Urteil des OLG Brandenburg vom 18.05.2007

OLG Brandenburg: bürgschaftsurkunde, bürgschaftserklärung, darlehensvertrag, erstreckung, hauptschuld, einverständnis, vollstreckung, bürgschaftsvertrag, formmangel, rückführung

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 4.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 U 82/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 765 Abs 1 BGB, § 766 BGB, §
133 BGB, § 157 BGB, § 242 BGB
Inanspruchnahme des Bürgen aus einer selbstschuldnerischen
Bürgschaft bei Nichtzustandekommen der durch den
Bürgschaftsvertrag gesicherten Hauptverbindlichkeit
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 18.05.2007 verkündete Urteil der 1.
Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) - Az.: 11 O 404/06 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden
Betrages anwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe
von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten im Wege der Teilklage auf Zahlung aus einer
Bürgschaftserklärung in Anspruch.
Am 03.09.2003 übernahm der Beklagte gegenüber der Klägerin „zur Sicherung aller
bestehenden, künftigen und bedingten Forderungen … gegen die G… GmbH … aus
Darlehen … Vertrag vom 12.06.2003 in Höhe von 102.250,- EUR„ die
selbstschuldnerische „Bürgschaft für Einzelforderungen„ bis zum Betrag von 122.700,- €
einschließlich Nebenleistungen, insbesondere Zinsen und Kosten. Wegen der weiteren
Einzelheiten der Haftungsübernahme wird auf die Bürgschaftsurkunde (Anlage K 1 zur
Klageschrift, Bl. 16. f. der Gerichtsakten) Bezug genommen.
Die Hauptschuldnerin, deren Mehrheitsgesellschafter der Beklagte war, führte bei der
Klägerin das Kontokorrentkonto mit der Nummer …, auf dem ihr bereits die
Rechtsvorgängerin der Klägerin, die G.bank e. G., im Jahr 1997 einen Betriebsmittelkredit
in Höhe von 200.000,- DM (102.258,37 €) eingeräumt hatte. Im Juni 2003 sollte dieser
Kontokorrentkredit in ein Tilgungsdarlehen über 102.250,- € umgeschuldet werden. Den
ihr von der Klägerin mit Schreiben vom 12.06.2003 übersandten Darlehensvertrag hatte
die Hauptschuldnerin nicht unterschrieben, sondern sich stattdessen mit der Klägerin
über eine sukzessive Reduzierung des Kontokorrentkredits geeinigt, zu der es in der
Folgezeit zunächst auch kam.
Wegen eines Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der
Hauptschuldnerin kündigte die Klägerin unter dem 05.04.2004 die gesamte
Geschäftsverbindung fristlos und stellte aus dem nämlichen Kontokorrentkonto unter
Berücksichtigung erfolgter Verrechnung mit einem geringfügigen Sparguthaben den
Betrag von 80.281,79 € zur sofortigen Rückzahlung fällig. Mit Beschluss vom 22.04.2004
lehnte das Amtsgericht Frankfurt (Oder) – Insolvenzgericht – die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens mangels Vorhandenseins einer die Kosten des Verfahrens
deckenden Masse ab.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, aus ihren – dem Beklagten bekannten –
Schreiben vom 24.02.2004 und 31.03.2004 ergäben sich Kenntnis und Einverständnis
des Beklagten mit einer Haftung seiner Bürgschaft nunmehr für den fortgesetzten
Kontokorrentkredit.
Der Beklagte hat eingewandt, mangels Zustandekommens des Darlehensvertrages sei
seine Bürgschaft nie wirksam geworden.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein
Anspruch der Klägerin aus § 765 Abs. 1 BGB scheitere am Schriftformerfordernis des §
766 BGB für die Bürgschaftserklärung. Eine Haftungserklärung betreffend den
Kontokorrentkredit habe der Beklagte nicht abgegeben, eine solche lasse sich auch nicht
den Schreiben vom 24.02. und 31.03.2004 entnehmen, weil darin keine
Bürgschaftserklärung enthalten sei. Die Voraussetzungen, unter denen die Einhaltung
des Schriftformerfordernisses ausnahmsweise entbehrlich sei, lägen ebenfalls nicht vor.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihr Ziel einer
Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 40.000,- € weiterverfolgt. Sie rügt unter
Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens die Verletzung
materiellen Rechts.
Entgegen der Argumentation in dem angefochtenen Urteil sei dem Formerfordernis des
§ 766 BGB genügt, weil die Parteien sich, nachdem das Zustandekommen des
Umschuldungskredits gescheitert war, schriftlich darüber einig geworden seien, dass die
von dem Beklagten unterzeichnete Bürgschaftserklärung der Besicherung des dann
weiter bestehenden Kontokorrentkredits habe diesen sollen. Diese Einigung ergebe sich
aus ihren an die Hauptschuldnerin gerichteten Schreiben vom 24.02. und 31.03.2004,
von denen der Beklagte, wie dieser nicht bestreitet, das letztere gegengezeichnet habe.
Der Errichtung einer neuen Bürgschaftsurkunde habe es nicht bedurft, an seinem
schriftlich erklärten Einverständnis müsse der Beklagte sich festhalten lassen.
Im Übrigen hafte die Bürgschaft gemäß deren Ziffer 1 auch denjenigen Ansprüchen, die
ihr, der Klägerin, infolge der Unwirksamkeit des aufgeführten Darlehens entstanden
seien. Da der Umschuldungskredit mangels Unterzeichnung durch die Hauptschuldnerin
nicht zustande gekommen sei, unterfalle er dieser Regelung mit der Folge, dass sich die
Bürgschaft auf die Ansprüche aus dem Kontokorrentkredit erstrecke, dessen
Umschuldung das geplante Darlehen habe dienen sollen. Entgegen der Auffassung des
Erstgerichts verhalte der Beklagte sich treuwidrig, indem er sich auf einen Formmangel
berufe, weil er durch sein Verhalten nach Erteilung der Bürgschaft und Scheitern des
Darlehensvertragsschlusses Vertrauen auf das Bestehen seiner Bürgenhaftung geweckt
habe.
Die Klägerin beantragt,
das am 18.05.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) - Az.: 11
O 404/06 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie 40.000,- € nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.04.2004
zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
II.
Die zulässige, namentlich gemäß §§ 511 ZPO statthafte sowie gemäß §§ 517, 519, 520
ZPO form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache keinen
Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
Ein Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 40.000,- € steht der Klägerin aus
der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 765 Abs. 1 BGB nicht zu.
Für den zur Kontonummer … als Kontokorrent geführten Betriebsmittelkredit der
Hauptschuldnerin hat der Beklagte sich nicht verbürgt. Der in der Bürgschaftsurkunde
als allein als durch sie besichert genannte Darlehensvertrag „vom 12.06.2003„ ist nicht
zustande gekommen, anstelle dessen wurde das auf dem nämlichen Konto bestehende
Kreditlimit sukzessive verringert. Die Bürgschaftserklärung des Beklagten ging damit ins
Leere, zur Vereinbarung einer geänderten Zweckbestimmung kam es nicht.
In der Bürgschaftsurkunde ist ausdrücklich von einem Darlehensvertrag „vom
12.03.2006 in Höhe von 102.500,- EUR„ die Rede, nicht aber von dem
Betriebsmittelkredit. Wegen der Abhängigkeit der Bürgschaft vom Bestand der
Hauptschuld bleibt erstere gegenstandslos, wenn die gesicherte Verbindlichkeit nicht
entstanden ist – der Gläubiger darf ihr nicht eine andere Schuld des Hauptverpflichteten
unterlegen (BGH, Urteil vom 09.04.1992, IX ZR 145/91, WM 1992, 1016, 1017). Um eine
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unterlegen (BGH, Urteil vom 09.04.1992, IX ZR 145/91, WM 1992, 1016, 1017). Um eine
in diesem Sinne andere Schuld handelte es sich bei dem Kontokorrentkredit.
Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt aus einer gemäß §§ 133, 157 BGB
vorzunehmende Auslegung nichts anderes. Der Umfang der Bürgenhaftung war in der
Urkunde vom 03.09.2003 so klar bezeichnet, dass es bereits an einer
Auslegungsbedürftigkeit fehlt. Eine Erstreckung der Haftung des Beklagten auf
Ansprüche der Klägerin aus dem nicht abgelösten Kontokorrentkredit kommt nach dem
insoweit eindeutigen Wortlaut der in der Bürgschaftsurkunde verbrieften
Zweckbestimmung nicht in Betracht. Dabei verkennt der Senat nicht, dass dieses
Ergebnis angesichts dessen, dass der Beklagte wegen seiner Position als
Mehrheitsgesellschafter der Hauptschuldnerin abweichend hiervon dann aus der
„weiten„, eingangs von Ziffer 1 der Bürgschaft formulierten Sicherungszweckabrede
haften würde, wenn der konkrete Darlehensvertrag in der Urkunde überhaupt nicht
genannt wäre, für die Klägerin nur schwerlich zu akzeptieren ist. Zu berücksichtigen ist
hierbei indes, dass die Klägerin nicht schutzbedürftig erscheint, weil es ihr unbenommen
war, wegen des Scheiterns der Vertragsverhandlungen mit der Hauptschuldnerin eine
persönliche Haftung des Beklagten für den Betriebsmittelkredit zu erreichen, indem sie
für eine entsprechende Änderung der Zweckabrede Sorge trug.
Daraus, dass die Bürgschaft gemäß Ziffer 1 der schriftlichen (formularmäßigen)
Erklärung des Beklagten auch diejenigen Forderungen der Klägerin sicherte, die infolge
einer Unwirksamkeit des Darlehensvertrages entstanden, folgt ebenfalls keine Haftung
des Beklagten für die Rückführung des Betriebsmittelkredits. Von der genannten Klausel
sind nur diejenigen Fälle erfasst, in denen es zu einer rechtsgeschäftlichen Begründung
der Hauptschuld kam, der es allerdings an Wirksamkeit fehlte. Erfasst sind sonach
bereicherungsrechtliche Ansprüche der Klägerin im Fall bereits erfolgter
Darlehensvalutierung, nicht aber vertragliche Ansprüche auf der Grundlage eines in der
Bürgschaftsurkunde nicht genannten Kreditvertrages. Eine Erstreckung hierauf ließe die
Erfordernisse an die hinreichende Bezeichnung der zu sichernden Forderung leer laufen,
die Schutzbedürftigkeit des Bürgen, der in die Lage versetzt sein soll zu wissen, auf
welches Haftungsrisiko er sich einlässt, würde gegenüber den Gläubigerinteressen in
unangemessen benachteiligender Weise zurückgesetzt.
Der Auffassung der Klägerin, die für eine Änderung der Sicherungszweckabrede
erforderliche Einigung könne aus ihren Schreiben vom 24.02. und 31.03.2004 hergeleitet
werden, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Die genannten Schreiben der
Klägerin enthalten auch in ihrer Gesamtschau keine auf eine Änderung der Zweckabrede
gerichteten Willenserklärungen der Parteien.
Unter dem 24.02.2004 formulierte die Klägerin, an die Hauptschuldnerin gerichtet, wie
folgt:
„Wie bereits mit Ihnen abgestimmt, haben wir per 16.02.2004 den Betriebsmittelkredit
für Ihr Geschäftskonto 826 143 10 00 auf den Betrag von EUR 92.800,- reduziert. Wir
bitten um entsprechende Berücksichtigung bei der Kontoführung. … Des Weiteren teilen
wir Ihnen die aktuell haftenden Sicherheiten mit: - selbstschuldnerische Bürgschaft für
Einzelforderungen über EUR 122.700,- von Herrn E. O. …„.
Ein Angebot der Klägerin, gerichtet auf Änderung der Zweckabrede für den
Bürgschaftsvertrag, lässt sich dieser an die Hauptschuldnerin adressierten Erklärung
nicht entnehmen. Es handelt sich nicht um eine zur Änderung der Zweckabrede
erforderliche Willens-, sondern um eine (unzutreffende) Wissenserklärung.
Selbst dann, wenn man entgegen dieser Sichtweise dem Schreiben vom 24.02.2004
eine rechtsgeschäftliche Erklärung der Klägerin entnehmen wollte, fehlte es an einer
hierauf bezogenen Annahmeerklärung des Beklagten. Dieser unterzeichnete zwar „zum
Zeichen seines Einverständnisses„ das wiederum an die Hauptschuldnerin gerichtete
Schreiben der Klägerin vom 31.03.2004, in dem es, bezogen unter anderem auf die
Bürgschaft des Beklagten, heißt:
„Die Ihnen mit Schreiben vom 24.02.2004 mitgeteilten und von Ihnen bestätigten
Sicherheiten haften weiterhin unverändert.„
Er leistete seine Unterschrift aber ausdrücklich in seiner Eigenschaft als
Mehrheitsgesellschafter der Hauptschuldnerin und nicht als Privatperson. Bereits
deshalb fehlt es jedenfalls an einer Willenserklärung bezogen auf die
Bürgschaftserklärung vom 03.09.2003.
Darauf, ob der Beklagte sich, wie die Klägerin meint, treuwidrig verhält, wenn er sich auf
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Darauf, ob der Beklagte sich, wie die Klägerin meint, treuwidrig verhält, wenn er sich auf
Formunwirksamkeit beruft, kommt es sonach nicht an – es liegt schlicht kein
(Änderungs-) Rechtsverhältnis vor, dessen Wirksamkeit allein am Formmangel scheitern
könnte. Selbst wenn man aber die Kriterien des § 242 BGB anlegen wollte, verhielte der
Beklagte sich nicht treuwidrig, denn hierfür ist Voraussetzung, dass die
Formunwirksamkeit für die betroffene Partei – hier die Klägerin – nicht nur hart, sondern
schlechthin untragbar wäre (BGH, Urteil vom 24.04.1998, V ZR 197/97, BGHZ 138, 339,
348). Dafür genügt es nicht, dass ihr ein Sicherungsmittel von insgesamt vier im
Schreiben vom 24.02.2004 genannten (einschließlich einer Ausfallbürgschaft der
Bü.bank B. GmbH in Höhe von anfangs 74.240,- €) verloren geht. Gegen eine
Schutzbedürftigkeit der Klägerin im Sinne von § 242 BGB spricht ferner, dass es ihr ohne
weiteres möglich gewesen wäre, für eine Änderung der Sicherungszweckabrede
entsprechend dem zur Hauptschuldnerin beibehaltenen Kreditverhältnis Sorge zu
tragen.
III.
Die Kostentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Voraussetzungen des § 543 Abs.
2 S. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 ZPO nicht vorliegen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 40.000,- € festgesetzt.
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