Urteil des OLG Brandenburg vom 13.03.2017

OLG Brandenburg: wesentliche veränderung, haushalt, stufenklage, auskunft, sammlung, bezifferung, auffordern, wohnkosten, link, quelle

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 2.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 WF 55/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1570 BGB, § 1573 Abs 2 BGB,
§ 1578 Abs 1 BGB, § 1580 BGB,
§ 114 ZPO
Prozesskostenhilfe; Unterhaltsabänderungsklage: Summarische
Prüfung hinsichtlich bestehender Unterhaltsplicht und
hinsichtlich eines Auskunftsanspruchs zur Unterhaltsbemessung
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht
zurückverwiesen.
Gründe
Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde führt zu der aus der
Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Der Klägerin kann Prozesskostenhilfe nicht
aus den vom Amtsgericht angeführten Gründen versagt werden.
1. Zu Unrecht hat das Amtsgericht der von der Klägerin beabsichtigten Rechtsverfolgung
die hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO, abgesprochen. Im
Prozesskostenhilfeverfahren kann davon ausgegangen werden, dass der Klägerin der
geltend gemachte Auskunftsanspruch nach § 1580 BGB zusteht. Insbesondere kann bei
der gebotenen summarischen Prüfung (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 114, Rz. 19;
Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf -/Gutjahr, § 1, Rz. 254) angenommen
werden, dass die für das Bestehen des Auskunftsanspruchs erforderlichen
Voraussetzungen gegeben sind, nämlich dass zwischen den Parteien dem Grunde nach
eine Unterhaltspflicht besteht und die begehrte Auskunft für die Bemessung des
Unterhalts erheblich sein kann (vgl. Johannsen/Henrich/Büttner, Eherecht, 4. Aufl., §
1580, Rz. 3).
a) Vom Ausgangspunkt her zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass die
Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch ohne zeitliche Lücke gegeben sein
müssen.
Ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt besteht nur, wenn die Voraussetzungen eines
der sieben Unterhaltstatbestände der §§ 1570 bis 1576 BGB vorliegen (Wendl/Pauling,
Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 4, Rz. 44). Die
Voraussetzungen für jeden dieser Tatbestände müssen zu bestimmten
Einsatzzeitpunkten gegeben sein (Wendl/Pauling, a.a.O., § 4, Rz. 48). Sind die
Tatbestandsvoraussetzungen einer Anspruchsnorm bereits im Zeitpunkt der Scheidung
erfüllt, so handelt es sich um einen originären Unterhaltsanspruch, der auf den vollen
eheangemessenen Unterhalt, § 1578 Abs. 1 BGB, geht. Sind die Voraussetzungen der
jeweiligen Anspruchsnorm erst zu einem späteren Zeitpunkt, einem maßgeblichen
Einsatzzeitpunkt, erfüllt, so besteht ein Anspruch auf Anschlussunterhalt (Wendl/Pauling,
a.a.O., § 4, Rz. 49). Dieser Anspruch setzt aber auch voraus, dass der Tatbestand eines
vorangehenden Unterhaltsanspruchs bis zum Einsatzzeitpunkt durchgehend erfüllt war
(BGH, FamRZ 2001, 1291, 1294). Demnach müssen sich die einzelnen vorangehenden
Unterhaltsansprüche ohne zeitliche Lücke nahtlos aneinander anschließen. Werden die
Voraussetzungen für einen Anschlussunterhalt erst später erfüllt, entsteht kein
Unterhaltsanspruch mehr (Wendl/Pauling, a.a.O., § 4, Rz. 49).
b) Eine zeitliche Lücke zwischen verschiedenen Unterhaltstatbeständen ist im
vorliegenden Fall schon deshalb nicht festzustellen, weil das abzuändernde Urteil (vgl. zu
der Möglichkeit, die Abänderungsklage als Stufenklage zu erheben, FamVerf/Schael, § 1,
Rz. 383) nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lässt, auf der Grundlage welches
Unterhaltstatbestands der Klägerin mit dem Scheidungsverbundurteil Unterhalt ab
Rechtskraft der Ehescheidung zuerkannt worden ist.
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Rechtskraft der Ehescheidung zuerkannt worden ist.
Im Scheidungsverbundurteil ist ausgeführt, der Ehemann habe gemäß §§ 1570, 1577
BGB Aufstockungsunterhalt von 238 DM an die Ehefrau zu zahlen. Weitere Ausführungen
zur Anspruchsgrundlage finden sich ebenso wenig wie eine konkrete Berechnung des
Unterhaltsanspruchs. Der Umstand, dass die Vorschrift des § 1570 BGB genannt wurde
wie auch der Umstand, dass das gemeinsame Kind der Parteien seinerzeit im Haushalt
der Klägerin lebte, sprechen zwar dafür, dass der Klägerin Unterhalt wegen Betreuung
eines Kindes, § 1570 BGB zuerkannt werden sollte. Da andererseits aber auch von
Aufstockungsunterhalt die Rede ist, kann Grundlage dieser Verurteilung ebenso ein
Anspruch nach § 1573 Abs. 2 BGB sein.
Nachdem sich das Kind der Parteien nach den Angaben der Klägerin seit zwei Jahren im
Haushalt des Beklagten befindet, stützt diese ihren Unterhaltsanspruch jedenfalls nicht
mehr auf die Vorschrift des § 1570 BGB, sondern verweist vor allem auf das erhebliche
Einkommensgefälle zwischen den Parteien. Grundlage eines Unterhaltsanspruchs kann
daher jetzt vorrangig die Vorschrift des § 1573 Abs. 2 BGB sein. Da nach dem
Vorstehenden nicht ausgeschlossen ist, dass die Verurteilung im abzuändernden Urteil
ebenfalls auf der Grundlage von § 1573 Abs. 2 BGB erfolgt ist, kann im
Prozesskostenhilfeverfahren zu Gunsten der Klägerin davon ausgegangen werden, dass
ein einheitlicher Unterhaltsanspruch gegeben ist. Ein Anspruch auf Auskunfterteilung ist
somit ohne weiteres gegeben.
c) Selbst wenn man auf Grund des Umstands, dass im abzuändernden Urteil die
Vorschrift des § 1570 BGB genannt ist, von einem titulierten Unterhalt wegen
Kindesbetreuung ausgeht, besteht für das Begehren der Klägerin dennoch hinreichende
Aussicht auf Erfolg.
Die Vorschrift des § 1573 Abs. 2 BGB, aus der sich ein zukünftiger Anspruch der Klägerin
insbesondere ergeben könnte, enthält nach ihrem Wortlaut anders als die übrigen
Tatbestände des nachehelichen Unterhalts keine ausdrücklich genannte Einsatzzeit.
Dennoch wird überwiegend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des
originären Aufstockungsunterhalts bereits zur Zeit der Scheidung oder doch im
zeitlichen Zusammenhang mit der Scheidung vorliegen müssen (vgl. Wendl/Pauling,
a.a.O., § 4, Rz. 126). Dies hat, wenn der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt lediglich als
Anschlussunterhalt geltend gemacht wird, zur Folge, dass mit dem Wegfall der
Voraussetzungen für den vorangegangenen Unterhaltsanspruch unmittelbar die
Voraussetzungen für einen Anspruch auf Aufstockungsunterhalt gegeben sein müssen.
Dies ist vorliegend bei summarischer Betrachtung anzunehmen.
Nach dem Vorbringen in der Beschwerdeschrift lebt die gemeinsame Tochter der
Parteien bereits seit zwei Jahren beim Beklagten. Der Obhutswechsel ist demnach wohl
im Jahr 2004 erfolgt. Mit der Beschwerde hat die Klägerin gleichzeitig vorgetragen, dass
der Beklagte bereits im Jahr 2004/2005 ein mindestens dreimal so hohes Einkommen
wie sie selbst gehabt habe. Dieser Vortrag lässt ohne weiteres den Schluss zu, dass ein
Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB bereits in dem Zeitpunkt,
als das Kind den Haushalt der Klägerin verlassen hat und ein vorher möglicherweise
gegebener Anspruch nach § 1570 BGB weggefallen ist, bestanden hat.
2. Die Klägerin begehrt Anhebung des titulierten Unterhalts im Wege der Stufenklage.
Unabhängig davon, ob sich etwa nach erteilter Auskunft überhaupt eine die Abänderung
rechtfertigende wesentliche Veränderung der Verhältnisse, § 323 Abs. 1 ZPO, ergibt, ist,
wenn die Voraussetzungen im Übrigen vorliegen, Prozesskostenhilfe nicht allein für die
erste Stufe, sondern sogleich für die gesamte Stufenklage zu bewilligen (Senat, FamRZ
1998, 1177; OLG Hamm, FamRZ 2000, 429 f.; Johannsen/Henrich/Thalmann, a.a.O., §
114, Rz. 23). Diese Bewilligung ist aber auf einen Antrag, der sich auf Grund der ersten
Stufe zu erteilenden Auskunft ergibt, beschränkt; eine Mehrforderung ist von der
Bewilligung nicht gedeckt (OLG Düsseldorf, FamRZ 2000, 101; Zöller/Philippi, a.a.O., §
114, Rz. 37 a). Nach Bezifferung des Zahlungsantrags durch die Klägerin kann das
Amtsgericht durch Beschluss klarstellen, in welchem Umfang der Antrag von der
Bewilligung erfasst ist (OLG Karlsruhe, FamRZ 1997, 98; OLG Nürnberg, FamRZ 1997,
100, 101; FamVerf/Gutjahr, § 1, Rz. 263).
3. Die Sache ist gemäß § 572 Abs. 3 ZPO an das Amtsgericht zurückzuverweisen, da
dort noch Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob und gegebenenfalls in welchem
Umfang die Klägerin nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der
Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, § 114 ZPO (vgl. auch
FamVerf/Gutjahr, § 1, Rz. 197). Denn bislang liegt lediglich eine Erklärung der Klägerin
über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 23.10.2006 vor, wobei die
dortigen Angaben nicht vollständig belegt sind. Das Amtsgericht wird die Klägerin
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dortigen Angaben nicht vollständig belegt sind. Das Amtsgericht wird die Klägerin
auffordern, eine aktuelle Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse nebst entsprechenden Belegen einzureichen. Zu belegen sind unabhängig
von der Frage, ob etwa Leistungen nach dem SGB II oder nach dem SGB XII bezogen
werden, nach der ständigen Praxis des Senats auch die Wohnkosten und die Höhe
etwaiger Spar- oder Girokonten. Auf der Grundlage der Angaben der Klägerin wird das
Amtsgericht unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats prüfen, ob die
Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 114 ZPO gegeben
sind und danach erneut über den Antrag der Klägerin entscheiden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.
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