Urteil des OLG Brandenburg vom 04.09.2009

OLG Brandenburg: nichteheliche lebensgemeinschaft, schlüssiges verhalten, herausgabe, verkehrswert, beendigung, pacht, gegenleistung, wohnung, räumung, garage

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht
13. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
13 W 67/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 3 ZPO, § 6 ZPO, § 41 GKG
Streitwertfestsetzung für einen Anspruch auf Herausgabe und
Räumung eines Grundstücks nach Beendigung einer
nichtehelichen Lebensgemeinschaft
Tenor
Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 23.9.2009 wird der
Beschluss der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt/Oder vom
4.9.2009 aufgehoben und die Beschwerde der Klägerin gegen die Streitwertfestsetzung
des Landgerichts Frankfurt/Oder in dem am 16.1.2009 verkündeten Urteil
zurückgewiesen, so dass es bei einem Gebührenstreitwert in Höhe von 90.000,00 €
verbleibt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht
erstattet.
Gründe
Die gemäß § 68 Abs. 1 GKG zulässige Beschwerde der Klägerin hat in der Sache keinen
Erfolg; die des Prozessbevollmächtigten des Beklagten ist begründet.
Das Landgericht hat in dem am 16.1.2009 verkündeten Urteil den Streitwert auf
90.000,00 € festgesetzt. Hiergegen richtet sich die am Folgetag bei Gericht
eingegangene Beschwerde der Klägerin vom 23.6.2009, mit der sie zunächst in
entsprechender Anwendung des § 41 Abs. 2 GKG eine Herabsetzung des Streitwertes
auf 6.300,00 € und hilfsweise eine Reduzierung auf 45.000,00 € begehrt. Mit Beschluss
vom 4.9.2009 hat das Landgericht ihrer Beschwerde teilweise abgeholfen und den
Streitwert auf 45.000,00 € festgesetzt. Hiergegen richtet sich die im eigenen Namen
eingelegte Streitwertbeschwerde des Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom
23.9.2009. Er trägt vor, richtigerweise sei der Streitwert auf 90.000,00 € beziffert worden.
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 30.09.2009 erklärt, die Gebühren seinen nach
einem Streitwert von 45.000,00 € zu berechnen.
Die Klägerin hat Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage beantragt, mit der sie
zunächst von dem Beklagten eine Räumung und Herausgabe des von ihm genutzten
Eigenheims nebst Garage/Carport auf dem ihr gehörigen Grundstück …straße 69, in
W…, nach Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft der Parteien begehrte.
Hierzu hat sie ihm vorprozessual mit Schreiben vom 25.10.2007 mit der Begründung
aufgefordert, die nichteheliche Lebensgemeinschaft sei beendet und er habe für die
Dauer seiner weiteren Nutzung das dort im Einzelnen berechnete monatliche
Nutzungsentgelt zu zahlen.
Die Streitwertreduzierung des Landgerichtes im teilweisen Abhilfebeschluss vom
4.9.2009 hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zutreffend ist das Landgericht
allerdings zunächst davon ausgegangen, dass sich vorliegend der Gebührenstreitwert
nach § 6 ZPO bestimmt. Nach dieser Vorschrift wird der Wert bestimmt durch den Wert
einer Sache, wenn es auf deren Besitz ankommt. Bei Klagen auf Herausgabe von
Sachen ist auf den Endzweck des Prozesses Rücksicht zu nehmen, insbesondere auf das
zugrunde liegende Rechtsverhältnis und den vom Kläger verfolgten Zweck, so dass der
wirkliche wirtschaftliche Streit der Parteien maßgebend ist. Für Herausgabeansprüche
aus Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnissen gilt die Sondervorschrift des §
41 GKG. Sie erfasst den Streit über das Bestehen oder die Dauer eines Miet-, Pacht-
oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses wegen einer beweglichen oder unbeweglichen
Sache (Abs. 1) und den Streit um die Frage, ob der Beklagte wegen der Beendigung
eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses das Grundstück, Gebäude
oder den Gebäudeteil räumen muss (Abs. 2). Nur nach § 6 ZPO ist allerdings zu
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oder den Gebäudeteil räumen muss (Abs. 2). Nur nach § 6 ZPO ist allerdings zu
bewerten, wenn dem Herausgabeanspruch lediglich ein Eigentümer - Besitzer -
Verhältnis zugrunde liegt, die Klage also nur auf § 985 BGB oder eine andere, nichtmiet-
oder nichtpachtrechtliche Vorschrift gestützt wird. Maßgebend ist dann der Verkehrswert
des Herausgabeobjektes. Die privilegierte Streitwertvorschrift des § 41 GKG ist generell
nicht anwendbar (vgl. Schneider Streitwertkommentar, 12. Aufl., Rn. 2752 m. w. N.).
Bei der vorliegend begehrten Räumung und Herausgabe wegen der Beendigung der
nichtehelichen Lebensgemeinschaft der Parteien ist die Vorschrift des § 41 GKG nicht
entsprechend anwendbar, weil der Anspruch auf § 985 BGB gestützt gewesen ist, kein
Miet-, Pacht- oder ähnliches rechtliches Nutzungsverhältnisses zwischen den Parteien
bestand, sondern die Nutzung auf rein tatsächlicher Grundlage erfolgte und dem
Beklagten ein Besitzrecht im Sinne des § 986 BGB nicht zustand. Aus der von den
Parteien geführten nichtehelichen Lebensgemeinschaft lässt sich ein solches Besitzrecht
nicht herleiten. Ebenso wie die Ehe zeichnet sich die nichteheliche Lebensgemeinschaft
zwar durch innere Bindungen aus, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner
füreinander begründen. Diesen inneren Bindungen entspricht bei der nichtehelichen
Lebensgemeinschaft aber keine wechselseitige rechtliche Verpflichtung der Partner, wie
sie Ehegatten in § 1353 Abs. 1 Satz 1 BGB vorgegeben ist. So kann ein Ehegatte aus der
wechselseitigen Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft zwar gegen seinen
Ehegatten ein Recht auf Einräumung und zum Behalt von Mitbesitz an der ehelichen
Wohnung herleiten, das sich sogar im Trennungsfall nach Maßgabe des § 1361 b BGB
durchsetzt. Ein vergleichbares gesetzliches Recht steht dem Partner einer
nichtehelichen Lebensgemeinschaft gegen seinen Partner jedoch nicht zu. Die
Mitbenutzung der gemeinsamen, aber im Alleineigentum eines Partners stehenden
Wohnung beruht hier auf dessen tatsächlicher Gestattung; die Befugnis zu dieser
Mitbenutzung endet folglich, wenn die tatsächliche Gestattung nicht mehr besteht, etwa
weil der Eigentümer der Wohnung die Herausgabe des Mitbesitzes verlangt. Das ist hier
der Fall gewesen. Ein Besitzrecht des Beklagten ergibt sich auch nicht aus einem
zwischen den Parteien geschlossenen Leihvertrag. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die
Parteien einen solchen Leihvertrag geschlossen haben. Die Parteien haben, wie
dargelegt, eine nichteheliche Lebensgemeinschaft geführt. Bei einer solchen
Gemeinschaft stehen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die
persönlichen Beziehungen derart im Vordergrund, dass sie auch das die Gemeinschaft
betreffende vermögensmäßige Handeln der Partner bestimmen und daher nicht nur in
persönlicher, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht keine Rechtsgemeinschaft
besteht. Wenn die Partner nicht etwas Besonderes unter sich geregelt haben, werden
dementsprechend persönliche und wirtschaftliche Leistungen nicht aufgrund von
wechselseitig abgeschlossenen Verträgen erbracht. Beiträge zur Lebensgemeinschaft
werden geleistet, sofern Bedürfnisse entstehen, und wenn nicht von beiden, so von dem
erbracht, der dazu in der Lage ist. Das gilt auch dann, wenn - wie hier - ein Partner das in
seinem Eigentum stehende Hausanwesen dem anderen Partner zur Mitnutzung
überlässt. Die Einräumung der Mitnutzung ist in solchem Fall nur eine von vielfältigen
Leistungen im Rahmen des wechselseitigen Gebens und Nehmens; sie dient - wie die
anderen Beiträge auch - dem gemeinsamen Interesse der Partner und erfolgt im Zweifel
auf tatsächlicher, nicht auf vertraglicher Grundlage. Das schließt freilich nicht aus, dass
gleichwohl ein Vertrag über die Mitbenutzung des Hausanwesens durch den Beklagten
geschlossen werden konnte. So kann auch zwischen den Partnern einer nichtehelichen
Lebensgemeinschaft ein Ausgleichsanspruch nach den Vorschriften über die bürgerlich-
rechtliche Gesellschaft bestehen, wenn die Parteien einer nichtehelichen
Lebensgemeinschaft ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten einen
entsprechenden Gesellschaftsvertrag geschlossen haben. Auch der Abschluss eines
Leihvertrags über den von ihnen gemeinsam genutzten Wohnraum ist danach zwischen
den Partnern einer solchen Lebensgemeinschaft zwar grundsätzlich möglich. Zu seiner
Annahme bedarf es jedoch besonderer tatsächlicher Anhaltspunkte, die erkennbar
werden lassen, dass die Partner gerade die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung aus
dem wechselseitigen tatsächlichen Leistungsgefüge ausnehmen und einer besonderen
und für beide Partner rechtlich bindenden Regelung zuführen wollten. Ein solcher
Vertragsschluss liegt deshalb nicht schon konkludent in dem Umstand, dass zwei
Partner sich zu einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammenschließen und der
eine Partner künftig das Hausanwesen des anderen mitbewohnt. Regeln sie ihre
Beziehung nicht erkennbar besonders, handelt es sich bei der gemeinsamen Nutzung
um einen rein tatsächlichen Vorgang, der keine rechtliche Bindung begründet. So liegen
die Dinge auch hier. Eine auf die gemeinsame Nutzung des Hauses der Klägerin
gerichtete vertragliche Regelung der Parteien ist nicht ersichtlich. Eine nichteheliche
Lebensgemeinschaft ist schon ihrer Definition nach auf Dauer angelegt; diese
Dauerhaftigkeit lässt deshalb - für sich genommen - noch keine Rückschlüsse auf einen
Rechtsbindungswillen hinsichtlich der von den Partnern im gemeinsamen Interesse zu
erbringenden Leistungen zu (vgl. BGH FamRZ 2008, 1404 ff. m. w. N.).
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Maßgebend ist daher der Verkehrswert des Herausgabeobjektes (§§ 3 und 6 ZPO).
Handelt es sich um ein Wohnhaus oder ein anderes Gebäude, dann entspricht der
Streitwert dem Verkehrswert des bebauten Grundstücks (vgl. Schneider
Streitwertkommentar a. a. O., Rn. 2752 m. w. N.). Dies ist vorliegend der Fall. Die
Klägerin hat die Herausgabe des Eigenheims nebst Garage/Carport begehrt. Den Wert
des Eigenheims ohne Bodenwert hat sie in der Beschwerdeschrift mit 45.000,00 €
angegeben (75 qm Wohnfläche x 600,00 € pro qm, Bl. 137 d. A.). Hinzu kommt jedoch
zunächst der Wert der 1994 errichteten Garage bzw. des Carports und außerdem
mindestens der Wert des anteiligen Baulandes, das auf die gesamte herausverlangte
Bebauung und deren Nutzung entfällt, so dass ein Verkehrswert von 90.000,00 €
durchaus angemessen ist (§ 3 ZPO).
Demgegenüber kommt es nicht entscheidend auf den Wert des vom Beklagten geltend
gemachten Zurückbehaltungsrechts an. Denn nach herrschender Meinung ist eine
Gegenleistung, namentlich wenn sie als Zurückbehaltungsrecht dem Anspruch auf
Herausgabe entgegengesetzt wird, für die Gebührenstreitwertbestimmung unbeachtlich.
Außer Betracht bleiben nach der herrschenden Meinung Gegenleistungen, selbst wenn
nur sie streitig sind. Eine Gegenleistung mag zwar maßgebend sein, wenn nur
ihretwegen ein Rechtsmittel eingelegt wird. Dies ist allerdings vorliegend nicht der Fall
gewesen (vgl. Zöller-Herget ZPO, 27. Aufl., § 3, Rn. 16 Stichwort „Gegenleistung“ und §
6 Rn. 2, m.w.N.).
Nach alledem war auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Beklagten der
teilweise landgerichtliche Abhilfebeschluss aufzuheben und die Beschwerde der Klägerin
zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.
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