenigen der in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen
Rentenanwartschaften entspricht und die deshalb mit diesen vergleichbar ist. Da die
Versicherungsleistungen aus einem Deckungskapital gewährt werden, richtet sich die
Umrechnung nach § 1587 a Abs. 3 Nr. 1 BGB. Danach ist die Regelaltersrente zugrunde
zu legen, die sich ergäbe, wenn das während der Ehe gebildete Deckungskapital als
Beitrag in die gesetzliche Rentenversicherung entrichtet würde. Auch diese Anwartschaft
wird auf diese Weise mit den (regel-)dynamischen Anrechten in der gesetzlichen
Rentenversicherung vergleichbar gestellt.
Die Umrechnung erfolgt, indem das Deckungskapital mit Hilfe des für das Ehezeitende
(30.06.2005) maßgeblichen Umrechnungsfaktors in Entgeltpunkte umgerechnet und die
Entgeltpunkte sodann mit dem für das Ehezeitende maßgeblichen Rentenwert
multipliziert werden. Auf dieser Grundlage ergibt sich ein Rentenwert von monatlich
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multipliziert werden. Auf dieser Grundlage ergibt sich ein Rentenwert von monatlich
151,39 € (=33.406,32 € x 0,0001734318 x 26,13). Diesen Wert hat auch das
Amtsgericht zutreffend ermittelt.
Für die Gesamtbilanz folgt daraus, dass beide Parteien während der Ehe den Gegenwert
weiterer regeldynamischer Rentenanwartschaften erlangt haben, und zwar der
Antragsteller in Höhe von monatlich 151,39 € und die Antragsgegnerin in Höhe von
monatlich 79,73 € .
2. Damit hat die Antragsgegnerin insgesamt die höheren Anrechte erworben, so dass
sie gemäß § 1587 a Abs. 1 Satz 1 BGB zum Ausgleich verpflichtet ist. Dem
ausgleichsberechtigten Antragsteller steht gemäß § 1587 a Abs. 1 Satz 2 BGB die Hälfte
des Wertunterschiedes zu.
Dementsprechend sind - unter rechnerischer Einbeziehung der übrigen in
regeldynamische Rentenanwartschaften umgerechneten Anrechte der Parteien - im
Wege des Splittings gemäß § 1587 b Abs. 1 BGB Rentenanwartschaften der
Antragsgegnerin in der gesetzlichen Rentenversicherung wie folgt auf das
Versicherungskonto des Antragstellers zu übertragen:
Rentenanwartschaften Antragsgegnerin
Versorgungsanwartschaft Antragsgegnerin; umgerechnet
Rentenanwartschaften Antragsteller
Leibrente Antragsteller; umgerechnet
Differenz:
3. Gemäß § 1587 b Abs. 6 BGB ist anzuordnen, dass der Monatsbetrag der zu
übertragenden Rentenanwartschaften in Entgeltpunkte umzurechnen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 a ZPO.
Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 2.000,00 € [§ 49 Nr. 3 GKG n.F.]
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