Urteil des OLG Brandenburg vom 16.06.2006

OLG Brandenburg: urkunde, grundsatz der freien beweiswürdigung, treu und glauben, darlehensvertrag, rückzahlung, unterzeichnung, zuwendung, immobilie, beweiswert, umschuldung

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 4.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 U 102/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 488 Abs 1 S 2 BGB, § 488 Abs
3 S 1 BGB
Darlehensvertrag: Verpflichtung zur Rückzahlung des einer
Schwiegertochter zur Finanzierung einer Immobilie gewährten
Darlehens
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts
Frankfurt (Oder) vom 16.06.2006 im Hinblick auf den Zinsanspruch dahingehend
abgeändert, dass die Beklagte auf den zugesprochenen Betrag von 71.580, 86 € an die
Klägerin Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz erst
seit dem 09.10.2006 zu zahlen hat. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des ersten Rechtszuges trägt die Klägerin, die Kosten der Berufungsinstanz
hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu
vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern die Gegenseite nicht vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages
leistet.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückzahlung eines Darlehens in Anspruch.
Die Beklagte ist die Schwiegertochter der Klägerin. Die Ehe der Beklagten mit dem Sohn
der Klägerin, Herrn N. Sch., befindet sich zur Zeit in Scheidung. Das Trennungsjahr
endete am 08.10.2004. Die Beklagte ist Alleineigentümerin des Hausgrundstücks
U.straße ... in F..
Die Klägerin behauptet, der Beklagten zum Erwerb der bzw. für Investitionen in die
Immobilie Gelder als Darlehen zur Verfügung gestellt zu haben.
Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug
genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hat der Klage in großem Umfang stattgegeben. Es hat die Beklagte zur
Zahlung von 71.580,86 € (= 140.000,00 DM) verurteilt. Den darüber hinausgehenden
Klageantrag hat das Landgericht wegen Verjährung der Darlehensforderungen
abgewiesen. Das Landgericht stützt die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von
140.000,00 DM auf den Darlehensvertrag vom 04.12.2000. Das Landgericht begründet
seine Entscheidung damit, dass diese Urkunde den Charakter eines Schuldscheins habe.
Dies werde daraus deutlich, dass die Beklagte in der Urkunde erklärt habe, von der
Klägerin "bis zum 04. Dezember 2000 ein Darlehen in Höhe von 140.000,00 DM
erhalten" zu haben.
Die Unterzeichnung und Aushändigung einer Schuldurkunde an den Gläubiger führe in
der Regel dazu, dass der Schuldner nunmehr darzulegen und zu beweisen habe, dass
die Verpflichtung zur Rückzahlung eines Darlehensbetrages tatsächlich nicht entstanden
sei, dass also entgegen dem Inhalt der Urkunde die Darlehenssumme nicht an ihn
ausgezahlt worden sei.
Die Darlegung der Beklagten sei jedoch nicht dazu geeignet, die Beweisführung durch
die Klägerin zu erschüttern. Darauf, ob die Beklagte bei Unterzeichnung des bereits ca. 3
Jahre vorher geschlossenen Darlehensvertrages vom 10.10.1997 aufgrund einer
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Jahre vorher geschlossenen Darlehensvertrages vom 10.10.1997 aufgrund einer
lebensbedrohlichen Erkrankung veranlasst gewesen sei, eine Regelung schriftlich
festzuhalten, die nicht der Realität entsprochen habe, käme es nicht an. Denn
maßgebend sei nicht die Situation bei Unterzeichnung des Darlehensvertrages vom
10.10.1997, sondern die Situation bei Unterzeichnung des Vertrages vom 04.12.2000.
Dass und aus welchen Gründen insoweit für die Beklagte nach wie vor eine psychische
Ausnahmesituation vorgelegen haben solle, habe die Beklagte nicht dargelegt.
Soweit sich die Beklagte zum Beweis dafür, dass sie die 140.000,- DM nicht erhalten
habe, auf die Parteivernehmung der Klägerin sowie das Zeugnis ihres Ehemannes N.
Sch. berufen habe, sei diesem Beweisantritt nicht nachzugehen gewesen. Denn eine
Beweiserhebung hätte vorausgesetzt, dass die Beklagte vorgetragen hätte, wann, wo
und in wessen Anwesenheit die Urkunde unterschrieben worden sei und warum
entgegen ihrem Inhalt erklärt worden sei, dass die Beklagte die angegebene
Geldsumme als Darlehen erhalten habe. Dies sei seitens der Beklagten jedoch nicht
erfolgt.
Die Beklagte strebt mit der Berufung die Aufhebung des Urteils des Landgerichts und
Zurückverweisung des Rechtsstreits zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das
Gericht des ersten Rechtszuges, hilfsweise die Abweisung der Klage in vollem Umfang,
an. Sie stützt die Berufung darauf, dass das Landgericht keinem ihrer Beweisangebote
nachgegangen sei und eine Vielzahl von Beweisantritten nicht einmal in die
Entscheidungsfindung einbezogen habe.
Die Klägerin trage die Beweislast für die erfolgte Hingabe des Darlehens auch dann,
wenn die Beklagte den Empfang der 140.000,- DM als Darlehen am 04. Dezember 2000
schriftlich bestätigt habe. Durch die Privaturkunde vom 04. Dezember 2000 sei lediglich
die Abgabe der Erklärung der Beklagten, 140.000,00 DM darlehensweise von der
Klägerin erhalten zu haben, bewiesen. Hieraus resultiere jedoch keine Beweislastumkehr
hinsichtlich der inhaltlichen Richtigkeit der Erklärung zu Lasten der Beklagten.
Die Beklagte stützt ihre Rechtsauffassung hilfsweise auf die analoge Anwendung des §
779 BGB.
Schließlich habe das Landgericht die Ausführungen der Beklagten zur rechtlichen
Bewertung der Zuwendungen der Schwiegermutter als „Zuwendungen eigener Art„ nicht
berücksichtigt.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil des Landgerichts Frankfurt/Oder vom 16. Juni 2006, AZ.: 17
O 160/05 im Umfang seiner Anfechtung aufzuheben und den Rechtstreit zur erneuten
Entscheidung an das Landgericht Frankfurt/Oder zurückzuweisen;
hilfsweise das angefochtene Urteil im Umfang seiner Anfechtung abzuändern und die
Klage im vollen Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das Urteil des Landgerichts.
II.
Die Berufung ist zulässig, jedoch nur in geringem Umfang begründet.
Dem Antrag der Beklagten auf Zurückverweisung der Sache an das Gericht des ersten
Rechtszuges war nicht zu entsprechen, da die Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 ZPO
nicht gegeben sind.
Auch dem hilfsweise gestellten Antrag der Beklagten kann nur hinsichtlich eines Teils der
Zinsen und der Kosten entsprochen werden.
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB einen Anspruch
auf Rückzahlung eines Darlehensbetrages in Höhe von 71.580, 86 € (= 140.000,- DM).
Die Beklagte hat die sich aus dem Darlehensvertrag vom 04.12.2000 ergebenden
Indizien, die für eine Valutierung des Darlehens in Höhe von 140.000,- DM sprechen,
nicht erschüttert.
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Zwar trägt grundsätzlich der Darlehensgeber, der die Rückzahlung des Darlehens
geltend macht, die Beweislast dafür, dass ein Darlehen vereinbart und an den
Darlehensnehmer ausgezahlt worden ist (BGH, v. 10.06.1985, III ZR 178/84, juris Rn. 21).
a) Die Klägerin hat jedoch durch Vorlage der Urkunde vom 04.12.2000 hinreichend unter
Beweis gestellt, dass die Beklagte das vereinbarte Darlehen tatsächlich ausgezahlt
bekommen hat. Das als Darlehensvertrag bezeichnete Schriftstück vom 04.12.2000
stellt nach Form und Inhalt einen Darlehensschuldschein dar, also eine Urkunde, die zum
Zwecke der Beweissicherung die Schuld bestätigt (vgl. BGH, v. 14.04.1978, V ZR 10/77,
juris Rn. 7). Die Aushändigung einer solchen Urkunde an den Gläubiger führt dazu, dass
der Gläubiger den Gegenbeweis dahingehend führen muss, dass entgegen dem Inhalt
der Urkunde die Darlehenssumme nicht an ihn ausgezahlt worden ist ( BGH, v.
10.06.1985, III ZR 178/84, juris Rn. 22).
b) Soweit die Beklagte sich darauf beruft, aus der Urkunde ergebe sich lediglich, dass die
Beklagte das in der Urkunde enthaltene Empfangsbekenntnis abgegeben hat, ist dies
zwar richtig, gibt jedoch die aus der Urkunde resultierenden Rechtfolgen nur teilweise
wieder.
aa) Die Urkunde beweist die von der Beklagten abgegebene Erklärung (§ 416 ZPO). Will
die Beklagte sich darauf berufen, diese Erklärung tatsächlich nicht abgegeben zu haben,
muss sie dies im Wege des Vollbeweises widerlegen.
bb) Hinsichtlich der materiellen Beweiskraft der Urkunde gilt hingegen der Grundsatz der
freien Beweiswürdigung. Die Urkunde enthält ein Indiz für die Wahrheit der
zugestandenen Tatsache, denn erfahrungsgemäß pflegt niemand ohne Not eine ihm
ungünstige Tatsache zuzugeben, der nicht von ihrer Wahrheit überzeugt ist (BGH, v.
14.04.1978, V ZR 10/77, juris Rn. 7). Dieses Indiz kann durch jeden Gegenbeweis
entkräftet werden. Einen solchen muss der in der Urkunde als Schuldner bezeichnete
jedoch nicht in Form eines Vollbeweises führen; es genügt, dass der Beweis aus der
Urkunde erschüttert wird. Dass die zu beweisende Tatsache als unwahr erwiesen wird
oder sich auch nur eine zwingende Schlussfolgerung gegen sie ergibt, ist nicht
erforderlich (BGH, a.a.O., juris Rn. 8; v. 28.09.1987, II ZR 35/87 juris Rn. 12, v.
03.04.2001, XI ZR 120/00, juris Rn. 27).
(1) Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass hier besondere
Umstände vorliegen, die den Beweiswert der Urkunde von vornherein erschüttern. Zwar
führt ein Schuldschein dann nicht zu einer Beweislastverlagerung zu Lasten des
Schuldners, wenn besondere Umstände den Beweiswert der Urkunde von vornherein so
erschüttern, dass Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass der Inhalt der Urkunde den
tatsächlichen Gegebenheiten nicht entspricht. Derartige besondere Umstände sind nach
der Rechtsprechung z.B. gegeben, wenn feststeht, dass es neben der
streitgegenständlichen Urkunde weitere schriftliche Darlehensverträge gibt, denen aber
unstreitig keine entsprechende Auszahlung eines Darlehensbetrages zugrunde lag
(BGH, v. 03.04.2001, XI ZR 120/00, juris Rn. 10; OLG Köln, WM 1998, 1682 ff (1683)). In
dem vom BGH entschiedenen Fall war das Darlehen überhaupt nicht ausgezahlt worden,
dem Urteil des OLG Köln lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem der Schuldschein auf
einen deutlich höheren als den tatsächlich ausgezahlten Betrag ausgestellt worden ist.
Hiermit vergleichbare Umstände liegen hier jedoch nicht vor. Soweit die Beklagte sich
darauf beruft, dass der Darlehensvertrag vom 10.10.1997 Ungereimtheiten aufweise,
weil dieser die Formulierung enthält, dass die Beklagte 130.000,- DM „erhält„, während
sie nach dem eigenen Vortrag der Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits 50.000,- DM
erhalten haben soll, ist einzuräumen, dass ein Formulierungsfehler vorliegt. Die Beklagte
kann diesen Fehler jedoch nicht dahingehend für sich fruchtbar machen, dass hierin ein
Umstand begründet sei, der den Beweiswert der Urkunde vom 04.12.2000 erschüttert.
Aus der Tatsache, dass die Klägerin einen Darlehensvertrag vorlegt, in dem sich die
Klägerin verpflichtet, an die Beklagte 130.000,- DM auszuzahlen, obgleich sie nach
eigenem Bekunden, von den 130.000,- DM bereits vorher 50.000,- DM an die Beklagte
ausgezahlt haben will, lässt sich gerade nicht folgern, dass bereits vorher zum Nachteil
der Beklagten Scheinverträge geschlossen worden sind. Ebenso verhält es sich mit der
Urkunde vom 18.02.1993. Hier wird die Auszahlung eines Darlehens in Höhe von
20.000,- DM bestätigt, während nach dem Vortrag der Klägerin tatsächlich insgesamt
30.000,- DM ausgezahlt worden sein sollen. Auch hier verschlechtern die Urkunden die
Beweissituation der Klägerin und nicht der Beklagten.
Aufgrund der unterbliebenen Unterscheidung zwischen erhaltenem und noch zu
erhaltenem Geld im Vertrag vom 10.10.1997 könnte zwar darauf geschlossen werden,
dass bei Aufsetzen der Darlehensverträge insgesamt nicht exakt auf die verwendete
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dass bei Aufsetzen der Darlehensverträge insgesamt nicht exakt auf die verwendete
Formulierung geachtet wurde. Das Landgericht hat diese Ungereimtheit in dem Vertrag
aus 1997 jedoch zutreffend als einmaligen redaktionellen Fehler bewertet. Denn der
Vertrag aus dem Jahr 1997 bezieht sich auf zwei Tranchen: 50.000,- DM, die bereits
ausgezahlt wurden, und 80.000,- DM, die noch auszuzahlen waren. Der Vertrag aus dem
Jahr 2000 soll jedoch ausschließlich die Valutierung eines Gesamtdarlehens in Höhe von
140.000,- DM bestätigen. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass ein Vertrag, in dem
die Formulierung, die Beklagte „erhält„ 140.000,- DM, gewählt worden wäre, mit dem
von der Beklagten behaupteten Motiv für die Unterzeichnung des Schuldscheines nicht
in Einklang zu bringen wäre. Die Reduzierung des Nachlasswertes konnte nur mit einem
valutierten Darlehen erreicht werden, denn nur dieses begründet eine den Nachlasswert
vermindernde Verbindlichkeit der Beklagten.
(2) Auch der übrige Vortrag der Beklagten ist nicht geeignet, den Beweiswert des
Schuldscheines zu erschüttern.
Der Vortrag der Beklagten, dass sie für die erforderlichen Investitionen an dem
Mehrfamilienhaus Bankdarlehen aufgenommen hat, lässt das Gericht nicht daran
zweifeln, dass die Beklagte den Darlehensbetrag ausgezahlt bekommen hat. Denn es ist
sowohl möglich, dass die Gelder aus dem Bankdarlehen, aber auch, dass die von der
Klägerin zur Verfügung gestellten Beträge zur Bezahlung von Verbindlichkeiten, für die
keine Rechnungen zu den Akten gereicht wurden, oder für andere Zwecke als die
Sanierung der Immobilie verwendet wurden.
Selbst wenn der Sohn der Klägerin – wie von der Beklagten behauptet wird - die gesamte
Baumaßnahme betreut und die hiermit verbundenen finanziellen Belange abgewickelt
hat, ließe sich hieraus nicht folgern, dass die Beklagte das Darlehen nicht erhalten habe,
denn die Beklagte war die Hauseigentümerin.
Schließlich kann die Beklagte auch nicht für sich fruchtbar machen, dass zwischen den
Parteien unstreitig geblieben ist, dass die Beklagte von der Klägerin kleinere Darlehen
erhalten hat, die die Beklagte jeweils zum vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt zurückgeführt
hat. Denn hieraus ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte das
streitgegenständliche, größere Darlehen nicht erhalten hat.
(3) Soweit sich die Beklagte zum Beweis für ihre Behauptung, den Darlehensbetrag von
140.000,- DM nicht erhalten zu haben, auf das Zeugnis des Sohnes der Klägerin und die
Vernehmung der Klägerin als Partei beruft, war diesem Beweisangebot nicht
nachzugehen, da dies einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dargestellt hätte.
Ausgehend von dem o.g. Grundsatz, dass niemand ohne Not etwas ihn Belastendes
bestätigt, genügt es für einen schlüssigen Vortrag der Beklagten nicht, dass sie lediglich
bestreitet, das Geld erhalten zu haben und dafür Beweis anbietet. Vielmehr hätte es der
Beklagten zunächst oblegen vorzutragen, warum sie sich entgegen dieser Regel zu
Unrecht belastet hat.
Die Beklagte hat jedoch nicht nachvollziehbar dargelegt, aufgrund welcher Umstände
und Beweggründe sie den Darlehensvertrag vom 04.12.2000 unterzeichnet hat.
Dem Landgericht ist insoweit zuzustimmen, dass die Beklagte keine plausible Erklärung
für ihr Verhalten im Dezember 2000 gegeben hat. Die Beklagte hat zwar ausführlich
dargelegt, dass sie den vorhergehenden Darlehensvertrag vom 10.10.1997 über
130.000,- DM, der von dem Vertrag vom 04.12.2000 mit umfasst wird, unterzeichnet
habe, da sie zu jenem Zeitpunkt akut an einem Mamakarzinom erkrankt war und im
Hinblick auf die geringen Genesungschancen einen Weg gesucht habe, ihren Nachlass
durch die vorgegebene Darlehensforderung belastet erscheinen zu lassen, damit der
Wert des Nachlasses unterhalb der Freibeträge eines erbenden Ehemannes bleibe.
Hierbei dürfte dahingestellt bleiben, ob – wie die Klägerin argumentiert - diese Erklärung
in Anbetracht der Bewertung von Grundstücken in Nachlässen nach dem Einheitswert
und der Höhe der Freibeträge überhaupt plausibel ist. Denn dieser Vortrag kann ohnehin
allenfalls als Erklärung dafür dienen, warum die Beklagte im Jahr 1997 den
Darlehensvertrag über 130.000,- DM unterzeichnet hat. Dass die akute Lebensgefahr,
die 1997 bestanden haben mag, nach erfolgreicher Operation und Behandlung noch bei
Unterzeichnung des entscheidenden Vertrages vom 04.12.2000 angehalten haben soll,
wurde nicht schlüssig belegt. Andere Erklärungen dafür, warum die Beklagte schriftlich
bestätigt hat, 140.000 DM darlehenshalber erhalten zu haben, obgleich dieses Geld ihr
tatsächlich nicht zugeflossen sein soll, wurden von der Beklagten nicht gegeben.
2. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass es sich bei den von der
Klägerin erhaltenen Zahlungen um sog. unbenannte Zuwendungen gehandelt habe.
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a) Zwar kann es sich um eine unbenannte ehebedingte Zuwendung nicht nur bei
Zuwendungen zwischen Ehegatten handeln, sondern auch bei Zahlungen von
Schwiegereltern, die mit Rücksicht auf die Ehe des Empfängers mit deren Abkömmling
zur Begünstigung des ehelichen Zusammenlebens geleistet werden (BGH v. 12.04.1995,
XII ZR 58/94, juris Rn. 11). Eine unbenannte Zuwendung liegt vor, wenn nach dem
erkennbaren Willen des Zuwenders die Leistung nicht zu einer den Empfänger einseitig
begünstigenden und frei disponiblen Bereicherung führen, sondern auf Dauer der
ehelichen Gemeinschaft dienen und damit auch von deren Bestand abhängig sein soll
(OLG Köln, v. 07.02.2001, juris Rn. 11).
b) Hier liegt jedoch keine unbenannte Zuwendung vor. Denn hier blieb die Zuwendung
gerade nicht unbenannt, vielmehr wurde sie ausdrücklich als Darlehen bezeichnet.
Hinzu kommt, dass eine unbenannte Zuwendung voraussetzt, dass das Geld zur
Verfügung gestellt wurde, ohne dass während des Bestandes der Ehe eine
Rückforderung des Betrages möglich sein sollte (vgl. Brandenburgisches OLG, v.
21.07.2004, 7 U 185/03, juris Rn. 19). Hier haben sich die Parteien jedoch auf eine
darlehensweise Hingabe des Geldes geeinigt. Die Verwendung des Begriffes Darlehen
setzt inzidenter voraus, dass das Darlehen gekündigt werden und der
Rückzahlungsanspruch fällig gestellt werden kann.
3. Soweit die Beklagte sich darauf beruft, dass dem Darlehensvertrag ein unwirksamer
Vergleich gem. § 779 Abs. 1 BGB zugrunde liege, kann dem nicht gefolgt werden. Denn
die Beklagte hat weder vorgetragen, aufgrund welchen Streits oder welcher Ungewissheit
die Parteien den Darlehensvertrag geschlossen haben sollen, noch hat sie dargelegt,
welchen unzutreffenden Sachverhalt die Parteien bei Vertragsabschluss als zutreffend
angenommen haben.
4. Die Rückzahlung des Darlehens ist jedoch erst zum 09.10.2006 fällig gewesen.
Der Darlehensvertrag vom 04.12.2000 enthält keine Regelung dazu, wann die
Rückzahlung des Geldes erfolgen sollte. Fehlt es an einer Fälligkeitsregelung, so hängt
die Fälligkeit des Darlehens gem. § 488 Abs. 3 Satz 1 BGB grundsätzlich von der
Kündigung des Darlehensvertrages ab. Die Kündigung des Darlehensvertrages ist mit
Schreiben vom 08.11.2004 erfolgt, die dreimonatige Kündigungsfrist gem. § 488 Abs. 3
Satz 2 BGB wäre vor Anhängigkeit der Klage (14. 04. 2005) abgelaufen gewesen.
a) Indes ergibt sich aus den besonderen Umständen der Darlehensgewährung, dass das
Darlehen nicht jederzeit kündbar sein sollte.
Die gesamten Umstände der Darlehensgewährung, insbesondere die Höhe der Summe
und der Zweck der Finanzierung einer Immobilie, in der die Eheleute wohnten, in der sich
aber auch die Gewerberäume des Sohnes der Klägerin befanden, und die Tatsache, dass
hinsichtlich kleinerer Darlehen, die die Klägerin der Beklagten unstreitig gewährt hatte,
konkrete Tilgungsbedingungen geregelt waren, lassen darauf schließen, dass das
Darlehen langfristig gewährt werden und nicht jederzeit unter Einhaltung der
gesetzlichen dreimonatigen Frist gekündigt werden können sollte.
b) Andererseits spricht gegen die Annahme, dass die Langfristigkeit des Darlehens
gänzlich unabhängig vom Bestand der Ehe der Beklagten mit dem Sohn der Klägerin
gelten sollte, der von der Klägerin mit der Darlehenshingabe verfolgte Zweck, nämlich
die finanzielle Hilfe für die Beklagte als Ehefrau ihres Sohnes. Die Parteien haben bei der
langfristigen Hergabe des Darlehens lediglich den Fall stillschweigend geregelt, dass die
Ehe der Beklagten mit dem Sohn der Klägerin Bestand haben würde. Es fehlt jedoch an
einer Regelung über die Dauer der Darlehensgewährung für den Fall, dass es zu einer
Auflösung der Ehe kommt.
aa) Mangelt es an einer – auch nur stillschweigenden - Vereinbarung, ist die
Vertragslücke nach dem hypothetischen Willen der Parteien auszufüllen. Es ist unter
Berücksichtigung des im Vertrag bereits zum Ausdruck gekommenen Parteiwillens,
insbesondere des Vertragszweckes, zu ermitteln, was von den Parteien als redlichen
Vertragspartnern vereinbart worden wäre, wenn sie den ungeregelt gebliebenen Fall der
Scheidung der Ehe mitgeregelt und hierbei die Gebote von Treu und Glauben und der
Verkehrssitte beachtet hätten (vgl. BGH v. 05.02.1973, III ZR 203/71, juris Rn. 24f.).
(1) Hierbei ist einmal zu berücksichtigen, dass der Beklagten das Darlehen zur
Finanzierung eines Immobilienerwerbes bzw. -ausbaus dienen sollte. Hätte die Beklagte
einen Immobilienkredit bei einer Bank aufgenommen, hätte sie keinesfalls eine
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einen Immobilienkredit bei einer Bank aufgenommen, hätte sie keinesfalls eine
kurzfristige Kündigungsmöglichkeit akzeptiert. Deshalb hätten die Parteien sich auch für
den Fall eines Scheiterns der Ehe nicht darauf geeinigt, dass die Beklagte den Kredit
kurzfristig zurückzuzahlen hätte.
(2) Andererseits hätte die Beklagte auch nicht verlangen können, dass das Scheitern der
Ehe ohne Einfluss auf die Laufzeit des Kredites bliebe. Eine solche Regelung hätte
nämlich unbeachtet gelassen, dass die Klägerin allein deshalb ein Interesse an der
Kreditgewährung hatte, weil die Beklagte ihre Schwiegertochter war, und der Kredit auch
dem Sohn der Klägerin zugute kommen sollte. Als redliche Vertragspartner hätten sich
die Parteien darauf verständigen müssen, dass für den Fall des Scheiterns der Ehe die
Beklagte das Darlehen nicht sogleich zurückzahlen müsste, sie jedoch gehalten ist, alles
in ihren Kräften Stehende und ihr unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen
Zumutbare zu tun, um durch Umschuldung oder auf sonstige Weise Mittel in die Hand
zu bekommen, die ihr eine Rückzahlung des Darlehens an ihre Schwiegermutter
ermöglichen (vgl. BGH, a.a.O, Rn. 27).
bb) Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 05.02.1973 (a.a.O.) ausgeführt, dass eine
Regelung, wonach zwei Jahre nach Rechtskraft des Scheidungsurteils eine Rückzahlung
des Darlehens zu erfolgen hat (dort: Investitionszuschuss für die Errichtung eines
Reitstalls), von dem Darlehensnehmer als redlichem Vertragspartner hätte
hingenommen werden müssen (a.a.O., Rn. 27).
Die Entscheidung des BGH erging, bevor das 1. EheRG am 01.07.1977 in Kraft getreten
ist. Die Parteien des vorliegenden Falles hätten sich jedoch, wenn sie bei Abschluss des
Darlehensvertrages die Möglichkeit des Scheiterns der Ehe bedacht hätten, bei der
Regelung der Fälligkeit des Darlehens im Scheidungsfall von den gesetzlichen Wertungen
des bei Vertragsabschluss geltenden Scheidungsrechts leiten lassen. Im Trennungsjahr
sollen die Eheleute Gelegenheit haben zu prüfen, ob die Ehe tatsächlich gescheitert ist
(§ 1565 Abs. 1 BGB). Das Scheitern der Ehe wird - von Ausnahmen abgesehen-
frühestens nach Ablauf des Trennungsjahres vermutet (§ 1566 Abs. 1 BGB). Unter
Berücksichtigung dieser gesetzlichen Wertungen hätten die Parteien keine Regelung
getroffen, die die Beklagte verpflichtet hätte, sich bereits in dem Zeitraum, in dem die
Eheleute die Möglichkeit einer Versöhnung prüfen sollen, um eine Umschuldung zu
bemühen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das Trennungsjahr am 08.10.2004
endete. Ab diesem Zeitpunkt lief die Zwei-Jahres-Frist, innerhalb derer es der Beklagten
als Darlehensnehmerin zumutbar war, sich um die Umschuldung eines Darlehens zu
bemühen, auch wenn hierdurch ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet wird (vgl. BGH,
a.a.O., juris Rn. 26 i.V.m. Rn. 27).
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 291 Satz 1 letzter Halbsatz BGB. Das
Urteil des Landgerichts war hinsichtlich des Zinsbeginns zu ändern, da Prozesszinsen
nicht vor Fälligkeit der Hauptforderung zugesprochen werden können.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin hat die
Kosten der ersten Instanz zu tragen, da die Klageforderung zum Schluss der mündlichen
Verhandlung vor dem Landgericht noch nicht fällig und die Klage damit zum damaligen
Zeitpunkt nicht begründet war.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Sache weder grundsätzliche
Bedeutung aufweist, noch die Entscheidung des Revisionsgerichts zum Zwecke der
Rechtsvereinheitlichung oder Rechtsfortbildung erforderlich ist (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
Insbesondere liegt keine Abweichung zur Rechtsprechung des BGH vor, da die
Entscheidung des 3. Zivilsenats die Wertungen des 1. EheRG noch nicht berücksichtigen
konnte.
Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz auf 71.580, 86 € festgesetzt.
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