Urteil des OLG Brandenburg vom 16.03.2006

OLG Brandenburg: gericht erster instanz, geschäftsführer, vertretung, handelsregister, ausschluss, satzung, anmerkung, vorrang, link, rechtssprache

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 7.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 Wx 3/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 35 Abs 2 S 2 GmbHG, § 78 Abs
3 S 1 AktG
Eintragung der Einzelvertretungsbefugnis von GmbH-
Geschäftsführern im Handelsregister: Synonyme Verwendung
der Begriffe "Alleinvertretungsbefugnis" und
"Einzelvertretungsbefugnis"
Tenor
Die weitere Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 2. Kammer für
Handelssachen des Landgerichts Frankfurt/Oder vom 16. März 2006 wird dem
Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 01.08.2005 gegründet. Die
Vertretungsregelung in § 5 der Satzung hat folgenden Wortlaut:
„1. Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer.
2. Hat die Gesellschaft nur einen Geschäftsführer, so vertritt dieser die Gesellschaft
allein. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so wird die Gesellschaft durch zwei
Geschäftsführer gemeinschaftlich oder durch einen Geschäftsführer in Gemeinschaft mit
einem Prokuristen vertreten.
3. Die Gesellschafterversammlung kann allen oder einzelnen Geschäftsführern die
Befugnis zur Einzelvertretung der Gesellschaft erteilen und Geschäftsführer von den
Beschränkungen des § 181 BGB befreien.“
Die Gründungsgesellschafterversammlung bestellte H. H. und S. P. zu Geschäftsführern,
die beide jeweils „stets zur Einzelvertretung der Gesellschaft befugt“ sein sollten.
Die Antragstellerin wurde am 22.09.2005 in das – elektronische - Handelsregister des
Amtsgerichts Frankfurt/Oder eingetragen. Die Eintragung der beiden Geschäftsführer ist
jeweils mit dem Zusatz „mit der Befugnis die Gesellschaft allein zu vertreten“ versehen.
Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 01.11.2005 Beschwerde mit dem Ziel
erhoben, die Vertretungsregelung im Handelsregister entsprechend dem
Gesellschafterbeschluss dahingehend neu einzutragen, dass die Gesellschafter jeweils
zur Einzelvertretung befugt seien.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen, das Landgericht hat das
Rechtsmittel durch Beschluss vom 16.03.2006 zurückgewiesen. Gegen die
Beschwerdeentscheidung des Landgerichts wendet sich die Antragstellerin mit der
weiteren Beschwerde, die sie allerdings nicht näher begründet hat.
II.
Die weitere Beschwerde ist an sich statthaft (§ 27 Abs. 1 FGG) und auch sonst zulässig,
namentlich in der rechten Form eingelegt, weil die Antragstellerin von dem Notar
vertreten wird, der für sie den Antrag bei dem Gericht erster Instanz gestellt hat (§ 29
Abs. 1 Satz 3 FGG).
Der Senat teilt die Auffassung der Vorinstanz und möchte deshalb die weitere
Beschwerde zurückweisen. Er sieht sich jedoch hieran durch die Entscheidungen des
OLG Zweibrücken vom 12.10.1992 (DB 1992, 2337) und des OLG Naumburg vom
30.09.1993 (DB 1993, 2277) gehindert, von denen er in diesem Fall abweichen würde.
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30.09.1993 (DB 1993, 2277) gehindert, von denen er in diesem Fall abweichen würde.
Die Sache ist deshalb gemäß § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung
vorzulegen.
1. Das Landgericht hat die Ansicht vertreten, die Bezeichnung „Alleinvertretung“ im Falle
der Bestellung mehrerer Geschäftsführer sei ohne weiteres im Sinne einer
Einzelvertretungsbefugnis zu verstehen und bedeute nicht zwingend den Ausschluss der
übrigen Geschäftsführer von der Geschäftsführung bzw. von der Vertretung.
Zur Begründung der Richtigkeit seiner Ansicht hat das Landgericht darauf verwiesen,
dass das Gesetz im Bereich der Handelsgesellschaften die „Alleinvertretung“ mit der
„Einzelvertretung“ gleichsetze. Gemäß den vom Landgericht angeführten Vorschriften
des § 78 Abs. 3 Satz 1 AktG und des § 25 Abs. 1 Satz 1 GenG kann die Satzung
bestimmen, dass einzelne Vorstandsmitglieder allein zur Vertretung der Gesellschaft
befugt sind. Eine entsprechende Terminologie liegt der Publizitätsrichtlinie der EU
(Richtlinie 68/151 EWG – abgedruckt in MünchKomm. HGB, 2. Aufl., Anhang I zu § 8 HGB)
zugrunde. Die Richtlinie schreibt in Art. 2 Abs. 1 lit. d) Satz 2 bei Handelsgesellschaften,
nämlich bei der AG, der KGaG und der GmbH vor, dass offen zu legen sei, ob die
vertretungsberechtigten Personen die Gesellschaft allein oder nur gemeinschaftlich
vertreten können. Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang zu recht darauf
hingewiesen, dass das Aktienrecht, das diese Begriffe übernommen hat, bei
Gesetzeslücken analog auf das Recht der GmbH angewendet werde.
2. Demgegenüber wird in dem Beschluss des OLG Zweibrücken vom 12.10.1992 die
Befürchtung geäußert, die Bezeichnung „Alleinvertretungsbefugnis“ lege nahe, dass der
Geschäftsführer, dem die Alleinvertretungsbefugnis erteilt sei, die Gesellschaft alleine,
nämlich als einziger Geschäftsführer, vertreten dürfe; die Formulierung „Befugnis zur
alleinigen Vertretung“ sei dem Wortsinne nach dahin zu verstehen, dass damit das
Recht zur alleinigen Vertretung unter Ausschluss aller anderen eingeräumt werde.
Insoweit hat das OLG Zweibrücken auf Erläuterungswerke, wie Meyer, Enzyklopädisches
Lexikon, Duden und Wahrig, verwiesen.
Das OLG Naumburg ist in dem Beschluss vom 30.09.1993 der Auffassung des OLG
Zweibrücken gefolgt, allerdings ohne jede nähere Begründung.
3. Der Senat hält die Auffassung des OLG Zweibrücken und die des OLG Naumburg für
nicht überzeugend. Die Bezeichnung „Alleinvertretung“ mag im allgemeinen
Sprachgebrauch, wie er in den genannten Erläuterungsbüchern verstanden wird und auf
den allein das OLG Zweibrücken sich gestützt hat, mehrdeutig sein; darauf kann jedoch
nicht abgestellt werden, weil die Rechtssprache einen eigenständigen Wortsinn für sich in
Anspruch nimmt, ihr ist gegenüber dem allgemeinen Sprachgebrauch der Vorrang
einzuräumen. Der Gesetzgeber hat es in der Hand, gesetzliche Definitionen zu
formulieren und für die Rechtsanwendung vorzugeben, wie dies in der Regelung des § 78
Abs. 3 AktG geschehen ist, der für die GmbH entsprechend anzuwenden ist.
In der Rechtsprechung selbst ist die Auffassung des OLG Zweibrücken auf Ablehnung
gestoßen. Das OLG Frankfurt/Main hat – bereits - im Beschluss vom 07.10.1993 (DB
1993, 2174), allerdings nur im Rahmen eines obiter dictum unter Hinweis auf die
Bestimmungen des § 78 Abs. 3 Satz 1 AktG und des 25 Abs. 2 Satz 1 GenG sich dazu
geäußert, dass es dem OLG Zweibrücken zur Unzulässigkeit der Begriffe
„Alleinvertretung“ und „alleiniger Vertretung“ bei Eintragungen in das Handelsregister
nicht folge.
Auch die gesellschaftsrechtliche Literatur lehnt die Entscheidungen des OLG
Zweibrücken und des OLG Naumburg ab. Insoweit wird auf die Anmerkung von Gustavus
(NotBZ 2000, 198 m.w.N.) zur Entscheidung des Landgericht Neubrandenburg vom
19.01.2000 verwiesen.
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