Urteil des OLG Brandenburg vom 10.12.2007

OLG Brandenburg: streitige gerichtsbarkeit, scheidung, abgrenzung, miteigentümer, trennung, miteigentum, haus, wohnung, vergütung, klagebegehren

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht
13. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
13 W 4/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 745 Abs 2 BGB, § 1008 BGB, §
1361b Abs 3 S 2 BGB, § 621 Abs
1 ZPO
Zuständigkeit für einen Nutzungsentschädigungsanspruch des
geschiedenen Ehegatten für die Alleinnutzung eines im
Miteigentum stehenden Hausgrundstücks
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landgerichts Potsdam
vom 10.12.2007 aufgehoben.
Gründe
1. Durch den angefochtenen Beschluss hat das Landgericht Potsdam den Rechtsweg zur
ordentlichen Gerichtsbarkeit für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das
Amtsgericht Potsdam - Familiengericht - gestützt auf §§ 17a GVG, 621 Abs. 1 Nr. 5 ZPO
verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die beanspruchte
Nutzungsentschädigung für das im Miteigentum der Parteien stehende, von der
Beklagten seit der Trennung der Parteien allein von der Beklagten bewohnte Haus, von
der unterhaltsrechtlichen Problematik überlagert werde. Der Vorteil des mietfreien
Wohnens im eigenen Haus sei bei dem für die Bestimmung der ehelichen
Lebensverhältnisse maßgebenden Einkommen zu berücksichtigen. Dies gelte
unabhängig davon, ob eine rechtskräftige Entscheidung zum nachehelichen Unterhalt
ergangen sei oder nicht. Aus diesem Grund könne ein
Nutzungsentschädigungsanspruch auch nicht isoliert geltend gemacht werden.
Gegen den ihm am 11. Dezember 2007 zugestellten Beschluss hat der Kläger am
27.12.2007 sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung macht er geltend, dass
dann, wenn wie vorliegend eine Unterhaltsregelung, bei der der Wohnvorteil
berücksichtigt worden sei, nicht getroffen worden sei, der die Wohnung nicht nutzende
Ehegatte isoliert eine Nutzungsvergütung nach § 745 Abs. 2 BGB verlangen könne.
Entgegen der im angefochtenen Beschluss vertretenen Auffassung seien insoweit nicht
die Regelungen der Hausratsverordnung, sondern ausschließlich § 745 BGB einschlägig.
2. Die gemäß §§ 17 a Abs. 4 Satz 2 GVG, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässige, insbesondere
fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Das Landgericht hat den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten zu Unrecht für
unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Familiengericht verwiesen.
a) Die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit stellt gegenüber dem bei dem Amtsgericht
als besondere Abteilung geführten Familiengericht schon keinen anderen Rechtsweg im
Sinne des § 17 a GVG dar. Vielmehr betrifft die Abgrenzung zwischen ordentlicher
streitiger Gerichtsbarkeit und Familiengericht innerhalb desselben Gerichts die
unmittelbar in § 621 ZPO geregelte gerichtsinterne Geschäftsverteilung (BGH MDR 2004,
698, 699). Steht wie hier eine Verweisung vom Landgericht an das Amtsgericht in Rede,
geht es ebenfalls nicht um eine Rechtswegfrage. § 13 GVG, der die Voraussetzungen für
die Eröffnung des Rechtsweges zu den ordentlichen Gerichte zum Inhalt hat, dient der
Abgrenzung der ordentlichen Gerichtsbarkeit von den übrigen selbständigen
Gerichtszweigen und der Verwaltungsgerichtsbarkeit (Zöller-Gummer, ZPO, 26. Aufl., §
13 GVG Rn. 2). Nach § 13 GVG gehören vor die ordentlichen Gerichte alle bürgerlichen
Rechtsstreitigkeiten und Strafsachen, für die nicht entweder die Zuständigkeit von
Verwaltungsbehörden oder -gerichten begründet ist oder für die aufgrund von
Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind.
Besondere Gerichte im Sinne eines selbständigen Gerichtszweiges und damit eines
besonderen Rechtsweges sind die Gerichte der Schifffahrt, § 14 GVG, die
Arbeitsgerichte, § 48 ArbGG, Patentgerichte, Art 96 Abs. 1 GG und §§ 95 ff PatG.
Spruchkörper, die im Rahmen der allgemeinen Gerichtsorganisation des § 12 GVG
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Spruchkörper, die im Rahmen der allgemeinen Gerichtsorganisation des § 12 GVG
gesetzlich für Spezialaufgaben vorgeschrieben oder vorgesehen sind, sind
demgegenüber keine besonderen Gerichte im Sinne des § 14 GVG. Vielmehr sind sie
Spruchkörper der allgemeinen ordentlichen Gerichtsbarkeit (Kissel, GVG, 4. Aufl., § 14 Rn
18). Das Familiengericht als Abteilung des Amtsgerichts, § 23b GVG, ist Teil der
ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit. Diese wird gemäß § 12 GVG durch die Amts-,
Land- und Oberlandesgerichte sowie durch den Bundesgerichtshof ausgeübt.
b) Allenfalls wäre vorliegend eine analoge Anwendung der §§ 17 ff. GVG in Betracht zu
ziehen. Für die Abgrenzung zwischen freiwilliger und ordentlicher streitiger
Gerichtsbarkeit ist die entsprechende Anwendung der §§ 17 - 17b GVG höchstrichterlich
anerkannt (BGH MDR 2003, 515). Soweit es um Ansprüche wegen nachehelichen
Unterhalts geht, steht eine solche indessen nicht in Rede. Verfahren nach § 621 Abs. 1
Nr. 5 ZPO wegen nachehelichen Unterhalts sind in § 621a Abs. 1 ZPO den
Familiensachen aus dem Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit gerade nicht
zugewiesen; sie unterliegen ausschließlich den Verfahrensregelungen der ZPO.
Ebenso wenig ist eine Abgrenzung zwischen ordentlicher streitiger und freiwilliger
Gerichtsbarkeit unter dem Gesichtspunkt des § 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO, Regelungen nach
der HausratsVO, veranlasst und damit Raum für eine entsprechende Anwendung der §§
17 ff GVG. Allerdings ist das Verfahren nach §§ 1361b Abs. 2 BGB, 18 a HausratsVO
betreffend Ansprüche auf eine Vergütung für die Benutzung der Ehewohnung während
der Trennung Familiensache im Sinne des § 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO. Auf dieses finden die
Vorschriften der HausratsVO Anwendung. Deren Verfahren ist wegen der
rechtsgestaltenden Wirkung als Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit konzipiert
(Palandt-Brudermüller, BGB, 67. Aufl., Anh. Zu § 1361 a, 1361 b, Einführung, Rn 7). Ein
nach den v.g. Bestimmungen dem Verfahren der HausratsVO unterliegender Fall liegt
hier indessen nicht vor. Die Parteien leben seit über fünf Jahren getrennt und sind seit
nahezu 1 ½ Jahren rechtskräftig geschieden. Nutzungsentschädigung begehrt der Kläger
zudem ausschließlich für die Zeit seit der Scheidung, wobei er seinen Anspruch
ausschließlich auf § 745 Abs. 2 BGB stützt. Die Qualifizierung eines Rechtsstreits als
zivilprozessual oder dem Familienrecht zugehörig, richtet sich nach der Begründung des
geltend gemachten Anspruchs (BGH, FamRZ 1980, 988; OLG Brandenburg, NJW-RR
2006, 1302; KG NJW-RR 2007, 798). Andere Rechtsgrundlagen als § 745 Abs. 2 BGB
kommen für die beanspruchte Nutzungsentschädigung nicht in Betracht. Während nach
der Neufassung des § 1361 b Abs. 3 Satz 2 BGB diese Regelung für die Zeit der
Trennung zunehmend als eine den § 745 BGB verdrängende Sonderregelung betreffend
die Nutzung der Ehewohnung durch einen der Ehegatten und eine dafür vom anderen
Ehegatten zu beanspruchende Vergütung angesehen wird (vgl. OLG Brandenburg,
FamRZ 2006, 1392; OLG Dresden, NJW 2005, 3151; Palandt-Brudermüller, a.a.O., § 1361
b Rn. 20), fehlt für die Zeit nach der Scheidung eine entsprechende gesetzliche
Vorschrift. Den Anwendungsbereich des § 1361 b Abs. 3 Satz 2 BGB und damit den der
HausratsVO, § 18 a, über seinen Wortlaut hinaus auf erst nach der Scheidung geltend
gemachte Nutzungsentschädigungsansprüche auszudehnen, besteht kein Anlass. Es
fehlt bereits an der für eine entsprechende Anwendung der §§ 1361 b BGB, 2, 3
HausratsVO vorausgesetzten Regelungslücke. Die für die Nutzungsverhältnisse an
Miteigentum einschlägige Regelung des § 745 Abs. 2 BGB wird nach der Scheidung der
Ehe der Miteigentümer nicht (mehr) durch § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB als lex specialis
verdrängt. Die Miteigentümer sind nicht mehr Ehegatten, die Wohnung ist nicht mehr
Ehewohnung im Sinne der §§ 1361 a f. BGB. Dementsprechend endet mit Auflösung der
Ehe die Zulässigkeit eines selbständigen Verfahrens nach §§ 1361 a, b BGB i.V.m. § 18 a
HausratsVO (Palandt-Brudermüller, a.a.O., § 18 a HausratsVO, Rn. 2). Ausgehend davon
steht einem dem anderen die alleinige Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums
überlassenden Miteigentümer nach Rechtskraft der Scheidung zur Durchsetzung seines
Nutzungsentschädigungsanspruchs ausschließlich der Weg über die allgemeinen
Vorschriften betreffend die Verwaltung von Bruchteilseigentum, insbesondere über § 745
Abs. 2 BGB, zu den ordentlichen Gerichten zur Verfügung. Die vom Landgericht zur
Begründung seiner Auffassung u. a. angeführte Gefahr abweichender Entscheidungen
zur Nutzungsvergütung für die Trennungszeit durch die Familiengerichte einerseits und
für die Zeit nach der Scheidung durch die ordentlichen Gerichte andererseits, ist
hinnehmbar, weil gering. Sie würde sich nur in den Fällen realisieren, in denen im
Verfahren nach §§ 1361 b Abs. 3 Satz 2 BGB, 18 a HausratsVO eine auf die
Trennungszeit begrenzte Nutzungs- und -vergütungsregelung getroffen wird und die
Parteien für die Zeit Nutzungsregelung nach der Scheidung weder von der Möglichkeit
der Fortführung des Verfahrens nach §§ 1 ff HausratsVO (vgl. Palandt-Brudermüller,
a.a.O., § 18 a HausratsVO, Rn. 2) noch von der einer einvernehmlichen Regelung
Gebrauch machen.
Nach alledem käme allenfalls eine Verweisung wegen sachlicher Unzuständigkeit in
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Nach alledem käme allenfalls eine Verweisung wegen sachlicher Unzuständigkeit in
Betracht und bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO
eine Zuständigkeitsbestimmung durch das Oberlandesgericht in Betracht. Da jedoch
schon der angefochtene Beschluss des Landgerichts nicht rechtskräftig ist, ist für eine
Zuständigkeitsbestimmung ebenfalls kein Raum.
c) Nach den vorstehenden Ausführungen fehlt es zudem für das Klagebegehren an der
sachlichen Zuständigkeit des Familiengerichts. § 621 ZPO enthält eine abschließende
Aufzählung der vor das Familiengericht gehörenden Familiensachen; andere
vermögensrechtliche Streitigkeiten zwischen geschiedenen Eheleuten wie die betreffend
die Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums sind keine Familiensachen. Durch die
von der Beklagten hilfsweise erklärte Aufrechnung mit Gegenansprüchen auf Gewährung
nachehelichen Unterhalts wird eine Zuständigkeit des Familiengerichts nach § 621 Abs.
1 Nr. 5 ZPO ebenfalls nicht begründet (vgl. Zöller-Philippi, a.a.O., § 621 Rn. 67, 3 b
m.w.N.).
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