Urteil des OLG Brandenburg vom 23.12.2005

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 7.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 U 14/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 812 Abs 1 BGB, § 415 Abs 1
ZPO, § 415 Abs 2 ZPO
Rückzahlung einer Leistung aus einem
Teilkaskoversicherungsvertrag
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 23.12.2005 verkündete Urteil der
Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt/Oder wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Rückzahlung einer Leistung aufgrund eines
Teilkaskovertrages in Anspruch. Der Beklagte gab der Versicherung gegenüber zur
Begründung des Versicherungsfalls an, das versicherte Fahrzeug, ein Ford Mondeo
Turnier GLX, sei ihm am 18.1.1999 zwischen 21.00 Uhr und 23.15 Uhr gestohlen worden,
nachdem er das Fahrzeug in der Straße "…" abgestellt gehabt habe. Die Klägerin hat
erstinstanzlich eine Forderung von 10.186,04 € geltend gemacht und neben dem
Beklagten die K. GbR sowie den Mitgesellschafter K. in Anspruch genommen.
Die Klage gegen die GbR hat die Klägerin in erster Instanz zurückgenommen.
Mit Urteil vom 23.12.2005 hat das Landgericht den Beklagten verurteilt, an die Klägerin
9.228,45 € nebst Zinsen verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Das Urteil des Landgerichts ist dem Beklagten am 30.12.2005 zugestellt worden. Er hat
gegen das Urteil am 27.1.2006 Berufung eingelegt, die er nach der Verlängerung der
Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 31.3.2006 am 24.3.2006
begründet hat.
Mit der Berufung macht der Beklagte geltend, das Landgericht habe die vorgetragenen
Tatsachen und insbesondere das Ergebnis der Beweisaufnahme unzutreffend gewürdigt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung des am 23.12.2005 verkündeten Urteils des
Landgerichts Frankfurt/Oder abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit dem Beschluss vom 29.5.2006 hat der Senat den Rechtsstreit gemäß §§ 523 Abs. 1,
526 Abs. 1 ZPO dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
II.
Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.
Die Klage ist begründet.
Auf die umfassende und zutreffende rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch das
Landgericht in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils wird verwiesen.
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Das Landgericht ist insbesondere zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin
bewiesen habe, dass der vom Beklagten behauptete Fahrzeugdiebstahl nicht stattfand
und die ausgekehrte Versicherungsleistung deshalb ohne Rechtsgrund erfolgte.
Die Klägerin hat den ihr obliegenden Beweis dafür, dass der behauptete Diebstahl nicht
stattfand, durch die Vorlage des Berichtes des polnischen Grenzschutzes vom
18.12.1998 und die Erläuterungen dazu in dem ebenfalls vorgelegten Schreiben des
Bundeskriminalamtes vom 10.2.2004 erbracht. Aus der beurkundeten Feststellung des
polnischen Grenzschutzes ergibt sich, dass das hier in Streit stehende Kraftfahrzeug am
18.12.1998 die polnisch-ukrainische Grenze am Grenzübergang 408 überschritt.
Fahrzeugtyp und Fahrgestellnummer sowie das amtliche Kennzeichen des registrierten
Fahrzeugs stimmen mit dem vom Beklagten gestohlen gemeldeten Fahrzeug überein.
Die Existenz der Urkunde des polnischen Grenzschutzes und ihr Inhalt werden vom
Beklagten nicht bestritten. Das Landgericht hat der Urkunde deshalb richtigerweise die
Beweiskraft des § 415 Abs. 1 ZPO beigemessen.
Dem Beklagten steht nach § 415 Abs. 2 ZPO in Ansehung der vorgelegten öffentlichen
Urkunde allerdings der Beweis offen, dass der beurkundete Vorgang unrichtig
beurkundet sei. Diesen Beweis hat der Beklagte jedoch nicht führen können.
Der Beklagte hat zwar behauptet, das versicherte Fahrzeug bis zu dem von ihm
behaupteten Diebstahl am 18.1.1999 in Besitz gehabt zu haben. Die zu dieser
Behauptung vernommene Zeugin C. D. hat jedoch weder das Landgericht noch das
Berufungsgericht davon zu überzeugen vermocht, dass sich das Fahrzeug noch am
18.1.1999 oder jedenfalls nach dem 18.12.1998 im Besitz des Beklagten befand.
Die Zeugin hat die Behauptung des Klägers nicht bestätigt, wonach das Fahrzeug am
18.1.1999 gegen 21.00 Uhr in der Straße "…" abgestellt wurde. Sie hat vielmehr
angegeben, beim Abstellen des Pkws an dem genannten Ort nicht zugegen gewesen zu
sein. Soweit sich aus ihren Angaben in dem Fragebogen der Klägerin vom 22.3.1999
Aussagen zum Abstellort und zum Zeitpunkt der Abstellung des Fahrzeugs befinden,
beruhten diese auf einer Mitteilung des Beklagten.
Die Zeugin hat allerdings bereits im Rahmen ihrer Vernehmung durch das Landgericht
und erneut vor dem Berufungsgericht angegeben, sie habe das streitbefangene
Fahrzeug noch am Morgen des 18.1.1999 vor dem Mehrfamilienhaus in Z., in dem sie
damals mit dem Beklagten wohnte, stehen sehen. Ebenso hat sie bekundet, sie und der
Beklagte seien mit ihrem gemeinsamen Sohn zu Weihnachten 1998 mit dem in Rede
stehenden Fahrzeug zu ihrer Mutter nach H. gefahren.
Das Berufungsgericht ist von der Richtigkeit dieser Bekundungen der Zeugin aber nicht
überzeugt.
Die Aussage der Zeugin ist zwar - hinsichtlich dieser Angaben wie auch im Übrigen - in
sich schlüssig. Die Zeugin hat insbesondere die Diskrepanz ihrer Aussage zu den
Angaben in dem Fragebogen der Klägerin vom 22.3.1999 damit erklärt, dass diese
Angaben unrichtig gewesen seien. Die Aussage der Zeugin ist mithin in sich
widerspruchsfrei. Gleichwohl führt dies nicht zu der Überzeugung der Richtigkeit der
nunmehr bekundeten Angaben der Zeugin. Es bestehen Zweifel an ihrer
Glaubwürdigkeit.
Nach eigener Aussage hat die Zeugin in dem ihr vorgelegten Fragebogen der Klägerin
Angaben gemacht, die nicht der Wahrheit entsprachen. Die Zeugin hat zur Begründung
der falschen Angaben geltend gemacht, sie habe die Fragen der Klägerin in dem
Fragebogen missverstanden. Dieser Teil ihrer Aussage ist kaum glaubhaft. Dies gilt
insbesondere für die Beantwortung der Frage zu 1. in jenem Fragebogen, die lautete:
"Wann haben Sie das o. a. Fahrzeug zuletzt gesehen?". Inwiefern ein Missverständnis
dieser Frage zu der Antwort geführt haben soll: "am 18.1.99 ca. 21.00 Uhr" ist nicht
erkennbar. Gleiches gilt für die Frage 4. a, die lautete: "Sind Sie mit dem Fahrzeug, u. U.
als Beifahrer, zum Abstellort gefahren?". Wie diese Frage Anlass zu der Antwort: "Ich war
Beifahrer" werden konnte, obschon die Zeugin bei der Abstellung des Fahrzeuges nicht
zugegen war, bleibt unverständlich. Dies gilt umso mehr, als die Zeugin während ihrer
Vernehmung durchaus den Eindruck erweckte, dass sie Fragen und ihren Sinngehalt
rasch erfassen kann.
Beispielhaft sei auf die Frage des Einzelrichters verwiesen, warum die Zeugin sicher sei,
dass sie das in Rede stehende Fahrzeug noch am Morgen des Diebstahls gesehen habe.
Die Zeugin hat zur Erklärung zunächst angegeben, sie habe mit dem Beklagten in einer
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Die Zeugin hat zur Erklärung zunächst angegeben, sie habe mit dem Beklagten in einer
Wohnung in einem Mehrparteienhaus gewohnt. Nur zwei der dort wohnenden
Mietparteien hätten Autos gehabt. Es seien die Autos des Beklagten und der Zeugin
sowie die Autos einer anderen Mietpartei gewesen. Um die Plausibilität ihrer konkreten
Erinnerung daran, das in Streit stehende Fahrzeug noch am Morgen des Diebstahls
gesehen zu haben, zu erhöhen, hat die Zeugin sodann nach kurzer Pause weiter
ausgeführt, dass sie das Auto morgens noch gesehen habe, wisse sie vielleicht deshalb,
weil sie darüber nachgedacht habe, als sie und der Beklagte den Verlust des Fahrzeuges
feststellten. Die Zeugin hat hier also rasch erfasst, dass die Glaubhaftigkeit ihrer
einschlägigen Aussage davon abhängt, ob für das Gericht nachvollziehbare Gründe dafür
genannt werden, dass sie sich an das genaue Datum der Wahrnehmung des Fahrzeugs
erinnerte. Sie hat zunächst einen Grund ausgeführt und zugleich bemerkt, dass dieser
Umstand weniger geeignet ist, die bezeugte Beobachtung mit einem Datum zu
verbinden. Deshalb hat sie eine weitere, einschlägigere Begründung für die zeitliche
Einordnung der angegebenen Beobachtung gegeben.
In Ansehung der unterschiedlichen Angaben der Zeugin zur Abstellung des
streitbefangenen Fahrzeuges am Abend des 18.1.1999 bleiben mithin Zweifel an der
Glaubwürdigkeit der Zeugin. Diese Zweifel werden auch nicht durch den scheinbar
gelassenen und relativ selbstbewussten Auftritt der Zeugin während ihrer Vernehmung
beseitigt.
Aus den vorstehend ausgeführten Gründen kann auch nicht davon ausgegangen
werden, dass das Fahrzeug von dem Beklagten und der Zeugin jedenfalls noch
Weihnachten 1998 genutzt wurde, um die Mutter der Zeugin zu besuchen. Die Zeugin
hat diesen Besuch zwar durchaus detailliert und engagiert beschrieben. Der Besuch mag
als solcher auch tatsächlich durchgeführt worden sein. Daraus folgt jedoch nicht
zwingend, dass für den Besuch das in Streit stehende Kraftfahrzeug genutzt wurde. Die
Zeugin hat angegeben, dass sie neben dem vom Beklagten gefahrenen Ford Mondeo
über einen Golf II verfügte. Die Zeugin hat ihre Erinnerung, dass tatsächlich der Ford
Mondeo genutzt worden sei, damit erläutert, dass der Golf II nicht hinreichend Platz für
die Sachen bot, die mitgenommen werden sollten. Trotz dieser Begründung dafür,
warum die Zeugin sich sicher war, dass für die Fahrt zu ihrer Mutter zu Weihnachten
1998 der Ford Mondeo genutzt wurde, bleibt es jedoch bei den vorstehend begründeten
Zweifeln daran, ob die Zeugin sich bei ihren Angaben zu dem in Streit stehenden
Fahrzeugdiebstahl ausschließlich von ihrem tatsächlichen Wissen leiten ließ.
Der Beklagte kann die Unrichtigkeit des in der Urkunde des polnischen Grenzschutzes
niedergelegten Sachverhalts auch nicht damit in Frage stellen, dass er darauf verweist,
das Fahrzeug nach der Anzeige des Diebstahls noch mit dem
Originalkraftfahrzeugschein abgemeldet zu haben. Eine mögliche Erklärung dafür, noch
im Besitz des Originalkraftfahrzeugscheins gewesen zu sein, hat der Beklagte mit dem
Hinweis darauf gegeben, "dass Straftäter über die Möglichkeit verfügen,
Fahrzeugpapiere aus Originaldokumenten herzustellen" (Schriftsatz vom 9.6.2005).
Ebenso steht als mögliche Erklärung für die Verfügung des Beklagten über den
Originalkraftfahrzeugschein nach dem 18.12.1998 die von der Klägerin unwidersprochen
mitgeteilte Beobachtung zur Verfügung, wonach in Fällen der Verbringung eines
gestohlenen Fahrzeugs ins Ausland der betreffende Fahrzeugschein nach
Grenzüberschreitung zurückgereicht werde (Schriftsatz vom 31.5.2005).
Schließlich ist auch die Tatsache, dass der Beklagte Fahrzeugschlüssel im Besitz hatte,
die keine Kopierspuren aufwiesen, nicht geeignet, die Richtigkeit seines Vortrages zum
Fahrzeugdiebstahl und damit die inhaltliche Unrichtigkeit der von der Klägerin
vorgelegten Urkunde zu beweisen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Anlass zur Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO besteht nicht.
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