Urteil des OLG Brandenburg vom 11.04.2007

OLG Brandenburg: unterhalt, geschäftsjahr, jahresgewinn, rechtskraft, steuerberater, sacheinlage, steuerpflichtiger, ehevertrag, zahnarztpraxis, form

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 2.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 UF 80/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 1573 Abs 2 BGB
Nachehelichenunterhalt: Anspruch auf Aufstockungsunterhalt
gegenüber einem selbständigen Zahnarzt
Tenor
Die Berufung des Antragsgegners gegen das Urteil des Amtsgerichts Bernau vom 11.
April 2007 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 22.920 € festgesetzt.
Gründe
A.
Die Parteien streiten über nachehelichen Unterhalt ab Ende August 2007.
Die im Jahr 1943 geborenen Parteien waren Eheleute. Sie haben im Jahr 1986 geheiratet,
sich 2004 getrennt und sind durch das angefochtene Verbundurteil geschieden worden.
Rechtskraft des Scheidungsausspruchs
worden. Gemeinsame Kinder sind aus der Ehe der Parteien nicht hervorgegangen.
Der Antragsgegner betreibt als selbständiger Zahnart eine Einzelpraxis sowie eine
zahnärztliche Praxisgemeinschaft. Die Antragstellerin war bis einschließlich 8/2007
vollschichtig als angestellte Zahnarzthelferin in der Praxis des Antragsgegners tätig. Seit
9/2007 bezieht sie Altersrente. Daneben arbeitet sie stundenweise in der Praxis des
Antragsgegners.
Die Parteien haben in 11/2005 einen notariellen Ehevertrag u. a. über den
Zugewinnausgleich und die Übertragung des halben Miteigentumsanteils der
Antragstellerin an dem ehemals gemeinsamen Grundbesitz der Parteien in S… auf den
Antragsgegner geschlossen. Dieser verpflichtete sich im Gegenzug zur Zahlung von
200.000 €. Ferner enthält § 1 des Vertrages eine Modifikation betreffend die
Einkommensberechnung beim nachehelichen Unterhalt.
Amtsgericht
den Versorgungsausgleich ausgesetzt und der Antragstellerin auf der Grundlage der für
beide Parteien festgestellten Erwerbseinkünfte ab Rechtskraft der Ehescheidung
monatlich 1.910 €
Antragsgegner mit seiner Berufung
Er verfolgt seinen erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter und beruft sich
insbesondere auf eine unzutreffende Einkommensfeststellung durch das Amtsgericht
und eine Verschlechterung seiner Gewinnsituation im Jahr 2006 sowie im 1. Quartal
2007.
Die Antragstellerin beantragt die Zurückweisung der Berufung und verteidigt die
erstinstanzliche Entscheidung.
Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen
Feststellungen des Amtsgerichts in dem angefochtenen Urteil sowie auf das
schriftsätzliche Parteivorbringen Bezug genommen.
B.
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Die zulässige Berufung des Antragsgegners ist nicht begründet. Er schuldet der
Antragstellerin ab Rechtskraft der Scheidung, also ab 28.08.2007, Aufstockungsunterhalt
nach § 1573 Abs. 2 BGB jedenfalls in dem vom Amtsgericht tenorierten Umfang von
1.910 € monatlich.
I.
1.
es für die Entscheidung nicht an. Es ist auch ohne Bedeutung, ob die Parteien im
Rahmen ihrer Verhandlungen über den Zugewinnausgleich in dem notariellen Ehevertrag
gegebenenfalls einen höheren als den umstrittenen aktuellen Praxiswert zugrunde
gelegt haben. Der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin bemisst sich allein auf der
Grundlage der Erträgnisse des Antragsgegners aus seiner Einzelpraxis und der
Praxisgemeinschaft.
2.
güter- und unterhaltsrechtliche
„Doppelberücksichtigung„
Der Antragsgegner hat selbst darauf hingewiesen, dass sich die Parteien im Rahmen
ihrer Scheidungsfolgenvereinbarung ausdrücklich darüber verständigt haben, dass der
dem Antragsgegner zustehende Wohnvorteil sowie die Erträgnisse beider Parteien aus
ihrem jeweiligen Vermögen bei der Bemessung des nachehelichen Unterhalts der
Antragstellerin außer Betracht bleiben sollten. Diese Regelung in § 1 des Ehevertrages
habe der Streitvermeidung gedient. Demgegenüber haben die Parteien die Einzelpraxis
bzw. die Praxisgemeinschaft des Antragsgegners, die beide Erträge abwerfen, nicht in
diese Regelung einbezogen.
Wie sich aus dem übereinstimmenden Sachvortrag beider Parteien ergibt, wollten sie in
der notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung allein die unterhaltsrechtliche
Erträgnissen aus sonstigen Vermögenswerten
ausschließen. Insoweit handelt es sich in § 1 des Vertrages um eine Sonderregelung der
Unterhaltsbemessung. Würde man den von der Antragstellerin begehrten nachehelichen
Unterhalt nach Maßgabe der Erträge des Antragsgegners aus seinen Zahnarztpraxen
mit der Überlegung der unzulässigen Doppelberücksichtigung zurückweisen, wäre damit
in der Sache von vorn herein jeglicher nachehelicher Unterhaltsanspruch der
Antragstellerin ausgeschlossen. Denn weitere unterhaltsrelevante Vermögenspositionen
des freiberuflich tätigen Antragsgegners sind - abgesehen von der die Eigeneinkünfte
der Antragstellerin nicht übersteigenden Rente des Antragsgegners - unstreitig nicht
vorhanden. Den Weg eines solchen generellen Unterhaltsausschlusses haben die
Parteien in ihrer notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung aber gerade nicht
beschritten. Vielmehr sind bei Vertragsabschluss ersichtlich beide Parteien davon
ausgegangen, dass nachehelicher Unterhalt nach Maßgabe der Erträgnisse des
Antragsgegners aus seiner Einzelpraxis bzw. der Praxisgemeinschaft verlangt werden
darf. Etwas Anderes wird vom Antragsgegner selbst nicht vorgetragen. An dieser
Vereinbarung, die keinen Wirksamkeitsbedenken (im Rahmen einer Inhalts- oder
Ausübungskontrolle des Ehevertrages) begegnet, muss sich der Antragsgegner
festhalten lassen.
Im Übrigen werden die Zahnarztpraxen auch nicht doppelt ausgeglichen. Der Unterhalt
wird nur aus den Praxiseinnahmen gezahlt, dem Zugewinnausgleich liegt dagegen der
Stamm des Vermögens, d. h. die Praxiswerte als solche, zugrunde.
3.
der Antragstellerin aus den seit Ende des Jahres 2005 von ihm geleisteten
Zugewinnausgleichszahlungen in Höhe von insgesamt 200.000 € scheidet nach dem
ausdrücklichen Wortlaut des notariellen Ehevertrages der Parteien aus.
Nach seinem § 1 sollen unterhaltsrechtlich sowohl ein Wohnvorteil auf Seiten des
Antragsgegners als auch „sämtliche Einkünfte in Form von Vermögenserträgnissen
unbeachtet bleiben„. Dieser im Vertrag vereinbarten Sonderregelung zur
Unterhaltsbemessung stehen ebenfalls keinen Wirksamkeitsbedenken entgegen.
II.
Die Einkommensverhältnisse des Antragsgegners
1.
unterhaltsrelevanten Einkommens in erster Linie die steuerlichen
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unterhaltsrelevanten Einkommens in erster Linie die steuerlichen
Jahresabschlussunterlagen heranzuziehen, da andere Hilfsmittel meist nicht zur
Verfügung stehen. Wegen der häufig stark schwankenden Einkünfte von Selbständigen
ist üblicherweise auf die Ergebnisse der drei dem jeweiligen Unterhaltszeitraum
vorausgehenden Kalenderjahre abzustellen (vgl. hierzu etwa BGH, FamRZ 2004,
1177/1178).
Im Streitfall ist der Ausspruch der Ehescheidung in 8/2007 rechtskräftig geworden. Der
Senat hält es auch vorliegend für angemessen, auf den vom Antragsgegner in einem
Zeitraum von drei Jahren erzielten Durchschnittsgewinn aus seiner freiberuflichen
Tätigkeit abzustellen. Für die Durchschnittsbildung sind die zeitnächsten Gewinne der
vorausgehenden abgeschlossenen Geschäftsjahre zugrunde zu legen. Demnach sind für
den im laufenden Kalenderjahr 2007 einsetzenden Unterhaltsanspruch der
in den Jahren 2004, 2005 und 2006
Antragsgegners maßgebend.
Anlass für eine Korrektur dieser Berechnungsgrundlage besteht entgegen der
Auffassung des Antragsgegners nicht. Insbesondere ist nicht die von ihm für die
Gegenwart behauptete „dramatische„ Einkommensverschlechterung festzustellen. Die
steuerpflichtigen Einkünfte des Antragsgegners im Jahr 2006 liegen zwischen denjenigen
der Kalenderjahre 2004 und 2005. Das Geschäftsjahr 2007 ist noch nicht abgeschlossen.
Der Bruttogewinn im 1. Quartal (von rund 21.352 €) lässt bereits keine sichere Prognose
für das gesamte Kalenderjahr 2007 zu. Hochgerechnet auf ein volles Jahr ergibt sich ein
steuerpflichtiges Gesamteinkommen, das dasjenige des Geschäftsjahres 2005
übersteigt. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners bestehen auch keine anderen
Anhaltspunkte dafür, dass mit einer stetigen Reduzierung seiner laufenden Einkünfte aus
der freiberuflichen Tätigkeit zu rechnen ist. Der Antragsgegner beruft sich schließlich
selbst nicht darauf, dass die Gewinnergebnisse in den Geschäftsjahren 2004 bis 2006
durch außergewöhnliche Ereignisse geprägt worden wären.
In der Gesamtschau handelt es sich bei den vom Antragsgegner vorgetragenen
Veränderungen um Gewinnschwankungen im üblichen Rahmen. Solche Schwankungen
sollen aber gerade durch die Zugrundelegung des Dreijahreszeitraums aufgefangen
werden. Es bleibt daher dabei, dass für die Unterhaltsberechnung ab 9/2007 die
steuerlichen Gewinne des Antragsgegners in den vorausgegangenen drei Jahren 2004
bis 2006 zugrunde zu legen sind.
Folglich kommt es auf das noch laufende Geschäftsjahr 2007 für die Berechnung des
Einkommens des Antragsgegners aus seiner Zahnarzttätigkeit nicht an.
Dementsprechend sind auch die nachstehenden von den Parteien in der
Berufungsinstanz angesprochenen Umstände von vornherein unberücksichtigt zu
lassen:
2.
des Antragsgegners
2004
Die vom Amtsgericht für dieses Jahr festgestellten bereinigten Einkünfte des
Antragsgegners sind von beiden Parteien in der Berufungsinstanz nicht angegriffen
worden. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH, der der Senat folgt, sind für den
Steuerabzug die im jeweiligen Prüfungszeitraum tatsächlich gezahlten oder erstatteten
Steuerbeträge maßgebend. Bei Anwendung dieses so genannten In-Prinzips ergibt sich
vorliegend für das Jahr 2004 folgende Einkommensberechnung:
2005
a)
festgestellten Einkommen (von 76.866 €) die zu versteuernden Einkünfte beider Parteien
berücksichtigt wurden. Ausweislich der von den Parteien auch für die übrigen
Geschäftsjahre für maßgeblich erachteten Einkommenssteuerbescheide belaufen sich
die Gesamteinkünfte des Antragsgegners (allein) aus seiner Einzelpraxis und aus der
67.462 €.
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b)
Abschreibung
Pkw Audi A 4
Zugunsten des Antragsgegners kann unterstellt werden, dass der im Jahr 2001
erstmalig zugelassene, ab 7/2001 vom Antragsgegner als Leasingfahrzeug genutzte und
im Jahr 2005 seiner Praxis als private Sacheinlage zugeführte Wagen eine
betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von sechs Jahren hat, wie sie von der
Finanzverwaltung für einen PKW generell angenommen wird. Eine Auswirkung auf die
Höhe des vom Amtsgericht der Antragstellerin zuerkannten nachehelichen Unterhalts
ergibt sich hieraus nicht.
Auf welchem Weg sich der Antragsgegner die Mittel für den Ankauf des geleasten Audi A
4 - worüber die Parteien streiten - beschafft hat, spielt für die Entscheidung ebenfalls
keine Rolle. In jedem Fall hat der Antragsgegner an dem Pkw privates Eigentum
erworben. Wenn er das Fahrzeug sodann dem Betriebsvermögen seiner Zahnarztpraxis
zugeführt hat, so stellt sich dieser Vorgang für das Jahr 2005 steuerlich als private
Sacheinlage dar. Der Einlagewert ist mit dem gezahlten Kaufpreis, also mit rd. 10.300 €,
anzusetzen. Dieser Fahrzeugrestwert kann planmäßig - so wie in den
Gewinnermittlungen geschehen - in den beiden Geschäftsjahren 2005 und 2006
abgeschrieben werden, ohne dass sich dadurch etwas an der vom Amtsgericht
festgestellten Unterhaltshöhe ändert.
c)
geleisteten Steuerzahlungen,
aa)
der Aufstellung seiner Steuerberater für das Jahr 2005 Steuernachzahlungen sowie -
29.241,86 €
bb)
Einkommenssteuerbescheid aus 11/2005 für das Steuerjahr 2004 festgesetzte
Steuernachzahlung nicht durch einen entsprechenden Kontoauszug belegt. Das
Bestätigungsschreiben der Steuerberater des Antragsgegners aus 11/2006 weist
41.866,96 €
Akte gereichte Überweisungsträger. Auf den Streit der Parteien, ob auch diese
Steuerzahlung tatsächlich geleistet worden ist, kommt es jedoch für die
Senatsentscheidung nicht an. Es kann zugunsten des Antragsgegners unterstellt
werden, dass er auch die behauptete Steuerzahlung von 41.866,96 € vorgenommen
Steuerabzug von insgesamt
71.108,82 €
d)
2006
a)
103.043,11
b)
Jahr 2006 vom Antragsgegner Steuervorauszahlungen in Höhe von insgesamt
23.047,52 €
dass diese Zahlungen nicht erfolgt sind.
c)
Zugewinnausgleich
Trennungsunterhalt
berechtigten Ansprüche mitfinanzieren.
d)
3. a)
des Antragsgegners zugrunde zu legen:
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6.409 € im Monatsdurchschnitt
b)
stehenden Dreijahreszeitraum etwaige Steuererstattungen/Steuerrückflüsse des
Finanzamtes/der Antragstellerin erhalten hat. Hierfür könnte der notarielle Ehevertrag
i.V.m. der Berechnung über die Aufteilung der Steuer für das Jahr 2005 nach § 37 AO
durch die Steuerberater des Antragsgegners sprechen. Danach hatte die Antragstellerin
eine anteilige Einkommensteuer sowie einen anteiligen Solidaritätszuschlag auf ihre
Arbeitseinkünfte in Höhe von rund 2.120 € an den Antragsgegner zu erstatten.
Zugunsten des Antragsgegners kann unterstellt werden, dass diese Steuererstattung
nicht in die Einkommensberechnung einfließt und seine unterhaltsrechtlich relevanten
Einkünfte erhöht.
4.
Vorsorgeaufwendungen
Einkommensmindernd zu berücksichtigen sind daher folgende auch im Senatstermin
erörterten Beträge, die der Antragsgegner zur Vorsorge für Alter und Krankheit
gegenwärtig zahlt:
Dieser Vorsorgeumfang ist angemessen. Im Übrigen stellt auch der Immobilienbesitz
des Antragsgegners in S… eine geeignete Form der Altersvorsorge dar (vgl. hierzu BGH,
FamRZ 2004, 370/374).
5.
Tochter J… S…
mit monatlich 255 €
Abzug zu bringen ist.
6.
1.007,76 €.
7.
Monatseinkommen des Antragsgegners
III.
Die Einkommensverhältnisse der Antragstellerin
Unterhaltszeitraums sind wie folgt zu beurteilen:
1.
767 €
2.
die Antragstellerin auch über den 01.09.2007 hinaus stundenweise in der Praxis des
Antragsgegners weiter. Sie hat hierfür in den Monaten 9 und 10/2007 Nebeneinkünfte
350 €
fehlender sicherer Zukunftsprognose fortgeschrieben werden.
3.
berücksichtigen:
IV.
Unterhaltsberechnung:
Ausgehend von den vorstehend festgestellten beiderseitigen Einkünften der Parteien
beträgt der Anspruch der Antragstellerin auf Aufstockungsunterhalt rechnerisch
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(5.817 € - 1.067 €) : 2 = 2.375 €.
Demgegenüber hat das Amtsgericht der Antragstellerin antragsgemäß einen
1.910 € monatlich
Anschlussberufung ist von ihr nicht eingelegt worden. Es verbleibt daher bei der
titulierten Unterhaltsverpflichtung des Antragsgegners. In diesem Umfang ist er auch
hinreichend leistungsfähig.
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