Urteil des OLG Brandenburg vom 13.03.2017

OLG Brandenburg: wirtschaftliche einheit, gesellschafter, neues vorbringen, geschäftsführer, auflage, anschluss, verwalter, insolvenz, unternehmen, nutzungsrecht

Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 3.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 U 67/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 32a Abs 3 GmbHG, § 15 AktG,
§§ 15ff AktG, § 17 AktG, § 286
ZPO
GmbH: Rückgewähr eines kapitalersetzenden Darlehens eines
Gesellschafters; Gebrauchsüberlassung als
eigenkapitalersetzende Leistung; Kenntnis des Gesellschafters
vom kapitalersetzenden Charakter seiner Leistung; Beweis- und
Darlegungslast
Leitsatz
1. Dritte im Sinne des § 32a Abs. 3 GmbHG sind Personen, die mit dem Gesellschafter eine
wirtschaftliche Einheit bilden, wie es bei Unternehmen der Fall sein kann, die im Sinne der §§
15 ff. Aktiengesetz mit einem Gesellschafter oder der Gesellschaft verbunden sind (Anschluss
an BGH, Urteil vom 19.09.1988 – II ZR 255/87 = BGHZ 105, 168; juris Tz. 26 m.w.N.).
2. Die nach § 17 AktG erforderliche Möglichkeit, unmittelbar oder mittelbar einen
beherrschenden Einfluss auszuüben ist bei Identität der die Unternehmen leitenden
Persönlichkeiten, einem typischen Beherrschungsmittel (vgl. BGH, Urteil vom 04.03.1974 - II
ZR 89/72 = BGHZ 62, 193; OLG München, WM 1995, 898 m.w.N), regelmäßig eröffnet.
3. Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung kann die Gebrauchsüberlassung
ebenso den Tatbestand einer eigenkapitalersetzenden Leistung erfüllen wie die Gewährung
eines Darlehens (vgl. BGH, Urteil vom 11.07.1994 – II ZR 162/92 = BGHZ 127, 17, juris Tz. 9
m.w.N.; Baumbach/Hueck /Fastrich, GmbH-Gesetz, 18. Auflage, Rn. 32, 33 m.z.w.N.).
4. Entscheidend für eine kapitalersetzende Gebrauchsüberlassung ist die Einräumung eines
Nutzungsrechts; eine schuldrechtliche Grundlage hierfür ist entbehrlich (vgl.
Hommelhoff/Goette, Eigenkapitalersatzrecht in der Praxis, 2. Auflage, Rn. 86;
Baumbach/Hueck/Fastrich, a.a.O.).
5. Die Gebrauchsüberlassung stellt sich als Kapitalersatz dar, wenn der Gesellschafter oder
ein ihm gleichgestellte Kreditgeber sie einer GmbH während deren Krise gewährt oder sie
nach Eintritt der Krise nicht beendet, obwohl das möglich ist. Desgleichen ist die
Gebrauchsüberlassung im Eigenkapital umzuqualifizieren, wenn der Gesellschafter von der
ihm - zumindest objektiv - gegebenen Möglichkeit, die Gesellschaft unter Entzug der ihr zur
Verfügung gestellten Mittel zu liquidieren, keinen Gebrauch macht (Anschluss an BGH, Urteil
vom 14.12.1992 – II ZR 298/91 = BGHZ 121, 31, juris Tz. 10).
6. Der Kenntnis eines Gesellschafters vom kapitalersetzenden Charakter seiner Leistung
steht es gleich, wenn er hätte erkennen müssen, dass die Leistung inzwischen als
Kapitalgrundlage für die Gesellschaft unentbehrlich ist (Anschluss an BGH, Urteil vom
16.10.1989 – II ZR 307/88 = BGHZ 109,55, juris Tz. 10 m.w.N.). Diese
Erkenntnismöglichkeiten ist bei einem Gesellschafter ohne weiteres vorauszusetzen (vgl. BGH
a.a.O.).
7. Der den Gebrauch in kapitalersetzender Weise überlassende Gesellschafter ist für seine
fehlende Erkenntnismöglichkeit darlegungs- und beweisbelastet (Anschluss an BGH, Urteil
vom 17.02.1992 - II ZR 154/91 = WM 1992, 650; BGH, Urteil vom 15.06.1998 - II ZR 17/97 =
WM 1998, 1626).
8. Der Finanzierungsverantwortliche ist an seiner Finanzierungsentscheidung festzuhalten ist;
ihn trifft das Verbot der fristlosen Kündigung und die Pflicht, dem Verwalter das
Nutzungsrecht unentgeltlich zu belassen.
9. Die Dauer, für die ein kapitalersetzendes Nutzungsrecht dem der Gesellschaft
unentgeltlich zu belassen ist, beurteilt sich nach Maßgabe eines tatsächlichen Vertrages,
sofern dessen Beendigungsregeln ernsthaft gemeint sind; ansonsten, bei fehlenden oder
unwirksamen Beendigungszeitpunkten oder Kündigungsfristen, anhand einer hypothetischen
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unwirksamen Beendigungszeitpunkten oder Kündigungsfristen, anhand einer hypothetischen
Beendigungsregel, die auch ein außenstehender Dritter unter Wahrung seines eigenen
Vertragsinteresses vernünftigerweise vor-genommen und auf die sich die Gesellschaft
eingelassen hätte (Anschluss an BGH, Urteil vom 11.07.1994 - II ZR 146/92 = BGHZ 127, 1,
Juris Tz. 28).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 16.01.2007 -
3 O 53/05 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, einschließlich der Kosten
der Streitverkündeten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten und der Streitverkündeten durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils für diese jeweils
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht diese vor ihrer Vollstreckung in Höhe
von 120 % des für sie jeweils vollstreckbaren Betrages Sicherheit leisten. Als Sicherheit
genügt die schriftliche, unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche und
selbstschuldnerische Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten
Kreditinstituts.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten als Verwalter über das Vermögen der F…
GmbH B… und B… (fortan: F…) Vergütung für die Nutzung von Hallen und Flächen auf
ihrem Grundstück Am … 12 in G….
Sie verhandelte mit der F… über den Abschluss eines Mietvertrages über näher
bezeichnete Flächen und Hallen auf obigen Grundstück zum Betrieb eines
Frischdienstlagers (vgl. Mietvertragsentwurf von Anfang Februar 1999, K2, 20 GA) und
überließ ihr im Vorgriff auf den Vertragsabschluss ab 29.01.1999 das Mietobjekt.
Die Geschäftsführung der Klägerin lag bei den Herren F… und K… S…, die
Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, der F… S… GmbH, waren und deren
Geschäftsanteile zu je 50 % hielten. Die Kommanditisten der Klägerin waren zu je
150.000 DM ebenfalls F… und K… S…. Die Geschäftsführung der F… lag zu diesem
Zeitpunkt bei den alleinvertretungsbefugten Geschäftsführern E… B… und F… S…. Die
Geschäftsanteile der F… hielt zu 40 % die Rechtsvorgängerin der Streitverkündeten
(fortan: Streitverkündete), zu 60 % die I… P… GmbH, deren Geschäftsführer F… S… war.
Die Geschäftsanteile der I… P… GmbH hielt zu 100 % die F… S… Spedition und Logistik
GmbH, deren Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer K… S… war (vgl. 48 GA).
Über das Vermögen der F… wurde am 10.05.1999 zunächst die vorläufige Insolvenz, am
01.07.1999 die endgültige Insolvenz eröffnet, jeweils unter Bestellung des Beklagten
zum Verwalter. Diesem gegenüber ließ die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom
15.06.1999 das Nutzungsverhältnis für die von der F… innegehaltenen Geschäfts- und
Lagerräume mit außerordentlicher Wirkung kündigen und forderte die Herausgabe der
Räume und Lagerhallen spätestens am 30.06.1999 (vgl. BK2, 371 GA).
Die Rückgabe der Räumlichkeiten und Flächen erfolgte im September 1999, wobei die
Einzelheiten nach Zeit und Umfang streitig sind.
Mit der Klage hat die Klägerin gemäß dreier Rechnungen vom 1.7., 1.8. und 01.09.1999
(Anlagen K3a-c, 31 ff. GA) auf der Grundlage ihres Vertragsentwurfes Mieten für die
Monate Juli bis September (anteilig) 1999 beansprucht.
Der Beklagte und die Streitverkündete haben den Einwand der kapitalersetzenden
Gebrauchsüberlassung und die insolvenzrechtliche Nachrangigkeit der Klageforderung (§
39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) geltend gemacht.
Mit dem angefochtenen Urteil, auf das der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des
erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, ist das Landgericht dem gefolgt. Die
Klägerin sei Dritte im Sinne des § 32a Abs. 2 GmbHG, da sie mit der Gesellschafterin der
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Klägerin sei Dritte im Sinne des § 32a Abs. 2 GmbHG, da sie mit der Gesellschafterin der
F…, der I… P… GmbH, eine wirtschaftliche Einheit bilde. Die Gebrauchsüberlassung
stelle, wie ein Darlehen, eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe dar. Diese habe
die Klägerin der F… nach Erkennbarkeit der Krise im Februar/März 1999 belassen,
anstatt die Räume heraus zu verlangen, was ihr möglich gewesen sei.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches
Zahlungsbegehren uneingeschränkt weiter. Das Landgericht habe die
Gebrauchsüberlassung rechtsfehlerhaft als Eigenkapitalersatz gewertet und die
Voraussetzungen des § 32a Abs. 3 GmbHG verkannt, da die Streitverkündete der F… in
erheblichem Umfang Aufträge erteilt und sie dadurch wirtschaftlich dominiert habe, dass
sie diese unbezahlt habe lassen können.
Sie behauptet erstmals zweitinstanzlich, die Streitverkündete habe für den Fall, dass F…
S… einen Insolvenzantrag stelle, Schadensersatzansprüche in Millionenhöhe
angekündigt. Auch habe, so die Berufungsbegründung, die Streitverkündete Herrn F…
S…, der immer wieder auf Auskunftserteilung bestanden habe, Auskünfte über die von
ihr geführte Buchhaltung der F… verweigert.
Sie ist der Ansicht, der Beklagte habe aufgrund ihrer Kündigung vom 15.06.1999 durch
die weitere Inanspruchnahme der überlassenen Flächen und Räumlichkeiten ihr
gegenüber Masseverbindlichkeiten begründet.
Sie beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an sie
257.287,06 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit
dem 01.10.1999 zu zahlen.
Der Beklagte und die Streitverkündete beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil und bestreiten die erstmals zweitinstanzlich
erhobenen Behauptungen der Klägerin.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes
verweist der Senat auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze und auf
das Terminsprotokoll vom 07.11.2007.
II.
Die statthafte und auch im Übrigen und zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.
1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs.
1 S. 2 Fall 2 BGB, der bei Gebrauchsüberlassung vor Vertragsabschluss in Betracht
kommenden Anspruchsgrundlage (vgl. Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen
Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Auflage, Rn. 173 ff. m.w.N.).
Die Forderungen der Klägerin sind, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat,
insolvenzrechtlich nachrangig, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Es handelt sich um Ansprüche, die
Forderungen auf Rückgewähr eines kapitalersetzenden Darlehens eines Gesellschafters
gleichgestellt sind.
a) Die Klägerin ist Dritte im Sinne des § 32a Abs. 3 GmbHG. Hierunter fallen Personen,
die mit dem Gesellschafter eine wirtschaftliche Einheit bilden, wie es bei Unternehmen
der Fall sein kann, die im Sinne der §§ 15 ff. Aktiengesetz mit einem Gesellschafter oder
der Gesellschaft verbunden sind (vgl. BGH, Urteil vom 19.09.1988 - II ZR 255/87 = BGHZ
105, 168; juris Tz. 26 m.w.N.). So liegt es hier.
Die F… wie auch deren Hauptgesellschafterin, die I… P… GmbH, waren mit der Klägerin
in diesem Sinne verbunden, vgl. § 17 AktG. Die nach dieser Bestimmung erforderliche
Möglichkeit, unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss auszuüben, war
vorliegend durch die Identität der die Unternehmen leitenden Persönlichkeiten, einem
typischen Beherrschungsmittel (vgl. BGH, Urteil vom 04.03.1974 - II ZR 89/72 = BGHZ
62, 193; OLG München, WM 1995, 898 m.w.N), eröffnet. Sowohl die F… als auch deren
Mehrheitsgesellschafterin, die I… P… GmbH wurden zur maßgeblichen Zeit vertreten
durch den Geschäftsführer F… S… und konnten über ihn sowie über dessen Bruder K…
S…, den Alleingesellschafter und Geschäftsführer der F… S… Spedition und Logistik
GmbH, die ihrerseits Alleingesellschafterin der I… P… GmbH war, bestimmenden Einfluss
auf die Klägerin und deren Komplementärin ausüben. Deren Geschäftsführer und
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auf die Klägerin und deren Komplementärin ausüben. Deren Geschäftsführer und
alleinige Gesellschafter zu jeweils gleichen Teilen waren sie selbst (vgl. 48 GA).
Aufgrund der Mehrheit ihrer Geschäftsanteile blieb die I… P… GmbH bestimmende
Gesellschafterin der F…, auch nachdem F… S… die Niederlegung seiner dortigen
Geschäftsführerfunktion mit Schreiben vom 01.04.1999 - im Übrigen gegenüber dem
falschen Organ der F… - erklärt hatte (vgl. Anlage K11, 151 GA).
Dass die Minderheitengesellschafterin der F… im Außenverhältnis als Kunde gegenüber
trat, änderte an den gesellschaftsrechtlichen Gegebenheiten nichts.
b) Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung kann die Gebrauchsüberlassung,
wie die Klägerin verkennt, ebenso den Tatbestand einer eigenkapitalersetzenden
Leistung erfüllen wie die Gewährung eines Darlehens (vgl. BGH, Urteil vom 11.07.1994 -
II ZR 162/92 = BGHZ 127, 17, juris Tz. 9 m.w.N.; Baumbach/Hueck /Fastrich, GmbH-
Gesetz, 18. Auflage, Rn. 32, 33 m.z.w.N.). Entscheidend ist insoweit die Einräumung
eines Nutzungsrechts; eine schuldrechtliche Grundlage hierfür ist entbehrlich (vgl.
Hommelhoff/Goette, Eigenkapitalersatzrecht in der Praxis, 2. Auflage, Rn. 86;
Baumbach/Hueck /Fastrich, a.a.O.). Vorliegend hat die Klägerin über einen Mietvertrag
mit der F… verhandelt, dieser im Vorgriff auf dessen Abschluss das in Aussicht
genommene Mietobjekt bereits überlassen und ihr hierbei Besitz und Nutzungsbefugnis
eingeräumt.
c) Die Gebrauchsüberlassung stellt sich als Kapitalersatz dar, wenn der Gesellschafter
oder ein ihm gleichgestellte Kreditgeber sie einer GmbH während deren Krise gewährt
oder sie nach Eintritt der Krise nicht beendet, obwohl das möglich ist. Desgleichen ist die
Gebrauchsüberlassung in Eigenkapital umzuqualifizieren, wenn der Gesellschafter von
der ihm - zumindest objektiv - gegebenen Möglichkeit, die Gesellschaft unter Entzug der
ihr zur Verfügung gestellten Mittel zu liquidieren, keinen Gebrauch macht (vgl. BGH,
Urteil vom 14.12.1992 - II ZR 298/91 = BGHZ 121, 31, juris Tz. 10). Die danach
erforderlichen Voraussetzungen sind gegeben.
aa) Eine Krise im Sinne des § 32a Abs. 1 GmbHG bestand, und das Landgericht hat sie
zu Recht, und im Übrigen von der Berufung auch unbeanstandet, bejaht. Sie ist gegeben
bei Insolvenzreife oder bei Überlassungsunwürdigkeit der GmbH. Hier liegen beide
Voraussetzungen vor. Den substantiierten Ausführungen des Beklagten zur
Überschuldung der F… bei negativer Fortführungsprognose, etwa zur Höhe der in der
Vergangenheit zu Lasten des Stammkapitals erwirtschafteten Verluste, ist die Klägerin
nicht und schon gar nicht qualifiziert entgegengetreten. Desgleichen hätte die F… von
dritter Seite so kein Investitionsdarlehen erhalten können, um die Immobilie selbst zu
erwerben und zu bezahlen; ebenso wenig hätte sie von einem vernünftig handelnden
Dritten, der sich an den üblichen Qualitätskriterien des betreffenden Marktes orientiert,
ein entsprechendes Gewerbeobjekt mieten können. Dies gilt hier umso mehr, als die
überlassene Lagerhalle, die als Kühllager ausgerüstet und auf eine Kühlleistung von + 4
bis + 7 °C ausgelegt war (vgl. Blatt 21 GA), ein spezielles Wirtschaftsgut darstellt.
bb) Die Kenntnis der Krise nach Besprechungen in der 12. und 13. Kalenderwoche steht
aufgrund des Schreibens der Klägerin vom 31.03.1999, wonach “eine Insolvenz der F…
droht oder sogar bereits eingetreten ist”, fest (vgl. Anlage B5, 73 GA).
Unabhängig davon greift auch das Vorbringen der Klägerin, vor diesem Zeitpunkt von
der Krise keine Kenntnis gehabt zu haben, nicht durch. Abgesehen davon, dass der
damalige personenidentische Geschäftsführer der F…, der I… P… GmbH, und der
Klägerin, Herr F… S… gemäß seinem Schreiben vom 18.02.1999 “besorgen musste,
dass die Gesellschaft sich bereits zum derzeitigen Zeitpunkt im Zustand der drohenden
Zahlungsunfähigkeit befindet.” (vgl. K7, 143 GA), wäre es unerheblich, wenn die mit der
Klägerin verbundene I… P… GmbH vor der 12. Kalenderwoche von der Krise der F…
keine Kenntnis gehabt hätte. Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung reicht
es aus, dass der Gesellschafter hätte erkennen müssen, dass die Leistung inzwischen
als Kapitalgrundlage für die Gesellschaft unentbehrlich ist (BGH, Urteil vom 16.10.1989 -
II ZR 307/88 = BGHZ 109,55, juris Tz. 10 m.w.N.). Diese Erkenntnismöglichkeiten ist bei
einem Gesellschafter ohne weiteres vorauszusetzen (vgl. BGH a.a.O.), und dies gilt erst
recht, wenn er zugleich einen personenidentischen Geschäftsführer stellt.
Dass der Geschäftsführer F… S… - im Übrigen unter massivem Verstoß gegen seine
Geschäftsführungspflichten bei der F… - außer Stande gewesen wäre, dort für eine
Organisation zu sorgen, die ihm die für die Beurteilung einer möglichen Insolvenz
erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft
jederzeit ermöglicht (vgl. BGH, Urteil vom 20.02.1995 - II ZR 9/94 = WM 1995, 709), hat
die Klägerin, die für ihre fehlende Erkenntnismöglichkeit darlegungs- und beweisbelastet
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die Klägerin, die für ihre fehlende Erkenntnismöglichkeit darlegungs- und beweisbelastet
ist (BGH, Urteil vom 17.02.1992 - II ZR 154/91 = WM 1992, 650; BGH, Urteil vom
15.06.1998 - II ZR 17/97 = WM 1998, 1626), erstinstanzlich nicht einmal behauptet. Die
von ihr stattdessen herangezogene Mitteilung des weiteren Geschäftsführers B… vom
18.02.1999 bot, wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat und wogegen die
Berufung auch nichts erinnert, keine inhaltlich substantiellen Aussagen, die fundierte
Rückschlüsse auf die finanziellen Situation der Insolvenzschuldnerin zugelassen hätten;
diese Mitteilung begründete keine berücksichtigungsfähige Unerkennbarkeit der Krise
und konnte Herrn F… S… namentlich nicht von seiner für einen ordentlichen Kaufmann
unverzichtbaren Erkenntnispflicht entbinden.
Soweit die Klägerin nunmehr vorzubringen versucht, F… S… habe immer wieder darauf
bestanden, dass Auskünfte erteilt würden, diese indes verweigert worden seien, dringt
sie hiermit nicht durch, § 531 Abs. 2 ZPO. Es handelt sich um neues Vorbringen, das
zweitinstanzlich bestritten ist (vgl. 416 GA), ohne dass die Zulassungsvoraussetzungen
der eben genannten Bestimmung vorgetragen oder ersichtlich wären.
cc) Die Klägerin hat die Gebrauchsüberlassung nicht beendet, obwohl ihr dies möglich
war. Wie das Landgericht zutreffend und von der Berufung im übrigen auch
unangegriffen festgestellt hat, hat die Klägerin weder die Vertragsverhandlungen mit der
F… abgebrochen, noch hat sie ihr gegenüber ein Herausgabeverlangen geltend
gemacht; vielmehr hat sie, wie sie erstinstanzlich umfangreich selbst ausgeführt hat, die
Vertragsverhandlungen mit den F… andauern lassen und ihr im Vorgriff auf den
erwarteten Abschluss des Mietvertrags auch weiterhin Besitz und Nutzung an dem
Kühllager belassen.
Dass die F… in - wie sich im vorläufigen Verfügungsverfahren herausstellte - irrtümlicher
Sorge vor einer verbotenen Eigenmacht der Klägerin um einstweiligen possessorischen
Rechtsschutz nachsuchte (LG Potsdam - 11 O 114/99 -), machte der Klägerin eine
ordnungsgemäße Beendigung der Gebrauchsüberlassung nicht unmöglich, wie das
Landgericht gleichfalls zutreffend erkannt hat und wogegen auch die Berufung nichts
mehr einwendet.
Die von der Berufung angeführte außerordentliche Kündigung des jetzigen
Klägerbevollmächtigten gegenüber dem Beklagten mit Schreiben vom 15.06.1999 (vgl.
Anlage BK2, 371 GA) ist unerheblich. Seine Finanzierungsentscheidung hat der
Finanzierungsverantwortliche bei Erkennbarkeit der Krise zu treffen, nicht erst geraume
Zeit später.
Das gleiche gälte für den angeblichen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
vom 28.06.1999, den die Klägerin ohnehin nicht zustellen ließ (vergl. Anlage 5 zur
Berufungsbegründung, 379 GA), abgesehen davon, dass es sich insoweit überdies um
neues, bestrittenes zweitinstanzliches Vorbringen handelt, dessen
Zulassungsvoraussetzungen nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht dargetan und nicht ersichtlich
sind.
Soweit die Klägerin nunmehr behauptet, die Streitverkündete hätte ihr für den Fall eines
Herausgabeverlangen mit Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe gedroht, handelt
es sich gleichfalls um neues, bestrittenes Vorbringen (vgl. 415 GA), ohne dass die
Zulassungsvoraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO dargetan oder ersichtlich wären.
d) Der Finanzierungsverantwortliche ist nach gefestigter höchstrichterlicher
Rechtsprechung an seiner Finanzierungsentscheidung festzuhalten; ihn trifft das Verbot
der fristlosen Kündigung und die Pflicht, dem Verwalter das Nutzungsrecht unentgeltlich
zu belassen
Die Dauer des Nutzungsrechts beurteilt sich nach Maßgabe eines tatsächlichen
Vertrages, sofern dessen Beendigungsregeln ernsthaft gemeint sind; ansonsten, bei
fehlenden oder unwirksamen Beendigungszeitpunkten oder Kündigungsfristen, anhand
einer hypothetischen Beendigungsregel, die auch ein außenstehender Dritter unter
Wahrung seines eigenen Vertragsinteresses vernünftigerweise vorgenommen und auf
die sich die Gesellschaft eingelassen hätte (vgl. BGH, Urteil vom 11.07.1994 - II ZR
146/92 = BGHZ 127, 1, Juris Tz. 28). Dem tritt der Senat bei. Einerseits können so die
negativen Folgen der Finanzierungsentscheidung für die Gläubigergesamtheit,
namentlich dass sich der Gesellschafter im Falle eines wirtschaftlichen
Zusammenbruchs vorrangig vor oder konkurrierend mit den Gläubigern aus dem noch
vorhandenen Gesellschaftsvermögen befriedigt und dass eine Krise der Gesellschaft
durch Gesellschafterleistungen verschleppt und das verbliebene Vermögen zu Lasten
der Gläubiger weiter verringert wird, aufgefangen werden; zugleich wird gewährleistet,
dass der Gesellschafter nur haftendes Eigenkapital einsetzt, wenn er der GmbH den
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dass der Gesellschafter nur haftendes Eigenkapital einsetzt, wenn er der GmbH den
Fortbestand in der Krise ermöglicht und auf diese Weise den Eindruck einer mit
genügend Kapital ausgestatteten und deshalb lebensfähigen Gesellschaft hervorruft.
Andererseits hat die Gläubigergesamtheit kein schützenswertes Interesse daran, dass
der Gesellschaft mehr zugewandt wird, als ihr ein außenstehender Dritter unter Wahrung
seines eigenen Interesses vernünftigerweise überlassen hätte.
In Anwendung dieser Grundsätze erfasst die Einrede der kapitalersetzenden
Nutzungsüberlassung die streitgegenständlichen Zeiträume Juli bis September 1999.
Dass ein außenstehender Dritter das Kühllager für nur wenige Monate mit einem
Beendigungszeitpunkt noch vor dem 30.09.1999 an die F… vermietet und diese sich
hierauf eingelassen hätte, erscheint schon angesichts der Beschwernisse eines
Mieterwechsels auf Vermieterseite fern liegend, und angesichts des beträchtlichen Zeit-
und Geldaufwandes für eine Verlegung der Betriebsstätte auf Mieterseite
ausgeschlossen. Ebenso spricht nichts für eine Verkürzung der für entgeltliche
Gebrauchsüberlassungen typischen Kündigungsfrist aus § 580a Abs. 2 BGB bei einer
hypothetischen Vereinbarung mit einem außenstehenden Dritten.
2. Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung,
da ihre Entscheidung von keiner Beantwortung einer höchstrichterlich bisher noch nicht
entschiedenen Frage abhängt. Sie gibt auch keine Veranlassung, in den berührten
Rechtsgebieten neue Leitsätze aufzustellen, Gesetzeslücken zu füllen oder von höchst-
oder obergerichtlicher Rechtsprechung abzuweichen.
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