Urteil des OLG Brandenburg vom 15.06.2006
OLG Brandenburg: gegen die guten sitten, ddr, treu und glauben, ordre public, generalversammlung der vereinten nationen, haftung für mängel, ablauf der frist, recht auf leben, enteignung
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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 5.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 U 130/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 3 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 GG,
§ 138 BGB, § 894 BGB, § 2
MauerG
Grundbuchberichtigung: Eigentum der Bundesrepublik an von
der DDR für die Errichtung von Grenzsperranlagen in Anspruch
genommener Grundstücke; Sittenwidrigkeit von
Veräußerungsverträgen über Grundstücke zur Errichtung von
Grenzeinrichtungen; Verfassungskonformität der Regelung über
die entgeltliche Rückübertragung von Mauergrundstücken
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 15. Juni 2006 verkündete Urteil des
Landgerichts Neuruppin, Az. 3 O 221/05, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden
Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher
Höhe geleistet hat.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Rechtsstreit betrifft zwei in den 1960er Jahren von der DDR für die Errichtung von
Grenzsperranlagen in Anspruch genommene Grundstücke.
Der Kläger verfolgt bezüglich der heutigen Flurstücke 993 und 994 teilweise einen
Anspruch auf Grundbuchberichtigung dahingehend, dass er an Stelle der beklagten
Bundesrepublik als Eigentümer im Grundbuch einzutragen sei. Hilfsweise erstrebt er den
Rückkauf des heutigen Flurstücks 994 zu anderen als den ihm von der Beklagten
angebotenen Bedingungen. Insbesondere begehrt er die Herabsetzung des Kaufpreises
auf 0 Euro.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des
angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Die Klage sei nicht
begründet. Dem Kläger stehe kein Grundbuchberichtigungsanspruch gemäß § 894 BGB
zu. Einem Grundbuchberichtigungsanspruch stehe nicht bereits die Bestandskraft des
Bescheides der Oberfinanzdirektion vom 25. August 2000 entgegen, mit dem der Antrag
des Klägers auf Rückkauf der Flurstücke abgelehnt wurde. Damit sei allein über
Ansprüche nach dem MauerG entschieden worden, nicht aber über die allgemeinen
zivilrechtlichen Fragen der Wirksamkeit des Übertragungsvorgangs auf den Beklagten
oder seinen Rechtsvorgänger, gemessen an den Vorschriften über die Sittenwidrigkeit,
Treu und Glauben sowie des ordre public. Dem Berichtigungsanspruch stehe jedoch
bereits entgegen, dass der Kläger die in Art. 237 § 2 Abs. 2 Satz 1 EGBGB gesetzte Frist
zur Klageerhebung habe verstreichen lassen. Darüber hinaus sei das Grundbuch nicht
unrichtig. Auf die Frage, ob die Regelungen des MauerG nicht verfassungskonform,
sitten- oder treuwidrig seien oder gegen den ordre public verstießen, komme es nicht
an, weil sich der Grundbuchberichtigungsanspruch nicht aus dem MauerG ergebe.
Dieses regele vielmehr die Behandlung von Mauergrundstücken, deren Überführung in
Volkseigentum wirksam war. Die Übertragung der Flurstücke in Volkseigentum sei
wirksam gewesen. Die dagegen von dem Kläger vorgebrachten Einwände seien aus den
Gründen des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 16. Dezember 2005, Az. V ZR 83/05
(ZOV 2006, 88 ff.; NJW-RR 2006, 884 ff.), unzutreffend. Der nach der Wende erfolgte
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(ZOV 2006, 88 ff.; NJW-RR 2006, 884 ff.), unzutreffend. Der nach der Wende erfolgte
Übergang des Grundstückseigentums auf die Beklagte sei nicht sittenwidrig und
verstoße nicht gegen die Grundsätze von Treu und Glauben. Auch sei das MauerG aus
den Gründen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Dezember 2003, Az. 3
C 50/02 (BVerwGE 119, 349 ff.; VIZ 2004, 221 ff.), nicht verfassungswidrig.
Der Hilfsantrag sei zulässig, insbesondere sei er in der § 7 MauerG entsprechenden Frist
und Form bei Gericht eingegangen. Er sei jedoch ebenfalls unbegründet. Das MauerG sei
auf Grund der vorstehenden Ausführungen wirksam und damit rechtmäßige Grundlage
für die Veräußerung des streitgegenständlichen Grundstücks zu einem Kaufpreis in Höhe
von 25 % des Verkehrswertes. Dass § 2 Abs. 3 des Kaufvertragsentwurfs vorsehe, dass
der Kläger die Sachverständigenkosten für die Verkehrswertermittlung tragen solle, folge
aus § 2 Abs. 2 MauerG. Dass im Kaufvertragsentwurf ein Haftungsausschluss
vorgesehen sei, entspreche dem Sinn und Zweck des MauerG. Die von dem Kläger
angegriffene Verzugsregelung in § 4 des Kaufvertrages entspreche den Regelungen des
Bürgerlichen Gesetzbuches. Die Mahnpauschale sei der Höhe nach nicht zu
beanstanden.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger die erstinstanzlichen Anträge weiter. Das Urteil des
Landgerichts beruhe auf einer Rechtsverletzung. Dem Anspruch des Klägers stehe die
Ausschlussfrist gemäß Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB nicht entgegen, da diese Vorschrift
voraussetze, dass Volkseigentum haben entstehen können. Nach DDR-Recht habe
Volkseigentum jedoch nicht entstehen können, weil die Rechtsakte zur Überführung von
Mauergrundstücken in Volkseigentum nichtig gewesen seien. Die Vollziehung des
Kaufvertragsentwurfes sei Kennzeichen eines institutionellen Rechtsmissbrauchs. Die
Anwendung des MauerG sowie die Vorenthaltung des Eigentums an den
Mauergrundstücken stelle darüber hinaus einen Verstoß gegen den ordre public dar. Die
Beklagte habe bei verfassungskonformer Auslegung von Art. 21 des Einigungsvertrages
kein Eigentum an den Mauergrundstücken erworben, weil Mauergrundstücke nicht als
Verwaltungsvermögen einzuordnen seien, da sie für Zwecke nutzbar gemacht worden
seien, die den Zielsetzungen des Grundgesetzes widersprochen hätten. Die Anwendung
des MauerG verstoße außerdem gegen Art. 14 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG. § 9 Satz 1
der Grenzverordnung der DDR habe ausdrücklich vorgesehen, dass Grundstücke, die
nicht mehr für Maßnahmen zum Schutz der Staatsgrenze benötigt würden, an die
Eigentümer zurückzugeben gewesen seien. Dies müsse berücksichtigt werden. Gemäß
Art. 6 Satz 2 EGBGB sei ausländisches Recht, dessen Anwendung gegen deutsche
Grundrechte verstoße, nicht anzuwenden, auch wenn die Anwendung durch eine
Bezugnahme nationalen Rechts erfolge. Die Bezugnahme des MauerG insbesondere auf
die gesetzgeberischen Akte des DDR-Gesetzgebers sei am Maßstab von Art. 14 Abs. 1
und Art. 3 Abs. 1 GG zu messen. Der Kläger sei in seinem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1
GG verletzt. Spätestens mit der Lossagung der DDR vom sozialistischen Inhalt der DDR-
Verfassung mit dem Gesetz über Verfassungsgrundsätze vom 17. Juni 1990 habe der
Kläger einen Rückübereignungsanspruch gemäß § 9 Satz 1 der Grenzverordnung
gehabt. Dieser falle unter den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG. Außerdem verstoße die
Anwendung des MauerG auf die hier streitgegenständlichen Grundstücke gegen Art. 3
Abs. 1 GG. Ehemalige Eigentümer, die ihr Grundstück auf Grund eingetretener
Überschuldung, die auf nicht kostendeckenden Mieten beruhten, verloren haben,
könnten ihr Eigentum ohne Zahlung eines Kaufpreises gemäß § 3 Abs. 1, § 1 Abs. 2
VermG zurückfordern. Auch in den Fällen der ausreisebedingten Veräußerung sei das
Vermögensgesetz gemäß § 1 Abs. 3 anwendbar. Es gebe keinen sachlichen Grund, den
hier zu beurteilenden Eingriff anders zu behandeln. Diese Ungleichbehandlung sei über
die Generalklausel des § 242 BGB mit unmittelbarer Drittwirkung zu berücksichtigen. Der
Kläger habe eine legitime Erwartung im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte gehabt. Würde diese berechtigte Erwartung ignoriert,
führe dies zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis im Sinne der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs. Die Nichteinbeziehung von Mauergrundstücken in das
Vermögensgesetz vom 29. September 1990 sowie die fehlende Regelung über die
Rückführung von Mauergrundstücken im Gesamtgefüge der geltenden Bestimmungen
über offene Vermögensfragen widerspreche dem Grundlagenvertrags-Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom 31. Juli 1973 und stelle einen Verstoß gegen den
Grundsatz des Willkürverbots dar. Der Abschluss der Kaufverträge zur Überführung des
streitgegenständlichen Flurstücks 993 in Volkseigentum sei sittenwidrig und daher
gemäß § 138 BGB nichtig gewesen. Die Enteignung habe nicht der Grenzsicherung im
Sinne des Verteidigungsgesetzes gedient, sondern allein dem Zweck, die Bevölkerung
am Verlassen der DDR zu hindern. Die Anlegung des Todesstreifens habe auch nach den
in der DDR geltenden anerkannten moralischen Anschauungen nicht dem
Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denken entsprochen.
Der Kläger beantragt,
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1. unter Abänderung des am 15.6.2006 verkündeten Urteils des Landgerichts
Neuruppin, Az. 3 O 221/05, die Beklagte zu verurteilen, ihre Zustimmung zur
Berichtigung des Grundbuchs in Ansehung der gemäß Anlage K 1 farblich grün
umrandeten näher gekennzeichneten Fläche des Grundstücks in der Gemarkung H.,
Flurstücke 994, 993, Grundbuch von H., Blatt 8352 insoweit zu erteilen, als nicht die
Beklagte, sondern der Kläger Eigentümer des Grundstücks ist,
hilfsweise,
2. unter Abänderung des am 15.6.2006 verkündeten Urteils des Landgerichts
Neuruppin, Az. 3 O 221/05, festzustellen, dass zwischen den Parteien mit Rechtskraft
des Urteils ein Kaufvertrag nach Maßgabe des in der Anlage K 2 enthaltenen
Kaufvertragsentwurfes mit folgenden Abweichungen,
- der Kaufpreis beträgt für den in § 1 Abs. 1 genannten Kaufgegenstand 0,00
€,
- § 3 Abs. 2 sowie § 4 des Vertragsentwurfes entfallen,
- § 5 Abs. 2, 3, 4 des Kaufvertragsentwurfes entfallen,
besteht.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter näherer Darlegung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen
auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
II.
Die Berufung ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
A.
Der auf die Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs gerichtete Hauptantrag ist
zulässig, jedoch unbegründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zustimmung zur Berichtigung
des Grundbuchs gemäß § 894 BGB.
Einem solchen Anspruch des Klägers steht nicht bereits die Bestandskraft des
Bescheides der Oberfinanzdirektion vom 25. August 2000 entgegen, über den der
Bundesgerichtshof mit Urteil vom 4. April 2003, Az. V ZR 268/02 (VIZ 2003, 387),
abschließend entschieden hat. Auf die zutreffende Begründung in dem angefochtenen
Urteil des Landgerichts wird insoweit Bezug genommen.
Ein Grundbuchberichtigungsanspruch setzt jedoch voraus, dass der Inhalt des
Grundbuchs mit der wirklichen Rechtslage nicht in Einklang steht. Dies ist hier nicht der
Fall. Die im Grundbuch als Eigentümerin eingetragene Beklagte ist auch
materiellrechtlich Eigentümerin der Flurstücke 993 und 994.
1. Das Eigentum an den streitgegenständlichen Flurstücken ist gemäß Art. 21 Abs. 1
Satz 1 des Einigungsvertrages (EV) auf die Beklagte übergegangen. Bei den
Mauergrundstücken handelte es sich um Verwaltungsvermögen im Sinne des Art. 21
Abs. 1 EV, dessen Verwendungszweck nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes
in die Zuständigkeit der beklagten Bundesrepublik fällt (vgl. dazu ausführlich BVerwG VIZ
2004, 221, 222f.; OLG-NL 2005, 252, 255). Auch wenn die Sperranlagen an der
innerdeutschen Grenze nach der Begründung des Gesetzentwurfs zum MauerG
„sinnfälliger Ausdruck des Unrechtsregimes in der früheren DDR“ waren (vgl. BT-Drs.
13/120 S. 5) führt dies entgegen der Ansicht des Klägers nicht dazu, dass sich die mit
diesen Grenzanlagen verbundene Tätigkeit der staatlichen Organe der DDR als
grundgesetzwidrig von vornherein einer Einordnung in die im Grundgesetz geregelte
Verteilung der Verwaltungskompetenzen entziehen würde (vgl. im Einzelnen BVerwG VIZ
2004, 221, 222). Soweit der Kläger geltend macht, dass nur solches
Verwaltungsvermögen unter Art. 21 Abs. 1 EV fiel, das noch mit Ablauf des 2. Oktober
1990 einer entsprechenden Zweckbestimmung unterlag, setzt dies nicht voraus, dass
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1990 einer entsprechenden Zweckbestimmung unterlag, setzt dies nicht voraus, dass
es sich dabei um den ursprünglichen Zweck handelte. Nach der Rechtsprechung des
BVerwG (VIZ 2004, 221, 222) ist unerheblich, ob sich zwischen dem für die Zuordnung
maßgeblichen Stichtag 1. Oktober 1989 und dem 3. Oktober 1990 die
Verwaltungszwecke geändert haben, für die Grundstücke verwendet wurden, solange die
Eigenschaft als Verwaltungsvermögen erhalten geblieben ist. Der Kläger hat nichts
vorgetragen, woraus sich ergäbe, dass die Grundstücke vor dem 3. Oktober 1990 aus
dem Verwaltungsvermögen ausgegliedert wurden.
2. Die Flurstücke 85/1 und 85/3 – heute zusammengefasst zum Flurstück 993 - waren
Verwaltungsvermögen der DDR geworden, da sie aufgrund der Kaufverträge vom 18. Juli
1962 und 11. März 1965 in Volkseigentum überführt worden waren.
Die Kaufverträge waren wirksam. Sie waren insbesondere nicht sittenwidrig im Sinne des
§ 138 BGB.
a) aa) Für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäftes sind grundsätzlich
die im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts herrschenden Wertanschauungen
maßgebend (BGH NJW 2002, 429, 431). Damit kommt es auf die Wertanschauungen in
der DDR der Jahre 1962 und 1965 an. Die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften aus der
Zeit der DDR bestimmt sich nach dem intertemporalen Zivilrecht nach dem damals
geltenden Recht (Art. 232 § 1 EGBGB); dieses ist entsprechend der seinerzeitigen Praxis
anzuwenden (BGH NJW 1995, 1835 m. w. Nachw.).
bb) Die Beurteilung der Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäftes nach § 138 Abs. 1 BGB –
dies gilt auch für den Anwendungs- und Geltungsbereich des wortgleichen § 138 Abs.1
BGB-DDR – ist auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen,
d. h. einer zusammenfassenden Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck des
Rechtsgeschäfts (BGH NJW 1990, 704; 2001, 1127). Es sind alle Interessen zu
berücksichtigen, die unmittelbar oder mittelbar, aktuell oder potenziell durch das zu
bewertende Rechtsgeschäft berührt werden. Auch die rechtlichen und tatsächlichen
Folgen von Entscheidungen sind in die Interessenabwägung einzubeziehen. Die
einschlägigen Wertmaßstäbe finden sich sowohl in Gesetzen als auch im
außergesetzlichen Bereich. Kollidieren rechtliche Wertungen mit außerrechtlichen
Moralvorstellungen, so haben die Ersteren den Vorrang (Staudinger/Sack (2003), § 138
BGB Rn. 37 f.); bei der Interessenabwägung ist in erster Linie von den Wertungen
auszugehen, die in den Regelungen des gesetzten Rechts zum Ausdruck gekommen
sind (BVerfGE 7, 198, 206; 13, 153, 164; 21, 73, 82; BGHZ 80, 153, 157 f.; 106, 336,
338). Rechtsgeschäfte, die eine gesetzliche Vorschrift nach ihrem Zweck als zulässig
anerkennt, können danach nicht nach § 138 Abs. 1 BGB für nichtig erklärt werden (BGH
NJW 1970, 1179; Palandt/Heinrichs, 66. Aufl., § 138 BGB Rn. 6); § 138 BGB verweist damit
auf die der Rechtsordnung immanenten rechtsethischen Werte und Prinzipien. Wenn die
Rechtsprechung Rechtsgeschäfte für sittenwidrig erklärt, geht es in der Regel nicht um
die Rezeption außerrechtlicher Wertungen, sondern um die Konkretisierung von
Wertmaßstäben, die in der Rechtsordnung selbst angelegt sind (Palandt/Heinrichs, a. a.
O., Rn. 3). Im Unterschied zu allgemeinen Rechtsüberzeugungen, die für die
Bestimmung der Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts ebenfalls von Bedeutung sein
können, sind bloße Mehrheitsmeinungen kein verbindlicher Maßstab für die
Konkretisierung der guten Sitten. Weder rechtfertigt eine strenge Mehrheitsmeinung,
nach der in einem konkreten Anwendungsfall ein Sittenverstoß vorliegt, ohne weiteres
den Vorwurf der Sittenwidrigkeit im rechtlichen Sinn, noch erlaubt eine
Mehrheitsmeinung, die im konkreten Fall einen Sittenverstoß ablehnt, ohne weiteres die
Feststellung der Vereinbarkeit des betreffenden Verhaltens mit den guten Sitten
(Staudinger/Sack, a. a. O., § 138 BGB Rn. 46 f.).
cc) Bei der Beurteilung der konkreten Frage, ob Veräußerungsverträge über
Grundstücke zur Errichtung von Grenzeinrichtungen der ehemaligen DDR als sittenwidrig
anzusehen sind, ist zu berücksichtigen, dass solche Kaufverträge – ebenso wie die
entsprechenden Enteignungen – grundsätzlich zum vollen Verkehrswert erfolgten und
die Eigentümer der im Grenzgebiet gelegenen Grundstücke insoweit gleich behandelt
wurden, ein Sittenverstoß seine Grundlage also nicht im Verhalten gegenüber dem
einzelnen Vertragspartner hat. Aus dem konkreten Inhalt des Kaufvertrages lässt sich
damit ein Sittenverstoß nicht herleiten. Auch der Kläger hat nichts vorgetragen, woraus
sich im vorliegenden Fall etwas anderes ergäbe. Die Sittenwidrigkeit kann dann nur in
einem Verhalten gegenüber der Allgemeinheit oder Dritten begründet sein, weil dieses
Verhalten in krassem Widerspruch zum Gemeinwohl steht oder Dritte gefährdet oder
geschädigt werden (BGH NJW 1990, 567, 568).
In einer solchen Konstellation sind die Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB
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In einer solchen Konstellation sind die Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB
grundsätzlich nur dann erfüllt, wenn alle Beteiligten subjektiv sittenwidrig handeln BGH
NJW 1990, 567, 568). Dieser Grundsatz kann aber dann keine Anwendung finden, wenn
der Veräußerer mit dem Abschluss eines Kaufvertrages lediglich der sonst drohenden
Enteignung zuvorkommt, denn den Eintritt des mit dem Vertrag bezweckten Erfolges,
die Überführung des Eigentums in Volkseigentum, konnte er in Konstellationen der
vorliegenden Art ohnehin nicht verhindern. In einem solchen Fall genügt für die
Feststellung der Sittenwidrigkeit der subjektive Verstoß gegen die guten Sitten auf der
Seite des Erwerbers.
b) Der Senat vermag unter Anlegung dieser Maßstäbe weder festzustellen, dass der
Abschluss von Kaufverträgen über Grundstücke, die für die Errichtung der
innerdeutschen Grenze einschließlich des so genannten „Todesstreifens“ benötigt
wurden, gemessen an den Wertmaßstäben der DDR in den Jahren 1962 und 1965
generell im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB gegen die guten Sitten verstießen, noch dass
der konkrete Abschluss des Kaufvertrages über die Flurstücke 85/1 und 85/3 in diesem
Sinn gegen die guten Sitten verstoßen hat.
aa) Mit dem Kläger ist davon auszugehen, dass die Anlegung der innerdeutschen
Grenze und die Errichtung der Grenzanlagen („Todesstreifen“), mit der die Bürger der
DDR am Verlassen des Landes mit Gewalt gehindert werden sollten, als verwerflich
anzusehen ist und – gemessen an den Maßstäben einer freiheitlich-demokratischen
Grundordnung – jedenfalls objektiv sittenwidrig ist. Es kann weiter davon ausgegangen
werden, dass dies in den Jahren 1962 und 1965 auch dem Rechtsempfinden einer
großen Zahl der betroffenen Grundstückseigentümer, aber auch vieler Bürger in der
DDR entsprochen hat.
Dies reicht jedoch für die Feststellung eines Sittenverstoßes nicht aus.
bb) Bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit fällt maßgeblich ins Gewicht, dass in der
Rechtswirklichkeit der DDR der Jahre 1962 und 1965 Enteignungen und Veräußerungen
von Grundstücken, die der Herstellung der Grenzanlagen dienten, als mit der
Rechtsordnung der DDR vereinbar angesehen wurden und damit wirksam waren.
(1) Rechtliche Grundlage für die Überführung der sog. Mauergrundstücke in
Volkseigentum war § 10 Abs. 1 des Gesetzes über die Landesverteidigung der
Deutschen Demokratischen Republik vom 20. September 1961 (VertG; GBl. I 175ff.).
Diese Vorschrift erlaubte die Enteignung von Grundstücken „im Interesse der
Verteidigung der Republik“, wenn die benötigten Grundstücke nicht durch Kauf zu
erwerben waren. Damit ging die gesetzliche Wertung in § 10 Abs. 1 VertG ersichtlich
davon aus, dass die Grundstücke, die für Verteidigungszwecke benötigt wurden, im
Regelfall durch Kauf und nur ausnahmsweise im Wege der Enteignung in Volkseigentum
übergingen. Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Grundstücken wurden
durch § 28 der Verordnung über die Inanspruchnahme von Leistungen im Interesse der
Verteidigung und des Schutzes der Deutschen Demokratischen Republik – LeistungsVO
– vom 16. August 1963 (GBl. II, S. 667) konkretisiert. Danach konnten Grundstücke aller
Eigentumsformen im Interesse der Vereidigung der Republik und des Schutzes der
Bevölkerung in Anspruch genommen werden, beispielsweise zur Errichtung von
Verteidigungsanlagen gemäß § 28 lit. a) LeistungsVO oder zur Durchführung von
Sicherungsmaßnahmen, etwa an der Staatsgrenze und in Sperrgebieten gemäß § 28 lit.
c) LeistungsVO (vgl. dazu etwa BVerwG ZOV 2002, 55; VIZ 1997, 684; VIZ 1997, 348;
VIZ 1995, 161). Auch wenn die LeistungsVO erst ein Jahr nach Abschluss des hier
streitgegenständlichen Kaufvertrages vom 18. Juli 1962 erlassen worden ist, können die
darin konkretisierten Enteignungszwecke zur Bestimmung des Rechtsverständnisses
herangezogen werden, die bereits dem Erlass des Verteidigungsgesetzes zwei Jahre
zuvor zu Grunde lag (BVerwG VIZ 1995, 161, 162).
Auf dieser gesetzlichen Grundlage war die gelebte Rechtswirklichkeit in der DDR so, dass
die für die Errichtung der Sperranlagen benötigten Grundstücke auf der Grundlage des
Verteidigungsgesetzes beschafft wurden. Das Verteidigungsgesetz wurde in einer Weise
verstanden, wonach der mit der Errichtung der Sperranlagen verfolgte primäre Zweck,
die Abwanderung der eigenen Bürger zu verhindern, noch von diesem Gesetz gedeckt
war (so auch KG ZOV 2005, 91, 94). Das von dem Kläger behauptete Verständnis,
wonach unter der „Verteidigung der Republik“ in § 10 Abs. 1 VertG nicht der mit der
Errichtung der Grenzanlagen verfolgte Zweck zu verstehen sei, die Bürger der DDR am
Verlassen der DDR zu hindern, hat jedenfalls in der Rechtswirklichkeit der DDR zu dieser
Zeit – auf ein möglicherweise gewandeltes Verständnis ab dem Herbst 1989 kommt es
in diesem Zusammenhang nicht an – keinen Niederschlag gefunden.
Es kommt danach nicht mehr entscheidend darauf an, dass die Grenzanlagen der DDR,
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Es kommt danach nicht mehr entscheidend darauf an, dass die Grenzanlagen der DDR,
die in erster Linie die Bürger der DDR am Verlassen ihres Landes mit Gewalt hindern
sollten, jedenfalls auch dazu gedient haben, einen Grenzübertritt in die DDR zu
verhindern. Beide Zwecke, selbst wenn sie unterschiedlich gewichtet gewesen sein
mögen, waren untrennbar miteinander verbunden.
(2) Die Heranziehung von Bestimmungen der Verfassung der DDR aus dem Jahre 1949
vermag im Ergebnis einen Sittenverstoß ebenfalls nicht zu begründen. Nach Art. 5
dieser Verfassung waren die allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts für die
Staatsgewalt und jeden Bürger bindend; Art. 10 Abs. 3 dieser Verfassung gewährte
jedem Bürger der DDR das Recht auf Auswanderung, das nur durch ein Gesetz
eingeschränkt werden konnte.
Selbst wenn sich die DDR über Art. 5 der Verfassung 1949 zur Einhaltung der
Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Generalversammlung der Vereinten
Nationen vom 10. Dezember 1948 (AEMR) verpflichtet haben sollte, kommt es für die
Rechtswirklichkeit in der DDR nicht auf den strengen Wortlaut von Art. 3 AEMR (Recht auf
Leben) und Art. 13 Nr. 2 AEMR (Ausreisefreiheit) an, sondern auf die diese Rechte
konkretisierende Rechtsordnung der DDR und deren Verständnis in der
Rechtswirklichkeit. Danach war aber das Recht auf Ausreise von Anfang an in der DDR
nicht ohne Einschränkungen gewährleistet. So wurden etwa schon durch die Verordnung
zur Sicherung von Vermögenswerten vom 17. Juli 1952 (GBl. I S. 615) Regelungen dazu
erlassen, wie das Vermögen von Personen, die das Gebiet der DDR verlassen haben,
ohne die polizeilichen Meldevorschriften zu beachten oder hierzu Vorbereitungen treffen,
zu behandeln ist. Dieses grundlegend andere Verständnis der Ausreisefreiheit, das mit
dem einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht vergleichbar ist, wird in der
Rechtsordnung der DDR auch dadurch dokumentiert, dass in der Verfassung vom 6.
April 1968 das Recht auf Auswanderung nicht mehr enthalten ist und Art. 32 die
Freizügigkeit nur innerhalb des Staatsgebietes der Deutschen Demokratischen Republik
gewährt.
(3) Dass die Rechtsordnung der DDR ohne weiteres von der Wirksamkeit der
Inanspruchnahme der Grundstücke für die Errichtung der Grenzanlagen ausging,
dokumentiert sich nicht zuletzt auch in dem Erlass der darauf aufbauenden
Grenzgesetze. So weist zuletzt § 8 des Gesetzes über die Staatsgrenze der Deutschen
Demokratischen Republik vom 25. März 1982 (GrenzG; GBl. I S. 197) das maßgebliche
Grenzgebiet aus; die räumliche Konkretisierung des Grenzgebietes – einschließlich des
Schutzstreifens – erfolgte in der dazu erlassenen Durchführungsverordnung zum Gesetz
über die Staatsgrenze der Deutschen Demokratischen Republik vom 25. März 1982
(GrenzVO; GBl. I. S. 203). Damit ist jedenfalls der Gesetzgeber der DDR davon
ausgegangen, dass die Inanspruchnahme der Grundstücke nach dem VertG zur
Errichtung der Grenzanlagen wie sie im Jahre 1982 bestanden, wirksam ist, denn er hat
auf dieser Grundlage das Grenzgebiet der DDR gesetzlich festgelegt.
cc) Das Ergebnis, dass Überführungen von Grundstücken in Volkseigentum zum Zwecke
der Errichtung von Grenzanlagen nicht im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB als sittenwidrig
anzusehen sind, wird durch weitere Umstände bestätigt.
(1) So ist der bundesdeutsche Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes über den Verkauf
von Mauer- und Grenzgrundstücken an die früheren Eigentümer vom 15. Juli 1996
(Mauergrundstücksgesetz – MauerG, BGBl I S. 980) davon ausgegangen, dass die
betreffenden Grundstücke seinerzeit wirksam in Volkseigentum überführt worden sind.
Ausgangspunkt für den Erlass des MauerG war aus Sicht des Gesetzgebers der
Umstand, dass Mauer- und Grenzgrundstücke im Regelfall nach Maßgabe der jeweils in
der DDR geltenden Entschädigungsgesetze entschädigt wurden und deswegen dem
Anwendungsbereich des VermG nicht unterfielen. Trotz Wegfalls des
Enteignungszweckes mit dem Fortfall der Mauer hatte die Rechtsprechung einen
Anspruch auf Rückenteignung nach § 102 BauGB abgelehnt (BVerwG NJW 1994, 2712;
BGH NJW 1995, 1280). Die danach – wiederum aus der Sicht des Gesetzgebers -
bestehende Ausgangssituation, dass einerseits aufgrund der vor dem Erlass des
MauerG geltenden Rechtslage den ehemaligen Eigentümern von Mauer- und
Grenzgrundstücken sowie deren Rechtsnachfolgern damit im Regelfall kein Anspruch auf
Rückgabe oder sonstige Rückgewährung der entzogenen Vermögenswerte zustehe,
andererseits sich der Bund an diesen Grundstücken, die dem Fortbestand eines
Unrechtsregimes dienten, nicht sollte bereichern können (zu den gesetzgeberischen
Motiven eingehend Wasmuth, in Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der
ehemaligen DDR, Einf. zum MauerG Rn. 32 ff.), führte schließlich zum Erlass des MauerG,
dass mit seinem Rückkaufmodell die Wirksamkeit der Übertragungen der
Mauergrundstücke voraussetzt. Der bundesdeutsche Gesetzgeber hat damit die
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Mauergrundstücke voraussetzt. Der bundesdeutsche Gesetzgeber hat damit die
rechtlichen Grundlagen für die Überführung der Mauergrundstücke in Volkseigentum
nach den Maßstäben der DDR zwar als wirksam angesehen, es aber wegen des
Unrechtsgehaltes dieser Maßnahmen es für erforderlich angesehen, die
Rückgängigmachung dieser Grundstücksübertragungen nach der Maßgabe des MauerG
zu korrigieren.
(2) Diese gesetzgeberische Wertung hat auch in der Rechtsprechung ihren Niederschlag
gefunden. Auch der Bundesgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung zum MauerG
davon aus, dass den Eigentümern der Mauer- und Grenzgrundstücke nach der
Enteignung in der ehemaligen DDR keine Rechtsposition verblieben ist, die nach dem
Beitritt in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 3 GG hätte fallen können. Der Gesetzgeber
sei in seiner Entscheidung frei gewesen, ob und unter welchen Voraussetzungen er eine
Rückgewähr des Eigentums habe vornehmen wollen (BGH VIZ 2003, 387, 389).
dd) Nach den gesetzlichen Wertentscheidungen der DDR zum Zeitpunkt des
Abschlusses der Kaufverträge vom 18. Juli 1962 und 11. März 1965 können diese unter
Berücksichtigung aller Umstände nicht im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB-DDR als
sittenwidrig und damit nichtig angesehen werden. Da die genannten gesetzlichen
Maßstäbe für die Konkretisierung des Begriffes der guten Sitten in der DDR der Jahre
1962 und 1965 vorrangig sind, vermag eine möglicherweise andere Sichtweise in Teilen
der Bevölkerung zu der Errichtung der Grenzanlagen und den damit verfolgten Zwecken
an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Der Umstand, dass nach den Wertmaßstäben
einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung die Errichtung des Todesstreifens eine
verwerfliche Maßnahme eines Unrechtsregimes darstellt, das die Bürger seines Landes
mit Gewalt an dessen Verlassen hindert, ist für die Entscheidung unerheblich, da es
allein auf die in der DDR maßgeblichen Wertmaßstäbe ankommt.
c) Fehlt es damit bereits an einem objektiven Verstoß gegen die guten Sitten, kommt es
auf die weiteren Fragen eines subjektiven Verstoßes und die möglichen Auswirkungen
auch auf das dingliche Vollzugsgeschäft nicht an.
3. Das heutige Flurstück 994 – Teil des ehemaligen Flurstücks 85/5 - ist auf Grund des
Bescheides vom 24. September 1968 in Volkseigentum übergegangen. Es kommt
insoweit nicht darauf an, ob der in dem Bescheid zu sehende Verwaltungsakt mit
rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar war. Nach Art. 19 Satz 1 EV bleiben vor dem
Wirksamwerden des Beitritts ergangene Verwaltungsakte der DDR wirksam. Die
Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes ist allein danach zu beurteilen, ob er nach der
Staatspraxis der DDR als wirksam angesehen und behandelt worden ist (BGH NJW-RR
2006, 884, 885; vgl. KG ZOV 2005, 91, 95). Daran besteht bei der Inanspruchnahme
eines Grundstücks an der Grenze zu West-Berlin nach § 10 Abs. 1 VertG, § 28
LeistungsVO kein Zweifel (vgl. BGH NJW-RR 2006, 884, 885).
4. Da nach Auffassung des Senats aufgrund der Kaufverträge vom 18. Juli 1962 und 11.
März 1965 bzw. des Bescheides vom 24. September 1968 Volkseigentum an den
Grundstücken entstanden ist, kann dahinstehen, ob die Beklagte mit Ablauf der
Ausschlussfrist gemäß Artikel 237 § 2 Abs. 2 EGBGB Eigentümerin geworden wäre, wenn
Volkseigentum nicht entstanden wäre.
B.
Der Hilfsantrag ist ebenfalls zulässig, jedoch unbegründet.
1. Der Hilfsantrag ist entgegen seinem Wortlaut nicht dahingehend zu verstehen, dass
der Kläger die Feststellung begehrt, es sei ein Kaufvertrag zu den genannten
Bedingungen zustande gekommen. Der Hilfsantrag ist vielmehr dahin auszulegen, dass
der Kläger die Feststellung begehrt, die Beklagte sei zum Abschluss eines Kaufvertrages
zu den in dem Antrag genannten Bedingungen verpflichtet. Dies ergibt sich aus der
Begründung des Antrags. Der Kläger trägt schon nicht vor, die Parteien hätten durch ein
entsprechendes Angebot und dessen Annahme einen Kaufvertrag zu den genannten
Bedingungen geschlossen. Vielmehr beruft er sich darauf, dass die Beklagte zum
Abschluss eines solchen Vertrages verpflichtet sei.
2. Der so verstandene Antrag ist zulässig. Insbesondere fehlt ihm nicht das nach § 256
Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse. Zwar könnte der Kläger eine
Leistungsklage auf Verurteilung der Beklagten zur Annahme des mit dem Hilfsantrag
unterbreiteten Vertragsangebots erheben (vgl. Horst in Rädler/Raupach/Bezzenberger,
Vermögen in der ehemaligen DDR, Teil 3 A VII § 7 MauerG Rn. 3). Da es sich bei der
Beklagten um eine juristische Person des öffentlichen Rechts handelt, kann jedoch
davon ausgegangen werden, dass diese bei einer Feststellung ihrer Verpflichtung zum
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davon ausgegangen werden, dass diese bei einer Feststellung ihrer Verpflichtung zum
Abschluss des Kaufvertrages ihrer Verpflichtung nachkommen würde, so dass der Kläger
sein Rechtsschutzziel in gleicher Weise mit der Feststellungsklage erreichen kann (vgl.
BGH VIZ 2003, 387, 388).
3. Der Hilfsantrag ist jedoch unbegründet.
a) Dem Antrag steht zwar die Ausschlussfrist des § 7 MauerG nicht entgegen. Der
Hilfsantrag ist rechtzeitig vor Ablauf der Frist gestellt worden. Dass über ihn nur
entschieden werden musste, wenn der Hauptantrag keinen Erfolg hatte, ändert nichts
daran, dass der Hilfsantrag mit der Zustellung der Klage gemäß §§ 261 Abs. 1, 253 Abs.
1 ZPO – auflösend bedingt - rechtshängig wurde (vgl. Zöller-Greger, 26. Auflage, § 260
Rn. 4). Wie das Landgericht zutreffend ausführt, ist der Hilfsantrag hinreichend bestimmt
im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, denn aus dem Vortrag in der Klageschrift ergibt
sich, dass sich der Kläger gegen den Bescheid der Oberfinanzdirektion Cottbus vom 3.
August 2004 wendet, und auch, in welchem Umfang.
b) Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Übereignung des
Flurstücks 994 ohne Zahlung eines Kaufpreises unter Übernahme der
Wertermittlungskosten und der Haftung für eventuelle Mängel durch die Beklagte.
aa) Gemäß § 2 Abs. 1 MauerG hat der Kläger gegen die Beklagten einen Anspruch auf
Verkauf des Grundstücks an ihn zu einem Kaufpreis in Höhe eines Viertels des
Grundstückswertes. Dem entspricht der in dem Kaufvertragsentwurf enthaltene
Kaufpreis.
Dass der Kläger nach § 3 Abs. 3 des Kaufvertragsentwurfs die Wertermittlungskosten für
den Sachverständigen von 512,98 Euro zu tragen hat, folgt aus § 2 Abs. 2 MauerG.
Die Zinsvereinbarung für den Fall des Verzuges mit der Zahlung des Kaufpreises in § 4
des Kaufvertragsentwurfs wiederholt die gesetzliche Regelung der §§ 286, 288 BGB und
ist daher nicht zu beanstanden.
Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Übernahme der Haftung
für die in § 5 Abs. 2 bis 4 des Vertragsentwurfs genannten Mängel. Die in dem
Vertragsentwurf vorgesehenen Haftungsausschlüsse sind nach dem allgemeinen
Kaufvertragsrecht zulässig und im Grundstücksverkehr üblich. Das MauerG enthält keine
Regelungen zur Haftung für Mängel. Aus der Kostenregelung des § 2 Abs. 3 MauerG ist
jedoch zu entnehmen, dass die beklagte Bundesrepublik grundsätzlich keine Lasten aus
dem Grundstücksverkauf tragen sollte. Da derjenige, der ein Grenzgrundstück nach § 2
MauerG zurückerwirbt, bereits dadurch erheblich begünstigt wird, dass er nur den
günstigen Kaufpreis von einem Viertel des Verkehrswertes zu zahlen hat, der Erwerb
steuerbefreit ist und der Berechtigte das Grundstück ohne die vor der Enteignung
bestehenden dinglichen Belastungen erwirbt, besteht kein Anlass, ihn zusätzlich dadurch
zu begünstigen, dass die nach allgemeinem Kaufrecht zulässigen und verkehrsüblichen
Haftungsbeschränkungen ausgeschlossen werden.
bb) Der Kläger hat auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen einen Anspruch auf
Abschluss eines Kaufvertrages zu den im Hilfsantrag genannten Bedingungen.
§ 2 MauerG verstößt nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Das Eigentumsrecht gebietet auch
keine verfassungskonforme Auslegung des § 2 MauerG in dem vom Kläger vertretenen
Sinn.
Bereits der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG ist nicht berührt. Den früheren
Eigentümern der Grenzgrundstücke war nach der Enteignung der Grundstücke in der
ehemaligen DDR keine Rechtsposition verblieben, die nach dem Beitritt in den
Schutzbereich des Art. 14 GG hätte einrücken können (vgl. BGH NJW-RR 2006, 884, 886;
VIZ 2003, 387, 389). Insbesondere bestand kein Anspruch auf Rückerwerb enteigneter
Grundstücke aus Art. 16 der Verfassung der DDR vom 6. April 1968 i. d. F. vom 7.
Oktober 1974, weil der Rechtsordnung der DDR Grundrechte als verfassungsverbürgte
Rechte der Bürger gegen den Staat fremd waren, (vgl. BVerwG NJW 1994, 2712). Auch
der Ansicht des Klägers, seit In-Kraft-Treten des Verfassungsgrundsätzegesetzes der
DDR vom 17. Juni 1990 (Verfassungsgrundsätze, GBl DDR 1990 I, 299ff.) habe bezüglich
der Grenzgrundstücke ein durch Art. 2 der Verfassungsgrundsätze geschützter
Rückgabeanspruch nach § 9 GrenzVO bestanden, in den durch das MauerG eingegriffen
werde, ist nicht zu folgen. Aus § 9 GrenzVO ergab sich kein Anspruch der Betroffenen
gegen den Staat auf Rückübereignung der Grundstücke (vgl. BGH NJW-RR 2006, 884,
885; Hellmann in Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, Einf MauerG
Rn. 15f.). Bereits der Wortlaut des § 9 GrenzVO, der von der „Übergabe“ an die
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Rn. 15f.). Bereits der Wortlaut des § 9 GrenzVO, der von der „Übergabe“ an die
„Eigentümer“ spricht, steht dem Verständnis entgegen, dass die Vorschrift eine
Rückübereignung an ehemalige Eigentümer vorsah (vgl. Hellmann a. a. O. mit
ausführlicher Begründung). Darüber hinaus regelte die GrenzVO die Ausführung des
GrenzG, das keine Grundlage für die Rückgabe von enteigneten Grundstücken bot, so
dass auch der auf § 40 GrenzG gestützten GrenzVO keine solche Bedeutung
beigemessen werden kann (vgl. BGH a. a. O.).
Auch die sich aus Art. 14 Abs. 1 GG ergebende Pflicht, dem früheren Eigentümer bei
Wegfall des Enteignungszwecks von Verfassungs wegen ein Rückerwerbsrecht
einzuräumen (BVerfG NJW 1975, 37) steht der in § 2 MauerG geregelten Entgeltlichkeit
des Rückerwerbs nicht entgegen. Der Gesetzgeber war verfassungsrechtlich nicht
verpflichtet, für in der DDR vollzogene Enteignungen, deren Zweck nach der
Wiedervereinigung aufgegeben worden ist oder wird, einen Rückübereignungstatbestand
zu schaffen (BVerfG VIZ 1998, 203, 204).
Aus diesem Grund konnte der Kläger auch keine „berechtigte Erwartung“ im Sinne der
Rechtsprechung des EGMR zu Art. 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK für sich in Anspruch
nehmen, dass der Nachfolgestaat, der an der Entziehung des Eigentums nicht beteiligt
war, eine ungekürzte Wiedergutmachung in Form der kostenlosen Rückübereignung
anordnen werde (vgl. KG ZOV 2005, 91, 94). Eine „berechtigte Erwartung“ muss
konkreter sein als die einfache Hoffnung, dass eine Rechtsposition anerkannt werde und
muss sich auf eine Rechtsvorschrift stützen oder auf eine gefestigte Rechtsprechung
(vgl. EGMR Entscheidung vom 2. März 2005 , NJW
2005, 2530, 2535; Urteil vom 28. September 2004 NJOZ 2005,
2912, 2916). Dies war hier nicht der Fall.
Da den Betroffenen nach der Enteignung durch die DDR keine Rechtsposition verblieben
war, war der Gesetzgeber nach der Wiedervereinigung in seiner Entscheidung frei, ob
und unter welchen Voraussetzungen er das Eigentum zurückgewähren wollte (BGH NJW-
RR 2006, 884, 886; VIZ 2003, 387, 389).
cc) Auch Art. 3 Abs. 1 GG ist durch § 2 MauerG nicht verletzt. Der durch Art. 3 Abs. 1
geschützte allgemeine Gleichheitssatz verbietet, wesentlich Gleiches ohne sachlichen
Grund ungleich zu behandeln und gebietet, wesentlich Ungleiches entsprechend seiner
Eigenart ungleich zu behandeln (BVerfG VIZ 1998, 203, 204). Ein wesentlicher
Unterschied des vorliegenden Falls zu dem von dem Kläger genannten Fall des § 1 Abs.
2 VermG liegt darin, dass die Grundstücke in den Fällen des § 1 Abs. 2 VermG in Folge
des durch die staatlich verordneten Niedrigmieten verursachten ökonomischen Zwangs
in Volkseigentum überführt wurden, wobei etwa anfallende Entschädigungsleistungen mit
den vorhandenen Belastungen verrechnet wurden (vgl. Brettholle/Schülke in
Rädler/Raupach/Bezzenberger, VermG, Teil 3 A I Rn. 48) . Dagegen erfolgte die
Enteignung nach § 10 VertG gegen die in der DDR übliche Entschädigung. Ob diese
Entschädigung im vorliegenden Fall auch gezahlt wurde, ist unerheblich, denn es kommt
in diesem Zusammenhang allein auf die gesetzliche Regelung an (vgl. BGH NJW 1995,
1833, 1834; KG a. a. O.; Hellmann in Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus,
VermG, Einf MauerG Rn. 8). Von dem Fall des § 1 Abs. 3 VermG unterscheidet sich der
vorliegende Fall dadurch, dass die Enteignung gemäß § 10 VertG von der Rechtsordnung
der DDR gedeckt war, während § 1 Abs. 3 VermG Fälle regelt, bei denen dies nicht der
Fall ist (vgl. KG ZOV 2005, 91, 94).
dd) Soweit der Kläger meint, das MauerG verstoße gegen die im „Grundlagenvertrags-
Urteil“ des BVerfG vom 13. Juli 1973, Az. 2 BvF 1/73 (BVerfGE 36, 1 ff; NJW 1973, 1539
ff.) konstatierte Pflicht aller Verfassungsorgane, auf die Erreichung der
Wiedervereinigung hinzuwirken und alles zu unterlassen, was die Wiedervereinigung
vereiteln würde (BVerfGE 1, 17f.; NJW 1973, 1539, 1541), ist schon nicht ersichtlich, wie
das nach der vollendeten Wiedervereinigung erlassene MauerG diesem Ziel
widersprechen könnte.
c) Soweit der Kläger meint, der von der Beklagten in Ausführung des MauerG vorgelegte
Kaufvertragsentwurf stelle einen institutionellen Rechtsmissbrauch dar und verstoße
gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) bzw. den ordre public (Art. 6
EGBGB), weil er gemessen an den Grundrechten zu einem schlechthin untragbaren
Ergebnis führe, ist dies aus den unter oben B. 3. b) bb) bis dd) genannten Gründen nicht
der Fall, so dass weder der Grundsatz von Treu und Glauben noch Art. 6 EGBGB zu einer
Änderung des Inhalts des Vertrages im Sinne des Hilfsantrages führen.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die grundsätzliche Frage, ob Kaufverträge
nach § 10 VertG gemäß § 138 BGB nichtig waren, bisher höchstrichterlich nicht
entschieden ist.
D.
Gebührenstreitwert
GKG i. V. m. § 3 ZPO mit dem Wert der streitgegenständlichen Flurstücke auf 34.400,00
Euro festgesetzt. Der Hilfsantrag hat bezüglich des Flurstücks 994 denselben
Gegenstand wie der Hauptantrag, so dass für ihn gemäß § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG kein
eigener Wert festzusetzen ist.
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