Urteil des OLG Brandenburg vom 28.04.2006

OLG Brandenburg: zwangsgeld, geschäftsführung, herausgabe, erfüllung, vollstreckungsverfahren, zwangsvollstreckung, gesellschaft, handelsregisterauszug, verschlechterungsverbot, link

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 7.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 W 50/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 888 Abs 1 ZPO, § 810 BGB
Möglichkeit zur Vornahme einer Handlung im
Zwangsvollstreckungsverfahren
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des
Landgerichts Potsdam vom 28.4.2006 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Gegen die Schuldnerin wird zur Erzwingung der im vorläufig vollstreckbaren
Teilversäumnisurteil des Landgerichts Cottbus vom 4.11.2005, Az.: 3 O 323/05, erfolgten
Verurteilung ein Zwangsgeld in Höhe von 200 € und ersatzweise für den Fall, dass dieses
nicht beigetrieben werden kann, für je 100 € ein Tag Zwangshaft festgesetzt, soweit sie
zur Erteilung von Auskunft über Zahlungen aus dem Vermögen der A.-G. GmbH in der
Zeit ab 10.2.2003 bis 12.8.2003 und zum Beleg der Auskunft durch Vorlage geeigneter
Geschäftsunterlagen, insbesondere des Kassenbuchs und sämtlicher Bankkontoauszüge
der A.-G. GmbH für die Zeit ab 10.2.2003 bis 12.8.2003, verurteilt worden ist. Die
Vollstreckung des Zwangsmittels entfällt, soweit die Schuldnerin der Verpflichtung
nachkommt.
Im Übrigen wird der Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes zurückgewiesen.
Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt die Schuldnerin. Die Kosten des
Beschwerdeverfahrens tragen der Gläubiger zu 3/5 und die Schuldnerin zu 2/5.
Gründe
I.
Die Schuldnerin ist durch Teilversäumnisurteil des Landgerichts Cottbus vom 4.11.2005
verurteilt worden, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, welche Zahlungen aus dem
Vermögen der A.-G. GmbH ab dem 10.2.2003 vorgenommen worden sind und diese
Auskunft durch Vorlage geeigneter Geschäftsunterlagen, insbesondere des
Kassenbuchs und sämtlicher Bankkontoauszüge der A.-G. GmbH ab 10.2.2003, zu
belegen.
Unter dem 23.12.2005 hat der Gläubiger die Festsetzung eines - nicht näher bezifferten
- Zwangsgelds gegen die Schuldnerin beantragt. Das Landgericht hat durch Beschluss
des Einzelrichters vom 28.4.2006 die Schuldnerin mit einem Zwangsgeld in Höhe von
500 €, für den Nichtbeitreibungsfall ersatzweise ein Tag Zwangshaft für jeweils 100 €,
belegt. Gegen diesen Beschluss, der ihr am 5.5.2006 zugestellt worden ist, hat die
Schuldnerin am 11.5.2006 sofortige Beschwerde eingelegt.
Das Landgericht hat durch Beschluss vom 6.6.2006 der sofortigen Beschwerde nicht
abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet.
Die allgemeinen Voraussetzungen für eine Zwangsvollstreckung aus dem
Teilversäumnisurteil des Landgerichts Cottbus vom 4.11.2005 sind gegeben.
Gleichwohl ist ein Zwangsgeld gegen die Schuldnerin nur insoweit zu verhängen, als sie
für die Zeit bis 12.8.2003 die Erteilung von Auskünften und Vorlage von Belegen
schuldet; für die Zeit danach kommt eine solche Maßnahme gemäß § 888 Abs. 1 ZPO
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schuldet; für die Zeit danach kommt eine solche Maßnahme gemäß § 888 Abs. 1 ZPO
nicht in Betracht, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Schuldnerin
insoweit zur Erteilung von Auskünften und Vorlage von Belegen in der Lage ist.
Die Durchführung der Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO setzt voraus, dass die
geschuldete Handlung vom Schuldner - noch - vorgenommen werden kann (OLG Köln
MDR 2003, 114; NJW-RR 1992, 633, 634; OLG Jena OLG-NL 2002, 116, 118; OLG Celle
MDR 1998, 923, 924; OLG Koblenz NJW-RR 1997, 1337, 1338; OLG Hamm FamRZ 1997,
1094, 1095; NJW-RR 1988, 1087, 1088; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 888, Rn. 2, 11;
Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 888, Rn. 7). Dabei ist der Schuldner, soweit die
Vornahme der Handlung der Mitwirkung eines Dritten bedarf, verpflichtet, jene,
gegebenenfalls unter Erhebung einer Klage gegen den Dritten, einzufordern (OLG
Frankfurt/Main, NJW-RR 1997, 567; Zöller/ Stöber, a.a.O., § 888, Rn. 2). Den Einwand,
dass ihm die Vornahme der geschuldeten Handlung nicht möglich sei, hat im
Vollstreckungsverfahren der Schuldner substantiiert und nachprüfbar darzulegen (OLG
Köln a.a.O.; OLG Celle a.a.O.; OLG Koblenz a.a.O.; OLG Hamm a.a.O.; Zöller/Stöber,
a.a.O., § 888, Rn. 11). Geschieht dies, so hat der Gläubiger das Gegenteil zu beweisen
(OLG Hamm a.a.O.; Zöller/Stöber a.a.O.).
Nach diesen Grundsätzen ist die Erfüllung der Verpflichtung aus dem
Teilversäumnisurteil vom 4.11.2005 für die Zeit bis 12.8.2003 als der Schuldnerin
möglich anzusehen, nicht hingegen für die Zeit ab 13.8.2003.
Für den letztgenannten Zeitraum folgt dies daraus, dass die Schuldnerin durch
notariellen Vertrag vom 12.8.2003 ihre Geschäftsanteile an der A.-G. GmbH an den
Erwerber L. veräußert hat und an demselben Tag sie als Geschäftsführerin mit sofortiger
Wirkung abberufen und entlassen worden ist. Das hat sie unter Vorlage einer
vollständigen und leserlichen Ablichtung der Urkunde der Notarin N. in F. vom 12.8.2003,
Urk.-Nr.: .../2003, in der mündlichen Verhandlung am 10.3.2006 hinreichend
substantiiert dargetan. Im Einklang damit steht ihr weiterer Vortrag, dass sie anlässlich
der Veräußerung der Geschäftsanteile die Geschäftsunterlagen der A.-G. GmbH dem
Erwerber L. übergeben habe. In der Beschwerdeschrift vom 11.5.2006 trägt die
Schuldnerin zudem unter Vorlage eines Schreibens des Erwerbers L. vom 7.5.2006 und
damit ebenfalls hinreichend substantiiert vor, dass der Erwerber L. zu einer Herausgabe
von Unterlagen an sie nicht bereit sei. Dazu hat, soweit es bereits vorgetragen gewesen
ist, der Gläubiger sich zwar im Schriftsatz vom 23.1.2006 mit Nichtwissen erklärt. Ein
tauglicher Beweis oder eine Glaubhaftmachung für das Gegenteil findet sich allerdings
weder dort noch in der Beschwerdeerwiderung vom 26. Mai 2006. Der Verweis auf den
Inhalt des Handelsregisters ist unbehelflich, nachdem der Gläubiger im Rechtsstreit über
die Veräußerung der Geschäftsanteile und die Abberufung der Schuldnerin als
Geschäftsführerin in Kenntnis gesetzt worden ist.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts kann für die Zeit ab 13.8.2003 der Schuldnerin
die Erhebung einer Klage gegen den Erwerber L., die sie zur Erfüllung der Verpflichtung
aus dem Teilversäumnisurteil vom 4.11.2005 in die Lage versetzen könnte, nicht
angesonnen werden. Denn es besteht für die diese Zeit kein Anspruch der Schuldnerin
gegen den Erwerber L. auf die Erteilung von Auskünften und die Herausgabe von
Urkunden über Zahlungen aus dem Vermögen der A.-G. GmbH. Soweit das Landgericht
dazu auf § 810 BGB abgehoben hat, beurkunden die Geschäftsbücher zwar auch die
Tätigkeit der Geschäftsführung und sind mithin auch in deren Interesse angelegt (vgl.
Staudinger/Marburger, BGB, 13. Bearb. 2002, § 810, Rn. 16). Ab dem 13.8.2003 hat die
Geschäftsführung der A.-G. GmbH jedoch nicht mehr die Schuldnerin, sondern der
Erwerber L. innegehabt, sodass die Geschäftsunterlagen aus dieser Zeit nicht mehr in
ihrem Interesse errichtet und ein Anspruch aus § 810 BGB unter diesem Gesichtspunkt
mithin nicht in Betracht kommt; die übrigen in § 810 BGB genannten Fallgestaltungen
liegen ersichtlich nicht vor. Ein Auskunftsanspruch der Schuldnerin gegen den Erwerber
L. aus § 242 BGB besteht ebenfalls nicht. Danach ist eine Auskunftspflicht gegeben,
wenn und soweit die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich
bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den
Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der
Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer erteilen kann (BGH NJW 2002, 3771; 2001,
821, 822; 1995, 386, 387; Palandt/ Heinrichs, BGB, 64. Aufl. § 261, Rn. 8). Hier geht es
indes um eine Klärung von Rechten oder Pflichten der Schuldnerin im Verhältnis zum
stehenden Gläubiger, auf die ein Auskunftsanspruch gegen den - außerhalb dieses
Rechtsverhältnisses stehenden - Erwerber L. nicht gestützt werden kann. Auch ein
Auskunfts- und Einsichtsrecht der Schuldnerin nach § 51 a GmbHG vor dem Hintergrund,
dass sie nicht nur Geschäftsführerin, sondern auch Gesellschafterin der A.-G. GmbH
gewesen ist, ist nicht gegeben; denn ein solcher Anspruch steht ausgeschiedenen
Gesellschaftern nicht zu (Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, 18. Aufl. § 51 a, Rn. 7,
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Gesellschaftern nicht zu (Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, 18. Aufl. § 51 a, Rn. 7,
m.w.N.).
Anders ist es hingegen für die Zeit bis 12.8.2003. In diesem Zeitraum ist die Schuldnerin
unstreitig Geschäftsführerin der A.-G. GmbH gewesen, sodass, wie aus Vorstehendem
zu ersehen ist, ein Anspruch gegen den Erwerber L. aus § 810 BGB auf Einsicht in die auf
diese Zeit entfallenden Geschäftsunterlagen der Gesellschaft in Betracht kommt. Im
Rahmen der Einsicht hat der Verpflichtete grundsätzlich auch die Fertigung von
Abschriften zu dulden (Palandt/Sprau, a.a.O., § 810, Rn. 1), weshalb davon auszugehen
ist, dass eine Inanspruchnahme des Erwerbers L. die Schuldnerin zur Erteilung der dem
Gläubiger geschuldeten Erteilung von Auskünften und Vorlage von Belegen in die Lage
zu versetzen geeignet ist. Für eine klageweise Inanspruchnahme des Erwerbers L. ist
indes von der Schuldnerin nichts dargetan. Daraus, dass - wie sie vorträgt - der Erwerber
L. sich in S. aufhält, kann nicht ohne weiteres gefolgert werden, dass eine solche
Durchsetzung ihrer Ansprüche der Schuldnerin unmöglich oder unzumutbar wäre;
konkrete Umstände trägt die Schuldnerin dazu nicht vor.
Nach alledem ist davon auszugehen, dass die Schuldnerin der titulierten Verpflichtung
für die Zeit bis 12.8.2003 nachkommen kann, nicht aber für die Zeit danach.
Demgemäß kann es im Hinblick auf das im Beschwerdeverfahren geltende
Verschlechterungsverbot (Zöller/Gummer, a.a.O., § 572, Rn. 39 ff.) nicht bei der Höhe
des vom Landgericht festgesetzten Zwangsgelds verbleiben. Ebenso ist zu
berücksichtigen, dass der als Anlage zum Schriftsatz des Gläubigers vom 23.1.2006
vorgelegte Handelsregisterauszug die Eintragung der Auflösung der A.-G. GmbH am
5.5.2004 ausweist. Demzufolge können Zahlungen der A.-G. GmbH, über die nach dem
Teilversäumnisurteil vom 4.11.2005 Auskunft zu erteilen ist, nur bis dahin und also für
die Zeit ab 10.2.2003 über einen Zeitraum von lediglich rund 15 Monaten stattgefunden
haben. Der im Vollstreckungsverfahren beachtliche Zeitraum ab 10.2.2003 bis
12.8.2003 macht demgegenüber rund sechs Monate, das sind rund 40 % dieses
Zeitraums, aus, sodass die Verhängung des Zwangsgeldes nur in Höhe von (500 € x 40
% =) 200 € aufrechterhalten werden kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 788, 92 Abs. 1 ZPO.
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