Urteil des OLG Brandenburg vom 03.02.2005

OLG Brandenburg: klimaanlage, geschäftsführer, vertragsschluss, rücktritt, mangelhaftigkeit, kaufpreis, erheblichkeit, kaufvertrag, vollstreckung, täuschung

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 4.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 U 45/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 03.02.2005 verkündete Urteil des
Landgerichts Potsdam, Az.: 2 O 430/03, wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten wegen der Mangelhaftigkeit der Klimaanlage
die Rückabwicklung eines Kaufvertrages vom 08.11.2002 über ein gebrauchtes
Wohnmobil der Marke ... Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird
auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angegriffenen Urteil verwiesen (§ 540 Abs. 1
Nr. 1 ZPO).
In dem angegriffenen Urteil hat das Landgericht Potsdam der Klage überwiegend
stattgegeben, die Beklagte insbesondere zur Zahlung gegen Rückgabe des Fahrzeugs
verurteilt und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die Klägerin sei wegen der
bereits bei Übergabe des Fahrzeugs defekten Klimaanlage zum Rücktritt von dem
Kaufvertrag vom 08.11.2002 berechtigt. Das Setzen einer Frist zur Nacherfüllung sei
entbehrlich gewesen, nachdem die Beklagte diese am 05.09.2003 verweigert habe. Auch
die Vereinbarung eines Gewährleistungsausschlusses stehe dem Rücktritt nicht
entgegen, da die hierzu darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht beweisen
konnte, dass bei den Vertragsverhandlungen vom 08.11.2002 ein
Gewährleistungsausschluss wirksam vereinbart worden sei. Die Vertragsurkunde habe
insoweit keine Aussagekraft; die Vernehmung der Zeugen S... und K... habe ein non
liquet ergeben. Das Rücktrittsrecht der Klägerin sei schließlich auch nicht wegen Kenntnis
des Mangels bei Vertragsschluss gemäß § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgeschlossen, da
das hierzu streitige Vorbringen der Beklagten vom 20.12.2004 gemäß §§ 296 Abs. 1,
275 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückzuweisen sei. Der Rücktritt sei von der Klägerin
durch die Klageerhebung schlüssig erklärt worden. Ihr stehe ein Anspruch auf
Rückzahlung des Kaufpreises an die finanzierende ... GmbH in Höhe von 26.855,20 € zu.
Sowohl der Betrag in Höhe von 2.300,00 € aus dem Vergleich vom 28.05.2003 als auch
ein Betrag von 2.844,80 € für Nutzungsersatz seien in Abzug zu bringen. Die Beklagte
befinde sich mit der Rücknahme des Fahrzeugs seit dem 10.11.2003 gemäß §§ 293, 295
BGB in Annahmeverzug. Die weiteren Zahlungsansprüche der Klägerin (an sich selbst)
seien allerdings nur in Höhe von 3.402,78 € begründet. Ein Verwendungsersatzanspruch
gemäß § 347 Abs. 2 Satz 1 BGB in dieser Höhe bestehe - im Ergebnis der
Beweisaufnahme durch die Vernehmung der Zeugen M... und V... - wegen der
Reparaturkosten für die Klimaanlage, die Wasserpumpe, den Auspuff, den
Abwasserspiralschlauch und die Bordbatterie (insgesamt: 3.045,06 €) sowie wegen der
Anschaffung eines Gaseinfüllstutzens für den Festgastank und die Sommerreifen (beides
zusammen: 357,72 €).
Mit der Berufung rügt die in der I. Instanz überwiegend unterlegene Beklagte
insbesondere die Beweiswürdigung durch das Landgericht und verfolgt ihren
Klageabweisungsantrag uneingeschränkt weiter. Die Auffassung des Landgerichts, dass
ein Gewährleistungsausschluss nicht wirksam vereinbart worden sein soll, sei nicht
nachzuvollziehen. Vielmehr habe die Beweisaufnahme vom 26.04.2004 bei einer
sachgerechten Bewertung der Zeugenaussagen das Gegenteil ergeben. Zudem sei der
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sachgerechten Bewertung der Zeugenaussagen das Gegenteil ergeben. Zudem sei der
Text auf dem Vertragsformular eindeutig. Auch müsse der Vorwurf verspäteten
Vortrages zurückgewiesen werden, da sich den Beweiserhebungen und auch dem
Klägervorbringen entnehmen lasse, dass das Fahrzeug mit Mängeln behaftet gewesen
sei und der Geschäftsführer der Klägerin dies bei den Vertragsverhandlungen auch
gewusst habe.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage vollumfänglich abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil, hält die Anwendung des materiellen Rechts
durch das Landgericht für fehlerfrei und wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches
Vorbringen dahin, dass die Beklagte bei den Vertragsverhandlungen nicht „mit fairen
Karten gespielt“ habe. Da die Verkäuferseite eine durch einen Sachverständigen
erstellte Mängelliste des Fahrzeugs in Händen gehabt habe, ohne diese der Käuferseite
zu offenbaren, liege ein Fall der Arglist vor. Allein der Defekt an der Klimaanlage
rechtfertige die Rückgabe des Fahrzeugs.
Der Senat hat auf der Grundlage des Beweisbeschlusses vom 20.07.2005 Beweis
erhoben durch die (erneute) Vernehmung der Zeugen S... und K.... Wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 09.09.2005
verwiesen.
II. Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Die Klägerin ist gemäß §§ 437 Nr. 2, 434 Abs. 1, 440 Satz 1, 323 BGB zu dem mit der
Klageschrift vom 29.09.2003 erklärten Rücktritt von dem am 08.11.2002
abgeschlossenen Kaufvertrag berechtigt.
a) Die Mangelhaftigkeit des ... im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB
(Beschaffenheitsmangel) zum Zeitpunkt der Übergabe am 08.11.2002 ist zwischen den
Parteien inzwischen unstreitig. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom
20.12.2004 unter Vorlage eines Sachverständigenprotokolls vom 16.10.2002
eingeräumt, dass die Klimaanlage defekt war und ihr dieser Mangel des Fahrzeugs auch
bekannt war.
b) Das Landgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Mangel an
der Klimaanlage des Fahrzeugs eine mehr als nur unerhebliche Pflichtverletzung im
Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ist.
aa) Für technische Mängel eines gebrauchten Kraftfahrzeugs kommt es bei der
Bewertung der Erheblichkeit eines Mangels maßgeblich darauf an, mit welchem
Kostenaufwand sich der Mangel voraussichtlich beseitigen lässt (vgl. hierzu
Reinking/Eggert, Der Autokauf, 8. Auflage 2003, Rn. 1385 u. 1386 m. w. N.). Überdies ist
im Bereich des Kfz-Handels für Beschaffenheitsmängel anerkannt, dass Mängel
unerheblich sein können, wenn sie innerhalb kurzer Zeit von selbst verschwinden oder
ohne besonderen Aufwand vom Käufer selbst behoben werden können (vgl. Palandt-
Putzo, BGB, § 437 Rn. 23 m. w. N.). In der Rechtsprechung zum Gebrauchtwagenhandel
wird vertreten, dass bei einem Kostenaufwand der Mängelbeseitigung von bis zu 5 % des
Kaufpreises ein Rücktrittsrecht wegen fehlender Erheblichkeit nicht bestehe (so LG Kiel,
Urteil vom 03.11.2004, MDR 2005, 384; auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom
27.02.2004, NJW-RR 2004, 1060).
bb) Im vorliegenden Fall kann die Richtigkeit der aufgezeigten prozentualen
Grenzziehung zwischen einem erheblichen und einem unerheblichen Mangel für den
Bereich des Gebrauchtfahrzeughandels dahinstehen, da aufgrund der nachfolgend
dargestellten Umstände jedenfalls von einem erheblichen Mangel des Fahrzeugs
auszugehen ist.
(1) Das Verhältnis zwischen dem unstreitigen Reparaturaufwand für die Klimaanlage
(1.801,68 €) und dem Kaufpreis des Fahrzeugs liegt - unabhängig davon, ob als
Bezugsgröße der ursprünglich vereinbarte Kaufpreis von 32.000,00 € oder der
geminderte Kaufpreis in Höhe von 29.700,00 € angesetzt wird - in jedem Fall über 5,5 %
des Kaufpreises und übersteigt damit schon deutlich einen prozentual ermittelten
Bagatellbereich. Soweit ersichtlich geht die Rechtsprechung - in den veröffentlichten
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Bagatellbereich. Soweit ersichtlich geht die Rechtsprechung - in den veröffentlichten
Entscheidungen - übereinstimmend davon aus, dass eine Pflichtverletzung im
Bagatellbereich überhaupt nur bei einem Mängelbeseitigungsaufwand von weniger als 5
% des Kaufpreises in Betracht kommen kann.
(2) Auch die absoluten Kosten für die Reparatur sind mit einer Höhe von 1.801,68 €
mehr als nur unerheblich. Nach den Angaben im DAT-Veedol-Report 2002 lagen die
durchschnittlichen Reparaturaufwendungen innerhalb der ersten sechs Monate bei dem
Kauf eines Gebrauchtwagens bei einem Kfz-Händler im Jahr 2001 bei 105,00 DM (vgl.
Reinking/Eggert, aaO., Rn. 1386). Diesen Durchschnittswert übersteigt der sieben
Monate nach Vertragsschluss entdeckte Mangel an dem ... bei weitem.
(3) Bei der für die Bestimmung der Erheblichkeit der Pflichtverletzung vorzunehmenden
umfassenden Bewertung und Interessenabwägung ist auch zu berücksichtigen, dass aus
der Sicht des Fahrzeugnutzers eine funktionstüchtige Klimaanlage für die
Nutzungsmöglichkeit und den Nutzungskomfort eines Wohnmobils, insbesondere in den
Sommermonaten, von einer über den rein wirtschaftlich betrachteten Wert der
Klimaanlage hinausgehenden Bedeutung ist.
(4) Schließlich ist auch die Besonderheit der bereits zuvor aufgetretenen und durch den
gerichtlichen Vergleich in dem vorangegangenen Rechtsstreit vor dem Landgericht
Potsdam, Az.: 2 O 134/03, erledigten Mängel des Fahrzeugs zu beachten. Bei einer
Gesamtbetrachtung aller innerhalb des ersten Vertragsjahres 2002/2003 aufgetretenen
Mängel, die ganz überwiegend bereits bei der Übergabe des Fahrzeugs vorlagen und
nicht auf Verschleiß beruhen, besteht bei dem Wohnmobil eine Mängelhäufung, die bei
einem im Jahr 1999 erstmals zugelassenen Gebrauchtfahrzeug mit einer damaligen
Gesamtfahrleistung von weniger als 50.000 km als besonders ungewöhnlich zu
bezeichnen ist.
c) Der im Gesetz vorgesehene grundsätzliche Vorrang der Nacherfüllung (Reparatur)
gegenüber dem Rücktritt (§ 437 Nr. 1 BGB) besteht gemäß § 440 Satz 1 BGB nicht
mehr, nachdem die Beklagte - unstreitig - am 05.09.2003 den Mangel an der
Klimaanlage bestritten und die Nacherfüllung verweigert hat.
d) Die Klägerin ist aufgrund der defekten Klimaanlage zum Rücktritt berechtigt, da sie
diesen Mangel bei Vertragsschluss nicht kannte. Der Beklagten ist im Ergebnis der von
dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme nicht der Nachweis gelungen, dass das
Recht der Klägerin auf Gewährleistung für den Mangel wegen Vorkenntnis gemäß § 442
Abs. 1 Satz 1 BGB ausgeschlossen ist.
aa) Der Senat ist im vorliegenden Fall dazu berechtigt gewesen, im Berufungsverfahren
neue Tatsachenfeststellungen hinsichtlich dieses Vorbringens der Beklagten zu treffen,
da er gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht an die tatsächlichen Feststellungen des
Landgerichts gebunden ist.
Die Beklagte greift mit der Berufung zu Recht die Feststellung des Landgerichts an, das
Vorbringen aus der mündlichen Verhandlung vom 20.12.2004 nebst dem zugehörigen
Schriftsatz vom 10.01.2005 zu der Vorkenntnis des Geschäftsführers der Klägerin sei
wegen Verspätung nicht zuzulassen. Die von dem Landgericht auf §§ 296 Abs. 1, 275
Abs. 1 ZPO gestützte Zurückweisung des Beklagtenvorbringens ist nicht fehlerfrei
erfolgt. Angesichts der auch im Anwaltsprozess erforderlichen Belehrung der Beklagten
nach § 277 Abs. 2 ZPO, die sich aus der Aktenlage nicht ergibt, durfte eine
Zurückweisung wegen der unterbliebenen Belehrung nicht auf § 296 Abs. 1 ZPO gestützt
werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.02.1982, BVerfGE 60, 1 ff. = NJW 1982, 1453,
1454 m. w. N.; auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.07.1978, NJW 1978, 2203). Auf einen
anderen Zurückweisungsgrund hat das Landgericht seine Entscheidung nicht gestützt.
Aufgrund der eindeutigen Vorgaben durch den Bundesgerichtshof (vgl. zuletzt: Urteil
vom 04.05.2005, Az.: XII ZR 23/03), denen der 4. Zivilsenat insoweit in ständiger
Rechtsprechung folgt, darf das Berufungsgericht die fehlerhafte erstinstanzliche
Begründung der Verspätung nicht durch eine andere - fehlerfreie - ersetzen. Somit kann
es dahinstehen, ob das sicherlich nachlässige prozessuale Verhalten der Beklagten
tatsächlich gegen ihre Prozessförderungspflicht gemäß § 282 Abs. 1 ZPO - diese Norm
erwähnt auch das Landgericht - verstoßen hat. Die Zurückweisung des verspäteten
Vorbringens der Beklagten ist nicht - auch nicht hilfsweise - mit dem dann einschlägigen
§ 296 Abs. 2 ZPO begründet worden.
bb) Nach der Vernehmung der Zeugen S... und K... bleiben für den Senat Zweifel, ob bei
den Kaufvertragsverhandlungen am 08.11.2002 das Protokoll des Sachverständigen
vom 16.10.2002 tatsächlich umfassend zum Gesprächsinhalt gemacht worden ist, so
dass dem Geschäftsführer der Klägerin, Herrn F..., bei Vertragsschluss die
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dass dem Geschäftsführer der Klägerin, Herrn F..., bei Vertragsschluss die
Mangelhaftigkeit der Klimaanlage bekannt gewesen ist.
Der von der Beklagten benannte Zeuge S... hat nicht bestätigt, dass das Protokoll des
Sachverständigen vom 16.10.2002 dem Geschäftsführer der Klägerin bei den
Kaufvertragsverhandlungen gezeigt worden ist. Vielmehr hat der Zeuge nachvollziehbar
erklärt, dass er selbstverständlich dem Kunden während der Verhandlungen keinen
vollständigen Einblick in die zu jedem Fahrzeug vorhandene Autoakte gewährt. Soweit
der Zeuge S... bekundet hat, er sei in dem Verkaufsgespräch jedoch mit dem
Geschäftsführer der Klägerin die Mängelliste inhaltlich durchgegangen, sprechen die von
den Parteien übereinstimmend vorgetragenen Umstände der mehrstündigen
Kaufvertragsverhandlungen dafür, dass auch diese Erinnerung des Zeugen - trotz des
erheblichen Zeitablaufs - im wesentlichen zutreffend sein wird. Immerhin ist es dem
Geschäftsführer der Klägerin gelungen, den Kaufpreis des Fahrzeugs unterhalb des
inzwischen mit 34.000,00 € zwischen den Parteien unstreitigen Einkaufspreises des ... zu
drücken. Ein derart gutes Verhandlungsergebnis bei einem Vertragsschluss mit einem
routinierten Automobilverkäufer - um einen solchen dürfte es sich bei dem Zeugen S...
handeln - spricht deutlich dafür, dass unter anderem auch durch das Aufzeigen diverser
Mängel die Preisvorstellungen der Verkäuferseite abgesenkt werden konnten.
Hinsichtlich des konkreten Mangels der Klimaanlage - und nur auf diesen kommt es für
den Ausgang des Berufungsverfahrens an - verbleiben jedoch Zweifel, ob auch dieser
Mangel tatsächlich in dem Gespräch erwähnt worden ist. Der Zeuge S... hat zwar
bekundet, er sei sich sicher, dass mit dem Geschäftsführer der Beklagten auch über die
defekte Klimaanlage gesprochen worden sei. Seine jetzige Erinnerung steht jedoch in
einem von ihm nicht nachvollziehbar erklärten Widerspruch zu der Aussage vor dem
Landgericht, wo er zwar - nach Mängeln befragt - einige Mängel aufgezählt, jedoch die
Klimaanlage nicht erwähnt hatte. Seine Erklärung im Termin am 09.09.2005, er sei vor
dem Landgericht nicht nach der Klimaanlage gefragt worden, überzeugt angesichts der
in dem Protokoll vom 26.04.2004 festgehaltenen Fragestellung nach den „diversen
Mängeln“ nicht. Auch unter Berücksichtigung des für den Zeugen S... sicher sehr
seltenen Verkaufs eines Wohnmobils ist es für die Überzeugungskraft seiner zweiten
Aussage in diesem Zusammenhang durchaus nachteilig, dass sich seine Erinnerung an
das Verkaufsgespräch aus dem November 2002 offenbar mit zunehmendem Zeitablauf
verbessert haben muss. Eine derart ungewöhnliche Entwicklung des
Erinnerungsvermögens birgt die Gefahr, dass die eigentliche „echte“ Erinnerung
zunehmend von anderen Umständen und Erinnerungen überlagert wird und hierdurch -
ohne dass dies dem Zeugen bewusst ist - insbesondere die Details des damaligen
Verkaufsgesprächs nicht mehr mit der erforderlichen Schärfe von den Einzelheiten der
seitdem in einer großen Vielzahl von Fällen geführten weiteren Verkaufsgespräche
getrennt werden können.
Zudem stehen die Angaben des Zeugen S... auch im Widerspruch zu den Bekundungen
der Zeugin K..., die auch auf intensiven Vorhalt dabei blieb, dass bei den
Verkaufsverhandlungen über die Klimaanlage gar nicht gesprochen worden sei. Wenn
auch die Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin K... keinesfalls stärker eingeschätzt
werden kann als die des Zeugen S..., litt die Überzeugungskraft ihrer Angaben deutlich
darunter, dass ihr Erinnerungsvermögen an die von dem Geschäftsführer F..., ihrem
Lebensgefährten, zum Drücken des Preises verwendeten Argumente gar nicht mehr
vorhanden war, sie jedoch gerade über die nicht besprochenen Mängel noch genau
Bescheid wissen wollte. Trotz der Schwäche der Aussage der Zeugin K... genügt dem
Senat jedoch aufgrund der erörterten Bedenken die im Berufungsverfahren vertiefte und
ergänzte Aussage des Zeugen S... nicht als Grundlage für die erforderliche sichere
Überzeugung von der Richtigkeit eines ausdrücklichen Hinweises auf den Defekt der
Klimaanlage. Die damit verbleibende Unklarheit geht zu Lasten der insoweit
beweisbelasteten Beklagten.
e) Angesichts dieses Ergebnisses der Beweisaufnahme kann für die Entscheidung des
Rechtsstreits dahinstehen, ob zwischen den Parteien ein wirksamer
Gewährleistungsauschlusses vereinbart worden ist. Jedenfalls hinsichtlich der
Mangelhaftigkeit der Klimaanlage kann sich die Beklagte gemäß § 444 BGB auf einen
solchen Ausschluss nicht berufen, weil sie die Klägerin bei Vertragsschluss über das
Vorliegen dieses Mangels arglistig getäuscht hat.
aa) Durch das Verschweigen eines Sachmangels trotz Kenntnis - hier: Defekt der
Klimaanlage - ist der objektive Tatbestand einer arglistigen Täuschung unmittelbar erfüllt
worden (vgl. Reinking/Eggert, aaO., Rn. 1615).
bb) Mit dem unterbliebenen Hinweis auf die unstreitig der Verkäuferseite bekannte
Mangelhaftigkeit der Klimaanlage ist auch die Erfüllung des subjektiven Tatbestandes
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Mangelhaftigkeit der Klimaanlage ist auch die Erfüllung des subjektiven Tatbestandes
eines arglistigen Täuschens durch Verschweigen zu bejahen.
Da bei einem Autokauf im November eines Jahres die Funktionstüchtigkeit einer
Klimaanlage regelmäßig nicht durch eine Probefahrt festgestellt werden kann - insoweit
stimmten auch die Aussagen der beiden Zeugen überein -, ist ohne weiteres von einer
fehlenden Möglichkeit zur Mangelfeststellung auf Klägerseite auszugehen. Dem
Verkäufer der Beklagten, dem Zeugen S..., muss auch bewusst gewesen sein, dass die
Mitteilung der Funktionsuntüchtigkeit der Klimaanlage dazu geführt hätte, dass der
Kaufvertrag von der Klägerin dann nicht zu dem später vereinbarten Preis
abgeschlossen worden wäre. Vielmehr war ihm angesichts des im Zuge der
Verkaufsverhandlungen von der Klägerin erreichten erheblichen Preisnachlasses, den
der Geschäftsführer F... für die Klägerin - entgegen der hierzu unglaubhaften Erinnerung
der Zeugin K... - zumindest auch wegen der Offenbarung einiger Mängel ausgehandelt
haben wird, klar, dass jeder weiter offenbarte Mangel Anlass für einen weiteren
Preisnachlass der Verkäuferseite hätte sein müssen. Für eine solche Vorstellung des
Verkäufers spricht zwar kein Anscheinsbeweis, aber eine tatsächliche Vermutung (vgl.
Reinking/Eggert, aaO., Rn. 1625 m.w.N.). Dieses Wissen der Verkäuferseite indiziert
zivilrechtlich das Willensmoment des bedingten Vorsatzes einer Täuschung (vgl.
Reinking/Eggert, aaO., Rn. 1626 m.w.N.).
cc) Auch im Rahmen des § 444 BGB trägt die Verkäuferin die Beweislast dafür, dass sie
den ihr bekannten konkreten Mangel tatsächlich offenbart hat (vgl. hierzu Palandt-Putzo,
§ 444 Rn. 4; auch BGH, Urteil vom 26.10.1988, NJW-RR 1989, 211; BGH, Urteil vom
07.12.1994, NZV 1995, 222). Somit ergibt sich auch bei der Bejahung eines wirksamen
Gewährleistungsausschlusses im Hinblick auf § 444 BGB die gleiche Beweisfrage und die
gleiche Beweislast wie bei der Frage der Mangelkenntnis. Daher kann zu der fehlenden
Offenbarung des Mangels an der Klimaanlage uneingeschränkt auf das oben dargestellte
Ergebnis der Beweisaufnahme verwiesen werden.
f) Die weiteren Feststellungen des Landgerichts sind mit der Berufung nicht angegriffen
worden und daher von dem Senat gemäß §§ 513 Abs.1, 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht zu
überprüfen. Im übrigen bestehen auch keine Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit der
Feststellungen zum Annahmeverzug und den Verwendungsersatzansprüchen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche
Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und auch die Fortbildung des Rechts oder die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Bundesgerichtshofs nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 30.357,98 € festgesetzt.
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