Urteil des OLG Brandenburg vom 24.09.2008

OLG Brandenburg: strafrichter, freispruch, quelle, strafgericht, angeklagter, link, sammlung, anwendungsbereich, jugendstrafverfahren, vorrang

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 1.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 Ss 67/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 328 Abs 2 StPO, § 349 Abs 4
StPO, § 47a S 1 JGG
Jugendstrafverfahren: Zurückverweisung an das Amtsgericht
wegen vermeintlichen Zuständigkeitsfehlers; Vorrang des
Jugendgerichts
Leitsatz
Hebt die Jugendberufungskammer zu Unrecht das Urteil des Jugendrichters gemäß § 328
Abs. 2 StPO wegen eines vermeintlichen Zuständigkeitsfehlers auf und verweist die Sache an
den Strafrichter des Amtsgerichts zurück, so ist der Angeklagte, obwohl das Urteil des
Landgerichts keine Sachentscheidung enthält, hierdurch beschwert mit der Folge, dass die
Revision der Staatsanwaltschaft sich als Rechtsmittel zugunsten des Angeklagten darstellt
und die Entscheidung des Senats über die Revision im Beschlusswege gemäß § 349 Abs. 4
StPO erfolgen kann. Die Beschwer liegt einmal darin, dass das zur Entscheidung in der Sache
gemäß § 328 Abs. 1 StPO zuständige Berufungsgericht nicht die dem Angeklagten günstigste
Entscheidung - z.B. Freispruch - getroffen hat, sondern die Sache an ein anderes Gericht
verweist und hierdurch zudem den Anspruch des Angeklagten auf seinen gesetzlichen Richter
verletzt (vgl. auch OLG Karlsruhe NStZ- RR 2005, 208-209).
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil der 2 großen Strafkammer als
Jugendberufungskammer des Landgerichts Potsdam vom 21. April 2008 mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten und
Auslagen des Revisionsverfahrens, an eine andere Jugendberufungskammer des
Landgerichts Potsdam zurückverwiesen.
Gründe
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Berufungsurteil vom 21. April 2008 ist
zulässig und begründet.
Die Jugendberufungskammer hat zu Unrecht das Urteil des Jugendrichters des
Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 12. Dezember 2007 wegen eines
vermeintlichen Zuständigkeitsfehlers aufgehoben und die Sache an den Strafrichter des
Amtsgerichts zurückverwiesen. Obwohl das Urteil des Landgerichts keine
Sachentscheidung enthält, beschwert es den Angeklagten mit der Folge, dass die
Revision der Staatsanwaltschaft sich als Rechtsmittel zugunsten des Angeklagten
darstellt, sodass die Entscheidung des Senats im Beschlusswege gemäß § 349 Abs. 4
StPO erfolgen kann. Im Anwendungsbereich des § 328 Abs. 2 StPO wird die Beschwer
einmal darin gesehen, dass das Berufungsgericht nicht die dem Angeklagten günstigste
Entscheidung- z.B. Freispruch- getroffen hat, sondern die Sache an ein anderes Gericht
verweist. In der gesetzlich nicht vorgesehenen Verweisung an den Strafrichter hat die
Jugendberufungskammer zudem den Anspruch des Angeklagten auf seinen gesetzlichen
Richter verletzt ( vgl. OLG Karlsruhe NStZ-RR 2005, 208-209).
Anstelle des gesetzlich zur Sachentscheidung ( § 328 Abs. 1 StPO) berufenen
Landgerichts soll nach dem angefochtenen Urteil das Amtsgericht – Strafrichter- mit der
Sache befasst werden.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat in ihrer Stellungnahme vom
22. August 2008 ausgeführt:
„Stellt sich - wie hier - nach Eröffnung des Hauptverfahrens heraus, dass nicht das
Jugendgericht, sondern ein Erwachsenengericht zuständig gewesen wäre - etwa weil
Anklage und Eröffnungsbeschluss von einer falschen Altersangabe ausgegangen sind -
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Anklage und Eröffnungsbeschluss von einer falschen Altersangabe ausgegangen sind -
so verbleibt es nach § 47 a Satz 1 JGG grundsätzlich bei der Zuständigkeit des
Jugendgerichts, auch wenn eigentlich die Zuständigkeit eines Erwachsenengerichts
gleicher oder niedrigerer Ordnung gegeben gewesen wäre (BGH, Beschluss vom
03.12.2003 - 2 ARs 383/03 - zit. nach BGH-Nack; Brunner/Dölling, JGG, 11. Aufl., § 47a
Rn. 1.).Der Wortlaut der Vorschrift ist insoweit eindeutig. Entgegen dem Vorbringen des
Revisionsgegners ist unerheblich, ob sich ein Angeklagter durch falsche Altersangaben
die Zuständigkeit des Jugendrichters erschlichen hat. Der Jugendrichter hat, sofern er zur
Anwendung des allgemeinen Strafrechts gelangt, die gleiche Rechtsfolgenkompetenz
wie der Strafrichter (vgl. BGH aaO., Böhm NStZ-RR 2004, 257, 259). Die Annahme, dass
der Angeklagte bei einem Jugendrichter regelmäßig mit milderen Strafen als bei einem
Strafrichter rechnen könne, geht daher fehl.
Dass der Revisionsgegner die Zurückweisung an das Amtsgericht als für den
Angeklagten günstig erachtet, da dessen Begehren auf Freispruch dort erneut geprüft
werde, erscheint nicht nachvollziehbar, da selbstverständlich jedes Strafgericht die
Möglichkeit eines Freispruchs in Erwägung zu ziehen hat, also auch das gerade vom
Angeklagten angerufene Berufungsgericht“
Die Ausführungen entsprechen der Rechtslage. Der Senat schließt sich ihnen an.
Lediglich im umgekehrten Fall, nämlich dann, wenn die Zuständigkeit des Jugendrichters
gegeben wäre, allerdings der Strafrichter zu Unrecht entschieden hätte, wäre eine
Zurückverweisung an den zuständigen Jugendrichter gesetzlich geboten, da dieser im
Verhältnis zum Strafrichter den Gerichten höherer Ordnung gleichgestellt ist im Sinne
der §§ 209a, 225a Abs.1 und 270 Abs. 1 StPO ( OLG Oldenburg NJW 1980, 1384-1385).
Demgegenüber wäre der Jugendrichter bereits aufgrund des eindeutigen Wortlauts des §
47 a JGG daran gehindert, sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens für unzuständig zu
erklären, weil die Sache vor ein für allgemeine Strafsachen zuständiges Gericht gleicher
Ordnung gehöre. Gleiches hat für die Jugendberufungskammer zu gelten.
Das angefochtene Urteil unterliegt mithin der Aufhebung und Zurückverweisung an eine
andere Jugendberufungskammer ( vgl. aber auch BGHSt 35, 267-270 ) des Landgerichts
Potsdam, die nunmehr über die Berufung des Angeklagten zu befinden hat.
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