Urteil des OLG Brandenburg vom 08.10.2008

OLG Brandenburg: unternehmen, befangenheit, unparteilichkeit, erstellung, empfehlung, konzern, tötung, kompetenz, beweiswürdigung, sammlung

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht
11. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 W 3/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 42 Abs 2 ZPO, § 138 Abs 3
ZPO, § 406 Abs 1 ZPO
Sachverständiger: Ablehnung wegen nicht bestrittener
Sachbehauptung
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Potsdam
(5 O 2/08) vom 9. Februar 2010 in Verbindung mit dem Nichtabhilfebeschluss vom 15.
März 2010 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadenersatz wegen Verletzung und Tötung
eines ihr ehemals gehörenden Pferdes in Anspruch.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 08.10.2008 die Beweiserhebung mittels eines
schriftlichen Gutachtens der später namentlich bestellten Sachverständigen Dr. med.
vet. A… R… angeordnet. Auf den Inhalt des Beweisbeschlusses wird wegen dessen
Einzelheiten Bezug genommen.
Das Gutachten (Blatt 167 ff.) gelangte am 30.01.2009 zur Akte und wurde den Parteien,
verbunden jeweils mit der Nachricht, es bestehe Gelegenheit zur Stellungnahme, zur
Kenntnis gegeben.
Mit Schriftsatz vom 27.03.2009, auf dessen Inhalt wegen weiterer Einzelheiten ebenso
Bezug genommen wird wie auf die weiteren schriftsätzlichen Begründungen, ließ die
Klägerin erklären, sie lehne die Sachverständige wegen der Besorgnis der Befangenheit
ab. Sie hat das unter anderem damit begründet, der Beklagte zu 1.sei, was von der
Sachverständigen nicht in Abrede gestellt wird, für diese in ihrer Eigenschaft als Halterin
eines zur Auktion bestimmten Pferdes im Jahre 2008 als einer von vier Bereitern tätig
gewesen, wobei die Sachverständige allerdings darauf hinweist, der Beklagte habe mit
ihr nie in persönlichem Kontakt gestanden. Vielmehr sei dieser Beritt, ebenso wie die
drei weiteren Beritte desselben Pferdes, von einem Sponsor, nämlich einer Firma R…,
organisiert worden. Dazu wird auf die schriftliche Äußerung der Sachverständigen vom
23.06.2009 verwiesen.
Außerdem, so die Klägerin, habe der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit einem
Email-Schreiben vom 25.03.2009 (Kopie Blatt 221), mithin nach Erstattung des
Gutachtens in vorliegender Sache, die Sachverständige an einen Dritten empfohlen.
Die Beklagten treten - ebenso wie die Sachverständige - dem Vorwurf entgegen, es sei
der Anschein eines zu Lasten der Klägerin parteilichen Verhaltens entstanden.
Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch der Klägerin mit Beschluss vom 09.02.2010
zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin, mit der
sie die bereits erstinstanzlich vorgetragenen Gründe geltend macht. Die Kammer hat
dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und es dem Senat mit Beschluss vom 15.03.2010
zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde ist statthaft, § 406 Abs. 5 ZPO, und auch im Übrigen zulässig,
insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.
In der Sache bleibt das Rechtsmittel der Klägerin indessen ohne Erfolg. Das Landgericht
hat das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes in Anwendung der §§ 406 Abs. 1, 42 Abs. 2
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hat das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes in Anwendung der §§ 406 Abs. 1, 42 Abs. 2
ZPO zu Recht abgelehnt.
Dabei hat die Kammer, wie ihre Ausführungen in dem Beschluss erkennen lassen, die
rechtlichen Voraussetzungen zutreffend erkannt, unter denen eine vernünftige Partei
Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters bzw. eines Sachverständigen hegen
darf. Auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung wird in diesem Zusammenhang
zwecks Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
Entgegen der mit der Beschwerdebegründung aufrecht erhaltenen Rechtsauffassung der
Klägerin kann es bei der Feststellung der eine Ablehnung tragenden Tatsachen keine
Rolle spielen, ob etwa eine Sachbehauptung der einen Prozesspartei mangels
Bestreitens der anderen Partei, hier der Beklagten, nach § 138 Abs. 3 ZPO als
zugestanden zu behandeln ist. Vielmehr hat das Gericht das Verhalten des abgelehnten
Sachverständigen in der Beweisaufnahme, seine sachlichen und persönlichen
Voraussetzungen und seine hierzu einzuholenden und im vorliegenden Fall auch
aktenkundigen Äußerungen zu würdigen. So ist es insbesondere undenkbar, dass die
Beklagte durch Nichtbestreiten einer entsprechenden Behauptung der Klägerin eine in
Wahrheit nicht vorhandene Verflechtung der Sachverständigen in eine Tätigkeit für den
Haftpflichtversicherer der Beklagten oder ein ihm konzernverwandtes Unternehmen
„unstreitig“ werden lässt und so einen Ablehnungsgrund schafft.
Die Sachverständige ihrerseits hat in ihrer schriftlichen Äußerung nachvollziehbar
bekundet, es sei ihr jedenfalls nicht bekannt gewesen - und darauf allein kann es dem
Sinn des Ableh-nungsrechts nach überhaupt nur ankommen - für ein dem Konzern des
Haftpflichtversicherers der Beklagten zuzurechnendes Unternehmen tätig gewesen zu
sein. Nur aus einer etwaigen Kenntnis eines Sachverständigen von einer solchen
Verbindung könnte, wenn im Einzelfall überhaupt, eine Tendenz zu parteiischem
Gutachten abgeleitet werden.
Die Sachverständige hat keinen Ablehnungsgrund dadurch geschaffen, dass bereits im
Jahre 2008 eines ihrer Pferde auf Veranlassung eines Sponsors unter anderem, das
heißt neben drei weiteren Personen an ganz verschiedenen Orten, auch von dem
Beklagten zu 1. beritten wurde. Die Darlegung der Sachverständigen, zwischen dem
Beklagten und ihr habe nie ein persönlicher Kontakt bestanden, ist ohne Weiteres
nachzuvollziehen. Die Klägerin ihrerseits wertet diese Erklärung als „Schutzbehauptung“
ab. Damit gelangt sie indessen nicht zu ihrem Verfahrensziel. Denn sie ist es, die
konkrete Tatsachen vorzutragen hat, welche aus der Sicht einer vernünftigen Partei
Zweifel an der Unparteilichkeit der Sachverständigen nähren. Sie hätte daher vortragen
müssen, dass und aus welchen Gründen im Einzelnen der Darstellung der
Sachverständigen in diesem Punkt nicht gefolgt werden könne.
Schließlich ist auch die von dem Beklagtenvertreter mittels seines Schreibens vom
25.03.2009 an eine dritte Person gerichtete Empfehlung der Sachverständigen nicht
geeignet, aus der Sicht der Klägerin die Besorgnis deren Befangenheit zu begründen.
Dies ist schon deshalb nicht der Fall, weil das Schreiben erst nach der Begutachtung im
vorliegenden Rechtsstreit verfasst wurde, sich daher ohne die Kenntnis weiterer etwaiger
Verbindungen zwischen der Sachverständigen einerseits und der Kanzlei des
Beklagtenvertreters andererseits nichts für die Haltung der Sachverständigen bei
Erstellung des Gutachtens ableiten lässt. Solche Umstände aber sind nicht bekannt und
werden auch von der Klägerin nicht vorgebracht.
III.
Die Reaktion der Klägerin auf das Gutachten lässt deutlich erkennen, dass sie dessen
Inhalt - auch - aus Zweifeln an der Kompetenz der Sachverständigen infrage stellt. Diese
Erwägungen aber sind im Verfahren über das Ablehnungsgesuch nach den §§ 406 Abs.
1, 42
Abs. 2 ZPO ohne rechtlichen Belang.
Der Senat erlaubt sich dennoch in diesem Zusammenhang den Hinweis, dass die unter
anderem von der Klägerin zum Anlass ihrer Gutachtenkritik genommene Bewertung der
Anknüp-fungstatsachen durch die Sachverständige deshalb in einzelnen Punkten als
zumindest aus der Sicht der Klägerin angreifbar erscheinen mag, weil es das Landgericht
versäumt hat, der Sachverständigen in der erforderlichen Klarheit mitzuteilen, von
welchem Sachverhalt sie bei der Gutachtenerstellung auszugehen habe. Die bloße
Anordnung der Anwesenheit eines Sachverständigen bei der Vernehmung mehrerer
Zeugen vermag diese allein vom Gericht vorzunehmende Beweiswürdigung nicht zu
ersetzen.
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