Urteil des OLG Brandenburg vom 26.09.2002

OLG Brandenburg: treu und glauben, rücknahme der klage, eigene mittel, kündigung, verzug, widerklage, fälligkeit, nachfrist, zugang, ersatzvornahme

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht
13. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
13 U 164/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 8 Abs 3 Nr 2 VOB B, § 242 BGB
Bauvertrag: Mehrkostenerstattung nach VOB/B;
Geltendmachung eines Vorschussanspruchs als missbräuchliche
Rechtsausübung
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 29.11.2006 verkündete Urteil des
Landgerichts Potsdam wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Aufgrund Vertrages vom 26.9.2002 verpflichtete sich der Kläger unter Einbeziehung der
VOB/B und C zu Elektroinstallationsarbeiten in einem Volumen von ca. 65.000 € netto in
dem von der Beklagten zwischenzeitlich bewohnten Einfamilienhaus … 38 in K.. Die
Arbeiten sollten ausweislich des Vorblattes zum Leistungsverzeichnis im Oktober 2001
begonnen und im Januar 2002 abgeschlossen werden. Wegen der Einzelheiten des
Vertrages wird auf Bl. 63 ff verwiesen. Daneben schlossen die Parteien am 22.10.2002
einen Mietvertrag über die Benutzung eines Baustromverteilers.
Entsprechend der vertraglichen Vereinbarung legte der Kläger nach Fertigstellung
einzelner Teilabschnitte insgesamt drei Teilrechnungen. Diese beglich die Beklagte
jeweils unter Hinweis auf ein fehlendes Aufmaß nur teilweise. Die Höhe der Forderungen
aus den Teilrechnungen wie die der darauf geleisteten Teilzahlungen ist nicht im
Einzelnen dargelegt. Mit Schreiben vom 9.12.2002 teilte der Kläger der Beklagten mit,
am 11.12.2002 einen gemeinsamen Aufmaßtermin mit ihrem Ehemann, der das
Bauvorhaben als Mitarbeiter der Firma R. mitbetreute, durchführen zu wollen.
Gleichzeitig bat er darum, dass für diesen Aufmaßtermin ein Computerausdruck der
Kabellängen zur Verfügung gestellt werde. Ohne dass der gewünschte
Computerausdruck vorlag, nahmen Mitarbeiter des Klägers am 11.12.2002
Aufmaßarbeiten im Objekt der Beklagten vor. Anschließend stockten die Arbeiten des
Klägers aus zwischen den Parteien streitigen Gründen. Im Verlauf der folgenden Wochen
führten die Parteien regen Schriftwechsel. Unter anderem bat der Kläger den Ehemann
der Beklagten mit Schreiben vom 20.1.2003 um eine schriftliche Bestätigung der
Geräteliste betreffend die EIB-Teile, um diesbezügliche Bestellungen auslösen zu
können. Außerdem bat er um Übergabe eines aktuellen Zeichnungssatzes hinsichtlich
der BUS-Komponenten. Mit Schreiben ebenfalls vom 20.1.2003 reagierte der Ehemann
der Beklagten auf das per Telefax übermittelte Schreiben des Klägers. Darin zeigte er im
Einzelnen aufgeführte Mängel an und forderte den Kläger zu deren Beseitigung bis zum
24.1.2003 auf. Ebenfalls mit Schreiben vom 20.1.2003 wies die Beklagte persönlich den
Kläger unter Hinweis auf § 5 Nr. 4 VOB/B und den Zeitplan darauf hin, dass er sich mit
der vertragsgemäßen Erbringung der von ihm geschuldeten Leistung in Verzug befinde.
Gleichzeitig setzte sie ihm datumsmäßig genau bestimmte Fristen für im Einzelnen
bezeichnete Teilleistungen. Für den Fall des erfolglosen Ablaufs der jeweiligen
Mangelbeseitigungs- bzw. Fertigstellungsfristen kündigte sie an, den Auftrag bzw. für in
sich abgeschlossene Teile davon gemäß § 8 Nr. 3 VOB/B zu entziehen. Unter dem
23.1.2003 teilte der Kläger der Beklagten mit, seine Arbeiten wegen nicht vollständiger
Begleichung seiner bis zum 13.12. erbrachten Leistungen eingestellt zu haben. Zu
weiteren Vorleistungen, speziell im Bereich der BUS-Systeme, sei er nicht bereit. Mit
erneutem Schreiben vom 26.1.2003 setzte die Beklagte dem Kläger zur Beseitigung der
gerügten Mängel und zur Vervollständigung der Installationen im Bereich des
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gerügten Mängel und zur Vervollständigung der Installationen im Bereich des
Haustechnikschachtes unter nochmaliger Androhung, den Auftrag anderenfalls gemäß §
8 Nr. 3 Abs. 1 S. 1 VOB/B zu entziehen, eine letzte Nachfrist bis 29.1.2003. Nachdem die
von der Beklagten in ihrem Schreiben vom 26.1.2003 gesetzten Fristen ergebnislos
verstrichen waren, entzog die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 1.2.2003 den
Auftrag.
Die Zahlung der Schlussrechnung vom 18.2.2003 über die bis zur Kündigung erbrachten
Leistungen, unter Berücksichtigung dreier erbrachter Teilzahlungen abgerechnet mit
noch 3.656,88 €, verweigerte die Beklagte unter Hinweis auf die mangelnde Prüffähigkeit
der Schlussrechnung.
Im Zuge des erstinstanzlichen Klageverfahrens erhob die Beklagte Widerklage gerichtet
auf Vorschuss in Höhe des Mehrkostenaufwandes zur Vollendung der vom Kläger
abgebrochenen Arbeiten. Den Mehrkostenaufwand beziffert sie auf der Grundlage eines
Angebots der Elektro-Anlagenbau GmbH vom 17.2.2003 mit 16.068,03 €. Die
Elektroinstallationsarbeiten sind bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem
Senat nicht vollständig abgeschlossen.
Nach Rücknahme der Klage in erster Instanz und Klageverzicht ist nur noch die
Widerklage in Streit.
Die Beklagte hat beantragt,
den Kläger zu verurteilen, an sie 16.068,03 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 8.11.2004 zu zahlen.
Der Kläger hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Das Landgericht hat die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt,
dass die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Vorschuss auf die voraussichtlichen
Mehraufwendungen nach Entziehung des Auftrages gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B nicht
vorlägen. Dabei könne dahin stehen, ob der Vorschussanspruch angesichts der langen
Zeitdauer zwischen Auftragsentziehung und Fertigstellung schon wegen erheblicher
Zweifel an einem ernsthaften Willen der Beklagten, die Leistungen in angemessener Zeit
fertig zu stellen, ausgeschlossen sei. Jedenfalls sei die von der Beklagten
ausgesprochene Kündigung nicht berechtigt. Der Kläger habe sich weder mit der
Vollendung der Bauausführung in Verzug befunden, noch sei er verpflichtet gewesen, die
mit Schreiben der Beklagten vom 20.1.2003 bezeichneten Mängel innerhalb der
gesetzten Fristen zu beseitigen. Ebenso wenig habe der Kläger die Erfüllung des
Vertrages unberechtigt und endgültig verweigert. Dem Kläger habe ein
Zurückbehaltungsrecht wegen noch offener Zahlungsansprüche gegen die Beklagte
zugestanden.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Sie rügt
das Urteil als Überraschungsurteil. Dazu macht sie geltend, dass ein Hinweis,
demzufolge dem Kläger ein Zurückbehaltungsrecht zustehen könnte, in erster Instanz
nicht erteilt worden sei. Zudem meint sie, dass das Landgericht ein
Zurückbehaltungsrecht des Klägers zu Unrecht bejaht habe. Ein solches habe nicht
bestanden. Selbst wenn es aber bestanden hätte, sei es dem Kläger nach Treu und
Glauben verwehrt gewesen, sich darauf zu berufen. Außerdem habe das Landgericht zu
Unrecht angenommen, dass die Beklagte die Zahlung nicht habe verweigern dürfen.
Vertraglich vereinbart sei ein prüffähiges Aufmaß gewesen. Die bloßen Mengenangaben
könnten keine Aufmaße im Sinne der vertraglichen Vereinbarung sein. Außerdem habe
sie die Abschlagszahlung pünktlich bezahlt. Hinsichtlich der angeblich noch offenen
Forderungen sei der Kläger vortrags- und beweisbelastet. An einem solchen Vortrag
fehle es.
Sie beantragt,
den Kläger unter Änderung des am 29.11.2006 verkündeten Urteils des
Landgerichts Potsdam zu verurteilen, an sie 16.068,03 € nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz 8.11.2004 zu zahlen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil. Er wendet sich gegen die Einschätzung des Urteils
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Er verteidigt das angefochtene Urteil. Er wendet sich gegen die Einschätzung des Urteils
als Überraschungsurteil. Vor Abfassung des Urteils seien mehrfach rechtliche Hinweise
an die Beklagte ergangen. Soweit die Beklagte erstmalig nähere Details zum Fortschritt
der Arbeiten bei der Elektroinstallation vortrage, sei dies verspätet. Dieses Vortrags
hätte es zur Darlegung ihres ernsthaften Willens einer Weiterführung der Arbeiten bereits
in erster Instanz bedurft.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den
Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze und der Protokolle der mündlichen
Verhandlungen.
II.
Die gemäß §§ 517, 519, 520 ZPO zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache
keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Widerklage zu Recht abgewiesen. Die dagegen
erhobenen Einwände der Beklagten rechtfertigen eine davon abweichende Beurteilung
nicht.
Voraussetzung für einen Anspruch auf Erstattung der bei Fertigstellung des Werkes
durch einen Dritten entstehenden Mehrkosten nach Kündigung gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 2
VOB/B wäre, dass die Beklagte das Vertragsverhältnis mit dem Kläger gemäß § 4 Nr. 7
und 8 oder § 5 Nr. 4 VOB/B nach Ablauf einer dem Kläger gesetzten Frist wirksam
gekündigt hat, § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B. Im Rahmen des Mehrkostenerstattungsanspruchs
gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B wäre die Beklagte als Auftraggeber dann auch berechtigt,
vom gekündigten Unternehmer einen Vorschuss auf die voraussichtlichen Mehrkosten
zu verlangen (vgl. Ingenstau-Korbion-Vygen, VOB, Teile A und B, 15. Aufl., § 8 Nr. 3, Rn.
42).
Abweichend von der angefochtenen Entscheidung geht der Senat davon aus, dass die
Beklagte den Werkvertrag mit dem Kläger gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B i.V.m. § 5 Nr. 4
VOB/B wirksam außerordentlich gekündigt hat. Als wichtigste Kündigungsgründe nennt §
8 Nr. 3 VOB/B Mängel während und Verzug bei der Bauausführung sowie ungenehmigten
Subunternehmereinsatz. Ausweislich des Kündigungsschreibens vom 1.2.2003 hat die
Beklagte ihre Kündigung auf Überschreitung der Fertigstellungsfristen und Mängel bei
der Bauausführung sowie eine ernsthafte endgültige Weigerung des Klägers, seine
Pflichten aus dem Vertrag zu erfüllen, gestützt. Damit hat sie gleich mehrere Gründe
angeführt, bei deren Vorliegen die von ihr ausgesprochene Kündigung berechtigt wäre.
Der Kläger hatte bis Mitte Januar 2003 den vorgesehenen Zeitplan unstreitig nicht
eingehalten. Auch hatte er seine bis dahin nicht fertig gestellten Leistungen nicht
innerhalb der von der Beklagten gesetzten Nachfrist abgeschlossen sowie gerügte
Mängel nicht beseitigt. Dem entsprechenden Vorbringen der Beklagten zu den
Leistungsterminen ist der Kläger in tatsächlicher Hinsicht nicht entgegengetreten. Bei
dieser Sachlage ist zumindest die zeitliche Verzögerung bei der Vollendung der
Elektroinstallation als unstreitig anzusehen.
Allerdings begründet allein die nicht fristgerechte Fertigstellung geschuldeter
Teilleistungen bzw. der Vollendung der Gesamtleistung noch keinen eine Kündigung nach
§ 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B rechtfertigenden Verzug. Weitere Voraussetzung des Verzuges
ist das Bestehen eines fälligen Anspruchs (Leinemann-Roquette VOB/B, 2. Aufl., § 5 Nr. 4
Rn. 22; Beckscher VOB Kommentar - Motzke, § 5 Nr. 4 Rn. 4). Von der Fälligkeit der
Leistungen des Klägers ist mangels entgegen stehenden Vortrags hier ebenfalls
auszugehen. Der Kläger hat zu keiner Zeit Einwendungen tatsächlicher oder rechtlicher
Art gegen die von der Beklagten vorgenommene Neuberechnung des Fristenplans unter
Berücksichtigung seiner Behinderungsanzeige erhoben.
Der Verzug des Klägers mit seinen Leistungen ist eben so wenig wegen des Bestehens
einer dauernden oder aufschiebenden Einrede ausgeschlossen. Zwar schließt eine die
Durchsetzung hindernde oder hemmende Einrede den Verzugseintritt aus (Palandt-
Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 286 Rn. 12). Die Voraussetzungen dafür hat der insoweit
darlegungs- und beweisbelastete Kläger indessen nicht dargelegt. In seinem Schreiben
vom 23.1.2003 hat der Kläger gegenüber der Beklagten klar gestellt, seine Arbeiten
zeitweilig wegen noch ausstehender Zahlungen auf die Teil- und die
Baustromabrechnung einzustellen. Damit hat er sich auf ein Zurückbehaltungsrecht
gemäß § 16 Nr. 5 Abs. 5 VOB/B, wonach der Auftragnehmer bei Nichtzahlung fälliger
Zahlungen seine Arbeiten einstellen darf, berufen. Dazu war er jedoch nicht berechtigt.
Zwar hat die Beklagte auf die vertragsgemäßen Teilrechnungen des Klägers jeweils nur
teilweise gezahlt. Die Restforderungen des Klägers waren auch nicht so geringfügig, dass
ein darauf gestütztes Zurückbehaltungsrecht den Grundsätzen von Treu und Glauben
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ein darauf gestütztes Zurückbehaltungsrecht den Grundsätzen von Treu und Glauben
widerspräche. Wie der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat
unwidersprochen klargestellt hat, standen Mitte Dezember 2002 aus den Teilrechnungen
noch Restzahlungen in Höhe von insgesamt 3.656,88 €, aus. Bei einem
Gesamtforderungsvolumen aus allen drei Teilrechnungen von 19.705,13 €, wie es sich
aus der Schlussrechnung des Klägers ergibt, macht der aus den Teilrechnungen noch
offene Restbetrag etwa 15 % aus.
Offen ist, ob die Beklagte sich mit der Zahlung der Restforderungen in Verzug im Sinne
des § 286 Abs. 1 BGB befand. Verzug der Beklagten mit der Zahlung auf die
Teilrechnung setzt wiederum eine fällige Forderung voraus. Ansprüche auf
Abschlagszahlungen werden nach § 16 Nr. 1 Abs. 3 VOB/B binnen 18 Werktagen nach
Zugang der Aufstellung gemäß § 16 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B fällig. Unabhängig davon, dass
weder die Daten der Teilrechnungen noch deren Zugang bei der Beklagten dargelegt ist,
begründet der nicht substanziiert bestrittene Vortrag der Beklagten zu deren
mangelnder Prüffähigkeit den Einwand mangelnder Fälligkeit der Teilrechnungen. Die
Fälligkeit einer Abschlagsforderung nach Ablauf von 18 Werktagen nach Zugang der
Aufstellung gemäß § 16 Nr. 1 Abs. 3 VOB/B setzt - wie bei der Schlussrechnung auch -
deren Prüfbarkeit voraus (Beckscher VOB Kommentar-Motzke, a.a.O., § 16 Nr. 1 Rn. 21;
Werner-Pastor, Der Bauprozess, 12. Aufl., Rn 1219 f). Dazu hat der Auftragnehmer bei
seiner Aufstellung die jeweils in dem betreffenden zeitlichen Abstand erbrachten
Leistungselemente schriftlich aufzuführen und Angaben zu machen, die die Aufstellung
prüfbar machen. Wegen desselben Zwecks sind die Regelungen in § 14 Nr. 1 und 2
VOB/B entsprechend heranzuziehen, d.h. der Rechnung sind Mengenberechnungen
beizufügen, Ingenstau-Korbion-Locher, a.a.O., § 16 Nr. 1 Rn. 14. Allerdings sind mit Blick
auf die Vorläufigkeit der Abschlagsrechnungen die Anforderungen an die Prüfbarkeit
erheblich geringer; eine überschlägige Aufstellung, aus der sich die abgerechnete
Einzelleistung zweifelsfrei ergibt, wird für ausreichend erachtet (Ingenstau-Korbion-
Locher, a.a.O., § 16 Nr. 1, Rn. 14).
Zweifelhaft ist hier, ob die Prüffähigkeit der Teilrechnungen von dem insoweit
darlegungs- und beweispflichtigen Kläger dargelegt ist. Der Kläger behauptet zwar deren
Prüffähigkeit; die Beklagte tritt dem jedoch bei gleichzeitiger Darstellung deutlich
abweichender Mengenangaben entgegen. Die Rechnungen selbst liegen dem Senat
nicht vor. Andererseits hat die Beklagte jeweils lediglich einen Teil der Teilrechnung
einbehalten, diese aber im Übrigen beglichen und im Verlaufe des Verfahrens konkret
andere Mengen vorgetragen. Dieses prozessuale Verhalten der Beklagten legt es nahe,
die Prüffähigkeit der Teilrechnungen anzunehmen. Ein substanziiertes Bestreiten der
vom Kläger zugrunde gelegten Mengenangaben setzt denknotwendig voraus, dass die
Mengenangaben des Klägers geprüft und für falsch befunden worden sind.
Letztlich kann die Frage der Fälligkeit der Ansprüche des Klägers aus den Teilrechnungen
jedoch offen bleiben. Selbst wenn zu Gunsten des Klägers von der Prüffähigkeit seiner
Teilrechnungen und damit deren Fälligkeit auszugehen wäre, hätte eine etwaige
unberechtigte Einbehaltung der Restzahlung ihn nicht berechtigt, gestützt auf § 16 Nr. 5
Abs. 5 VOB/B, seine Arbeiten (zeitweilig) einzustellen. Das Leistungsverweigerungsrecht
des Auftragsnehmers setzt neben Nichtzahlung fälliger Zahlungen voraus, dass der
Auftraggeber zur Zahlung gemahnt und ihm eine angemessene Nachfrist gesetzt
worden und diese erfolglos verstrichen ist, § 16 N. 5 Abs. 5 VOB/B.
Der Kläger hat schon nicht dargelegt, die Beklagte nach Teilrechnungslegung zur
Zahlung aufgefordert, geschweige denn, ihr die nach § 16 Nr. 5 Abs. 5 VOB/B
erforderliche Nachfrist zur Zahlung gesetzt zu haben. Dies ist auch sonst nicht
ersichtlich. Mangels Vortrags des Klägers zur Entbehrlichkeit einer Nachfristsetzung wäre
seine Weigerung, seine Arbeiten fortzuführen, unabhängig von der zwischen den
Parteien streitigen Frage der Prüffähigkeit der Abschlagsrechnungen nicht gemäß § 16
Nr. 5 Abs. 5 VOB/B gerechtfertigt, so dass er sich spätestens seit Zugang des
Schreibens der Beklagten vom 20.1.2003 in Verzug mit der Vollendung seiner
Leistungen im Sinne des § 5 Nr. 4 VOB/B befunden und die Beklagte darauf zu Recht ihre
Kündigung vom 1.2.2003 gestützt hätte.
Die Widerklage ist dennoch unbegründet, weil die Geltendmachung eines
Vorschussanspruchs fast fünf Jahre nach dessen Entstehen und nach nahezu
vollständiger Fertigstellung der Arbeiten, für die der Vorschuss begehrt wird, der Natur
des Vorschussanspruchs als nur vorläufigen Anspruch zuwiderläuft.
Der aus den Grundsätzen von Treu und Glauben, § 242 BGB, hergeleitete
Vorschussanspruch soll den Werkbesteller instand setzen, das geschuldete Werk auf
Kosten des Unternehmens in den vertragsgerechten Zustand versetzen zu lassen. Er ist
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Kosten des Unternehmens in den vertragsgerechten Zustand versetzen zu lassen. Er ist
lediglich vorübergehender Natur und zugleich zweckgebunden. Ihm wird entweder
dadurch genügt, dass der Unternehmer dem Besteller die erforderlichen Mittel in Form
einer Zahlung zur Verfügung stellt oder aber auch dadurch, dass dem Besteller
gestattet wird, einen an sich fälligen Anspruch des Unternehmers (ganz oder) teilweise
nicht zu erfüllen, sondern den Gegenwert einstweilen einzubehalten, zweckgerecht zu
verwenden, sodann abzurechnen und letztlich den nicht verbrauchten Vorschuss an den
Unternehmer auszukehren bzw. den verbrauchten Betrag mit der Werklohnforderung zu
verrechnen (OLG Köln, BauR 1988, 483, 484). Folgerichtig besteht ein Anspruch auf
Vorschuss nicht, wenn der Besteller die Mangelbeseitigung im Wege der Ersatzvornahme
von vornherein oder später nicht oder nicht ernsthaft in angemessener Frist betreibt
(Beckscher VOB Kommentar, Kobler, § 13 Nr. 5, Rn. 127, Ingenstau/Korbion-Vygen, VOB,
§ 8 Nr. 3, Rn. 42). Als angemessen wird in der Regel eine Frist von sechs Monaten bis
höchstens einem Jahr, unter Umständen auch eine längere Frist, zugestanden. Mit dem
Erfordernis der angemessenen Durchführung der Ersatzvornahme und zugleich
Abrechnung der Mängelbeseitigungs- bzw. Fertigstellungskosten wird nicht nur der
Vorläufigkeit des Vorschussanspruchs Rechnung getragen. Zugleich wird dem nicht
seltenen Bestreben von Werkbestellern entgegengewirkt, nur vordergründig die Zahlung
eines Kostenvorschusses zur Mängelbeseitigung zu verlangen, um zum einen Zeit zu
gewinnen und zum anderen den Vorschussbetrag zu anderen Zwecken zu verwenden
(OLG Köln, BauR 1988, 483, 484).
Die im allgemeinen dem Bauherrn zur Durchführung der Ersatzvornahme als
angemessen zugestandene Frist von sechs Monaten bis maximal einem Jahr ist hier bei
weitem überschritten, ohne dass nach dem Vorbringen der Beklagten die
Elektroinstallation fertig gestellt worden sei. Dass sie gleichwohl noch immer den
ernsthaften Willen zum Abschluss der Elektroinstallationsarbeiten hat, behauptet sie
lediglich und bietet dafür zum Beweis Zeugnis ihres Ehemanns an. Angesichts der nach
dem ursprünglichen Vertrag mit dem Kläger vereinbarten Fertigstellungsfrist von rund
vier Monaten und der ihm gegenüber schon nach 6-wöchiger Verzögerung
ausgesprochenen Kündigung begegnet ihr entsprechend geäußerter Wille indessen
ernsthaften Bedenken. Dies gilt umso mehr, als sie nicht im Einzelnen dargelegt hat,
aus welchen Gründen es bei Vollendung der Elektroinstallationsarbeiten zu einer derart
erheblichen Verzögerung gekommen ist. Nachdem die Beklagte bereits in erster Instanz
im März 2005, also vor nunmehr mehr als 2 ½ Jahren, einen bevorstehenden Abschluss
der Arbeiten in Aussicht gestellt hat, und im angefochtenen Urteil wie auch in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat Bedenken gegenüber der von ihr geäußerten
Absicht einer alsbaldigen Fertigstellung geäußert wurden, hätte dazu indessen Anlass
bestanden. Bei dieser Sachlage ist die bloße unter Beweis gestellte Behauptung eines
ernsthaften Willens, die Arbeiten innerhalb angemessener Frist zu vollenden, nicht
ausreichend.
Abgesehen davon besteht hinsichtlich des weit überwiegenden Teils der
Fertigstellungskosten ein Anspruch der Beklagten auf Vorschuss schon deshalb nicht
(mehr), weil sie diese nach ihrem eigenen Vorbringen bereits zu 90 %, = 68.440 €,
gezahlt hat. In Höhe des nach ihrem Vortrag bereits gezahlten Werklohns hat sich ihr
Vorschussanspruch bereits überwiegend in einen Mehrkostenerstattungsanspruch
umgewandelt. Dem kann sie nicht mit Erfolg die Entscheidung des Bundesgerichtshofes
vom 12.1.2006 - VII ZR 73/04 - entgegen halten. Soweit darin ausgeführt wird, dass die
Voraussetzungen für den auf Zahlung von Kostenvorschuss gerichteten Anspruch nach
Beseitigung der Mängel entfallen ist, lässt sich daraus für die hier zur Entscheidung
anstehende Frage des unveränderten Fortbestandes des Vorschussanspruchs bei
nahezu vollständiger Fertigstellung des Bauvorhabens nichts herleiten. Insbesondere
rechtfertigen die v. g. Ausführungen nicht den von der Beklagten gezogenen Schluss,
dass unabhängig von der Dauer und vom Fortschritt der Fertigstellungsarbeiten der
Vorschussanspruch bis zu deren endgültiger Vollendung unverändert auf der
ursprünglichen Grundlage, hier des Angebots des Drittunternehmers, fortbesteht.
Gegenstand der Entscheidung waren ausschließlich prozessuale Fragen, nicht hingegen
solche nach Art und Inhalt des Vorschussanspruchs. Zwar ist der Vorschussanspruch
grundsätzlich erst nach vollständigem Abschluss der Ersatzvornahme abrechenbar, weil
erst zu diesem Zeitpunkt die konkreten Mehrkosten ermittelt werden können. Wenn
allerdings - wie hier - zur Vollendung nur noch geringe Restarbeiten erforderlich sind und
im Übrigen die Fertigstellungskosten nicht nur feststehen, sondern bereits beglichen
sind, verstößt die Geltendmachung des ursprünglich auf der Grundlage eines Angebots
ermittelten Vorschussanspruchs in unveränderter Höhe als missbräuchliche
Rechtsausübung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB. Die
Geltendmachung des aus den Grundsätzen von Treu und Glauben abgeleiteten
Vorschussanspruchs unterliegt ihrerseits den Grundsätzen von Treu und Glauben.
Danach ist eine Rechtsausübung missbräuchlich, wenn ihr kein schutzwürdiges
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Danach ist eine Rechtsausübung missbräuchlich, wenn ihr kein schutzwürdiges
Eigeninteresse zugrunde liegt. Zu dieser Fallgruppe gehört u. a. die nutzlose
Rechtsausübung und als Sonderfall die wegen einer Pflicht zur Rückgewähr nutzlose
Rechtsausübung (Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 242 Rn. 50 f.).
Nachdem die Beklagte nach eigenem Vorbringen bereits 90 % der Fertigstellungskosten
an den Drittunternehmer gezahlt hat, ist ein schutzwürdiges Eigeninteresse am
Festhalten an ihrem Vorschussanspruch nicht erkennbar. Sinn und Zweck des für
Mängelbeseitigungskosten aus § 242 BGB entwickelten Anspruchs auf Vorschuss ist es,
den Bauherrn ohne Einsatz eigener Mittel in den Stand zu versetzen, Mängel seines
Bauvorhaben durch einen Drittunternehmer beseitigen zu können, weil der Bauherr nach
Fertigstellung des Bauwerks in der Regel die dafür vorgesehenen Mittel verbraucht hat.
Übertragen auf den Vorschuss für Mehrkosten zur Fertigstellung eines vorzeitig
gekündigten Werkvertrages soll er mit dem Vorschuss in die Lage versetzt werden,
etwaige Mehrkosten ohne Einsatz eigener Mittel abzudecken. Dieser Zweck kann,
nachdem die Beklagte bereits nach eigenem Vortrag erhebliche eigene Mittel zur
Vollendung der Elektroinstallation eingesetzt hat, allenfalls noch in geringem Umfang für
noch ausstehende Restarbeiten erreicht werden. Wegen des weit überwiegenden Teils
der Fertigstellungskosten käme der Vorschuss zu spät, würde er mithin faktisch bereits
als Mehrkostenerstattung ohne die gesetzlich vorausgesetzte Abrechnung fungieren.
Zudem ist es angesichts der langen Dauer der Fertigstellung durch den
Drittunternehmer und der nach Angaben der Beklagten selbst mittlerweile kurz
bevorstehenden Fertigstellung dem Kläger nicht zuzumuten, den geforderten Vorschuss
als eine vorläufige Leistung zu erbringen, um unmittelbar im Anschluss daran von der
Beklagten eine Abrechnung zu verlangen. Dies gilt umso mehr, als er mit etwaigen
Einwendungen gegen die Höhe des Mehrkostenerstattungsanspruchs - wie z.B.
mangelnde Vergleichbarkeit der Leistungen des Drittunternehmers mit den von ihm
angebotenen - auf das anschließende Abrechnungsverfahren verwiesen wäre, mithin
eine vorläufige Zahlung vorzuleisten und darüber hinaus das Risiko eines weiteren
Prozesses zu tragen verpflichtet wäre.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht
vorliegen.
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