Urteil des OLG Brandenburg vom 20.11.2006

OLG Brandenburg: vergleich, fristlose kündigung, negatives schuldanerkenntnis, arbeitsgericht, vergütung, projekt, erlassvertrag, abrede, beschränkung, geschäftsführer

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht
13. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
13 U 4/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 133 BGB, § 157 BGB, § 397
BGB, § 779 BGB
Negatives Schuldanerkenntnis; Erlassvertrag: Auswirkung eines
vor einem Arbeitsgericht geschlossenen Prozessvergleichs auf
einen außerhalb des Arbeitsverhältnisses entstandenen
Vergütungsanspruch
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20. November 2006 verkündete Urteil der
Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus abgeändert und wie folgt
neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Der Kläger verlangt von der Beklagten Zahlung von 10.000,- € als erststelligen Teilbetrag
einer auf insgesamt 40.903,35 € (entspricht 80.000,- DM) bezifferten restlichen
Vergütungsforderung für seine Arbeiten bei dem Projekt „Wirbelschichtkohlewagen im
Heizkraftwerk C.".
Der Geschäftsführer der Beklagten und der Kläger waren bis Mitte 2000 bei der L.
beschäftigt. Die beklagte GmbH erhielt am 26.09.2000 von der L. den Auftrag,
technische Lösungen für Probleme an Wirbelschichtkohlewagen im Heizkraftwerk C. zu
erarbeiten. Der Vertrag sieht eine Vergütung von 100.800,- DM netto vor. Unter
„sonstige Vereinbarung„ ist bestimmt, dass der Vertrag erst dann wirksam werden soll,
wenn der Kläger und die bei der L. als Sekretärin beschäftigte Frau P. ihre
Arbeitsverträge bei der L. lösen und mit der Beklagten neue Arbeitsverträge schließen.
Der Kläger und Frau P. beendeten ihr Arbeitsverhältnis mit der L.. Die Beklagte stellte
Frau P. als Arbeitnehmerin ein. Der Kläger nahm ein Arbeitsverhältnis bei einer anderen
Firma auf und lehnte das von der Beklagten angebotene Beschäftigungsverhältnis ab.
Wie zwischen den Parteien unstreitig ist, sollte der Kläger dennoch Arbeiten für die
Beklagte bei dem Projekt „Wirbelschichtkohlewagen im Heizkraftwerk C." ausführen.
Streit besteht über den Umfang der Arbeiten des Klägers und die ihm dafür zustehende
Vergütung. Die Beklagte zahlte dem Kläger 4.000,- DM im Dezember 2000 und nach
Beendigung der Arbeiten im April 2001 weitere 6.960,- DM.
Anfang des Jahres 2003 nahm der Kläger ein Arbeitsverhältnis bei der Beklagten auf.
Mitte des Jahres 2005 entstand Streit zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer
der Beklagten, dieser warf dem Kläger vor, an die Beklagte herangetragene Aufträge auf
eigene Rechnung angenommen und ausgeführt zu haben. Die Beklagte erklärte die
fristlose Kündigung des Arbeitsvertrages und verlangte Schadensersatz. Vor dem
Arbeitsgericht Cottbus schlossen die Parteien am 22.11.2005 einen Vergleich (Az.: 6 Ca
2336/05), nach dem das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30.11.2005 durch
betriebsbedingte Kündigung beendet ist. Ferner verpflichteten sich die Parteien im
Vergleich wechselseitig, verschiedene Gegenstände und Unterlagen herauszugeben.
Abschließend heißt es im Vergleich, mit dessen Erfüllung „sind sämtliche gegenseitigen
Ansprüche ausgeglichen und erledigt, gleich ob sie derzeit bekannt sind oder noch
bekannt werden mögen, das gilt auch für solche Ansprüche, die mit dem
Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen".
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Mit der Behauptung, er habe mit der Beklagten vereinbart, für seine Arbeiten am Projekt
„Wirbelschichtkohlewagen im Heizkraftwerk C.„ neben einer Sofortzahlung von 10.000,-
DM weitere 80.000,- DM nach Ablauf einer dem Unternehmen der Beklagten zu
gewährenden Anlaufphase von 5 Jahren zu erhalten, hat der Kläger Zahlung von 10.000,-
€ als Teilbetrag seiner auf 80.000,- DM (entspricht 40.903,35 €) bezifferten
Restforderung geltend gemacht.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat sich darauf berufen, die Vergütung
des Klägers sei mit 10.000,- DM verabredet. Jede über die geleisteten Zahlungen
hinausgehende Forderung sei jedenfalls nach dem Inhalt des arbeitsgerichtlichen
Vergleichs ausgeschlossen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat nach Zeugenvernehmung die vom
Kläger vorgetragene Vergütungsvereinbarung festgestellt. Gegen ihre Verurteilung
wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Der Kläger verteidigt das angefochtene
Urteil.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO) ist begründet. Sie
führt zur Abweisung der Klage, denn dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch
auf Zahlung des mit der Klage verfolgten Teilbetrages seiner Vergütungsforderung nicht
zu.
Mit dem Vorbringen der Beklagten, dem Zahlungsverlangen des Klägers stehe jedenfalls
die Ausgleichsklausel des vor dem Arbeitsgericht Cottbus geschlossenen Vergleichs
entgegen, hat sich das Landgericht in den Gründen der angefochtenen Entscheidung
nicht auseinandergesetzt. Der Einwand der Beklagten ist begründet. Durch den
Prozessvergleich vom 22.11.2005 haben sich die Parteien über sämtliche wechselseitig
bestehenden Ansprüche geeinigt (§ 779 BGB), die Einigung erfasst die Klageforderung
im Sinne eines Erlassvertrages durch so genanntes negatives Schuldanerkenntnis (§
397 Abs. 2 BGB).
1. Der am 22.11.2005 vor dem Arbeitsgericht Cottbus geschlossene Prozessvergleich ist
wirksam zustande gekommen (§ 799 BGB). Ein Grund, die Wirksamkeit in Zweifel zu
ziehen, ist nicht ersichtlich und wird vom Kläger auch nicht aufgezeigt.
2. Die Ausgleichsklausel des Vergleichs geht dahin, dass sämtliche wechselseitig
zwischen den Parteien im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bestehenden Ansprüche
- soweit sie nicht im Vergleich als Verpflichtungen tituliert sind - erledigt sein sollen.
Materiell-rechtlich bedeutet das für den vom Kläger seiner Klage zu Grunde gelegten
Anspruch auf restliche Vergütung, dass dieser von ihm als nicht bestehend anerkannt
und damit das Schuldverhältnis durch Erlassvertrag erloschen ist (§ 397 Abs. 2 BGB).
Die Wirkung eines negativen Schuldanerkenntnisses hat eine Ausgleichsklausel, wenn
der Wille der Parteien darauf gerichtet ist, alle oder eine bestimmte Gruppe von
wechselseitig bestehenden oder möglicherweise bestehenden Ansprüchen zum
Erlöschen zu bringen (vgl. OLG Düsseldorf BB 1997, 2237, 2238f; OLG Köln MDR 2000,
140). Dass mit dem Vergleich eine Regelung in diesem Sinne gewollt war, zieht der
Kläger nicht in Zweifel. Er meint aber, der mit der Ausgleichsklausel wechselseitig
vereinbarte Erlass erstrecke sich nicht auf die in Rede stehende Vergütungsforderung,
die keinen Bezug zum Arbeitsverhältnis aufweise. Der Argumentation des Klägers ist
nicht zu folgen.
Die Auslegung des gerichtlichen Vergleichs anhand seines Wortlauts und des diesem zu
entnehmenden objektiv erklärten Parteiwillens unter Berücksichtigung des mit dem
Vergleich verfolgten Zwecks und der beiden Parteien bei Vergleichsabschluss bekannten
Umstände ergibt sicher, dass mit der Ausgleichsklausel die Rechtsbeziehungen der
Parteien ausnahmslos erfasst worden sind (§§ 133, 157 BGB).
Dem Wortlaut nach haben die Parteien sämtliche gegenseitigen Ansprüche, gleich ob
bekannt oder nicht, für ausgeglichen erklärt. Eine solchermaßen weit gefasste
Ausgleichsklausel wird in gängiger Praxis dann verwendet, wenn die Rechtsbeziehungen
zweier Parteien einer umfassenden Klärung dahin unterzogen werden sollen, dass
jedwede wechselseitige Inanspruchnahme aus allen Sachverhalten, die in der
Vergangenheit liegen, ausgeschlossen sein soll (vgl. OLG Köln a.a.O.). Gerade die
Bezugnahme auf unbekannte Ansprüche spricht unmissverständlich dafür, dass
irgendeine Beschränkung auf einzelne Rechtsverhältnisse oder in dem Sinne, dass
einzelne Ansprüche ausgenommen sein sollen, nicht gewollt ist. Eine Begrenzung auf
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einzelne Ansprüche ausgenommen sein sollen, nicht gewollt ist. Eine Begrenzung auf
Sachverhalte, die aus dem Arbeitsverhältnis herrühren, ist im Vergleichstext nicht zum
Ausdruck gekommen. Sofern derartiges gewollt ist, geschieht dies regelmäßig dadurch,
dass die wechselseitig erledigten Ansprüche als solche aus dem Arbeits- oder einem
sonst bestimmt bezeichneten Rechtsverhältnis gekennzeichnet werden. Einen in diesem
Sinne zur Differenzierung geeigneten Passus haben die bei Vergleichsabschluss
anwaltlich vertretenen Parteien in den Vergleichstext nicht aufgenommen. Der von ihnen
gewählte Zusatz, nach dem der generell gefasste Ausgleich „auch für Ansprüche gilt, die
mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen„, lässt eine Beschränkung nicht
erkennen. Vielmehr stellt der Zusatz klar, dass auch solche Ansprüche erfasst werden
sollen, die im Zusammenhang mit einem beendeten Arbeitsverhältnis bestehen, wie
etwa der Anspruch des Arbeitnehmers auf Erteilung eines Zeugnisses.
Dem Prozessvorbringen des Klägers ist nicht zu entnehmen, dass in der mündlichen
Verhandlung vor dem Arbeitsgericht auf irgendeine Weise zum Ausdruck gekommen sei,
die Ausgleichsklausel des Vergleichs solle nur Ansprüche mit einem bestimmten Bezug
zum Arbeitsverhältnis erfassen. Ebenso wenig ist erkennbar, dass der Kläger bei
Vergleichsabschluss der Beklagten zu verstehen gegeben habe, die jetzt verfolge
Vergütungsforderung solle vom wechselseitigen Ausgleich ausgenommen sein. Nach
seinem Vortrag ist über die Vergütungsforderung in der arbeitsgerichtlichen
Verhandlung nicht gesprochen worden. Der Kläger hatte die Vergütungsforderung indes
kurze Zeit vor Vergleichsabschluss der Beklagten gegenüber aufgemacht. Seinem
Zahlungsverlangen vom 17.10.2005 (Bl. 18 - 19 d.A.) war die Beklagte am 20.10.2005
entgegengetreten, sie hatte die Forderung in Abrede gestellt (Bl. 20 d.A.). Unter diesen
objektiven Umständen ist die zum Vergleichsabschluss führende Willenserklärung des
Klägers aus der maßgeblichen Empfängersicht der Beklagten dahin zu verstehen, dass
der wechselseitige Ausgleich ohne jede Einschränkung, also unter Einbeziehung der
Vergütungsforderung vereinbart ist. Die Beklagte konnte davon ausgehen, dass sich der
Kläger des Streits um seine Vergütungsforderung bewusst gewesen ist und er diese
deshalb bei der - auch unbekannte Ansprüche erfassenden - Ausgleichserklärung
berücksichtigt hat. Mit der Einbeziehung unbekannter Ansprüche war es aus Sicht der
Beklagten unerheblich, ob die Vergütungsforderung des Klägers angesprochen worden
ist oder nicht. Vom Standpunkt der Beklagten spricht zudem alles dafür, dass der
Ausgleich sämtlicher wechselseitiger Ansprüche gerade durch die Einbeziehung der
Vergütungsforderung des Klägers herbeigeführt werden sollte. Die Beklagte hat vom
Kläger Schadensersatz in Höhe von 37.000,- € beansprucht. Demgegenüber hat auf
Seiten des Klägers eine restliche Vergütungsforderung von 40.903,35 € im Raum
gestanden. Bei dieser Sachlage erscheint wechselseitiger Ausgleich unter Einbeziehung
beider Forderungen folgerichtig, zumal der Kläger nicht erklärt hat, aufgrund welcher
sonstigen Tatsachen es aus seiner Sicht gerechtfertigt sein könnte, mit der
Ausgleichsklausel zwar die Schadensersatzforderung der Beklagten, nicht aber seine
Vergütungsforderung zu erledigen.
Der Umstand, dass das Arbeitsgericht bei der Bemessung des Kostenstreitwerts des
Vergleichs den Wert der Ausgleichsklausel unter Bezug auf die von der Beklagen
vorgetragene Schadensersatzforderung mit dem Betrag von 37.000,- € in Ansatz
gebracht hat, gibt keinen tragfähigen Anhalt, die Vergütungsforderung des Klägers als
vom wechselseitigen Ausgleich ausgenommen anzusehen. Die Wertfestsetzung dient
allein der kostenmäßigen Behandlung der Sache. Abgesehen davon hatte das
Arbeitsgericht nach Darstellung der Parteien keine Kenntnis von der
Vergütungsforderung des Klägers, weil diese in der mündlichen Verhandlung nicht
angesprochen worden ist.
3. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger darauf, der vereinbarte wechselseitige Ausgleich sei
noch nicht wirksam geworden, weil die Beklagte die ihr nach dem Vergleich obliegenden
Verpflichtungen noch nicht vollständig erfüllt habe.
Mit dem Vergleich haben die Parteien unter Ziffer 1. die Beendigung ihres
Arbeitsverhältnisses festgelegt. Unter Ziffern 2. und 3. haben sie sich wechselseitig zur
Herausgabe verschiedener Gegenstände und Unterlagen Zug um Zug verpflichtet. Ziffer
4. enthält die Ausgleichsklausel, Ziffer 5. die Feststellung, dass der arbeitsgerichtliche
Rechtsstreit erledigt ist. Dass die unter Ziffern 2. und 3. titulierten Verpflichtungen
wechselseitig erfüllt sind, stellt der Kläger nicht in Abrede. Er beruft sich mit seinem
nachgereichten Schriftsatz vom 24.05.2007 darauf, die Beklagte habe es bisher
unterlassen, das Arbeitsverhältnis der K., dem Finanzamt und der Bundesagentur für
Arbeit gegenüber abzurechnen. Abgesehen davon, dass nicht ersichtlich und auch nicht
erläutert ist, welche Abrechnung die Beklagte vornehmen solle, ist eine derartige
Verpflichtung im Vergleich als Voraussetzung für den Eintritt des gegenseitigen
Anspruchsausgleichs nicht enthalten.
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III.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die dafür in § 543 Abs. 2 ZPO aufgestellten
Voraussetzungen nicht vorliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Der Streitwert im Berufungsrechtszug wird auf 10.000,- € festgesetzt.
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