Urteil des OLG Brandenburg vom 07.12.2007

OLG Brandenburg: haftung des staates, verschuldenshaftung, verkehrsunfall, passivlegitimation, form, schuldrecht, vollstreckung, kennzeichen, link, quelle

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht
12. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 U 70/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 839 BGB, Art 34 GG, § 18 StVG
Amtshaftung: Verkehrsunfall bei einer Transportfahrt der
Bundeswehr
Tenor
Die Berufung der Beklagten zu 2. wird verworfen.
Auf die Berufung des Beklagten zu 1. wird das am 7. Dezember 2007 verkündete Urteil
der 4. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Potsdam, Az.: 4 O 397/06, teilweise
abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, an die Klägerin 730,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. August 2006 zu zahlen. Im
Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 92 % und der
Beklagte zu 2. 8 % zu tragen. Davon sind ausgenommen die außergerichtlichen Kosten
des Beklagten zu 1. wie auch die Mehrkosten, die durch die Anrufung des unzuständigen
Amtsgerichts Potsdam entstanden sind; diese trägt die Klägerin allein.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden wie folgt verteilt:
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die
Klägerin und die Beklagte zu 2. je 1/2.
Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1. trägt die Klägerin; die Beklagte zu 2.
trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin und der Beklagten zu 2. wird
nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige
Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt von den Beklagten als Gesamtschuldner Schadensersatz nach
einem Verkehrsunfall, der sich am 22.03.2006 gegen 07:20 Uhr in G. auf dem …weg
ereignet hat. Beteiligt waren das Fahrzeug der Klägerin, ein Pkw Daewoo mit dem
amtlichen Kennzeichen …, zum Zeitpunkt des Unfalls geführt durch den Zeugen W. F.
und der Omnibus Setra der Beklagten zu 2., mit dem Kennzeichen …, geführt vom
Beklagten zu 1. Der betreffende Streckenabschnitt ist von Bäumen und Granitsteinen
gesäumt, die Fahrbahn weist eine Breite von insgesamt 4,5 m auf. Für den Verkehr in
Richtung P. existieren insgesamt 3 Haltebuchten. In dieser Richtung befindet sich vor
dem betreffenden Streckenabschnitt das Verkehrszeichen Z 121.
Der Zeuge F. befuhr mit dem Pkw der Klägerin den …weg in Richtung P., ihm entgegen
kam der Bus der Beklagten zu 2. mit dem Soldaten zum Truppenübungsplatz L.
gebracht werden sollten. Etwa 150 - 160 m hinter der aus Sicht des Zeugen F. letzten
Haltebucht kam es zur Kollision der Fahrzeuge. Hierdurch wurde der Pkw der Klägerin auf
der Fahrerseite an Spiegel, Hecktür, am Rad und Radlauf hinten sowie am hinteren
Stoßfänger beschädigt. Die Klägerin hat erstinstanzlich einen Schaden in Höhe von
4.516,16 € nebst Zinsen geltend gemacht, darunter Reparaturkosten, Kosten eines
Sachverständigengutachtens, Wertminderung sowie Nutzungsausfall. Wegen der
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Sachverständigengutachtens, Wertminderung sowie Nutzungsausfall. Wegen der
weiteren Einzelheiten zum Unfallhergang wie auch zur Schadenshöhe wird auf den
Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO.
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme über den Unfallhergang durch Vernehmung
der Zeugen W. F., H. F., R. und F. die Beklagten gem. §§ 7, 17, 18 StVG bzw. § 839 i.V.m.
Art. 34 GG unter Abweisung der Klage im Übrigen als Gesamtschuldner verurteilt, an die
Klägerin 730,18 € nebst Zinsen zu zahlen. Wegen der Begründung wird auf die
Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Die Beklagten haben gegen das ihnen unter dem 28.02.2008 zugestellte Urteil mit
einem am 25.03.2008 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen
Schriftsatz Berufung eingelegt und das Rechtsmittel mit einem am 28.04.2008
eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Beklagten rügen, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft die Passivlegitimation des
Beklagten zu 1. angenommen. Seine persönliche Haftung sei wegen der
Haftungsprivilegierung des § 839 BGB/Art. 34 GG ausgeschlossen. Im Übrigen habe er
den Unfall auch nicht verschuldet. Eine gesamtschuldnerische Haftung beider Beklagten
bestehe deshalb nicht. Des Weiteren rügen die Beklagten eine Verletzung der §§ 309,
310, 311 ZPO, da infolge der mehrfachen Verlegung des Urteils bis zum 07.12.2007
nicht erkennbar sei, ob die erkennende Richterin die von den Parteien bis zu diesem
Zeitpunkt eingereichten Schriftsätze zur Kenntnis genommen habe.
Die Beklagten beantragen,
unter Abänderung des am 07.12.2007 verkündeten Urteils des Landgerichts
Potsdam, Az.: 4 O 397/06, zugestellt am 28.02.2008, die Klage gegen den Beklagten zu
1. abzuweisen.
Die Klägerin beantragt - unter Verteidigung des erstinstanzlichen Urteils -,
die Berufung des Beklagten zu 1. zurückzuweisen,
die Berufung der Beklagten zu 2. als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise
zurückzuweisen.
II.
Die Berufung des Beklagten zu 1. ist zulässig, insbesondere form- sowie fristgerecht
eingelegt und begründet worden, §§ 511, 517, 519, 520 ZPO. Der Beklagte zu 1. hat
auch Berufungsgründe i.S.d. § 520 Abs. 3 ZPO vorgetragen. Er stützt sein Rechtsmittel
unter anderem darauf, das Landgericht habe fälschlicherweise eine
Gesamtschuldnerschaft zwischen beiden Beklagten angenommen, da es die
Haftungsüberleitung gem. § 839 BGB/Art. 34 GG nicht beachtet habe, die seine
Passivlegitimation ausschließe. Der Beklagte zu 1. macht damit Rechtsfehler geltend,
auf denen das Urteil beruhen kann, §§ 513, 546 ZPO.
Die ebenfalls form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten zu 2. ist als
unzulässig zu verwerfen. Mit ihrem Antrag begehrt die Beklagte zu 2. keine Beseitigung
ihrer eigenen Beschwer, denn sie beschränkt ihren Klageabweisungsantrag auf den
Beklagten zu 1. Wird dem Antrag stattgegeben, haftet die Beklagte zu 2. allein
gegenüber der Klägerin. Damit verschlechtert sich ihre Position gegenüber dem
erstinstanzlichen Urteil, weil sie des gegenüber dem Beklagten zu 1. bestehenden
Gesamtschuldnerausgleichs verlustig geht. Begehrt der Rechtsmittelführer aber keine
Beseitigung seiner Beschwer, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis (vgl. dazu: Zöller-
Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl. 2007, Rn. 11 vor § 511; Schumann, Die Berufung in
Zivilsachen, 7. Aufl. 2007, Rn. 322 jeweils m.w.N.).
2. In der Sache hat die Berufung des Beklagten zu 1. Erfolg.
Zwar ist die Berufung nicht begründet, soweit der Beklagte einen Verstoß gegen die §§
309 - 311 ZPO rügt. Anzeichen, dass der erkennende Richter das Urteil nicht selbst
gefällt hat (§ 309 ZPO), sind nicht ersichtlich, denn die Richterin, die die mündliche
Verhandlung am 21.09.2007 geleitet hat, hat das Urteil auch unterschrieben. Die
Tatsache, dass sie nicht selbst das Urteil verkündet hat, begegnet keinen Bedenken und
stellt insbesondere keinen Verfahrensfehler dar (BGHZ 61, 370 - zitiert nach Juris). Ein
Verstoß gegen § 310 ZPO ist ebenfalls nicht erkennbar. In der mündlichen Verhandlung
vom 21.09.2007 ist ein Verkündungstermin angesetzt worden, wobei die Überschreitung
der 3-wöchigen Spruchfrist begründet worden ist (§ 310 Abs. 1 S. 2 ZPO). In der Folge ist
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der 3-wöchigen Spruchfrist begründet worden ist (§ 310 Abs. 1 S. 2 ZPO). In der Folge ist
der Verkündungstermin zweimal mit ausreichender Begründung verlegt worden, so dass
ein Verfahrensfehler - zumal ein solcher, auf dem das erstinstanzliche Urteil beruht -
nicht vorliegt. Schließlich ist nach dem Inhalt des Urteils auch nicht festzustellen, dass
die erkennende Richterin den Inhalt der nachgelassenen Schriftsätze nicht zur Kenntnis
genommen hat.
Zu Recht rügt aber die Berufung, dass der Beklagte zu 1. nicht passivlegitimiert ist.
Grundsätzlich besteht zwar auch gegenüber dem Fahrer eines Kraftfahrzeuges ein
Anspruch auf Ersatz des bei dessen Betrieb entstandenen Schadens. Dieser stütz sich
jedoch nicht - wie das Landgericht angenommen hat - auf § 7 StVG, sondern auf § 18
StVG. Ob dem Beklagten zu 1. nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der ihm durch §
18 Abs. 1 S. 2 StVG eröffnete Entlastungsbeweis gelungen ist, kann allerdings
dahinstehen. Die persönliche Haftung des Beklagten zu 1. gegenüber der Klägerin
scheidet aus, weil die ihn möglicherweise treffende Ersatzpflicht durch § 839 BGB/Art. 34
GG verdrängt wird (vgl. BGH NJW 1993, 1259).
Gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG entfällt die persönliche Haftung des
Kraftfahrzeugführers, wenn er in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes
die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt. Die Haftung des
Staates tritt damit an die Stelle der Eigenhaftung des öffentlichen Bediensteten; dies ist
allerdings auf die Fälle der Verschuldenshaftung beschränkt. Entsprechend gilt dies zwar
nicht für die vom Landgericht angenommene verschuldensunabhängige Haftung nach §
7 StVG, wohl aber für die hier vorliegende Verschuldenshaftung nach § 18 StVG (BGH,
Urt. v. 17.02.1983, VersR 1983, 461 - zitiert nach Juris; Soergel-Vincke, BGB, Schuldrecht
Bd. 10, 13. Aufl. 2005, § 839 RZ 93; Hentschel-König, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl.
2007, § 18 StVG, Rn. 6).
Privilegiert nach dieser Vorschrift werden Beamte im haftungsrechtlichen Sinne, d. h.
nicht nur Beamte im statusrechtlichen Sinne, Soldaten und Richter, sondern auch
Angestellte und Arbeiter des öffentlichen Dienstes (Sachs-Bonk, GG-Kommentar, 4. Aufl.
2007, Art. 34 Rn. 55), sofern und soweit sie in Ausübung eines öffentlichen Amtes
handeln. Entscheidend dafür ist bei Kraftfahrten der mit der Fahrt verfolgte Zweck
(Soergel-Vincke, BGB, Schuldrecht Bd. 10, 13. Aufl., 2005, § 839 Rn. 91). Dies bedeutet,
dass eine Qualifizierung als hoheitliches Handeln nicht bereits deshalb ausscheidet, weil
der Beamte bei der Einsatzfahrt wie andere Kraftfahrer am öffentlichen Verkehr
teilgenommen und dabei eine Ursache für den Unfall gesetzt hat (BGH, Urt. v.
17.02.1983, VersR 1983, 461 - zitiert nach Juris). Vielmehr sind nach allen Dienstfahrten,
durch die unmittelbar hoheitliche Aufgaben erfüllt werden (Einsatzfahrten nach § 35
StVG), auch solche hoheitlich zu beurteilen, deren eigentliche Zielsetzung hoheitlicher
Tätigkeit zuzurechnen ist, sofern zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden
Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang steht, dass die Handlung
ebenfalls noch als dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden
muss.
Unter Zugrundelegung dieser Kriterien liegt ein hoheitliches Handeln vor, weil der
Beklagte zu 1. auf der Grundlage eines Fahrauftrages tätig geworden ist, aufgrund
dessen er Soldaten zu einem Truppenübungsplatz verbringen sollte. Transport- und
Übungsfahrten der Bundeswehr sind hoheitsrechtlich zu beurteilen, weil Truppenübungen
nicht dem fiskalischen Bereich der Verwaltung zuzuordnen ist (Soergel-Vincke, a.a.O.,
Rn. 94).
Hat der Beklagte zu 1. damit i.S.d. § 839 BGB/Art. 34 GG in Ausübung eines öffentlichen
Amtes gehandelt, scheidet eine persönliche Haftung aus. Die Klage war ihm gegenüber
abzuweisen. Die Haftung der Beklagten zu 2., wie sie das Landgericht festgestellt hat,
bleibt davon unberührt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 281 Abs. 3 S. 2 ZPO, die
Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO rechtfertigen würden,
sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft,
ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der
Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des
Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Revisionsgerichts.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 730,18 € festgesetzt.
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