Urteil des OLG Brandenburg vom 15.03.2005

OLG Brandenburg: wichtiger grund, materielles recht, freihändiger verkauf, zwangsversteigerung, immobilie, miteigentümer, grundbuch, teilhaber, darlehen, grundstück

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 9.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 U 4/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 749 BGB, § 771 ZPO
Zwangsversteigerung: Zulässigkeit einer Teilungsversteigerung
im Zusammenhang mit der Auslegung einer
Scheidungsvereinbarung
Tenor
Die Berufung des Beklagten vom 15. März 2005 gegen das am 28. Januar 2005
verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam (1 O 243/04) wird
zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Parteien sind geschiedene Eheleute und Miteigentümer zu je ½ des in D., ...straße
..., gelegenen, mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks, eingetragen im
Grundbuch von D., Blatt 510, lfd. Nr. 1. Diese früher als Ehewohnung genutzte Immobilie
hat die Klägerin im Jahre 1996 zusammen mit dem gemeinsamen Sohn L., geboren am
... 1994, verlassen; sie steht seither dem Beklagten - inzwischen zusammen mit seiner
jetzigen Ehefrau - zur ausschließlichen Nutzung zur Verfügung.
Der Grundbesitz ist derzeit mit rund 291.000 € belastet. Die Tilgungsraten für die
insgesamt sechs Darlehen werden allein vom Beklagten getragen.
Im Rahmen des seinerzeit beim Amtsgericht Zossen unter dem Aktenzeichen 6 F
115/99 anhängigen Ehescheidungsverfahrens schlossen die Parteien am 30. November
1999 eine Vereinbarung, deren Ziffer 3. den gemeinsamen Grundbesitz betrifft und
folgendermaßen lautet:
Bereits vor Abschluss der vorstehenden Vereinbarung hatte der Beklagte die
Immobilienmaklerin Sc. im Hinblick auf einen Verkauf der Immobilie eingeschaltet, die
seinerzeit valutierenden Belastungen mit 613.000 DM und seine Kaufpreisvorstellungen
mit 650.000 DM angegeben. Die Maklerin hatte daraufhin einen zu erzielenden
Verkaufserlös mit allenfalls 500.000 DM beziffert. Als auch ein Eigeninserat des
Beklagten im Internet nicht den gewünschten Erfolg brachte, bot dieser der Klägerin mit
Schreiben vom 30. Januar 2000 die alleinige Übernahme des Grundbesitzes
einschließlich der darauf ruhenden Belastungen an, konnte jedoch eine Haftentlassung
der Klägerin durch die Gläubiger nicht in Aussicht stellen. Dieses Angebot lehnte die
Klägerin ab.
Nachdem der Beklagte in der Folgezeit ein grundbuchrechtlich nicht gesichertes
Darlehen der Eltern der Klägerin zurückgeführt hatte und - der gerichtlichen
Vereinbarung folgend - eine Lebensversicherung der Klägerin auf ihn überschrieben
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Vereinbarung folgend - eine Lebensversicherung der Klägerin auf ihn überschrieben
worden war, errechnete der Beklagte mit Schreiben vom 12. August 2003 an die Klägerin
aufgrund der von ihm bereits erbrachten Zahlungen einen Ausgleichsbetrag zu seinen
Gunsten in Höhe von 19.000 €. Anfragen bei den Kreditgebern hatten Forderungen von
diesen im Falle einer vorzeitigen Ablösung als Vorfälligkeitsentschädigung in demselben
Umfang ergeben. Der nun von der Klägerin eingeschaltete Immobilienmakler Sch. stellte
seine Bemühungen ein, nachdem der Beklagte ihm erklärt hatte, dass ein Verkauf unter
einem Erlös von 290.000 € nicht in Betracht käme. Nachdem der Beklagte auf das
Angebot der Klägerin auf Übertragung ihres Miteigentumsanteils an dem Grundstück an
ihn gegen vollständige Pfandentlassung nicht eingegangen war, bot er seinerseits mit
Schreiben vom 14. Juli 2004 umgekehrt die Übergabe seines Miteigentumsanteils an
dem Grundstück an. Auch dieser Vorschlag wurde nicht realisiert.
Am 27. Januar 2004 beantragte der Beklagte die Anordnung der Zwangsversteigerung
des streitgegenständlichen Grundstücks zum Zwecke der Auseinandersetzung der
Gemeinschaft, die mit Beschluss des zuständigen Amtsgerichts Luckenwalde (17 K
25/04) am 9. März 2004 erging. Der Anordnungsbeschluss wurde der Klägerin am 11.
März 2004 zugestellt, die daraufhin am 16. April 2004 Drittwiderspruchsklage erhob.
Die Klägerin hat behauptet, der Antrag des Beklagten auf Versteigerung sei unzulässig,
weil es vor dem Hintergrund der geschlossenen gerichtlichen Scheidungsvereinbarung
an einer Antragsberechtigung und an einem Teilungsgrund fehle. Um den vereinbarten
freihändigen Verkauf habe der Beklagte sich hingegen nicht hinreichend bemüht.
Die Klägerin hat beantragt,
die von dem Beklagten aufgrund des Antrages auf Versteigerung eines Grundstücks
zum Zwecke der Auseinandersetzung der Gemeinschaft vom 27. Januar 2004
angeordnete Zwangsversteigerung des Amtsgerichts Luckenwalde durch Beschluss vom
9. März 2004, Az. 17 K 25/04, betriebene Vollstreckung in das Grundstück, Grundbuch
von D. Blatt 510, laufende Nr. 1, Gemarkung D., Flur 4, Flurstück 100/7, ...straße,
Gebäude- und Freifläche, wird für unzulässig erklärt.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Ansicht vertreten, ein freihändiger Verkauf, der versucht worden sei, scheitere
an der Unwirtschaftlichkeit, während sein der Klägerin durchaus vorteilhaftes Angebot
auf Übernahme des Grundstücks gegen Zahlung von lediglich 13.900 € abgelehnt
worden sei. Vor diesem Hintergrund sei er zu weiteren Verkaufsbemühungen nicht
verpflichtet.
Der Einzelrichter der 1. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam hat mit am 28. Januar
2005 verkündetem Urteil der Klage stattgegeben und die vom Beklagten betriebene
Zwangsversteigerung des Grundbesitzes für unzulässig erklärt. Zur Begründung hat das
Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, der grundsätzlich bestehende
Auseinandersetzungsanspruch des Beklagten sei durch die gerichtliche
Scheidungsvereinbarung auf einen freihändigen Verkauf beschränkt. Diese Vereinbarung
sei auch nicht wegen Irrtums unwirksam, da der erzielbare Verkaufserlös bereits vor
Abschluss der Vereinbarung der Parteien bekannt war. Ebenso wenig sei eine zeitliche
Befristung von der Vereinbarung vorgesehen. Aus diesem Grunde komme eine
Aufhebung der Gemeinschaft durch Zwangsversteigerung nur aus wichtigem Grund in
Betracht, der hier nicht erkennbar sei. Im Übrigen seien die Verkaufsbemühungen des
Beklagten nicht als ausreichend zu werten.
Gegen diese ihm am 21. Februar 2005 zugestellte Entscheidung hat der Beklagte,
eingehend beim Brandenburgischen Oberlandesgericht am 16. März 2005, Berufung
eingelegt und sein Rechtsmittel - nach auf rechtzeitigem Antrag hin erfolgter
Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 23. Mai 2005 - eingehend am 20. Mai 2005
begründet.
Der Beklagte vertritt die Ansicht, die Scheidungsvereinbarung sei auslegungsbedürftig.
Aus ihr ergebe sich weder eine Verpflichtung zu einem freihändigen Verkauf, noch sei
eine Versteigerung dadurch ausgeschlossen. Dass auch die Übernahme der Anteile
durch den Miteigentümer hiervon gedeckt sei, ergebe sich bereits aus den
wechselseitigen Angeboten. Hingegen sei der Kaufpreis nicht Gegenstand der
Vereinbarung gewesen. Sofern er nicht die Grundstückslasten im Umfang von
inzwischen nahezu 65.000 € allein getragen hätte, wäre es bereits zu einer
Zwangsversteigerung der Immobilie auf Betreiben der Gläubiger gekommen. Bei einem
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Zwangsversteigerung der Immobilie auf Betreiben der Gläubiger gekommen. Bei einem
derzeitigen Verkehrswert von maximal 230.000 € und bestehenden Belastungen in der
Größenordnung von 291.000 € hätte die Klägerin nach der Vereinbarung die hälftige
Differenz von 36.000 € zu tragen, weshalb sein Angebot vom 15. September 2003 für
die Klägerin überaus günstig gewesen sei, und dessen Ablehnung allein wegen des
inzwischen eingetretenen Wertverfalls auf dem Immobilienmarkt eine treuwidrige
Vereitelung der Auseinandersetzung der Gemeinschaft bedeute.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertieft ihr erstinstanzliches
Vorbringen unter Hinweis darauf, dass der freihändige Verkauf als besondere Form der
Auseinandersetzung vereinbart worden sei. Ihre Verhinderung einer Verlustrealisierung
sei legitim.
II.
Die Berufung des Beklagten ist nach § 511 Abs. 1 und 2 ZPO statthaft, sowie form- und
fristgerecht im Sinne der §§ 517, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden und
demzufolge zulässig.
Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht in der
angefochtenen Entscheidung die vom Beklagten betriebene Zwangsversteigerung des
gemeinsamen Grundbesitzes der Parteien für unzulässig erklärt, weil die in der
Scheidungsvereinbarung getroffenen Regelungen dem entgegenstehen.
Das von der Klägerin im Wege der Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO geltend
gemachte Klagebegehren ist zulässig. Betreibt - wie vorliegend - ein Mitglied einer
Bruchteilsgemeinschaft, hier derjenigen an dem im jeweils hälftigen Eigentum stehenden
Grundstücksgemeinschaft, die Teilungsversteigerung gemäß § 180 ZVG, so stellt für
denjenigen, der sich auf ein aus dem Grundbuch nicht ersichtliches, der Versteigerung
entgegenstehendes materielles Recht beruft, die Drittwiderspruchsklage im Sinne der
genannten Vorschrift das zulässige Rechtsmittel dar (Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 180, Rn.
9.8). Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass die Teilungsversteigerung im engeren
Sinne keine Zwangsvollstreckung und die an der Bruchteilsgemeinschaft mitbeteiligte
Klägerin nicht Dritte im Sinne der genannten Vorschrift ist.
Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht die Drittwiderspruchsklage der Klägerin auch für
begründet erachtet. Zwar steht jedem Teilhaber einer Gemeinschaft materiell-rechtlich
grundsätzlich nach § 749 Abs. 1 BGB ein jederzeitiges Recht zu, deren Aufhebung zu
verlangen.
Dennoch ist hier das Teilungsverlangen des Beklagten unzulässig und die
Teilungsversteigerung demzufolge ausgeschlossen, weil die Miteigentümer eine andere
Art der Auseinandersetzung vereinbart haben, denn die gesetzliche Regelung des § 749
Abs. 1 BGB ist abdingbar (vgl. Böttcher, ZVG, 4. Aufl., § 180, Rn. 13; MüKo-Schmidt,
BGB, 4. Aufl., § 749, Rn. 5). Zu Recht hat sich die für das von ihr behauptete Hindernis
für die Aufhebung der Gemeinschaft darlegungs- und beweisbelastete Klägerin (vgl.
BGH, NJW-RR 1991, 946) in diesem Zusammenhang auf die zwischen den Parteien
geschlossene Scheidungsvereinbarung berufen.
Zwar hat diese Vereinbarung zunächst ihrem Wortlaut nach ("soll verkauft werden")
keinen aufhebungshindernden Inhalt, sondern schreibt im Gegenteil den
übereinstimmenden Willen der ehemaligen Eheleute fest, die Gemeinschaft aufzuheben.
Es handelt sich insoweit um eine so genannte Teilungsvereinbarung, die das Wie der
Teilung, nicht das Ob regeln soll (MüKo-Schmidt, a.a.O., Rn. 31 f.). Der Inhalt einer
derartigen Vereinbarung ist gegebenenfalls durch Auslegung zu ermitteln. Dies führt hier
zunächst einmal dazu, dass festzustellen ist, dass die Parteien sich verpflichtet haben,
sich um einen Verkauf der Immobilie (an Dritte) zu bemühen. Ob darüber hinaus hiervon
bereits aufgrund der ursprünglichen Vereinbarung oder aufgrund des Verhaltens der
Parteien in der Folgezeit auch die Übertragung eines Miteigentumsanteils an den jeweils
anderen Teilhaber umfasst war, kann dahinstehen. Jedenfalls sollte offenkundig der nun
vom Beklagten beschrittene Weg einer Teilungsversteigerung eindeutig ausgeschlossen
sein, weil es sonst der getroffenen Vereinbarung nicht bedurft hätte.
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Dennoch kann sich auch bei Vorliegen einer Teilungsvereinbarung dieses Inhalts ein
Recht auf Aufhebung der Gemeinschaft und demzufolge die Zulässigkeit der
Teilungsversteigerung aus einem wichtigen Grund gemäß § 749 Abs. 2 BGB ergeben;
eine derartige Garantie der Aufhebung ist prinzipiell unabdingbar, wie aus § 749 Abs. 3
BGB folgt (vgl. MüKo-Schmidt, a.a.O., Rn. 10). Ein solchermaßen wichtiger Grund ist
vorliegend indes nicht gegeben. Er wäre anzunehmen, wenn einem Teilhaber das
Verbleiben in der Gemeinschaft unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls
und Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zumutbar wäre. Insoweit könnte
einerseits das Verhalten eines Teilhabers einen wichtigen Grund darstellen, der
allerdings selbst bei einer Verfeindung, also einer tiefgreifenden Störung des
gegenseitigen Vertrauens, von der Rechtsprechung jedenfalls dann noch nicht
angenommen wird, wenn die Verwaltungs- und Nutzungsgemeinschaft in zumutbarer
Weise fortgesetzt werden kann, wovon hier auszugehen ist. Der gegenwärtige Status der
Gemeinschaft besteht bereits seit mehreren Jahren fort, ohne dass dies die Parteien -
wozu sie sich im Grundsatz in der Scheidungsvereinbarung verpflichtet haben - zur
Veranlassung genommen haben, mit Nachdruck Verkaufsbemühungen zu entfalten. Die
Einschaltung von nach Aktenlage allenfalls vier Maklern, an deren ernsthafter
Beauftragung teilweise schon angesichts der bekanntermaßen unrealistischen
Kaufpreisvorstellungen Zweifel bestehen, während eines Zeitraumes von inzwischen 10
Jahren, macht deutlich, dass die Parteien selbst die gegenwärtige Verwaltungs- und
Nutzungsgemeinschaft in einem Maße für zumutbar erachten, dass sie sie auf dem von
der Vereinbarung vorgesehenen Wege nicht mit Nachdruck aufzuheben trachten. Da die
Aufhebung der Gemeinschaft aus wichtigem Grund dabei stets als ultima ratio
anzusehen ist, kann in aller Regel ein bloßer finanzieller Engpass eines Teilhabers, wie
ihn vorliegend der Beklagte zwar behauptet, nicht aber substanziiert dargetan hat, zur
Annahme eines wichtigen Grundes nicht genügen.
Andere objektive Gegebenheiten, die einen wichtigen Grund im Sinne des § 749 Abs. 2
BGB darstellen könnten, sind von den Parteien hingegen weder dargetan noch sonst
ersichtlich. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den auf Grund der allgemeinen
Entwicklung auf dem Immobilienmarkt im Verhältnis zum Anschaffungszeitpunkt
gesunkenen Verkehrswert des Grundstücks. In diesem Zusammenhang darf nicht
übersehen werden, dass die Scheidungsvereinbarung keine zeitliche Befristung enthält,
also jedenfalls so lange Geltung besitzt, solange von den Parteien Verkaufsbemühungen
realistischerweise zu erwarten sind und deren Misserfolg nicht endgültig feststeht. Im
Übrigen kann die Argumentation des Beklagten im Hinblick auf die Höhe der von ihm
allein getragenen laufenden Belastungen schon deshalb nicht verfangen, weil ihm diese
bei Abschluss der Vereinbarung bereits bekannt waren und in der Zwischenzeit durch
Wegfall der vereinbarten Zinsbindung außerdem günstigere Konditionen zu erlangen
gewesen sein dürften.
Aus vorstehendem folgt, dass sich der Beklagte zumindest zum gegenwärtigen
Zeitpunkt an die Regelungen der Scheidungsvereinbarung festhalten lassen muss, die
somit derzeit einer Zwangsversteigerung entgegenstehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit
beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.
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