Urteil des OLG Brandenburg vom 20.04.2007

OLG Brandenburg: wohl des kindes, gemeinsame elterliche sorge, auskunftsrecht, auskunftserteilung, gesundheitszustand, informationspflicht, versorgung, sammlung, eltern, quelle

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 1.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 UF 87/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 242 BGB, § 1686 BGB
Auskunftsanspruch eines Elternteils gegen den anderen über
die persönlichen Verhältnisse des Kindes: Missbräuchliche
Rechtsausübung; Umfang des Anspruchs
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die befristete Beschwerde des Antragstellers vom 21.
Mai 2007 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 20. April 2007 im
schriftlichen Verfahren zurückzuweisen.
von zwei
Wochen
Gründe
Die gemäß § 621 e ZPO statthafte und in zulässiger Weise eingelegte befristete
Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Eine Ausweitung des durch das Amtsgericht
dem Antragsteller zuerkannten Auskunftsrechtes kommt nicht in Betracht.
I.
Zunächst ist bereits fraglich, ob dem Antragsteller überhaupt ein Auskunftsrecht
zusteht.
1.
Gemäß § 1686 Satz 1 BGB kann jeder Elternteil vom anderen Elternteil bei berechtigtem
Interesse Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes verlangen, soweit dies
dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. Dieses Recht besteht unabhängig von jeglicher
Sorgeregelung, also auch bei gemeinsamer elterlicher Sorge (OLG Hamm, FamRZ 2001,
514) und greift daher im Grundsatz auch zu Gunsten des Antragstellers, der mit der
Antragsgegnerin die gemeinsame elterliche Sorge für die betroffenen vier gemeinsamen
Kinder ausübt, ein.
2.
Dem Auskunftsrecht des § 1686 BGB steht nicht entgegen, dass hier seit Längerem
keine Umgangskontakte zwischen dem Auskunftsberechtigten und dem betroffenen
Kind stattgefunden haben. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob dies
möglicherweise darauf zurückzuführen ist, dass sich der auskunftsbegehrende Elternteil
vorher längere Zeit nicht um das Kind gekümmert hat (OLG Köln, FamRZ 2005, 1276
(Leitsatz)).
3.
Zu beachten ist jedoch die Funktion des Auskunftsrechtes des § 1686 BGB als
"Ersatzrecht" für den Umgang. Insofern erscheint es fraglich, ob dem Antragsteller ein
berechtigtes Interesse im Sinne der Norm zusteht.
Ein berechtigtes Interesse gemäß § 1686 BGB ist nur dann gegeben, wenn der Elternteil
keine anderweitige Möglichkeit besitzt, sich über den Auskunftsgegenstand auf andere
Art zu unterrichten (BayObLG, FamRZ 1996, 813). Das Auskunftsrecht dient vor allem
dazu, an die Stelle eines ganz oder teilweise eingeschränkten Umgangsrechtes zu
treten und es so dem nicht mit dem Kind in häuslicher Gemeinschaft lebenden Elternteil
zu ermöglichen, sich von der Entwicklung des Kindes und seinem Wohlergehen laufend
überzeugen zu können (OLG Köln, FamRZ 2005, 1276 (Leitsatz); Brandenburgisches
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überzeugen zu können (OLG Köln, FamRZ 2005, 1276 (Leitsatz); Brandenburgisches
OLG, FamRZ 2000, 1106, 1107; BayObLG, FamRZ 1993, 1487, 1488). Voraussetzung ist
also, dass der persönliche Umgang mit dem Kind nicht genügt, um die notwendigen
Informationen zu erhalten. Auf die Ursachen einer nicht ausreichenden Information
kommt es regelmäßig nicht an, sodass beispielsweise auch dann, wenn der Umgang auf
die Ferienzeiten beschränkt ist oder bei berufsbedingten längeren Aufenthalten des
Umgangsberechtigten oder gar bei gerichtlicherseits eingeschränktem Umgangsrecht
nur selten stattfindet (vgl. OLG Brandenburg, FamRZ 2000, 1106; ferner
Palandt/Diederichsen, BGB, 66. Aufl. 2007, § 1686, Rn. 1, 5), ein Auskunftsrecht besteht.
Zu verneinen ist das berechtigte Interesse dagegen, wenn sich der an sich berechtigte
Elternteil die erforderlichen Informationen anderweitig verschaffen kann und sich daher
sein an den betreuenden Elternteil gerichtetes Auskunftsersuchen mehr oder weniger
als rechtsmissbräuchlich darstellt (vgl. auch BayObLG, FamRZ 1996, 813).
Zugunsten des Antragstellers besteht eine Umgangsregelung, die er seit März 2005
nicht mehr wahrnimmt. Zwar ist nicht zu verkennen, dass zwischen den Kindeseltern
erhebliche Differenzen bestehen, die möglicherweise einen Grund für die mangelnden
Umgangskontakte bilden. Soweit ein Umgang derzeit nicht stattfindet, deutet jedoch
vieles darauf hin, dass dies seine Ursache vor allem in dem Verhalten des Antragstellers
selbst findet. Die Aussetzung der Umgangskontakte hat der Antragsteller in seiner an
die Antragsgegnerin gerichteten E-Mail vom 23. März 2005 ausdrücklich angekündigt.
Nach seinen eigenen Angaben lässt er seither einen – von den Kindern gewünschten –
Kontakt nicht, auch nicht in telefonischer oder brieflicher Weise, zu; auch zu den
Geburtstagen der Kinder meldet er sich nicht. In der Anhörung vor dem Amtsgericht
vom 30. März 2007 hat er dies einerseits mit finanziellen Schwierigkeiten und
andererseits damit begründet, keinen Kontakt zu dem neuen Ehemann der
Kindesmutter zu wünschen. Auf das Angebot der Kindesmutter, die Kinder zu ihm nach
Hause zu bringen, hat er nicht reagiert; jedenfalls lässt sich nichts anderes dem
vorgenannten Anhörungsprotokoll entnehmen.
Insoweit verhält sich der Antragsteller widersprüchlich, wenn er einerseits betont, seine
Verantwortung für die Kinder als Vater sehr ernst und im Rahmen seines Sorgerechtes
Einfluss nehmen zu wollen, andererseits aber jegliche persönlichen Kontakte mit den
Kindern ablehnt.
Eine derartige, auf eigene Interessen ausgerichtete Sichtweise des Antragstellers
verstößt gravierend gegen die von ihm betonte Rolle als verantwortlicher
Sorgeberechtigter sowie das Wohl seiner Kinder, die in Kontakt zu ihm treten wollen.
Soweit daher der Antragsteller derzeit keine Auskunft erhält, ist dies zumindest
maßgeblich auf seine eigene - nicht nachvollziehbar begründete - Verweigerungshaltung
zurückzuführen. Angesichts des Alters der betroffenen Kinder - das jüngste Kind ist
derzeit annähernd 6 ½ Jahre - kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die
Kinder bei Wahrnehmung des Umganges nicht in der Lage wären, dem Antragsteller die
im angefochtenen Beschluss im Einzelnen enthaltenen Auskünfte zu erteilen. Insoweit
bestehen erhebliche Bedenken an dem Anspruchsgrund des § 1686 BGB, weshalb schon
aus diesem Grunde eine Ausweitung des durch das Amtsgericht zuerkannten
Auskunftsrechtes nicht in Betracht zu ziehen ist.
Letztendlich mag dies aber angesichts der nachfolgenden Ausführungen dahinstehen.
II.
Unabhängig vom Grund des Auskunftsrechtes kommt jedenfalls eine Ausweitung der
durch das Amtsgericht quartalsweise zugebilligten Auskunftsverpflichtung der
Antragsgegnerin nicht in Betracht.
1.
Wie ausführlich die Auskunft sein muss, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.
Jedoch dient das Auskunftsrecht nicht dazu, dass ein Tagebuch über die Lebensführung
des Kindes verlangt werden kann (OLG Koblenz, FamRZ 2002, 980). Einen 14-tägigen
Bericht der Antragsgegnerin, wie ihn der Antragsteller im Rahmen seiner
Beschwerdebegründung begehrt, würde dem aber nahe kommen. Im Übrigen dient das
Auskunftsrecht der allgemeinen Information darüber, wie sich der Lebensweg des Kindes
gestaltet bzw. gestaltet hat. Dem genügt aber eine quartalsmäßige Information des
Antragstellers. Die im angefochtenen Beschluss enthaltenen Inhalte der
Auskunftserteilung (Gesundheitszustand, schulische Entwicklung, außerschulische
Interessen und Veranstaltungen, Religion und Sparvermögen) betreffen auch solche
Umstände, die jedenfalls im Normalfall eher beständig, d. h. regelmäßig nicht einer
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Umstände, die jedenfalls im Normalfall eher beständig, d. h. regelmäßig nicht einer
schnellen Veränderung unterworfen sind. Sollte tatsächlich auf Grund besonderer
Vorkommnisse beispielsweise eine besondere Entwicklung eintreten, z. B. sich der
Gesundheitszustand eines Kindes dramatisch verschlechtern, ist die Antragsgegnerin
schon im Rahmen der Ausübung des gemeinsamen Sorgerechtes zu einer
entsprechenden Information des Antragstellers verpflichtet.
Für die Häufigkeit der Auskunftserteilung ist auch zu beachten, inwieweit für den
Auskunftspflichtigen als den hauptsächlich Betreuenden die Erteilung der Auskünfte
zumutbar ist (Rotax/Rotax, Praxis des Familienrechts, 3. Aufl. 2007, Teil 4, Rn. 538 a. E.).
Solange die persönlichen Verhältnisse zwischen den Eltern in erheblichem Maß gespannt
sind, kann sich der zu erstattende Bericht auf das Mindestmaß beschränken, das
erforderlich ist, um dem auskunftsberechtigten Elternteil einen überschlägigen Eindruck
über die derzeitige Situation seines Kindes und die wesentlichen Umstände des
Berichtszeitraumes zu geben (BayOblG, FamRZ 1996, 813, 814). Auch diesen
Anforderungen genügt angesichts des belasteten Verhältnisses der Elternteile eine
dreimonatige Informationspflicht.
2.
Selbst wenn man aber eine häufigere Auskunftsverpflichtung als angemessen
betrachten würde, müsste erneut Beachtung findet, dass die mangelnde Versorgung
des Antragstellers mit Informationen zumindest auch auf dessen strikte
Verweigerungshaltung zurückzuführen ist. Würden aber zumindest briefliche oder
telefonische Kontakte durch den Antragsteller zugelassen, dürfte dieser aller Voraussicht
nach so hinreichend informiert werden, dass jedenfalls eine weitergehende als die
titulierte Auskunftsverpflichtung nicht geboten wäre.
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