Urteil des OLG Brandenburg vom 03.05.2006

OLG Brandenburg: pfändung, sparkasse, zahlungsunfähigkeit, kredit, deckung, anfechtung, einziehung, steuer, verwalter, kontokorrent

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 7.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 U 99/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 131 Abs 1 Nr 2 InsO, § 131 Abs
1 Nr 3 InsO, § 133 Abs 1 S 1
InsO, § 143 Abs 1 InsO
Anfechtung einer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens
erfolgten Auszahlung wegen vorsätzlicher Benachteiligung
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 3. Mai 2006 verkündete Teilanerkenntnis- und
Schlussurteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt/Oder wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsrechtszuges werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Der Kläger ist Verwalter in dem am 01.12.2004 über das Vermögen der F. GmbH
(demnächst: Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahren (Bl. 11, 12 d.A.). Den
Insolvenzantrag stellte die Schuldnerin am 17.09.2004 (Bl. 58 d.A.). Bereits zuvor hatte
die DAK am 23.10.2003 einen Insolvenzantrag gestellt (Bl. 86 d.A.), den sie nach
erfolgter Zahlung zurückgenommen hat (Bl. 3 d.A.).
Das Finanzamt des beklagten Landes erließ wegen rückständiger Steuern der
Schuldnerin am 24.09.2003 eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung über 351,27 €
(Bl. 139 d.A.) und eine weitere am 25.09.2003 über 15.703,27 € (Bl. 138 d.A.).
Gepfändet wurden die Forderungen und Rechte der Schuldnerin aus dem bei der
Sparkasse U. mit einem Kontokorrent-kredit von 45.000,00 € (Bl. 91 d.A.) unter der
Nummer ... geführten Geschäftskonto. Mit Schreiben vom 29.09.2003 (Bl. 143 d.A.) und
09.12.2003 (Bl. 147 d.A.) setzte das Finanzamt die Vollziehung der Pfändung bis zum
07.01.2004 aus. Die Schuldnerin leistete von ihrem Geschäftskonto am 01.10.2003 auf
die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 24.09.2003 eine Zahlung in Höhe von
351,27 € und auf die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 25.09.2003 einen
weiteren Betrag von 4.000,00 €. Am 06.01.2004 zahlte die Schuldnerin noch einen
Betrag von 11.989,88 € (Bl. 134/148 d.A.).
Das Finanzamt erließ am 01.04.2004 eine weitere Pfändungs- und Einziehungsverfügung
über 2.909,04 € (Bl. 150 d.A.), auf die vom Geschäftskonto der Schuldnerin am
08.04.2004 Zahlung erfolgte.
Der Kläger hat behauptet, die Schuldnerin sei spätestens im September 2003
zahlungsunfähig gewesen. Den Bediensteten des Finanzamts sei der
Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin bekannt gewesen.
Der Kläger hat Klage in Höhe von – richtig – 19.884,29 € erhoben und nach
entsprechender Klagerücknahme zuletzt beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 19.250,19 € nebst 4 % Zinsen seit dem 25.03.2005
zu zahlen.
Der Beklagte hat - unter Anerkennung des Klageanspruchs in Höhe von 286,50 € -
beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat mit Ausnahme des Anerkenntnisses die Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat es ausgeführt, eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO scheitere daran,
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Begründung hat es ausgeführt, eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO scheitere daran,
dass es an einer Rechtshandlung der Schuldnerin fehle.
Der Kläger hat gegen das ihm am 08.05.2006 zugestellte Urteil am 01.06.2006 Berufung
eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung am 10.08.2006 begründet.
Beide Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Der Kläger beantragt,
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen,
an ihn 18.963,69 € nebst 4 % Zinsen seit dem 25.03.2005 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen
Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel allerdings keinen Erfolg. Der
von dem Kläger im Berufungsrechtszug noch in Höhe von 18.963,58 € weiter verfolgte
insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch (§ 143 Abs. 1 InsO) ist nicht begründet.
1. Eine Anfechtung kommt nur unter dem Gesichtspunkt des § 133 Abs. 1 InsO in
Betracht. Die angefochtenen Zahlungen sind in der Zeit vom 01.10.2003 bis zum
08.04.2004 vorgenommen worden (Bl. 6 ff. / 132 ff. d.A.). Sie fallen nicht in den
Dreimonatszeitraum der §§ 130, 131 InsO. Die Schuldnerin hat nämlich erst am
17.09.2004 den Insolvenzantrag gestellt (Bl. 58 d.A.).
2. Nach der Vorschrift des § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar,
die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu
benachteiligen, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners
kannte.
a) Das Landgericht hat die Anfechtung scheitern lassen, weil es angenommen hat, es
fehle mit Rücksicht auf die durch die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen des
beklagten Landes vom 24./25.09.2003 und 01.04.2004 erfolgte Pfändung des
Geschäftskontos der Schuldnerin an einer Rechtshandlung der Schuldnerin. Insoweit ist
das Landgericht der Sache nach davon ausgegangen, es sei wirksam gepfändet worden.
Der rechtliche Ansatz des Landgerichts ist an sich richtig.
Die Pfändung und Einziehung einer Forderung stellt sich gegenüber einer Zahlung als
eine Rechtshandlung dar, die selbständig angefochten werden kann (BGH ZIP 2000,
898). Ein – wirksam erworbenes – Pfändungspfandrecht beruht nicht auf einer
Rechtshandlung des Schuldners, sondern – ausschließlich – auf einer Rechtshandlung
des Gläubigers, der die Pfändung und Einziehung ohne Mitwirkung des Schuldners
betrieben hat. Handelte es sich um eine wirksame Pfändung des Kontos, wovon das
Landgericht ausgegangen ist, fehlte es in der Tat an einer Rechtshandlung der
Schuldnerin.
Der Annahme des Landgerichts, es fehle an einer Rechtshandlung, kann der Senat sich
jedoch nach Aktenlage nicht anschließen. Vielmehr spricht alles dafür, dass die
Zahlungen an das beklagte Land auf Rechtshandlungen der Schuldnerin beruhen, weil
sich nicht zweifelsfrei feststellen lässt, dass die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen
zu einer wirksamen Pfändung geführt haben.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gibt die bloße Duldung einer
Kontoüberziehung seitens der Bank dem Kunden ihr gegenüber keinen pfändbaren
Anspruch auf Kredit. Die Ansprüche des Kunden aus einem Dispositionskredit sind
pfändbar, soweit der Kunde den Kredit in Anspruch nimmt (BGH NJW 1985, 1218; BGH
WM 2001, 898; BGH WM 2004, 517).
Eine sichere Feststellung dazu, ob das beklagte Land aufgrund der Pfändungs- und
Einziehungsverfügungen ein wirksames Pfändungspfandrecht erworben hat, lässt sich
nicht treffen, weil die Parteien – ungeachtet des Hinweises in der Terminsverfügung vom
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nicht treffen, weil die Parteien – ungeachtet des Hinweises in der Terminsverfügung vom
19.09.2006 (Bl. 234 d.A.) – sich zu dem Verlauf des Kontos der Schuldnerin in der hier
interessierenden Zeit nicht hinreichend geäußert, insbesondere die maßgeblichen
Kontostände nicht mitgeteilt, haben.
Soweit es die Zahlungen vom Geschäftskonto der Schuldnerin vom 01.10.2003 in Höhe
von 351,27 € und 4.000,00 € betrifft, ist es allerdings denkbar, dass das beklagte Land
insoweit in eine offene Kreditlinie gepfändet und somit ein wirksames
Pfändungspfandrecht erlangt hat. Sicher feststellen lässt sich dies aber nicht. Aus dem
Schreiben der kontoführenden Sparkasse U. vom 26.09.2003 (Bl. 91, 92 d.A.) ergibt sich
nämlich, dass der der Schuldnerin eingeräumte Kontokorrentkredit von 45.000,00 € bis
zum 06.10.2003 befristet war. Deshalb ist an sich denkbar, dass am 01.10.2003, also im
Zeitpunkt der Zahlungen, noch eine offene Kreditlinie bestand; sicher feststellen lässt
sich dies aber nicht.
Die nach dem 01.10.2003 erfolgten Zahlungen, nämlich die Zahlung vom 06.01.2004 in
Höhe von 11.989,88 € und die Zahlung vom 08.04.2004 in Höhe von 2.909,04 €, können
nach dem Inhalt des Schreibens der Sparkasse U. vom 26.09.2003 nicht aus einer
offenen Kreditlinie abgerufen worden sein. Denn der Kredit war hiernach bis zum
06.10.2003 befristet und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Schuldnerin die von
der Sparkasse geforderte Rückführung des Kontos hätte bewerkstelligen können.
Namentlich die sodann getroffene Rückführungsvereinbarung vom 21./24.10.2003 (Bl.
275, 276 d.A.) zeigt, dass die Sparkasse zwar an sich noch zu Zugeständnissen bereit
war, deren Erfüllung jedoch nicht ansatzweise vorgetragen ist.
Grundsätzlich trägt der Insolvenzverwalter die Darlegungslast für die Voraussetzungen
des Anfechtungsanspruchs.
Für die Entscheidung des Senats kann es dahingestellt bleiben, zu wessen Lasten es
geht, dass sich nicht feststellen lässt, ob den hier interessierenden Zahlungen eine
offene Kreditlinie zugrunde lag, weil im Streitfall dem beklagten Land die Kenntnis von
einer Benachteiligungsabsicht der Schuldnerin nicht nachgewiesen werden kann.
b) Ob die Schuldnerin mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt hat, kann offen bleiben.
Das beklagte Land müsste Kenntnis von dem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin
gehabt haben. Daran fehlt es.
Die im Berufungsrechtszug noch im Streit befangenen Zahlungen haben zu einer
inkongruenten Deckung, die regelmäßig als starkes Beweisanzeichen für einen
Benachteiligungsvorsatz des Schuldners zu werten ist (BGH ZIP 2004, 1160, 1161; BGH
ZIP2003, 1799), nicht geführt. Die Zahlungen beziehen sich sämtlich auf rückständige
Steuerschulden bzw. Säumniszuschläge, die fällig waren. Insoweit hat das beklagte Land
durch die angefochtenen Zahlungen nur das erlangt, worauf es Anspruch hatte, mithin
handelte es sich um eine kongruente Deckung. Der Umstand, dass das beklagte Land
Pfändungs- und Einziehungsverfügungen erlassen hat, führt nicht dazu, die hierdurch
bewirkten Zahlungen als inkongruente Deckung qualifizieren zu können. Die Zahlungen
sind nämlich sämtlich vor dem Dreimonatszeitraum des § 131 Abs. 1 Nr. 2 und 3 InsO
erfolgt und könnten selbst dann nicht als inkongruent angesehen werden, wenn sie zur
Abwendung von drohenden Zwangsvollstreckungsmaßnahmen geleistet worden wären
(BGH ZIP 2003, 1799, 1800).
Der Kläger als der Anfechtende hat die Tatsachen vorzutragen und notfalls zu beweisen,
aus denen sich die Kenntnis des Anfechtungsgegners von Umständen ergeben, die
zwingend auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners schließen lassen.
Der Kläger trägt nichts dafür vor, dass das beklagte Land im Hinblick auf eine der
Schuldnerin drohende Zahlungsunfähigkeit weitergehende Kenntnisse gehabt hätte. Das
beklagte Land kannte allein seine eigenen Forderungen, die es gegenüber der
Schuldnerin hatte. Darüber hinaus wusste das beklagte Land nichts, was auf eine
drohende Zahlungsunfähigkeit hätte schließen lassen, insbesondere hatte es keinerlei
Kenntnis von der Liquiditätslage der Schuldnerin.
Zwar war die Schuldnerin am 24.09.2003 mit der Kfz-Steuer in Höhe von 351,27 € (Bl. 82
d.A.) und am 25.09.2003 mit der Umsatzsteuer in Höhe von 15.703,38 € (Bl. 79 d.A.) in
Rückstand geraten. Jedoch hat die Schuldnerin die Kfz-Steuer sowie auch einen Teil der
Umsatzsteuer, nämlich 4.000,00 €, kurzfristig, nämlich innerhalb einer Woche,
ausgeglichen. Den Rest auf die Umsatzsteuer zahlte sie am 06.01.2004. Auch auf den
von der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 01.04.2004 betroffenen Rückstand
auf die Lohnsteuer in Höhe von 2.909,04 € (Bl. 84 d.A.) zahlte die Schuldnerin kurzfristig
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auf die Lohnsteuer in Höhe von 2.909,04 € (Bl. 84 d.A.) zahlte die Schuldnerin kurzfristig
innerhalb einer Woche.
Die aufgelaufenen Rückstände auf die Steuerschulden waren – jeweils – für sich gesehen
der Höhe nach nicht so herausragend, als dass die Bediensteten des Finanzamts schon
von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hätten ausgehen müssen.
Außerdem war die Schuldnerin in der Lage, die Rückstände auszugleichen, auch wenn
sie, wie in ihrem Schreiben vom 29.09.2003 (Bl. 142 d.A.) zum Ausdruck gebracht, auf
ein zeitlich beschränktes Entgegenkommen des Finanzamtes angewiesen war.
Insbesondere der Umstand, dass die Schuldnerin noch im April 2004 die damals in Rede
stehenden Steuerrückstände wiederum kurzfristig ausgeglichen hat, zeigt, dass sie sich
über den ganzen Zeitraum hinweg noch finanziell halten konnte.
Nach Lage des Falles lässt sich nicht feststellen, dass die Bediensteten des beklagten
Landes Kenntnis von Umständen gehabt hätten, die zwingend auf eine drohende
Zahlungsunfähigkeit des Schuldners schließen lassen.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die dafür in § 543 Abs. 2 ZPO aufgestellten
Voraussetzungen nicht vorliegen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 713
ZPO.
Streitwert im Berufungsrechtszug: 18.963,69 €.
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