Urteil des OLG Brandenburg vom 17.06.2010

OLG Brandenburg: vergütung, abweichende meinung, vergleich, strafverfahren, beauftragter, sammlung, beratung, drucksache, aufwand, link

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 1.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 Ws 123/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 68b StPO, Nr 4301 Nr 4 RVG-
VV
Leitsatz
Die Vergütung des gemäß § 68b StPO als Zeugenbeistand beigeordneten Rechtsanwalts
erfolgt nach Nr. 4301 Ziffer 4 VV RVG (Einzeltätigkeit).
(Aufgabe der bisher vertretenen Auffassung)
Tenor
Die Beschwerde des Rechtsanwalts …..gegen den Beschluss des Landgerichts
Neuruppin vom 17. Juni 2010 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
In der zu Grunde liegenden Strafsache wurde dem Zeugen … mit Beschluss des
Strafkammervorsitzenden vom 18. Dezember 2009 der Beschwerdeführer,
Rechtsanwalt…., unter Bezugnahme auf § 68b StPO als Beistand beigeordnet. Der
Beschwerdeführer begann daraufhin diverse Sacherörterungen zur Vorbereitung der
Zeugenaussage und nahm dann an der Hauptverhandlung am 27. Januar 2010 als
Zeugenbeistand teil. Anschließend beantragte er die Festsetzung seiner Vergütung in
Höhe von 666,40 €. Hierfür machte er neben Fahrtkosten die Grundgebühr, die
Verfahrensgebühr und die Terminsgebühr nach Nr. 4100, 4112, 4114 VV RVG geltend.
Mit Beschluss vom 8. März 2010 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die zu
erstattende Vergütung auf 304,64 € fest, da sie statt der beantragten Gebühren nach
Nr. 4100, 4112, 4114 VV RVG lediglich eine Gebühr für eine Einzeltätigkeit nach Nr. 4301
Ziffer 4 VV RVG als erstattungsfähig erachtete.
Hiergegen richtete sich der zutreffend als Erinnerung ausgelegte Rechtsbehelf des
Beschwerdeführers vom 15. März 2010. Der zuständige Einzelrichter der Kammer hat
die Sache dann wegen der grundsätzlichen Bedeutung durch Beschluss vom 28. Mai
2010 gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. 33 Abs. 8 Satz 2 RVG auf die Kammer
übertragen.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 17. Juni 2010 hat die 3. große Strafkammer des
Landgerichts Neuruppin die Erinnerung des Beschwerdeführers zurückgewiesen. Zur
Begründung hat es sich der gleichlautenden Meinung der Kostenbeamtin des Gerichts
und des Bezirksrevisors in seiner Stellungnahme vom 23. März 2010 angeschlossen und
ausgeführt, dass inzwischen in der Rechtsprechung eine von der Rechtsprechung des
Senats (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Februar 2007, Az.: 1 Ws 23/07; zitiert nach juris)
abweichende Meinung im vordringen sei, welcher nach Betrachtung der Systematik der
in Betracht kommenden Gebührentatbestände des 4. Teils des VV RVG der Vorzug zu
geben sei.
Gegen diese am 15. Juli 2010 zugestellte Entscheidung hat der Beschwerdeführer mit
Schriftsatz vom 16. Juli 2010 Beschwerde eingelegt und darauf hingewiesen, dass die
angefochtene Entscheidung sich nicht genügend mit der entgegenstehenden
Rechtsprechung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auseinandergesetzt habe.
Gerade im vorliegenden Fall sei es um komplexe Anklagevorwürfe gegangen, die sich
nur in einer Einzeltat mit denen dem Zeugen …bisher zur Last gelegten Taten
überschnitten habe. Der Zeuge sei aber als Mitwirkender bei den hiesigen Taten
vernommen worden, weshalb für jeden einzelnen Tatkomplex für den Zeugen ... die
Voraussetzungen des § 55 StPO zu prüfen gewesen seien. Es seien weitergehende
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Voraussetzungen des § 55 StPO zu prüfen gewesen seien. Es seien weitergehende
Erörterungen mit dem Mandanten und dem Strafkammervorsitzenden im Vorfeld der
Zeugenvernehmung zu führen gewesen. Eine „Disqualifizierung“ dieser Tätigkeit des
Beschwerdeführers als „Einzeltätigkeit“ im Sinne der Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG sei
unangemessen.
Mit Entscheidung vom 21. Juli 2010 hat die 3. große Strafkammer des Landgerichts
Neuruppin der Beschwerde des Beschwerdeführers nicht abgeholfen und die Sache dem
Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG statthafte Beschwerde ist form- und fristgerecht
eingelegt worden. Ihr ist nicht abgeholfen worden (§ 33 Abs. 4 RVG). In der Sache ist sie
unbegründet.
Zutreffend hat das Landgericht Neuruppin in der angefochtenen Entscheidung die
uneinheitliche Rechtsprechungspraxis zur Frage der Vergütung des gemäß § 68b StPO
als Zeugenbeistand beigeordneten Rechtsanwalts wie folgt dargestellt:
„Teilweise wird ebenso wie durch das Brandenburgische Oberlandesgericht auch eine
Vergütung nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG zugelassen (vgl. etwa OLG Köln, 2. Strafsenat,
Beschluss vom 07.05.2008 - 2 Ws 220/08, StraFo 2008, 350; OLG Düsseldorf, 2.
Strafsenat, Beschluss vom 07.11.2007 - 111-2 Ws 257/07, 2 Ws 257/07, zitiert nach juris;
so auch noch OLG Hamm, 2. Strafsenat, Beschluss vom 07.11.2007 - 2 Ws 289/07,
StraFo 2008, 45, siehe allerdings die Aufgabe dieser Auffassung mit Beschluss vom
14.07.2009 - 2 Ws 159/09; OLG Dresden, 2. Strafsenat, Beschluss vom 06.11.2007 - 2
Ws 495/06, AGS 2008, 126; OLG München, 1. Strafsenat, Beschluss vom 29.03.2007 - 1
Ws 354/07, AGS 2008, 120; OLG Stuttgart, 1. Strafsenat, Beschluss vom 14.11.2006 - 1
Ws 331/06, NStZ 2007, 343; OLG Schleswig, 1. Strafsenat, Beschluss vom 03.11.2006 -
1 Ws 450/06; NStZ-RR 2007, 126; OLG Koblenz, 1. Strafsenat, Beschluss vom
11.04.2006 - 1 Ws 201/06 NStZ-RR 2006, 254; so auch noch KG Berlin, 5. Strafsenat,
Beschluss vom 15.03.2006 - 5 Ws 506/05, StraFo 2007, 41, siehe allerdings die a. A. des
nunmehr zuständigen 1. Strafsenats des KG, Beschluss vom 07.05.2009 - 1 Ws 47/09 -;
siehe im Übrigen auch: Burhoff, RVG, 2. Aufl., Vorbemerkung 4.1 Rnr. 6 ff.; Schmahl in
Riedel/Sußbauer, RVG, 9. Aufl., VV Teil 4 Abschnitt 1 Rnr. 189), wobei auch innerhalb
dieser Auffassung ungeklärt ist, welche der dem Verteidiger nach Teil 4 Abschnitt 1 VV
RVG eröffneten Gebühren einem Zeugenbeistand zu vergüten sind. Das Spektrum reicht
von der regelmäßig erfolgenden Festsetzung der einem Verteidiger entsprechenden
Vergütung über die regelmäßig nur die Grund- und Terminsgebühr nicht aber die
Verfahrensgebühr umfassende Festsetzung bis hin zu der Auffassung des
Brandenburgischen Oberlandesgerichts, wonach eine Vergütung je nach den Umständen
des Einzelfalls vom bloßen Vorliegen einer Einzeltätigkeit bis hin zu der gleichen
Vergütung wie für einen Verteidiger in Betracht kommt. Hingegen wird in der
obergerichtlichen Rechtsprechung in jüngerer Zeit teilweise eine Vergütung lediglich
wegen einer Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 Ziffer 4 VV zugelassen (vgl. etwa OLG
Hamburg, 2. Strafsenat, Beschluss vom 05.05.2010 - 2 Ws 34/10, zitiert nach juris; OLG
Hamm, 2.Strafsenat, Beschluss vom 14.07.2009 - 2 Ws 159/09, StraFo 2009, 474; KG, 1.
Strafsenat, Beschluss vom 07.05.2009 - 1 Ws 47/09, zitiert nach juris; OLG Jena, 1.
Strafsenat, Beschluss vom 09.02.2009 - 1 Ws 370/08, zitiert nach juris; OLG Düsseldorf,
3. Strafsenat, Beschluss vom 05.02.2009 - 111-3 Ws 45 1/08, 3 Ws 45 1/08, zitiert nach
juris; OLG Karlsruhe, 1. Strafsenat, Beschluss vom 28.10.2008 - 1 Ws 176/08, StraFo
2009, 262; OLG Stuttgart, 5. Strafsenat, Beschluss vom 30.05.2008 - 5 - 2 StE 2/05,
zitiert nach juris, allerdings offen lassend, ob in Ausnahmefallen nicht dennoch Teil 4
Abschnitt 1 VV RVG Anwendung finden könne, NStZ-RR 2008, 328; OLG Hamm, 4.
Strafsenat, Beschluss vom 28.05.2008 - 4 Ws 91/08, zitiert nach juris; OLG Bamberg, 1.
Strafsenat, Beschluss vom 14.04.2008 - 1 Ws 157/08, DAR 2008, 493; OLG Zweibrücken
1. Strafsenat, Beschluss vom 19.02.2008 - 1 Ws 346/07, StRR 2008, 163; OLG Dresden,
3. Strafsenat, Beschluss vom 17.12.2007 - 3 Ws 84/07, RVGReport 2008, 265 unter
Aufgabe der Rechtsprechung aus OLG Dresden, Beschluss vom 13.06.2007 - 3 Ws
36/07; OLG Celle, 1. Strafsenat, Beschuss vom 21.05.2007 - 1 Ws 195/07, zitiert nach
juris; OLG Oldenburg, 1. Strafsenat, Beschluss vom 21.03.2007 - 1 Ws 101/07, zitiert
nach juris; OLG Frankfurt, 5. Strafsenat, Beschluss vom 26.02.2007 - 5 - 1 BJs 322/85 -2-
3/05, 5-1 BJs 322/85-2-3/05, zitiert nach juris).“
Im vorliegenden Fall haben sich die Kostenbeamtin, der Bezirksrevisor und die 3.
Strafkammer des Landgerichts Neuruppin in ihren jeweiligen Entscheidungen der zuletzt
genannten Auffassung angeschlossen, wonach die Vergütung des beigeordneten
Zeugenbeistandes nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG wegen einer Einzeltätigkeit nach Nr.
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Zeugenbeistandes nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG wegen einer Einzeltätigkeit nach Nr.
4301 Ziffer 4 VV RVG zu erfolgen habe. Der Senat gibt nach Prüfung der genannten
Entscheidungen seine bisherige Rechtsprechung zur Vergütung des beigeordneten
Zeugenbeistands auf und schließt sich der in der angefochtenen Entscheidung
dargestellten Auffassung an.
Die Strafkammer hat in der angefochtenen Entscheidung überzeugend argumentiert
und dabei zutreffend die wesentlichen Gründe für eine Vergütung des beigeordneten
Zeugenbeistands nach den Vorschriften für eine Einzeltätigkeit wie folgt dargestellt:
„[1.] Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der maßgeblichen Regelungen des
Vergütungsverzeichnisses des RVG. Absatz 1 der Vorbemerkung zu Teil 4 VV RVG
ordnet die entsprechende Anwendung der Vorschriften des gesamten Teils 4 VV RVG auf
den Beistand eines Zeugen an. Eine entsprechende Anwendung setzt voraus, dass Art
und Umfang der ausgeübten Tätigkeit festgestellt wird, da nur in diesem Fall die
vergleichbaren und damit entsprechend anzuwendenden Gebührentatbestände ermittelt
werden können. Art und Umfang der Tätigkeit des beigeordneten Zeugenbeistands folgt
gemäß § 48 RVG aus dem Beiordnungsbeschluss. Der Umfang des
Beiordnungsbeschlusses folgt seinerseits aus § 68b StPO. [] sieht vor, dass die
Beiordnung „erfolgt. Eine Beiordnung für die Dauer der
Vernehmung entspricht hierbei der in Teil 4 Abschnitt 3 vorgesehenen Einzeltätigkeit als
Beistand des Beschuldigten bei Vernehmungen gemäß Ziffer 4301 Nr. 4 VV RVG. Denn
diese Tätigkeit als Beistand des Beschuldigten bei Vernehmungen erfordert ebenso wie
die Tätigkeit als beigeordneter Zeugenbeistand Vorbereitung und Teilnahme an der
Vernehmung, ohne dass gleichzeitig eine über diese einzelne Vernehmung
hinausgehende umfassende Verteidigung oder sonstige Begleitung erfolgt. Die
Vergütung des beigeordneten Zeugenbeistands als Einzeltätigkeit nach Ziffer 4301 Nr. 4
VV RVG ist nach dem Wortlaut der maßgeblichen Vorschriften die Folge.
[2.] Dieses Ergebnis entspricht auch dem dokumentierten Willen des Gesetzgebers
sowie der Systematik des Gesetzes. Der Gesetzgeber hat in der Begründung zur
Einführung des § 68b StPO im Gesetzentwurf zum Zeugenschutzgesetz vom 11. März
1997, BT-Drucks. 13/7165, auf S. 9 ausgeführt:
[S. 9].“ § 91 BRAGO sah zu dieser Zeit eine Vergütung als Einzeltätigkeit
vor. Der Gesetzgeber wollte also bei der Einführung des § 68b StPO, dass der
beigeordnete Zeugenbeistand eine Vergütung für eine Einzeltätigkeit erhält. Dieser
Wertung der Beistandsleistung eines beigeordneten Zeugenbestands als Einzeltätigkeit
steht auch nicht entgegen, dass der Gesetzgeber in der Begründung zum Entwurf des
Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 11. November 2003 (BT-Drucks.
15/1971 5. 220) ausgeführt hat:
Zwar können diese Ausführungen auch so
verstanden werden, dass dem beigeordneten Zeugenbeistand die gleichen Gebühren
wie einem Verteidiger zustehen sollen. Allerdings steht eine derartige Deutung der
Gesetzesbegründung im Widerspruch zu der Systematik des Vergütungsverzeichnisses.
Denn in den Vorbemerkungen zu Teil 3 Abs. 1 VV RVG, dem Abschnitt über Zivilsachen
u. a., wird angeordnet, dass für die Tätigkeit als Beistand eines Zeugen
entstehen. In
Teil 3 VV RVG steht damit fest, dass ein Beistand gleich einem Verteidiger zu vergüten
ist. Entsprechendes ist auch in Teil 2 Abs. 2 sowie Teil 5 Abs. 1 geregelt. Hingegen sieht
die Vorbemerkung zu dem hier maßgeblichen Teil 4 in Abs. 1 VV RVG lediglich vor, dass
[des Teils 41 Hätte der Gesetzgeber
daher tatsächlich auch für den beigeordneten Zeugenbeistand nach § 68b StPO die
gleiche Vergütung wie für einen Verteidiger festlegen wollen, so hätte die Verwendung
der in den anderen Teilen des VV RVG verwendeten und dem Gesetzgeber damit
bekannten Formulierung „die gleichen Gebühren wie für einen Verteidiger“ nahe
gelegen. Dies deutet gleichzeitig darauf hin, dass der Gesetzgeber keine Vergütung
eines jeden Zeugenbeistandes gleich einem Verteidiger wollte, da er die ihm bekannte
Formulierung „die gleichen Gebühren wie für einen Verteidiger“ nicht verwendet hat.
Vielmehr deutet die zu Beginn des Teils 4 VV RVG angeordnete entsprechende
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Vielmehr deutet die zu Beginn des Teils 4 VV RVG angeordnete entsprechende
Anwendbarkeit des gesamten Teils 4 VV RVG darauf hin, dass der Gesetzgeber eine
differenzierende Anwendung der Vergütungsregelungen nach der jeweiligen Art des
Zeugenbeistandes eröffnen wollte. Denn er hat gerade nicht die Anwendung einer
konkreten Regelung des Teils 4 VV RVG oder zumindest eines Abschnitts des Teils 4 VV
RVG festgelegt. Vielmehr hat der Gesetzgeber angeordnet, dass im gesamten Teil 4 VV
RVG eine entsprechende Anwendung von Vorschriften für Zeugenbeistände geprüft
werden muss. Das Bedürfnis nach einer derartigen nur in Teil 4 VV RVG, nicht aber in Teil
2, 3 und VV RVG differenzierenden Regelung über die Vergütung eines
Zeugenbeistands erklärt sich wiederum zwanglos aus den Besonderheiten des für Teil 4
VV RVG maßgeblichen Strafprozessrechts. Denn lediglich im Anwendungsbereich der
StPO ist neben einem gewählten Zeugenbeistand auch ein beigeordneter
Zeugenbeistand denkbar, da nur die StPO in § 68b eine Beiordnung vorsieht. Die
Unterschiede zwischen gewähltem und beigeordnetem Zeugenbeistand erfordern
wiederum eine differenzierende Regelung. Denn der gewählte Zeugenbeistand ist ein
von dem Zeugen selbst beauftragter Beistand, dem eine umfassende Beratung im
gesamten Verfahren durch den Zeugen übertragen werden kann. Hingegen wird der
beigeordnete Beistand in dem von § 68 b StPO vorgegebenen Rahmen tätig und ist
lediglich für die Dauer der Vernehmung beigeordnet. Unter Berücksichtigung dieser
unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche von gewähltem und beigeordnetem
Zeugenbeistand lassen sich dann auch Gesetzesbegründung und Systematik wieder in
Einklang bringen: Gewählter und beigeordneter Beistand sollen gemäß Abs. 1 der
Vorbemerkung zu Teil 4 VV RVG nach Teil 4 VV RVG vergütet werden. Dem gewählten
Beistand sollen hierbei nach der Begründung in BT-Drucksache 15/1971, S. 220
Abrechnungsmöglichkeiten wie einem Verteidiger, also nach Abschnitt 1 des Teils 4 VV
RVG offenstehen. Für den beigeordneten Zeugenbeistand bleibt es hingegen bei der
Aussage aus S. 9, BT-Drucks. 13/7165, er ist von der Staatskasse für eine Einzeltätigkeit
zu vergüten. Denn der Gesetzgeber hat die in anderen Abschnitten des VV RVG
verwendete Formulierung „die gleichen Gebühren wie für einen Verteidiger“ in dem hier
maßgeblichen Teil 4 nicht verwendet.
[3.] Dieses aus Wortlaut, Gesetzesbegründung und Systematik abgeleitete Ergebnis
fügt sich auch in Sinn und Zweck des Gesetzes ein. Denn ausweislich der Begründung
zum Entwurf des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 11. November
2003 stellt das RVG auch leistungsorientierte Vergütungsregelungen auf (BT-Drucks.
15/1971, S. 156). Eine Anwendung des 1. Abschnittes von Teil 4 VV RVG für den
beigeordneten Zeugenbeistand stünde zu einer leistungsorientierten Vergütung in
offensichtlichem Widerspruch. Denn eine Anwendung des 1. Abschnitts von Teil 4 VV
RVG würde dazu führen, dass ein beigeordneter Zeugenbeistand im Vergleich zum
Vernehmungsbeistand eines Beschuldigten bei vergleichbarem Aufwand ein Mehrfaches
an Vergütung erhielte, obwohl sowohl der Zeugenbeistand als auch der
Beschuldigtenbeistand jeweils die Vernehmung ihres Mandanten vorbereiten und
begleiten müssen. Ferner würde die Anwendung von Abschnitt 1 Teil 4 VV RVG auf den
beigeordneten Zeugenbeistand dazu führen, dass er im Vergleich zu einem Verteidiger
für einen Bruchteil des Aufwandes die gleiche oder zumindest in Teilen gleiche
Vergütung erhielte.“
Aus denselben Gründen haben sich auch das Hanseatische Oberlandesgericht (zunächst
im oben schon genannten Einzelrichterbeschluss vom 5. Mai 2010, Az.: 2 Ws 34/10 und
dann im Senatsbeschluss vom 2. August 2010, Az.: 2 Ws 95/10; beides zitiert nach juris)
und das OLG Braunschweig (Beschluss vom 6. Juli 2010, Az.: Ws 163/10; zitiert nach
juris) dafür entschieden, dass die Vergütung des beigeordneten Zeugenbeistandes nach
Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG wegen einer Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 Ziffer 4 VV RVG zu
erfolgen habe. Gleiches gilt für den Senat. Hinzukommt, dass diese Lösung im Vergleich
zu der bisher vom Senat favorisierten Lösung in der Praxis zu weniger uneinheitlichen
Entscheidungen führt, weil sie für den im Einzelfall zuständigen Kostenbeamten weniger
Prüfungsaufwand hinsichtlich der jeweils von dem beigeordneten Zeugenbeistand
entfalteten Tätigkeit bedeutet.
Soweit der Beschwerdeführer meint, seine Tätigkeit sei im vorliegenden Fall besonders
aufwändig gewesen und werde durch die festgesetzte Vergütung „disqualifiziert“, ist ihm
entgegen zu halten, dass es ihm unbenommen bleibt, aus diesen Gründen gemäß § 51
RVG als gerichtlich bestellter Rechtsanwalt einen Antrag auf Festsetzung einer
Pauschalgebühr zu stellen. In Fällen, in denen die Einzeltätigkeitsgebühr den von dem
beigeordneten Zeugenbeistand tatsächlich geleisteten Tätigkeitsumfang nur
unzumutbar gering honoriert, ist dies der vom Gesetzgeber vorgesehene Weg zur
Erreichung einer angemessene Vergütung des Rechtsanwalts (vgl. Hanseatisches OLG
Hamburg Beschluss vom 5. Mai 2010, Az.: 2 Ws 34/10, zitiert nach juris). Der
entsprechende Antrag auf Festsetzung einer Pauschalgebühr nach § 51 RVG kann auch
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entsprechende Antrag auf Festsetzung einer Pauschalgebühr nach § 51 RVG kann auch
dann noch vom beigeordneten Zeugenbeistand gestellt werden, wenn die gesetzlichen
Gebühren bereits festgesetzt und sogar schon ausgezahlt worden sind (Thüringer OLG
Beschluss vom 30. Oktober 2007, Az.: 1 AR (S) 72/07, zitiert nach juris).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.
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