Urteil des OLG Brandenburg vom 08.10.2008

OLG Brandenburg: gesetzliche vermutung, sinn und zweck der norm, sachmangel, fahrzeug, klimaanlage, käufer, höchstgeschwindigkeit, mangelhaftigkeit, verbraucher, rücktritt

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht
13. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
13 U 34/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 323 Abs 1 BGB, § 346 Abs 1
BGB, § 434 Abs 1 Nr 2 BGB, §
437 Nr 2 BGB, § 476 BGB
Rücktritt vom Gebrauchtwagenkauf: Reichweite der
gesetzlichen Vermutung bei ungeklärter Ursache für einen nach
Übergabe aufgetretenen Getriebeschaden
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 6. Februar 2008 verkündete Urteil des
Landgerichts Potsdam, Az.: 1 O 320/07, wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers gegen
Sicherheitsleistung von 110 % des nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrages
abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung aus der Rückabwicklung eines
Kaufvertrages über einen gebrauchten Pkw Mitsubishi Galant wegen eines wiederholt,
erstmals zwei Monate nach Übergabe aufgetretenen Getriebeschadens in Anspruch. Auf
die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird verwiesen.
Das Landgericht hat der Klage nach teilweiser Rücknahme in vollem Umfang
stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Rücktritt berechtigt sei, weil
das Fahrzeug sich nach dem unstreitigen Sachverhalt nicht für den vertraglich
vorausgesetzten Gebrauch eigne und deshalb einen Sachmangel aufweise. Das
Vorliegen eines Mangels schon zur Zeit des Gefahrübergangs werde nach § 476 BGB
vermutet. Für das Vorliegen eines Mangels schon bei Gefahrübergang spreche auch die
relativ geringe Laufleistung von nur 2.000 km bis zum ersten Auftreten des
Getriebeschadens. Infolge des Eingreifens der gesetzlichen Vermutung treffe den
Beklagten der Vollbeweis dafür, dass die Sache bei Gefahrübergang noch nicht mit
einem (Grund-)Mangel behaftet gewesen sei. Vorliegend stehe indessen aufgrund des
eigenen Vorbringens des Beklagten fest, dass das eingebaute Getriebe für einen
Fahrbetrieb mit Höchstgeschwindigkeit und eingeschalteter Klimaanlage bei hohen
Außentemperaturen nicht ausgelegt sei. Damit räume der Beklagte selbst ein, dass sich
das gekaufte Fahrzeug nicht für die gewöhnliche Verwendung eigne.
Dagegen wendet der Beklagte sich mit seiner Berufung. Er meint, die Vermutung des §
476 BGB komme erst dann zum Tragen, wenn das Vorliegen eines Sachmangels
unstreitig oder bewiesen sei. Daran fehle es hier. Er, der Beklagte, habe bestritten, dass
die Ursache für den nach Übergabe eingetretenen Getriebeschaden bereits bei
Gefahrübergang vorhanden gewesen sei. Darüber hätte Beweis erhoben werden
müssen. Dem Beklagten hätte Gelegenheit gegeben werden müssen, die Vermutung
des § 476 BGB zu widerlegen. Ungeachtet dessen weiche die tatsächliche
Beschaffenheit des Fahrzeugs weder von der vereinbarten Beschaffenheit ab noch liege
ein Mangel i. S. v. § 434 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor. Im Fall eines Gebrauchtwagenkaufs sei die
Vergleichsgruppe aus solchen Fahrzeugen zu bilden, die nach Alter und Laufleistung und
des gleichen Typs derselben Marke entsprechen.
Er beantragt,
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das am 6.2.2008 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam, Az.: 1 O 320/07,
abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den
Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze und der Protokolle der mündlichen
Verhandlungen.
II.
Die gemäß §§ 517, 519, 520 ZPO zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und
begründete Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Kläger hat gegen den
Beklagten einen Anspruch in der erstinstanzlich ausgeurteilten Höhe. Der Beklagte
dringt mit seinem auf die Auslegung des § 476 BGB durch das Landgericht beschränkten
Angriffen nicht durch.
Der Kläger war gemäß §§ 434 Abs. 1 Nr. 2, 437 Nr. 2, 323 Abs. 1, 346 Abs. 1 BGB nach
der vom Beklagten erklärten Weigerung einer Nachbesserung berechtigt, vom
Kaufvertrag über den Gebrauchtwagen zurückzutreten. Der Gebrauchtwagen weist einen
Mangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf. Danach ist die Sache bei Fehlen einer
Beschaffenheitsvereinbarung – wie hier – frei von Sachmängeln, wenn sie sich bei
Gefahrübergang, d.h. gemäß § 446 S. 1 BGB bei deren Übergabe, für die gewöhnliche
Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art
üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten kann. Die gewöhnliche
Verwendung ist objektiv aus der Art der Sache und aus den Verkehrskreisen, denen der
Käufer angehört, abzuleiten. Vergleichsmaßstab ist die übliche Beschaffenheit bei
Sachen gleicher Art, d.h. bei Sachen auch anderer Hersteller (vgl. OLG Düsseldorf NJW
2005, 2235; 2006, 2858) mit demselben Qualitätsstandard. Gewöhnliche Verwendung
eines Fahrzeugs ist in erster Linie dessen Fahrfähigkeit und -bereitschaft. Das gilt auch
für ein Gebrauchtfahrzeug zumindest dann, wenn es eine für sein Alter relativ geringe
Laufleistung aufweist. Bei einer Fahrleistung von 69.000 km bei Übergabe kann erwartet
werden, dass das Fahrzeug noch einige zehntausend weitere Kilometer fahrbereit ist.
Gemessen an den v. g. Maßstäben fehlt es dem vom Kläger erworbenen Fahrzeug an
der Eignung zur gewöhnlichen Verwendung. Nachdem der Mitsubishi infolge eines
erstmals am 9.3. und anschließend am 13.6.2007 erneut aufgetretenen
Getriebeschadens unstreitig nicht mehr fahrbereit ist, ist er für den Fahrbetrieb nicht
mehr geeignet, folglich mit einem Sachmangel behaftet. Es ist auch kein Anhaltspunkt
dafür ersichtlich, dass es sich bei dem eingetretenen Defekt um eine bei Fahrzeugen
dieses Typs und dieses Alters mit entsprechender Laufleistung übliche
Verschleißerscheinung handelt. Darauf hat sich weder der Beklagte berufen, noch
ergeben sich sonst Anhaltspunkte dafür. Gegen die Annahme alters- oder
fahrbetriebsbedingter Verschleißerscheinungen spricht zudem der Umstand, dass der
Beklagte das Getriebe im Anschluss an den ersten Schaden generalüberholt oder – wie
vom Kläger persönlich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erstmals
vorgebracht - sogar ausgetauscht hat. Selbst wenn also das Getriebe zunächst
Verschleißerscheinungen aufgewiesen haben sollte, hätten diese durch die vom
Beklagten durchgeführten Reparaturmaßnahmen behoben worden sein müssen.
Abgesehen davon betrug die Laufleistung des Fahrzeugs im Zeitpunkt des ersten
Schadensfalles ca 71.000 km. Dass ein Getriebe nach einer derart geringen Laufleistung
verschlissen sein soll, ist nicht anzunehmen. Letztlich ergeben sich auch keine
hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der wiederholt aufgetretene Getriebeschaden
deshalb keinen zum Rücktritt berechtigenden Sachmangel darstellt, weil er auf
unsachgemäße Benutzung des Fahrzeugs durch den Kläger zurückzuführen wäre. Zwar
hat der Kläger das Fahrzeug unmittelbar vor dem zweiten Schadensfall bei
eingeschalteter Klimaanlage mit Höchstgeschwindigkeit betrieben, wobei - so der
Beklagte - das Getriebe für einen solchen Fahrbetrieb nicht ausgelegt ist. Mit diesem
Einwand ist allerdings weder der erste Getriebeschaden Anfang März 2007 erklärt noch
insbesondere das Vorhandensein eines Sachmangels im Sinne des § 434 Abs. 1 Nr. 2
BGB ausgeräumt. Die Tatsache, dass der konkrete Sachmangel – fehlende
Fahrbereitschaft aufgrund Getriebeschadens - bei Übergabe unstreitig noch nicht vorlag,
steht der Haftung des Beklagten gemäß §§ 434 Abs. 1 Nr. 2 BGB, 437 Nr. 2, 440, 346
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steht der Haftung des Beklagten gemäß §§ 434 Abs. 1 Nr. 2 BGB, 437 Nr. 2, 440, 346
BGB nicht entgegen. Der Senat geht mit dem Kläger davon aus, dass die in der
Beschaffenheit des Fahrzeugs liegende Ursache für die Getriebeschäden bereits bei
Gefahrübergang angelegt, das Fahrzeug mithin bei Übergabe an den Kläger bereits mit
einem (Grund-)Sachmangel behaftet war. Zu Gunsten des Klägers greift die gesetzliche
Vermutung des § 476 BGB ein. Danach wird dann, wenn sich innerhalb von sechs
Monaten nach Gefahrübergang ein Sachmangel zeigt, vermutet, dass die Sache bereits
bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der
Sache oder des Mangels unvereinbar. Nach einer im Schrifttum vertretenen Ansicht
bezieht § 476 BGB sich auf das Vorliegen eines Mangels selbst, wenn sie an das Sich-
Zeigen eines Sachmangels innerhalb der Sechsmonatsfrist die Vermutung knüpft, dass
„die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war und nicht etwa lediglich, dass der
betreffende Sachmangel bereits bei Gefahrübergang vorlag (MüKo-Lorenz, BGB 5. Aufl.,
§ 476 Rn. 4). Für diese weitere Auslegung des § 476 BGB sprechen sowohl der Wortlaut
als auch der Zweck des Gesetzes. Mit der Formulierung „zeigt sich ein Sachmangel"
stellt die Vorschrift auf das Auftreten, das Erkennbarwerden eines Sachmangels ab.
Wenn daran dann die gesetzliche Vermutung geknüpft wird, „dass die Sache bereits bei
Gefahrübergang mangelhaft war" (nicht hingegen „dass dieser Mangel bereits bei
Gefahrübergang vorlag"), wird nach der Formulierung und der Satzstellung gerade nicht
vorausgesetzt, dass Identität von dem konkret sich zeigenden Sachmangel einerseits
und dem bei Gefahrübergang bereits vorhandenen Mangel andererseits besteht.
Vielmehr wird aufgrund des Auftretens des konkreten Sachmangels innerhalb der
Sechsmonatsfrist gesetzlich vermutet, dass die Sache bereits bei Übergabe eine
vertragswidrige Beschaffenheit aufwies. Damit begründet die Vorschrift jedenfalls ihrem
Wortlaut nach eine Vermutung dafür, dass ein innerhalb von sechs Monaten nach
Übergabe aufgetretener Sachmangel bei Gefahrübergang bereits vorhanden war, und
zwar entweder in der konkret sich zeigenden oder in anderer Weise als so genannter
Grundmangel. Dieses Wortverständnis entspricht auch dem Sinn und Zweck der Norm.
Grundlage der Vorschrift mit spezifisch Verbraucher schützendem Charakter sind die
schlechteren Beweismöglichkeiten des Verbrauchers und die jedenfalls in engem
zeitlichen Zusammenhang mit der Übergabe ungleich besseren
Erkenntnismöglichkeiten des Unternehmers (BT-Drucks. 1/6040 S. 245). Dieser
gesetzgeberische Zweck kann nur dadurch erreicht werden, dass die gesetzliche
beliebigen
Sachmangel ursächlichen Grundmangels, nicht notwendig des später konkret
aufgetretenen Sachmangels bei Übergabe gilt. Andernfalls hilft die Vermutung in Fällen,
in denen der konkret die Inanspruchnahme der Gewährleistung auslösende Defekt – wie
hier die Getriebeschäden – unstreitig erst nach Gefahrübergang auftritt, dem
Verbraucher wenig, wenn ihm der Nachweis aufgebürdet wird, dass die Ursache für
diesen konkreten Defekt in Gestalt eines so genannten Grundmangels bereits bei
Gefahrübergang vorlag. Zum Einen kann der Verbraucher als technischer Laie sich
redlicherweise lediglich auf die pauschale Behauptung beschränken, ursächlich für den
nunmehr erkennbar gewordenen Defekt sei ein bereits bei Gefahrübergang vorhanden
gewesener Grundmangel; eine konkret in Betracht kommende Ursache in Gestalt eines
Grundmangels für den nunmehr aufgetretenen Defekt dafür könnte er nur nach
vorheriger Einholung eines Privatgutachtens benennen. Folge davon wäre - je nach Art
des aufgetretenen Defekts - eine nicht näher einzugrenzende, auf umfassende
Ursachenforschung gerichtete Sachverständigenbegutachtung, deren Ergebnis
erfahrungsgemäß nicht immer eindeutig ist. Den Verbraucher träfen danach nicht nur -
jedenfalls als Vorschuss - die Kosten für die umfassende Begutachtung, sondern auch
die Folgen der Unerweislichkeit einer zweifelsfreien Ursache, die zugleich als
vertragswidrig zu qualifizieren wäre. Das dargestellte Prozedere ist mit der auf Stärkung
des Verbraucherschutzes ausgerichteten Intention des Gesetzgebers nur schwer in
Einklang zu bringen. Zudem würde ein engeres Verständnis des § 476 BGB als hier
aufgezeigt gegenüber der bisherigen Rechtslage in Fällen, wie dem zur Entscheidung
anstehenden, nicht die vom Gesetzgeber angestrebte Besserstellung für den
Verbraucher bewirken. Ausgehend davon wird zugunsten des Klägers die
Mangelhaftigkeit des Pkw im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vermutet. Diese
Vermutung hat der Beklagte durch sein Bestreiten ebenso wenig wie durch seinen
Vortrag zur unsachgemäßen Fahrweise des Klägers widerlegt. Das einfache Bestreiten
der Mangelhaftigkeit des Pkw bei Übergabe ist zur Widerlegung der Vermutung gemäß §
476 BGB von vornherein ungeeignet, weil andernfalls die Vermutung ins Leere ginge.
Das Vorbringen zum unsachgemäßen Gebrauch des Fahrzeugs durch den Kläger
vermag die zu seinen Gunsten streitende Vermutung nach den vorstehenden
Überlegungen zur Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs ebenfalls nicht zu erschüttern oder zu
widerlegen.
Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Reichweite der Vermutung des § 476 BGB ist
nicht eindeutig. Nach den ausdrücklichen Feststellungen des Bundesgerichtshofes in den
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nicht eindeutig. Nach den ausdrücklichen Feststellungen des Bundesgerichtshofes in den
bisher zu § 476 BGB ergangenen Entscheidungen begründet § 476 BGB eine Vermutung
in zeitlicher Hinsicht, dass ein innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang
unstreitiger oder nachgewiesener Mangel bereits bei Gefahrübergang vorhanden war,
nicht aber hinsichtlich der Sachmangelhaftigkeit selbst (BGH NJW 2006, 1195, 1196;
2250, 2252; NJW 2007, 2621). Die Beweislast für die Mangelhaftigkeit, und zwar auch bei
Streit über die Ursache für einen ohne weiteres als Sachmangel zu qualifizierenden
Defekt der Kaufsache, würde danach der Käufer tragen. So hat der Bundesgerichtshof in
seiner Entscheidung vom 23.11.2005 ausgeführt, dass im Rahmen der §§ 437, 434 BGB
die Unaufklärbarkeit, welche von mehreren möglichen Ursachen einen nach Übergabe
aufgetretenen Defekt ausgelöst haben, nur dann für die Haftung des Verkäufers
unschädlich sei, wenn allen möglichen Schadensursachen eine vertragswidrige
Beschaffenheit des Fahrzeugs zu Grunde läge und jeweils davon auszugehen wäre, dass
der betreffende Mangel bereits bei Gefahrübergang bestanden hätte (NJW 2006, 434,
435). Dabei hat er klar gestellt, dass sich aus § 476 BGB nichts anderes ergebe (a.a.O.,
436). Über die Ursache für den zweimaligen Getriebeschaden und deren Vorhandensein
bereits bei Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger besteht zwischen den Parteien Streit.
Der Kläger behauptet unter Beweisantritt, der wiederholt aufgetretene Getriebeschaden
sei auf einen schon bei Gefahrübergang vorliegenden Grundmangel zurückzuführen. Der
Beklagte bestreitet dies und behauptet ebenfalls unter Beweisantritt, der
Getriebeschaden beruhe auf einer unsachgemäßen Fahrweise des Klägers. Bei
Zugrundelegung der Grundsätze des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung vom
23.11.2005 obläge dem Kläger die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der
Getriebeschaden auf einer bereits bei Übergabe vorhandenen vertragswidrigen
Beschaffenheit des Fahrzeugs beruht, nur dann nicht, wenn sämtliche in Betracht
kommenden Ursachen für die Getriebeschäden, mithin sowohl die vom Beklagten
eingewendete Schadensursache – Überbeanspruchung des Kühlsystems durch
Fahrbetrieb mit Höchstgeschwindigkeit bei laufender Klimaanlage – als auch andere
möglicherweise in Betracht kommende Ursachen eine vertragswidrige Beschaffenheit
darstellte. Der Kläger hat den Grundmangel, die Ursache für die Getriebeschäden nicht
näher bezeichnet. Der Beklagte hat als Ursache lediglich die unsachgemäße Fahrweise
des Klägers vorgebracht. Die vom Beklagten vorgebrachte Ursache würde – jedenfalls
ausgehend von den vom Bundesgerichtshof in der v. g. Entscheidung aufgestellten
Grundsätzen - nicht ohne weiteres eine vertragswidrige Beschaffenheit darstellen,
sondern nur dann, wenn das Kühlsystem nicht fahrzeuggerecht ausgelegt war. Nach
Ansicht des erkennenden Senats spricht zwar manches dafür, mit dem Landgericht die
vom Beklagten als Schadensursache eingewendete mangelnde Kompatibilität von
Klimaanlage und Höchstgeschwindigkeit als vertragswidrige Beschaffenheit und damit
als Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Nr. 2 BGB anzusehen. Ein mit einer
Klimaanlage ausgestattetes Fahrzeug ist wie jedes andere zum normalen Fahrbetrieb
vorgesehen. Dieser schließt auch Fahrten bei Höchstgeschwindigkeit und mit Betrieb der
Klimaanlage, insbesondere bei hohen Außentemperaturen ein. Jedenfalls dann, wenn
sich – wie vorliegend - aus der Bedienungsanleitung keine Hinweise auf besondere
Einschränkungen bei Betrieb der Klimaanlage bzw. bei Höchstgeschwindigkeit ergeben,
kann der Käufer nach Ansicht des Senats erwarten, dass das Kühlsystem des Fahrzeugs
so ausgelegt ist, dass ein Fahrbetrieb bei Höchstgeschwindigkeit und eingeschalteter
Klimaanlage sich nicht ausschließen. Ob das allerdings auch für ein Fahrzeug älteren
Baujahrs und der konkreten Bauart gilt, wäre möglicherweise durch einen
Sachverständigen zu klären.
In seiner Entscheidung vom 18.7.2007 (NJW 2007, 2621) hat der Bundesgerichtshof
demgemäß unter Bezugnahme auf seine v. g. Entscheidungen bei ebenfalls ungeklärter
Ursache für einen nach Übergabe festgestellten Defekt an der Zylinderkopfdichtung –
Zylinderkopfdichtungsdefekt bereits bei Übergabe oder erst nach Übergabe entstanden
durch Fahr- oder Bedienungsfehler - trotz Unaufklärbarkeit der Ursache dafür die
Vermutung gemäß § 476 BGB eingreifen lassen. Dazu hat er festgestellt, dass das
Vorliegen eines Sachmangels – hier defekte Zylinderkopfdichtung – „ positiv feststehe,
unabhängig davon, welche der drei Schadensverläufe ….bereits vor der Übergabe des
Fahrzeugs an den Kläger eingetreten waren und deshalb die Mängelhaftung des
Beklagten begründen oder ob sie – durch einen Fahr- oder Bedienungsfehler des Klägers
– erst nach Gefahrübergang entstanden sind und deswegen der Beklagte für sie nicht
haftet. Für diese Fallgestaltung begründet § 476 BGB gerade die in zeitlicher Hinsicht
wirkende Vermutung, dass die zutage getretenen Mängel bereits im Zeitpunkt des
Gefahrübergangs vorgelegen haben". Diese Feststellungen könnten im Sinne einer
Abkehr von der früheren Rechtsprechung zu § 476 BGB dahin gewertet werden, dass bei
Streit über die Ursache eines als Sachmangel einzuordnenden Defekts – wie vorliegend -
die Vermutung des § 476 BGB zu Gunsten des Käufers wirkt, es mithin eines positiven
Beweises, dass die Ursache für den nach Übergabe aufgetretenen Defekt in der
(vertragswidrigen) Beschaffenheit des Fahrzeugs bei Übergabe lag, nicht (mehr) bedarf.
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(vertragswidrigen) Beschaffenheit des Fahrzeugs bei Übergabe lag, nicht (mehr) bedarf.
Dafür spricht, dass der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung für das Vorhandensein
des im Rahmen des § 476 BGB nach dem Gesetzeswortlaut vorausgesetzten
(unstreitigen bzw. nachgewiesenen) Sachmangels auf den nach Übergabe erkennbar
gewordenen Defekt an der Zylinderkopfdichtung angeknüpft und auf den Nachweis der
zwischen den Parteien streitigen Ursache dafür durch den Käufer verzichtet hat.
Übertragen auf den zur Entscheidung anstehenden Fall bedarf es ausgehend davon des
Nachweises eines Grundmangels durch den Kläger nicht. Gegen eine Abkehr von der
bisherigen Rechtsprechung könnte indessen sprechen, dass er noch in der Entscheidung
vom 18.7.2007 die Abgrenzung des zur Entscheidung anstehenden Falls zu den v. g.
Entscheidungen danach vornimmt, „ob das als solches jeweils feststehende, für die nach
der Fahrzeugübergabe an den Käufer zutage getretene Abweichung von der
Sollbeschaffenheit ursächliche Geschehen sich vor oder nach dem Gefahrübergang
zugetragen hatte". Da eine unsachgemäße Benutzung durch den Käufer regelmäßig erst
nach Gefahrübergang erfolgt sein kann, müsste bei Zugrundelegung dieser Kriterien der
Käufer den Nachweis führen, dass das ursächliche Geschehen für den Getriebeschaden
vor dem Gefahrübergang lag.
Zudem ist – soweit ersichtlich – höchstrichterlich bislang nicht geklärt, ob und
gegebenenfalls durch welchen Vortrag die zugunsten des Klägers sprechende
Vermutung durch den Beklagten als Verkäufer widerlegt werden kann. Das einfache
Bestreiten der (Grund-)Mangelhaftigkeit bzw. der Ursächlichkeit einer bereits bei
Übergabe vorhandenen vertragswidrigen Beschaffenheit dürfte dafür nicht reichen, weil
dann die gesetzliche Vermutung ins Leere ginge. Vielmehr wird der Verkäufer allenfalls
mit dem Vortrag und dem Nachweis einer vor Übergabe festgestellten Mangelfreiheit
oder konkreten anderen Schadensursache die gesetzliche Vermutung widerlegen
können. An Beidem fehlt es vorliegend. Der Beklagte hat nicht geltend gemacht, das
Fahrzeug vor Übergabe einer gründlichen Überprüfung auf etwaige Mängel untersucht zu
haben. Soweit er als Ursache für den Getriebeschaden die unsachgemäße Fahrweise
des Klägers bezeichnet, ist sein Vortrag schon nicht schlüssig. Allenfalls in Bezug auf den
zweiten Getriebeschaden Ende Mai 2007 könnte wegen hoher Außentemperaturen das
Kühlsystem versagt haben. Dass bereits Anfang März 2007 die Kühlung überfordernde
Außentemperaturen geherrscht haben, hat der Beklagte weder geltend gemacht noch
ist dies sonst ersichtlich. Für eine Beweiserhebung über die zwischen den Parteien
streitige Ursache für den wiederholt aufgetretenen Getriebeschaden durch
Sachverständigengutachten, wie vom Beklagten angeboten, ist danach kein Raum.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
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