Urteil des OLG Brandenburg vom 11.11.2010

OLG Brandenburg: anspruch auf rechtliches gehör, gütliche einigung, befangenheit, willkür, dokumentation, prozessleitung, bindungswirkung, protokollierung, rüge, verfahrensablauf

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 1.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 W 25/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 42 Abs 2 ZPO
Begründetheit des Befangenheitsantrags wegen Ablehnung des
Richters zur Protokollierung eines erteilten Hinweises sowie der
geäußerten Rechtsansicht
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts
Potsdam vom 11. November 2010 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert wird auf 6.500,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung eines Darlehens vor der Kammer für
Handelssachen in Anspruch und trägt dazu vor, die Gesellschafterversammlung habe
beschlossen, dass die Gesellschafter, zu denen auch der Beklagte gehöre, ihr ein
Darlehen gewähren. Der Beklagte tritt diesem Anspruch entgegen.
Mit Beschluss vom 30.04.2010 bewilligte das Brandenburgische Oberlandesgericht dem
Beklagten Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Landgericht. In den Gründen
seiner Entscheidung führt das Brandenburgische Oberlandesgericht aus, dass die Klage
nicht begründet und somit dem Beklagten zur Abwehr des mit der Klage geltend
gemachten Anspruches Prozesskostenhilfe zu bewilligen sei. Die Parteien nahmen
sodann unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens und der Gründe der
vorgenannten Entscheidung des Oberlandesgerichts in Vorbereitung des auf den
08.09.2010 vor dem Landgericht, Kammer für Handelssachen, anberaumten Termins
zur mündlichen Verhandlung ergänzend Stellung. Nachdem eine gütliche Einigung nicht
zustande kam, haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 08.09.2010 die
Anträge gestellt. Im Protokoll der mündlichen Verhandlung heißt es:
„Die Sach- und Rechtslage wird erörtert. Der Beklagtenvertreter beantragt, dass
das Gericht die erteilten Hinweise zu Protokoll gibt. Das Gericht erklärt, dass es nicht
beabsichtigt, die bereits erteilten Hinweise auch noch schriftlich festzuhalten. …“ (Bl.
116 d. A.).
Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten lehnte auch namens des Beklagten sodann
die den Vorsitz führende Richterin wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Mit
Schriftsatz vom selben Tage kündigte er eine Begründung an, die mit Schriftsatz vom
22.09.2010 erfolgte. Nachdem ihm die dienstliche Äußerung der Richterin vom
09.09.2010 zur Kenntnis gegeben worden ist, lehnte er die Richterin unter Bezugnahme
auf diese dienstliche Äußerung mit Schriftsatz vom 22.09.2010 erneut ab. Die
abgelehnte Richterin äußerte sich insoweit am 06.10.2010. Mit Beschluss vom
11.11.2010 hat die Kammer für Handelssachen das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen.
Gegen den am 18.11.2010 zugestellten Beschluss hat der Beklagte sowie sein
Prozessbevollmächtigter mit einem am 01.12.2010 beim Brandenburgischen
Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und diese
begründet.
II.
Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist statthaft und fristgerecht eingelegt (§§ 46
Abs. 2, 567 Abs. 1, 569, 571 ZPO). Die besonderen Umstände dieses
Ablehnungsverfahrens erforderten hier nicht das ansonsten grundsätzlich
vorgeschriebene Abhilfeverfahren nach § 572 Abs. 1 ZPO durchzuführen.Die
Beschwerdeführer haben die Beschwerde unmittelbar gem. § 569 Abs. 1 ZPO beim
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Beschwerdeführer haben die Beschwerde unmittelbar gem. § 569 Abs. 1 ZPO beim
Beschwerdegericht eingereicht und dadurch zu erkennen gegeben, dass sie zur
Verkürzung des Verfahrens auf das Abhilfeprüfungsverfahren verzichten wollen. Unter
Berücksichtigung des bisherigen Verlaufs des Ablehnungsverfahrens und der
Begründung der sofortigen Beschwerde hat hier die mit § 572 Abs. 1 ZPO angestrebte
Entlastung des Beschwerdegerichts hinter dem legitimen Wunsch der Beschwerdeführer
nach einer umgehenden Entscheidung des Beschwerdegerichts zurückzutreten, zumal
die Durchführung des Abhilfeverfahrens keine Voraussetzung des Beschwerdeverfahrens
ist (Zöller-Vollkommer, 28. Aufl., § 572 Rdnr. 4 m. w. N.).
1. Das durch den Prozessbevollmächtigten ausdrücklich auch im eigenen Namen
gestellte Ablehnungsgesuch ist unzulässig. Dem Prozessbevollmächtigten steht kein
selbstständiges Ablehnungsrecht aus eigenem Recht zu (Zöller-Vollkommer, 28. Aufl., §
42 Rdnr. 2 m. w. N.; Musielak-Heinrich, 7. Aufl., § 42 Rdnr. 18; Baumbach, ZPO, 69. Aufl.,
2011, § 42 Rdnr. 4 m. w. N.).
Das Ablehnungsgesuch des Beklagten ist in der mündlichen Verhandlung am
08.09.2010 vor dem Landgericht in zulässiger Form mündlich angebracht und von der
Richterin zu Protokoll genommen worden (Zöller-Vollkommer, 28. Aufl., § 44 Rdnr. 1). Die
Individualisierung des Ablehnungsgrundes war sogleich erforderlich, die alleinige
Erklärung, dass die Richterin abgelehnt werde, wäre dagegen nicht ausreichend. Dem
Protokoll der mündlichen Verhandlung kann entnommen werden, dass das
Ablehnungsgesuch im unmittelbaren Zusammenhang mit der Entscheidung der
Richterin zur (Nicht-)Protokollierung eines Hinweises gestellt worden ist. Insoweit ist dies
zur Individualisierung des Ablehnungsgesuches ausreichend und kann zudem ergänzt
werden (a. a. O., § 44 Rdnr. 2).
2. Zutreffend haben die nach der Geschäftsverteilung des Landgerichts zuständigen
Vertreter der abgelehnten Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen nicht allein,
sondern in voller Spruchbesetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern entschieden (a. a.
O., § 45 Rdnr. 2).
3. Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt,
wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines
Richters zu rechtfertigen. Entscheidend ist insoweit, ob eine Partei bei vernünftiger
Würdigung Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven
Einstellung eines Richters zu zweifeln (a. a. O. § 42 Rdnr. 8 ff.). Misstrauen in die
unparteiliche Amtsausübung der Richterin rechtfertigen können nur objektive Gründe,
die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger und besonnener Betrachtung
die Befürchtung wecken können, die Richterin stehe der Sache nicht unvoreingenommen
gegenüber; rein subjektive Vorstellungen und Gedankengänge des Ablehnenden
genügen nicht. Entscheidend ist, ob ein Prozessbeteiligter bei vernünftiger Würdigung
aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit der Richterin zu zweifeln (a.
a. O., § 42 Rdnr. 9 m. w. N.). Zutreffend weist der Beklagte also darauf hin, dass § 42
Abs. 2 ZPO nicht an eine Befangenheit der Richterin anknüpft, sondern bereits an ein
Verhalten, das die Annahme der Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt (BGH,
Beschluss vom 21.10.2010, V ZB 210/09, dort Ziff. 11 zitiert nach juris). Jedoch
rechtfertigen grundsätzlich weder Rechtsauffassungen der Richterin noch Maßnahmen
der Prozessleitung einen Ablehnungsgrund, ebenso wenig stellen sachlich fehlerhafte
Entscheidungen oder für eine Partei ungünstige Rechtsauffassungen für sich genommen
bzw. Verfahrensverstöße im Rahmen der Prozessleitung einen Befangenheitsgrund dar.
Etwas Anderes gilt nur dann, wenn das Vorgehen der Richterin auf einer unsachlichen
Einstellung gegenüber der ablehnenden Partei oder auf Willkür beruht
(Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 42 Rdnr. 9, 24, 28).
Solche objektiven Gründe, die vom Standpunkt des Beklagten aus bei vernünftiger und
besonnener Betrachtung die Befürchtung wecken können, die Richterin stehe der Sache
nicht unvoreingenommen gegenüber, liegen nicht vor.Zur Begründung wird zunächst auf
den Beschluss des Landgerichts vom 11.11.2010 Bezug genommen, der entgegen den
Ausführungen in der Beschwerdebegründung vom 29.11.2010 sowohl die Einzelaspekte
der Ablehnungsgesuche berücksichtigt, wie eine Gesamtwürdigung vornimmt. Den
Ausführungen des Landgerichts zur Frage der der Richterin obliegenden
Dokumentationspflicht der erteilten Hinweise ist zwar nicht zu folgen, im Ergebnis sind
unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung und seiner Ergänzungen sowie des
damit in Bezug genommenen bisherigen Vorbringens die Ablehnungsgesuche des
Beklagten nicht begründet.
Insoweit ist festzustellen, dass die Entscheidung des Landgerichts sowohl zum
Ablehnungsgesuch vom 08.09.2010 wie zu dem weiteren Ablehnungsgesuch vom
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Ablehnungsgesuch vom 08.09.2010 wie zu dem weiteren Ablehnungsgesuch vom
22.09.2010 ergangen ist. Neben der Aufführung des zweiten Ablehnungsgesuchs in der
Prozessgeschichte, setzt sich das Landgericht in seinem Beschluss mit der Frage des
Umfangs der Erörterung in der mündlichen Verhandlung auseinander, mithin mit den
Ausführungen des Beklagten, die unter Bezugnahme auf die dienstliche Äußerung der
abgelehnten Richterin vom 09.09.2010, Anlass für das weitere Ablehnungsgesuch waren.
4. Soweit das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht die Erklärung
des Gerichts, mithin der abgelehnten Richterin, enthält, „dass es nicht beabsichtigt, die
bereits erteilten Hinweise auch noch schriftlich festzuhalten“, entspricht dieses
Vorgehen nicht der dem Gericht obliegenden materiellen Prozessleitung und den dazu
bestehenden Verfahrensvorschriften. Der Richterin hat vielmehr die verfahrensrechtliche
Pflicht oblegen, Hinweise aktenkundig zu machen. Dies war hier auch deshalb besonders
geboten, weil Hinweise bisher nicht erteilt worden sind, sondern die Parteien die
Rechtsansicht der Richterin lediglich dem Beschluss zur Ablehnung der Bewilligung von
Prozesskostenhilfe entnehmen konnten, der aber auf die Beschwerde des Beklagten
abgeändert worden war. Insofern hat es nicht nur eines Hinweises bedurft, um den die
Parteien auch nachgesucht haben, sondern auch seiner Dokumentation. Mit der
Zivilprozessreform ist die richterliche Aufklärungs-, Hinweis- und Fürsorgepflicht
wesentlich verstärkt worden. Das Gericht ist zu einer umfassenden Erörterung des
Rechtsstreits in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht verpflichtet (a. a. O., § 42 Rdnr.
26). So obliegt es dem Gericht nach § 139 ZPO zum einen darauf hinzuwirken, dass die
Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären und
sachdienliche Anträge stellen. Die Reichweite dieser Pflichten wird begrenzt durch das
unangetastete Prinzip der Parteiherrschaft über den Prozessstoff (a. a. O., § 139 Rdnr.
2). Über diese Erörterungspflicht hinausgehend obliegt dem Gericht die Pflicht zum
konkreten Hinweis auf entscheidungserhebliche Gesichtspunkte. Dies dient vor allem der
Vermeidung von Überraschungsentscheidungen und konkretisiert damit den Anspruch
auf rechtliches Gehör (a. a. O., § 139 Rdnr. 5). Nach § 139 Abs. 2 ZPO haben Hinweise zu
erfolgen, wenn ein Gesichtspunkt erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten
wird oder die Parteien einen Gesichtspunkt des Rechtsstreits übereinstimmend anders
sehen als das Gericht. Zugleich wurden zur Verstärkung dieser Prozessleitungspflicht,
die das Gericht im Rahmen seiner Erörterungspflicht nach § 139 Abs. 1, 2 und 3 ZPO
hat, besondere Verfahrensvorschriften geschaffen. Dazu gehört es, dass die erteilten
Hinweise aktenkundig zu machen sind (§ 139 Abs. 4 Satz 1. 2. Hs. ZPO). Die Erteilung
dieser Hinweise gehört i. Ü. auch zu den wesentlichen Vorgängen, die nach § 160 Abs. 2
ZPO zu protokollieren sind. Die unterbliebene Dokumentation eines solchen Hinweises
hat zur Folge, dass das Rechtsmittelgericht bei einer entsprechenden Verfahrensrüge
von der Nichterteilung des Hinweises ausgehen muss (a. a. O., § 139 Rdnr. 13 a, 20).
Dieser Verfahrensverstoß der unterlassenen Dokumentation des Hinweises der Richterin
stellt aber keinen Ablehnungsgrund dar. Es handelt sich um einen einfachen
Verfahrensverstoß. Etwas Anderes würde nur dann gelten, wenn Gründe dargetan
werden, die dafür sprechen, dass diese Fehlerhaftigkeit auf eine Voreingenommenheit
der Richterin gegenüber der ablehnenden Partei oder auf Willkür beruht. Dies ist aber
nicht erkennbar. Vielmehr hat die Richterin nach Erörterung der Rechtslage, die der
Beklagte als „bestenfalls rudimentär und auf einem einfachen bedenklichen Niveau“
geschildert hat, darauf hingewiesen, dass der „Gesellschafterbeschluss von 12.05.2009
lediglich anfechtbar, aber nicht nichtig sei“, wie der Beklagte in seiner Begründung der
sofortigen Beschwerde ausgeführt hat. Dieser Hinweis war für den Beklagten angesichts
des bisherigen Verfahrensablaufs juristisch zwar nicht nachvollziehbar, letztlich aber so
erteilt, dass er ihn verstanden hat.
Zudem liegen keine weiteren Verfahrensverstöße vor. Eine Häufung von
Verfahrensverstößen, die Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Richterin
hervorrufen könnten, ist somit nicht gegeben.
5. Die Entscheidung durch die Vorsitzende der Kammer für Handelssachen lässt keinen
Ablehnungsgrund erkennen. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 11.01.2010 sein
Einverständnis mit einer Entscheidung allein durch die Vorsitzende erklärt. Mit dieser
außerhalb der mündlichen Verhandlung zulässigen Prozesserklärung, die im Übrigen
grundsätzlich unwiderruflich ist, konnte die Vorsitzende der Kammer für Handelssachen
vom Vorliegen eines Einverständnisses i. S. v. § 349 Abs. 3 ZPO ausgehen, zumal auch
der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 08.09.2010 seinen Sachantrag gestellt
hat, was als konkludentes Einverständnis angesehen werden kann (BVerfG 98, 145/153).
Sollte der Beklagte bereits allein in der Besetzung des Gerichts einen Grund für ein
Ablehnungsgesuch sehen, wäre nach § 43 ZPO ohnehin ein Verlust des
Ablehnungsrechts eingetreten, nachdem er sich in eine Vorhandlung in dieser
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Ablehnungsrechts eingetreten, nachdem er sich in eine Vorhandlung in dieser
Besetzung eingelassen und die Anträge gestellt hat.
6. Die Ausführungen des Beklagten zur Rüge der Prozessvollmacht und deren
Behandlung im Prozess lassen ebenfalls kein Verhalten erkennen, das einen
Ablehnungsgrund darstellt. Die Prüfung eines solchen Mangels des Fehlens einer
Prozessvollmacht hat nach der unverzichtbaren Rüge des Beklagten in jeder Lage des
Rechtsstreits zu erfolgen. Der Richterin hat zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung
vom 08.09.2010 die Vollmacht vorgelegen, nachdem diese bereits mit Schriftsatz vom
25.02.2010 dem Gericht übersandt worden war. Mithin konnte die Richterin davon
ausgehen, dass kein vollmachtloser Vertreter die Klage erhoben und zur Sache
verhandelt und somit der Beklagte in seinen Rechten nicht beeinträchtigt ist.
7. Die weiteren Ausführungen des Beklagten zum Verfahrensablauf und die Darstellung
seiner Rechtsansichten lassen ebenfalls keine objektiven Gründe erkennen, die vom
Standpunkt des Beklagten bei vernünftiger und besonnener Betrachtung die
Befürchtung wecken können, die Richterin stehe der Sache nicht unvoreingenommen
gegenüber. Es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts in einem Ablehnungsverfahren
wegen Befangenheit zu prüfen, ob die rechtliche Würdigung des erkennenden Gerichts
einer rechtlichen Überprüfung standhält, da das Ablehnungsverfahren kein der
Fehlerkontrolle dienendes antizipiertes Rechtsmittelverfahren ist (Senat, Beschluss vom
6. März 2007, Az. 1 W 3/07, zitiert nach juris). Dies gilt auch für den vorliegenden Fall, in
dem zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe bereits das Brandenburgische
Oberlandesgericht entschieden hat und eine andere Ansicht zu strittigen Rechtsfragen
als das Landgericht geäußert hat. Auch wenn das Brandenburgische Oberlandesgericht
die Prozesskostenhilfe für den Beklagten unter Hinweis auf die Unbegründetheit der
Klage bewilligt hat, beschränkt sich die Bindungswirkung der Beschwerdeentscheidung
nur auf das Verfahren zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Nach dem zu Grunde zu
legenden Entscheidungssatz des Beschlusses des Brandenburgischen
Oberlandesgerichts war dem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Nur insoweit
ist dieser Beschluss der materiellen Rechtskraft fähig. Eine Bindungswirkung für die
Hauptsacheentscheidung besteht dagegen nicht (a. a. O., § 127 Rdnr. 40). Der Richterin
war durch den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts zur Bewilligung von
Prozesskostenhilfe also nicht vergleichbar § 563 Abs. 2 ZPO die rechtliche Beurteilung
des Sachverhalts vorgegeben worden. Ergänzend ist berücksichtigen, dass im Verfahren
zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe ein Prozessrechtsverhältnis zwischen der Klägerin
und dem Beklagten als Hilfsbedürftigem nicht begründet wird (a. a. O. § 118 Rdnr. 2), es
mithin ohnehin auch keinen Streitgegenstand gab, der hätte rechtskräftig festgestellt
werden können. Das Festhalten an einer rechtlichen Beurteilung durch die Richterin kann
ggf. bei ausgesprochener Sturheit, die keinen sachlichen Grund mehr aufweisen kann,
zur Annahme des Vorliegens von Ablehnungsgründen führen, so z. B. wenn ein Richter
unter Hinweis auf Art. 97 GG jede Bindung an ein zurückverweisendes Urteil ablehnt (LG
Frankfurt/Main) MDR 1988, 1062). Dafür sind jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich, wie
zuvor dargelegt.
Die richterliche Entscheidungstätigkeit stellt ebenfalls grundsätzlich keinen
Ablehnungsgrund dar (a. a. O., § 42 Rdnr. 28). Etwas Anderes gilt nur dann, wenn Gründe
dargetan werden, die dafür sprechen, dass die Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen
Einstellung des Richters gegenüber der ablehnenden Partei beruht oder auf Willkür
beruht (a. a. O., § 42 Rdnr. 28). Dies ist jedoch nicht ersichtlich. Die Richterin hat zur
Frage der Anfechtbarkeit bzw. Nichtigkeit des Gesellschafterbeschlusses vom
12.05.2009 eine andere Rechtsansicht als der Prozessbevollmächtigte des Beklagten
und leitet aus dieser Rechtsansicht ab, dass das weitere Vorbringen und die
Rechtsansichten des Beklagten, die gegen das Bestehen des Darlehensanspruches
sprechen, unerheblich sind. Anhaltspunkte für Willkür sind damit nicht gegeben. Willkür
ist nur gegeben, wenn ein Richterspruch unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich
vertretbar ist. Ob die Entscheidung eines Gerichts auf Willkür, also auf einem Fall grober
Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzes beruht oder ob sie darauf
hindeutet, dass ein Gericht die Bedeutung und Tragweite der durch die Verfassung
garantierten Rechte grundlegend verkennt, kann nur anhand der besonderen Umstände
des Einzelfalls beurteilt werden (BVerfG, NJW-RR 2008, 72). Die Richterin hat nach den
Ausführungen des Beklagten ihre Rechtsansicht in der mündlichen Verhandlung am
08.09.2010 geäußert, wenn auch nach Ansicht des Beklagten, etwas umständlich.
Soweit diese Rechtsansicht von der Ansicht des Brandenburgischen Oberlandesgerichts
abweicht, ist neben den obigen Ausführungen zur fehlenden Bindungswirkung zu
berücksichtigen, dass die Parteien in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung nach
der Entscheidung des Oberlandesgerichts ergänzend Stellung genommen haben, so die
Klägerin mit den Schriftsätzen vom 21.06.2010 und 29.07.2010 unter anderem zum
Ablauf der Gesellschafterversammlung und ergänzend zur rechtlichen Würdigung. Die
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Ablauf der Gesellschafterversammlung und ergänzend zur rechtlichen Würdigung. Die
Rechtsansicht der Richterin mag unrichtig sein - was hier nicht zu beurteilen ist -,
willkürlich ist sie jedoch nicht. Dies kann insbesondere nicht daraus abgeleitet werden,
dass infolge der Rechtsansicht der Richterin weitere rechtliche Argumente des Beklagten
nicht mehr zu prüfen sind.
8. Die vom Prozessbevollmächtigten des Beklagten gewählten Formulierungen über die
Richterin und ihre Arbeitsweise lassen erkennen, dass es Spannungen zwischen dem
Prozessbevollmächtigten und der Richterin gibt. Diese sind für die Annahme einer
Befangenheit der Richterin nicht ausreichend. So lassen die bisherigen Umstände des
Verfahrensablaufs nicht erkennen, dass sich diese Spannungen zum Nachteil des
Beklagten auswirken (OLG Zweibrücken, NJW-RR 2000, 864). Solche Umstände, die in
ähnlichen Äußerungen über das Auftreten oder die Arbeitsweise des
Prozessbevollmächtigten z. B. zu sehen sein könnten, sind von der Richterin nicht
gemacht worden. Solche Äußerungen wären z. B. Umstände, die Anhaltspunkte dafür
geben, dass sich die Spannungen zum Nachteil des Beklagten auswirken. Eine für den
Beklagten nachteilig wirkende Beurteilung der Rechtslage ist es dagegen nicht.
9. Das weitere Befangenheitsgesuch vom 22.09.2010 aufgrund der dienstlichen
Äußerung der Richterin vom 09.09.2010 ist nicht begründet. Dies kann nur dann der Fall
sein, wenn die Darstellung in der dienstlichen Äußerung in einem wesentlichen Punkt
falsch ist. Dazu reicht es nicht aus, wenn der Richter und der Prozessbevollmächtigte
unterschiedliche Darstellungen zum Verfahrensablauf geben, ohne dass weitere
Umstände hinzutreten. Es ist zu berücksichtigen, dass die rechtliche Erörterung selbst
nach dem Vorbringen des Beklagten erfolgt ist - wie oben ausgeführt, wenn auch mit
einem für den Beklagten unbefriedigenden Ergebnis und der Folge, dass nicht alle
rechtlichen Gesichtspunkte, die der Beklagte für erheblich hält, nach der in einem
Ablehnungsverfahren grundsätzlich nicht überprüfbaren Rechtsauffassung des Gerichts
zu erörtern waren.
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