Urteil des OLG Brandenburg vom 19.12.2008

OLG Brandenburg: gesellschaft, vernehmung von zeugen, sparkasse, täuschung, zwangsvollstreckung, urkunde, vertragsschluss, bürgschaft, einwendung, anfechtungsfrist

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 7.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 U 36/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 123 Abs 1 BGB
Arglistanfechtung: Aufklärungspflicht bei Veräußerung von
GmbH-Geschäftsanteilen
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 19. Dezember 2008 verkündete Urteil der
Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam abgeändert und wie folgt
neu gefasst:
Die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars … mit Amtssitz in P…,
UR-Nr. 3476/2006, wird in Bezug auf Teil B, Ziffer 3., a) und b) für unzulässig erklärt.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden,
sofern der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
Mit notariellem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 18.12.2006 (UR-Nr. 3476/2006 des
Notars … in P… – Bl. 7 – 13 d.A.) übertrug der Beklagte seinen Geschäftsanteil im
Nennbetrag von 12.200,00 € an der P… GmbH auf seinen Mitgesellschafter P… K… und
auf den Kläger. Der Kläger erwarb einen Teilgeschäftsanteil von nominal 1.500,00 € zum
Kaufpreis von 7.992,00 €, der Mitgesellschafter P… K… einen Teilgeschäftsanteil von
nominal 10.700,00 € zum Kaufpreis von 57.008,00 €.
Die Erwerber, also der Kläger und P… K… übernahmen in Teil B Ziffer 3. des Vertrages
die Verpflichtung, den Beklagten von einer Inanspruchnahme als Bürge wegen eines der
Gesellschaft gewährten Kredits der … Sparkasse über 3.600.000,00 € freizustellen,
wobei die Vertragsschließenden das Ausfallrisiko auf nicht mehr als 50.000,00 €
einschätzten. Die Erwerber unterwarfen sich in der Urkunde vom 18.12.2006 der
sofortigen Zwangsvollstreckung in Höhe eines Betrages von 50.000,00 € in ihr gesamtes
Vermögen für den Fall, dass der Beklagte als Bürge in Anspruch genommen werde.
Die … Sparkasse kündigte mit Schreiben vom 11.02.2008 (Bl. 15, 16 d.A.) die
Geschäftsbeziehung gegenüber der P… GmbH und stellte das Restdarlehen fällig. Die
Rückzahlung des Darlehens sollte vereinbarungsgemäß erst zum 30.05.2008 erfolgen
(Bl. 17 d.A.). Mit Schreiben vom 14.03.2008 (Bl. 17, 18 d.A.) forderte der Beklagte den
Kläger auf, seinen Verpflichtungen aus dem Vertrag vom 18.12.2006 im Hinblick auf die
Inanspruchnahme durch die Sparkasse nachzukommen, und kündigte insoweit
gerichtliche Schritte an. Am 30.04.2008 wurde dem Kläger ein von dem Beklagten
erwirktes vorläufiges Zahlungsverbot in Höhe von 50.000,00 € zugestellt (Bl. 19 – 25
d.A.).
Mit Schreiben vom 06.05.2008 (Bl. 26, 27 d.A.) erklärte der Kläger gegenüber dem
Beklagten die Anfechtung hinsichtlich des Kauf- und Abtretungsvertrages vom
18.12.2006 wegen arglistiger Täuschung.
Der Kläger hat beantragt,
die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars … mit Amtssitz
in P… UR-Nr. 3476/2006, in Bezug auf Teil B, Ziffer 3., a) und b) für unzulässig zu
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in P… UR-Nr. 3476/2006, in Bezug auf Teil B, Ziffer 3., a) und b) für unzulässig zu
erklären.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zu Begründung hat es ausgeführt, dem
Kläger stehe ein Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung nicht zu; andere Gründe
für ein Wegfallen der eingegangenen Freistellungsverpflichtung seien nicht gegeben.
Der Kläger hat gegen das ihm am 23.12.2008 zugestellte Urteil am 16.01.2009 Berufung
eingelegt und diese am 19.02.2009 begründet.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach seinem erstinstanzlichen
Antrag zu erkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Beweis erhoben gemäß den Beweisbeschlüssen vom 25.11.2009 (Bl. 269
– 271 d.A.) und vom 10.12.2009 (Bl. 283 – 284 d.A.) durch Vernehmung von Zeugen;
insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll vom 14.04.2010 (Bl. 302 - 307 d.A.) verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
1.
Die Zwangsvollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO), die sich gegen die
Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde vom 18.12.2006 (Bl. 7 – 14 d.A.)
wendet, ist als solche zulässig. Die Zwangsvollstreckungsgegenklage ist begründet, weil
dem Kläger eine rechtsvernichtende Einwendung gegen den titulierten Anspruch
zusteht, wie sich aus nachfolgenden Ausführungen ergibt.
2.
Der Kläger kann allerdings mit nachstehenden Einwendungen nicht durchdringen.
a)
Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass der Beklagte schon nicht sachbefugt sei.
Zwar könnte die Sachbefugnis des Beklagten in Wegfall geraten sein, wenn er seine
Ansprüche an die … Sparkasse abgetreten hätte, wie der Kläger auf Seite 7 der
Berufungsbegründung (Bl. 215 d.A.) unter Hinweis auf seinen – allerdings im ersten
Rechtszug nicht zu den Akten gelangten – Schriftsatz vom 12.12.2008 (Bl. 228 d.A.)
vorträgt. Auf dieses Vorbringen kann jedoch nicht weiter abgestellt werden. Der Beklagte
hat nämlich auf Seiten 2, 3 seines Schriftsatzes vom 13.10.2009 (Bl. 237, 238 d.A.)
vorgetragen, zwischenzeitlich sei eine Rückabtretung erfolgt. Das Vorbringen des
Beklagten war nicht verspätet, weil der Kläger ihm erst im Berufungsrechtszug den
Einwand fehlender Sachbefugnis entgegengehalten hat. Mit Schriftsatz vom 20.10.2009
(Bl. 252, 253 d.A.) hat der Beklagte nach der mündlichen Verhandlung vom 14.10.2009
das Schreiben der … Sparkasse vom 09.09.2009 (Bl. 257 d.A.) vorgelegt, woraus sich
ergibt, dass die … Sparkasse die Ansprüche – am 09.10.2009 – freigegeben hat. Die
Freigabeerklärung ist als Rückabtretung zu werten, die der Kläger als solche nicht
bestritten hat, weil er sich nicht gegen die inhaltliche Richtigkeit des Schreibens vom
09.10.2009 gewendet hat.
b)
Entgegen den Ausführungen des Landgerichts trägt der Kläger an sich eine taugliche
rechtshemmende Einwendung vor, indem er darauf verweist, der Anspruch auf
Freistellung sei noch gar nicht fällig (Seite 5 der Klageschrift – Bl. 5 d.A.).
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Der vertraglich vereinbarte Anspruch auf Freihaltung ist hinsichtlich seiner Ausgestaltung
analog dem gesetzlichen Befreiungsanspruch des Bürgen aus § 775 BGB zu behandeln.
Das bedeutet, dass der Auftragsbürge erst dann einen Zahlungsanspruch erhält, wenn
und soweit er den Gläubiger befriedigt hat (BGH NJW 1999, 1182, 1184 und NJW 2000,
1643, 1644). Die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung in der Urkunde
bezieht sich folglich nur auf einen künftigen Anspruch, wobei die vollstreckbare
Ausfertigung bereits ohne weitere Nachweise zu erteilen ist. Das ändert aber nichts
daran, dass der Gläubiger erst vollstrecken darf, wenn der Zahlungsanspruch
entstanden ist. Insoweit hat der Kläger einen berechtigten Einwand erhoben.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Senat steht allerdings fest, dass der
Einwand des Klägers deshalb nicht durchgreift, weil nach der Aussage der Zeugin C… –
nach Inanspruchnahme des Beklagten aus der Bürgschaft seitens der … Sparkasse
durch Schreiben vom 11.02.2008 (Bl. 100, 101 d.A.) – der Betrag in Höhe von 50.000,00
€, hinsichtlich dessen der Kläger sich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen
hat, auf die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten an die … Sparkasse als Gläubiger
gezahlt worden ist.
Die Zeugin C… hat unter Einsichtnahme in die Unterlagen des Abwicklungskontos
ausgesagt, dass am 09.10.2009 eine Bareinzahlung über 20.000,00 € erfolgt sei, wobei
sie zu der betreffenden Person keine Angaben machen könne; am 13.10.2009 sei eine
Überweisung – durch den Beklagten als Auftraggeber – in Höhe von 30.000,00 € erfolgt;
bei beiden Zahlungen habe es sich um solche auf die Bürgschaft gehandelt, wie dies auf
dem Kontoauszug mit „Bürgschaft A… M…“ vermerkt worden sei. Die Zeugin C… hat
weiter bekundet, dass das – an den Beklagten gerichtete – Schreiben der … Sparkasse
vom 11.02.2008 (Bl. 100, 101 d.A.) das Schreiben gewesen sei, mit welchem der
Beklagte auf seine Bürgschaftsverpflichtung in Anspruch genommen worden sei; die
Inanspruchnahme des Beklagten seitens der Gläubigerin sei nicht aufgehoben worden,
wenngleich ihm eine Zurückstellung der Zahlungen eingeräumt worden sei.
Der Senat hat keinen Anhalt, der Zeugin nicht zu glauben; sie war in ihrer
Aufgabenstellung bei der … Sparkasse mit der Abwicklung der Bürgschaftsangelegenheit
betraut. Ihre Angaben hat sie anhand der ihr vorliegenden Unterlagen gemacht. Es gibt
keinen Grund, ihre in sich schlüssige Aussage anzuzweifeln.
In rechtlicher Hinsicht ist es unerheblich, dass die Zeugin C… nicht angeben konnte, ob
der Beklagte selbst die Bareinzahlung über 20.000,00 € am 09.10.2009 geleistet hat
oder ob hierfür ein Dritter in Betracht kommt. Entscheidend ist allein, dass die Zahlung
auf die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten erbracht wurde, was die Zeugin anhand
des Vermerks auf dem Kontoauszug bejaht hat. Denn auch die Zahlung eines Dritten
kommt dem Beklagten zugute, weil der Bürge nicht in Person zu leisten hat (§ 267 Abs.
1 BGB).
c)
Ohne Erfolg wendet sich der Kläger gegen den titulierten Anspruch mit dem Einwand, der
Kauf- und Abtretungsvertrag vom 18.12.2006 sei nicht wirksam geworden, weil der
Beklagte gemäß Nr. 5 des Vertrages seine Geschäftsanteile unter der aufschiebenden
Bedingung abgetreten habe, dass er sein Rücktrittsrecht aus Nr. 4 des Vertrages nicht
mehr ausüben könne (Seite 10 Berufungsbegründung – Bl. 218 d.A.).
Der Kläger verkennt hierbei die Ausgestaltung des Vertrages vom 18.12.2006. Danach
ist nur die Abtretung der Anteile sowie der Rückzahlungsansprüche, nämlich aus
Darlehen des Beklagten an die Gesellschaft, unter der aufschiebenden Bedingung erklärt
worden (Bl. 11 d.A.). Entgegen der Auffassung des Klägers ist es nicht etwa so, dass der
gesamte Vertrag hiervon erfasst würde.
3.
Dem Kläger steht eine rechtsvernichtende Einwendung zur Seite, weil er den notariellen
Kauf- und Abtretungsvertrag vom 18.12.2006 wirksam wegen arglistiger Täuschung (§
123 Abs. 1 BGB) mit der Folge angefochten hat, dass der Vertrag nichtig ist (§ 142 Abs.
1 BGB).
a)
Die Anfechtungsfrist von einem Jahr (§ 124 Abs. 1 BGB) hat der Kläger mit seiner
Anfechtungserklärung im Schreiben vom 06.05.2008 (Bl. 26, 27 d.A.) gewahrt. Der
Kläger hat sich nämlich darauf berufen, er habe Kenntnis von den Zahlungstiteln erst im
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Kläger hat sich nämlich darauf berufen, er habe Kenntnis von den Zahlungstiteln erst im
November 2007 erlangt. Ob er die Kenntnis zu einem früheren Zeitpunkt hätte erlangen
können, ist demgegenüber unerheblich; denn für den Beginn der Anfechtungsfrist
kommt es allein auf die Kenntnis von der Täuschung und nicht etwa auf ein
Kennenkönnen oder –müssen an (BGH WM 1973, 751; Palandt/Ellenberger, BGB, 69
Aufl., § 124, Rdnr. 2).
Zudem hat der Beklagte für seine Behauptung über eine frühere Kenntnis des Klägers
über die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft einen Beweis nicht angetreten. Der
Vortrag des Beklagten ist auch nicht durch die Aussage des Zeugen K… bestätigt
worden; auch danach hat der Kläger den Zeugen erst im November 2007 auf ihm - dem
Kläger - bis dahin nicht bekannte Verbindlichkeiten angesprochen. Der damit fehlende
Beweis einer früheren Kenntnis des Klägers geht zu Lasten des Beklagten. Denn er trägt
die Beweislast für alle Voraussetzungen des Erlöschens des Anfechtungsrechts und
damit für den Ablauf der Anfechtungsfrist und hat daher den Beweis zu führen, dass der
Kläger länger als ein Jahr vor der Anfechtungserklärung vom 6.5.2008 von der arglistigen
Täuschung Kenntnis erlangt hat (vgl. BGH NJW 1992, 2346, 2347 f.; OLG Nürnberg VersR
2001, 1368, 1369; MünchKomm./Kramer, BGB, 5. Aufl., § 124, Rdnr. 11;
Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 124, Rdnr. 4).
b)
Der Kläger kann sich auch auf einen Anfechtungsgrund berufen, weil der Beklagte ihn
über die finanzielle Lage der Gesellschaft getäuscht hat.
Der Kläger trägt vor, bereits bei Abschluss des Vertrages vom 18.12.2006 hätten
Zahlungsverpflichtungen der P… GmbH in Höhe von mehr als 160.000,00 € bestanden,
wobei schon Urteile und Pfändungsmaßnahmen vorgelegen hätten (Seite 3 des
Schriftsatzes vom 27.06.2008 – Bl. 104 d.A.). Dazu bezieht sich der Kläger auf die mit
der Klage als Anlagenkonvolut K 6 (Bl. 28 – 70 d.A.) vorgelegten Urteile, Pfändungs- und
Einziehungsverfügungen sowie Zahlungsverbote.
Der Beklagte hat das Vorbringen des Klägers nicht tauglich in Frage gestellt. Er hat sich
auf den unzulässigen Standpunkt zurückgezogen, die Verfahren seien ihm nicht
bekannt, weil die jeweiligen Maßnahmen und Titel sämtlich aus der Zeit nach der
Anteilsübertragung stammten (Seite 3 des Schriftsatzes vom 29.07.2008 – Bl. 115 d.A.).
Der Beklagte übersieht hierbei, dass er das Vorbringen des Klägers, die
Zahlungsverpflichtungen von mehr als 160.000,00 € hätten bereits bei Vertragsschluss
bestanden, nicht ausdrücklich bestritten hat; demzufolge kann der Beklagte sich nicht
mit Nichtwissen in der Weise erklären, von den – später nach Vertragschluss ergangenen
- Maßnahmen und Titeln keine Kenntnis gehabt zu haben; der Beklagte verkennt hierbei,
dass die Maßnahmen und Titel auf Zahlungsverpflichtungen der P… GmbH beruhten, die
bereits bei Vertragsschluss bestanden.
Das Vorbringen des Klägers rechtfertigt eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung.
Denn der Umstand, dass die Gesellschaft nicht imstande war, Zahlungsverpflichtungen
von mehr als 160.000,00 € zu erfüllen, belegt jedenfalls eine angespannte finanzielle
Lage der Gesellschaft.
In rechtlicher Hinsicht kann eine Täuschung durch Unterlassen nur angenommen
werden, wenn der Beklagte gegenüber dem Kläger aufklärungspflichtig gewesen ist. Dies
ist hier unter zwei Gesichtspunkten zu bejahen.
Eine Aufklärungspflicht besteht – ungefragt – über solche Umstände, die nur dem
Verkäufer bekannt sind und von denen er weiß oder wissen muss, dass sie für den
Käufer von wesentlicher Bedeutung sind, weil sie den Vertragszweck vereiteln können;
weiß der Verkäufer, dass dem Käufer die wahre Sachlage unbekannt geblieben ist, oder
rechnet er damit und nimmt es in Kauf, dass eine Unkenntnis des Käufers auf dessen
Willensentschluss von Einfluss sein kann, ist in seinem Schweigen eine Täuschung des
Vertragspartners zu sehen; bei angespannter finanzieller Lage einer GmbH hat der
Verkäufer von Geschäftsanteilen sämtliche Verbindlichkeiten offenzulegen (BGH, Urteil
vom 04.03.1998, NJW-RR 1998, 1406).
Eine Aufklärungspflicht besteht ungeachtet dessen immer dann, wenn der eine
Vertragsteil Fragen stellt; Fragen müssen vollständig und richtig beantwortet werden
(Palandt/Ellenberger, § 123 BGB, Rdnr. 5 b).
Nach Lage des Falles war der Beklagte nach den Grundsätzen der Entscheidung des
BGH vom 04.03.1998 bereits – ungefragt – aufklärungspflichtig.
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Die Gesellschaft befand sich in einer angespannten finanziellen Lage. Dies indiziert der
Umstand, dass sie bei Vertragsschluss bestehende Zahlungsverpflichtungen in Höhe
von mehr als 160.000,00 € nicht erfüllen konnte und es deshalb zu Rechtsstreitigkeiten
kommen ließ. Besonders anschaulich zeigt sich die krisenhafte Lage daran, dass die
Gesellschaft noch nicht einmal die Kostennoten des Notars R…, die aus den Jahren 2001
bis 2005 stammten und sich auf 27.061,65 € beliefen (Bl. 30 d.A.), beglichen hat bzw.
begleichen konnte. Dies führte dazu, dass der Notar am 01.06.2007 entsprechende
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ergriff (Bl. 30 – 32 d.A.).
Die angespannte finanzielle Lage, die sich daran zeigte, dass die Gesellschaft bei
Vertragsschluss Verbindlichkeiten in Höhe von mehr als 160.000,00 € nicht bedienen
konnte, war geeignet, den Vertragszweck zu vereiteln. Dies folgt bereits daraus, dass die
Parteien in dem notariellen Vertrag zu Teil B Ziffer 3 b) ein Ausfallrisiko der Vermarktung
des in Rede stehenden Projektes von nicht mehr als 50.000,00 € angenommen hatten
(Bl. 11 d.A.). Damit hatten die Parteien das für den Kläger zu erwartende Risiko
begrenzt, und zwar nur bezogen auf die Vermarktung des Projekts, also unabhängig von
der finanziellen Lage der Gesellschaft. Die angespannte finanzielle Lage führte somit zu
einer Erhöhung des Risikos des Klägers. Außerdem ist in diesem Zusammenhang zu
berücksichtigen, dass der Kläger nur einen verhältnismäßig kleinen Geschäftsanteil zum
Kaufpreis von 7.992,00 € übernommen hat. Insoweit hatte der Beklagte besondere
Veranlassung, bereits ungefragt den Kläger über die wirtschaftliche Lage der
Gesellschaft vollständig und richtig zu informieren.
Der Beklagte war nach dem Ergebnis der vor dem Senat durchgeführten
Beweisaufnahme auch deshalb aufklärungspflichtig, weil der Kläger bei den
Vertragsverhandlungen eine entsprechende Frage gestellt hatte.
Nach der Aussage des Zeugen K… hat der Kläger bei dem vor dem Notartermin
stattgefundenem Gespräch, bei dem die Einzelheiten des Vertrages zwischen dem
Beklagten und dem Kläger sowie dem Zeugen K… erörtert wurden, nach Besonderheiten
gefragt; wie der Zeuge K… weiter ausgesagt hat, wurde diese Frage übergangen und nur
noch über das Bauvorhaben L… gesprochen; eine Aufklärung über Verbindlichkeiten der
GmbH wurde nicht gegeben.
Die Frage des Klägers, ob es Besonderheiten gebe, konnte der Beklagte als der
Verkäufer der Geschäftsanteile nach den Umständen des Falles und nach der
Interessenlage nur in dem Sinne verstehen, dass der Kläger über solche Umstände
unterrichtet sein wollte, die für seine Kaufentscheidung von Bedeutung sein würden.
Dazu gehörte es, dass der Kläger jedenfalls eine Auskunft über die Frage der
wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft erwartete. Der Beklagte konnte die Frage nach
Besonderheiten nicht anders auffassen.
Der Senat ist von der Richtigkeit der Aussage des Zeugen K… überzeugt. Die Aussage
ist glaubhaft und in sich schlüssig.
Der Kläger kannte bei Vertragsschluss, wie der Zeuge K… ausgesagt hat, die „Altlasten“
(Seite 4 der Sitzungsniederschrift vom 14.04.2010 – Bl. 305 d.A.) nicht; da der Kläger
somit keine Kenntnis von der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft hatte, ist es nur
folgerichtig, dass er nach etwaigen Besonderheiten gefragt hat. Das Gespräch hat dann
allerdings einen anderen Verlauf genommen, wie der Zeuge K… ausgesagt hat, nämlich
dahin, dass nur über das Bauvorhaben L… und den nach der damaligen Kalkulation zu
erwartenden Rohertrag gesprochen wurde.
Der Zeuge K… hat auf den Senat einen glaubwürdigen Eindruck gemacht. In seinem
Aussageverhalten waren Auffälligkeiten nicht zu erkennen. Er hat ohne Umschweife von
sich aus erklärt, dass er es selbst gewesen ist, der den Kläger als weiteren Käufer der
Geschäftsanteile des Beklagten vorgeschlagen hat. Gleichwohl hat er sich zu dem Inhalt
des Vertragsgesprächs insgesamt nicht zurückhaltend geäußert; soweit er sich nicht
mehr erinnern konnte, hat er dies klar zum Ausdruck gebracht.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die dafür in § 543 Abs. 2 ZPO aufgestellten
Voraussetzungen nicht vorliegen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
51 Streitwert im Berufungsrechtszug: 50.000,00 €.
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