Urteil des LSG Thüringen vom 01.07.2009

LSG Fst: abstufung der beiträge, entsorgung, aufschiebende wirkung, veranlagung, freiwillige versicherung, vorläufiger rechtsschutz, gebäude, hauptsache, ausstellung, bankbürgschaft

Thüringer Landessozialgericht
Beschluss vom 01.07.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Gotha S 17 U 4967/08 ER
Thüringer Landessozialgericht L 1 U 85/09 ER
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 22. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Beschwerdegegnerin,
ihm eine berufsgenossenschaftliche Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erteilen.
Der Beschwerdeführer führt die Fa. S. als Einzelfirma. Das Unternehmen wurde zum 1. November 2001 als Gewerbe
angemeldet. In der Gewerbe-Anmeldung vom 23. Oktober 2001 wird unter Nr. 15 (angemeldete Tätigkeit) angegeben:
Baugrob- und Baufeinreinigung, Unterhaltsreinigung, Entrümpelung, Winterdienst, Entkernung von Gebäuden,
Verfugen im Hochbau.
Mit Bescheid vom 20. November 2001 stellte die Beschwerdegegnerin ihre Zuständigkeit für das Unternehmen des
Beschwerdeführers seit dem 1. November 2001 fest.
Mit weiterem Bescheid vom 20. November 2001 veranlagte sie den Beschwerdeführer nach dem damals gültigen
Gefahrtarif unter dem Unternehmenszweig "kaufmännisches und technisches Personal" mit der Gefahrklasse 1,00
und unter dem Unternehmenszweig "Reinigungen an und in Gebäuden" mit der Gefahrklasse 2,50. Am 14. November
2005 führte die Abteilung Prävention der Beklagten eine Baustellenbesichtigung in A. durch. Laut Bericht vom 15.
November 2005 führte die Fa. S. dort Dacharbeiten (Abriss von Dachpappe) und Entkernungsarbeiten in
fünfgeschossigen Plattenbauten zur Vorbereitung des maschinellen Abbruchs durch den Auftraggeber durch. Es
wurden dabei zwei bis drei Arbeitnehmer der Firma auf dem Dach und sieben bis acht Arbeitnehmer im Gebäude
angetroffen. Nach dem Bericht des Präventionsdienstes sollte die bisherige Veranlagung geprüft werden, weil die
Firma seit Jahren in der Entkernung tätig sei und weitere Baustellentätigkeiten ausführe. Die zahlreichen Unfälle auf
den Baustellen müssten der Verwaltung bekannt sein.
Mit Bescheid vom 9. Dezember 2005 veranlagte die Beschwerdegegnerin die Unternehmensteile des
Beschwerdeführers ab dem 1. Januar 2006 zu den Tarifstellen 400, Gewerbezweig "Gebäude- und Straßenreinigung"
mit der Gefahrklasse 4,5 und den Tarifstellen 800 mit der Gefahrklasse 5,00 und 900 mit der Gefahrklasse 1,00 nach
dem ab 1. Januar 2006 gültigen Gefahrtarif. Mit Schreiben vom 13. Januar 2006 teilte sie dem Beschwerdeführer mit,
dass eine Überprüfung der Unterlagen ergeben habe, dass diese Veranlagung nicht zutreffend sei. Aus der
vorliegenden Gewerbeanmeldung sowie den ihr gemeldeten Unfällen (überwiegend bei Bauhilfsdiensten
beziehungsweise Baureinigungsarbeiten) ergebe sich, dass eine Veranlagung zu Hochbau aller Art/Errichtung von
Bauwerken des Hoch- und Tiefbaus für das Unternehmen zutreffend sei; sie beabsichtige, die Veranlagung von
Beginn an zu ändern. Der Beschwerdeführer teilte daraufhin mit, dass er einen Mischbetrieb betreibe. Sein
Unternehmen würde Reinigungsarbeiten und Entkernungen ausführen. Mit weiterem Schreiben vom 20. April 2006
führte die Beschwerdegegnerin aus, dass auch nach Mitteilung des Hauptzollamtes Erfurt das Unternehmen des
Beschwerdeführers überwiegend Entkernungsarbeiten durchführe. Es sei daher beabsichtigt, sein Unternehmen
rückwirkend zum 1. November 2001 zu dem Gewerbezweig "Abbruch, Enttrümmerung, Entsorgung, Sprengungen" zu
veranlagen.
Unter dem 5. Juli 2006 erließ die Beklagte einen geänderten Veranlagungsbescheid für die Zeit ab dem 1. November
2001 und einen weiteren Veranlagungsänderungsbescheid für die Zeit ab dem 1. Januar 2006. Sie legte dabei den
Gewerbezweig "Abbruch, Entsorgung und Sprengungen" zugrunde. Mit Datum vom gleichen Tage erließ sie
entsprechende Beitragsbescheide. Die Bescheide wurden dem Beschwerdeführer am 7. Juli 2006 zugestellt. Mit
Schreiben vom 14. Juli 2006 bat er unter anderem unter Bezugnahme auf die beiden Veranlagungsbescheide um
"neue, sachlich richtige, nachvollziehbare Veranlagung".
Am 17. Juli 2006 ging sein Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Veranlagungsbescheide bei der
Beschwerdegegnerin ein. In dem folgenden Schriftwechsel teilte der Beschwerdeführer mit, bei den von ihm
durchgeführten Arbeiten handele es sich um Dienstleistungstätigkeiten im Bereich der Gebäudeentkernung und
Gebäudegrobreinigung. Seine Angestellten führten nur Hilfstätigkeiten aus, die beispielsweise darin bestünden,
Fliesen und Putz abzustemmen, Fußböden herauszureißen und dergleichen mehr. Sie seien nicht befugt,
eigenständig Abrissarbeiten durchzuführen, sobald Einfluss auf die Statik genommen werde. Mit Schreiben vom 1.
September 2006 wandte sich der Beschwerdeführer an das Bundesversicherungsamt. Entkernung sei nicht
gleichzusetzen mit Abbruch oder Sprengung.
Am 10. November 2006 beantragte er bei dem Sozialgericht Gotha einstweiligen Rechtsschutz (Az.: S 17 U 3889/06
ER). Die Beschwerdegegnerin erklärte daraufhin, dass derzeit anhängige Vollstreckungsmaßnahmen ausgesetzt
würden. Das Verfahren wurde für erledigt erklärt.
Gegen die Berechnung des Beitragsvorschusses 2006 und des Vorschussteilbetrages für 2007 (Bescheid vom 14.
November 2006) legte der Beschwerdeführer Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 11. Januar 2007 teilte die
Beschwerdegegnerin ihm mit, dass sie eine Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht erteilen könne, weil er den
Beitragsvorschuss für das Jahr 2006 nicht gezahlt habe.
Am 12. Februar 2007 erfolgte eine Betriebsprüfung am Unternehmenssitz des Beschwerdeführers. Nach den
Feststellungen der Betriebsprüfer betrug der Teil der Arbeiten, bei denen in die Bausubstanz eingegriffen worden sei,
das heißt Entkernungs- und Entsorgungsarbeiten, im Jahr 2005 hinsichtlich des erlösbezogenen Anteils dieser
Arbeiten 62,5 vom Hundert (v.H.). Im Ergebnis meldete die Beschwerdegegnerin dem Bundesversicherungsamt, dass
ab dem 1. August 2006 die Voraussetzungen für zwei getrennte Unternehmensteile vorlägen und das Unternehmen zu
1. "Abbruch, Entsorgung und Sprengung" und 2. "Gebäude- und Straßenreinigung" zu veranlagen sei.
Mit Bescheiden vom 8. März 2007 veranlagte die Beschwerdegegnerin daher den Beschwerdeführer rückwirkend für
die Zeit ab dem 1. November 2001 wieder zu den Unternehmenszweigen "Kaufmännisches und technisches Personal"
und "Reinigungen an und in Gebäuden" und ab dem 1. Januar 2006 zu der Tarifstelle 400, Gewerbezweig "Gebäude-
und Straßenreinigung" sowie zu den Tarifstellen 800 ("Freiwillige Versicherung -soweit vorhanden") und 900 ("Büroteil
des Unternehmens") und ab dem 1. August 2006 zu der Tarifstelle 500, dem Gewerbezweig "Abbruch, Entsorgung
und Sprengung" (Gefahrklasse 22,90, ab dem 1. Januar 2007 Gefahrklasse 27,30). Beigefügt waren außerdem
geänderte Beitragsvorschussbescheide für 2006 und über den Vorschussteilbetrag für 2007. Die Bescheide wurden
dem Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 2. April 2007 übersandt. Hierin wurde er
gebeten, den "Widerspruch zurückzunehmen".
Mit Schreiben vom 20. April 2007 übersandte die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer weitere Bescheide. Mit
Schreiben vom 25. April legte der Beschwerdeführer "Einspruch" gegen die Bescheide "über Säumniszuschläge und
Stundungszinsen für 2006 und Vorschussbescheide für 2007 ein". Er teilte mit, er nehme seinen Widerspruch nicht
zurück. Sein Prozessbevollmächtigter führte mit Schriftsatz vom 15. Mai 2007 aus, die von dem Beschwerdeführer
angeführten Arbeiten dienten überwiegend nicht dem Abbruch der entsprechenden Gebäude, sondern vielmehr der
Vorbereitung ihrer Rekonstruktion. Die Beschwerdegegnerin werde deshalb aufgefordert, die abgeforderten
Unbedenklichkeitsbescheinigungen zeitnah zur Verfügung zu stellen.
Die Beschwerdegegnerin übersandte ihm - unter Bezugnahme auf eine telefonische Absprache - eine "vorläufige
Vorschussberechnung für das Jahr 2007" vom 9. Juli 2007 unter Zugrundelegung des Unternehmenszweiges
"Hochbau" (Tarifstelle 100) statt des Unternehmenszweiges "Abbruch, Entsorgung und Sprengung". Bei Zahlung der
entsprechend geringeren Beitragsdifferenz sollte der Beschwerdeführer eine Unbedenklichkeitsbescheinigung bis "zur
Erteilung des Widerspruchsbescheides" erhalten.
Mit Beitragsbescheid vom 25. April 2008 forderte die Beschwerdegegnerin die Beiträge für 2007 und 2008 und einen
Säumniszuschlag für 2007.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2008 verwarf die Beschwerdegegnerin den Widerspruch vom 15. Mai 2007
gegen die Veranlagungsbescheide vom 8. März 2007 als unzulässig und wies die Widersprüche vom 25. April 2007
und 29. April 2008 gegen die Beitragsbescheide, Beitragsvorschussbescheide und Bescheide über Säumniszuschläge
vom 20. April 2007 und 25. April 2008 zurück. Befristet bis zum 30. Juni 2008 erhielt der Beschwerdeführer
Unbedenklichkeitsbescheinigungen (zuletzt ausgestellt am 2. Juni 2008).
Am 1. Juli 2008 erhob er Klage gegen die Bescheide vom 8. März 2007, 20. April 2007 und 25. April 2008 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2008.
Mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2008 hat der Beschwerdeführer die Klage begründet und beantragt, die
Beschwerdegegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Beschwerdeführer eine
Beschwerdegegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Beschwerdeführer eine
berufsgenossenschaftliche Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erteilen. Im Zuge des bisherigen Verfahrens hätten
sich die Prozessparteien dahingehend verständigt, dass der Beschwerdeführer, bis zur Klärung der Fragen der
richtigen Zuordnung zum Gefahrtarif, die für seine unternehmerische Tätigkeit notwendigen
berufsgenossenschaftlichen Unbedenklichkeitsbescheinigungen erhalte.
Mit Beschluss vom 22. Dezember 2008 hat das Sozialgericht Gotha den Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung abgelehnt. Die Beschwerdegegnerin hätte zwar den Widerspruch gegen den Veranlagungsbescheid vom 8.
März 2007 nicht als unzulässig verwerfen dürfen, weil dieser nach § 86 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)
Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens geworden sei. Die Frage, ob ein Teil des Unternehmens
zutreffend der Tarifstelle 500 zugeordnet sei oder aber der Tarifstelle 100 zuzuordnen wäre, sei grundsätzlich im
Hauptsacheverfahren zu klären. Ein Erfolg der Klage könne jedenfalls nicht mit überwiegender Wahrscheinlich
erwartet werden. Der Begriff Entkernung deute eher auf Abbrucharbeiten hin.
Mit der Beschwerde verfolgt der Beschwerdeführer sein Begehren weiter. Die Beitragsforderung gehe unter
Berücksichtigung des Umstandes, dass die höheren Beitragszahlungen bei der Vertragsgestaltung und der
Preiskalkulation keinerlei Rücksicht finden könnten, an den Bestand des Unternehmens des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 22. Dezember 2008 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin im Wege
einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm für die Dauer des Hauptsacheverfahrens eine
berufsgenossenschaftliche Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erteilen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist nunmehr auch der Ansicht, dass der Bescheid vom 8. März 2007 Gegenstand des Widerspruchsverfahrens
geworden sei, hält aber weiterhin die geänderte Veranlagung zu dem Unternehmenszweig "Abbruch, Entsorgung und
Sprengung" ab dem 1. August 2006 für rechtmäßig. Sie sei nur dann bereit, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung zu
erteilen, wenn die Beiträge entweder beglichen oder aber eine Bankbürgschaft gestellt werde. Die Erteilung einer
solchen Bescheinigung ohne Zahlung oder Sicherung der entsprechenden Beiträge widerspreche der gesetzlichen
Intention, dass ein Widerspruch oder eine Klage gegen eine Beitragsforderung keine aufschiebende Wirkung habe.
Ergänzend wird auf den wesentlichen Inhalt der Gerichtsakten mit den Az.: S 17 U 3076/08 und S 17 U 3889/06 ER
sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beschwerdegegnerin Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Nach § 86 b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag, wenn ein Fall
des § 86 b Abs. 1 SGG (vorläufiger Rechtsschutz in Anfechtungssachen) nicht vorliegt, eine einstweilige Anordnung
in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden
Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Beschwerdeführers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte
(Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges
Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Anwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz
2). Das Gericht entscheidet durch Beschluss (§ 86 b Abs. 4 SGG).
Ein Anordnungsantrag ist begründet, wenn das Gericht aufgrund einer hinreichenden Tatsachenbasis durch
Glaubhaftmachung (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO) und/oder im Wege
der Amtsermittlung (§ 103 SGG) einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund bejahen kann. Dabei
bedeutet die Möglichkeit der Glaubhaftmachung von Tatsachen zunächst nur, dass sich das Gericht nicht die volle
Überzeugung vom Vorliegen der beweiserheblichen Tatsachen machen muss, sondern ein geringerer Grad der
Überzeugung genügt (Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 8. Aufl. 2005, § 103 Rdnr. 6 a).
Der Anordnungsgrund (die Eilbedürftigkeit und Dringlichkeit der Rechtsschutzgewährung) liegt vor, wenn es für den
Beschwerdeführer unzumutbar erscheint, auf den (rechtskräftigen) Abschluss des Hauptsacheverfahrens verwiesen
zu werden, wobei auf die Beachtung der Folgen für den Fall des Nichterlasses der begehrten einstweiligen Anordnung
abzustellen ist. Im Interesse der Effektivität des Rechtsschutzes kann es dabei ausnahmsweise auch erforderlich
sein, der Entscheidung in der Hauptsache vorzugreifen, wenn sonst Rechtsschutz nicht erreichbar ist und ein
Abwarten für den Beschwerdeführer unzumutbar wäre (Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 8. Aufl. 2005, § 86 b Rdnr.
31).
Der Beschwerdeführer muss sich in der Regel zunächst an die Verwaltung wenden und dort einen Antrag auf die
Leistung stellen. Ausnahmsweise kann, wenn noch kein förmlicher Antrag auf die Leistung gestellt ist, bereits ein
Rechtsschutzbedürfnis bestehen, wenn die Sache sehr eilig ist und der Antragsteller aus besonderen Gründen mit
großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, bei der Behörde kein Gehör zu finden. Eine solche Sachlage ist
vorliegend gegeben. Aus den Verwaltungsakten ergibt sich, dass der Beschwerdeführer mehrfach, auch telefonisch,
auf die Erteilung einer berufsgenossenschaftlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung hingewirkt hat. Die
Beschwerdegegnerin dagegen hat ebenso klar gemacht, dass sie eine solche Unbedenklichkeitsbescheinigung nur bis
zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens gegen die Veranlagungsbescheide und die Beitragsbescheide erstellen
wird. Sie hat gleichzeitig mehrfach deutlich gemacht, dass sie für die Zeit danach - auch während des laufenden
Klageverfahrens zu den streitigen Veranlagungsbescheiden und Beitragsbescheiden -
Unbedenklichkeitsbescheinigung nur gegen volle Beitragszahlungen oder eine entsprechende Bankbürgschaft
erstellen werde. Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer hier glaubhaft vorgetragen hat, ohne diese
Unbedenklichkeitsbescheinigung keine weiteren Aufträge als Subunternehmer erhalten zu können, geht der Senat von
seinem Rechtsschutzbedürfnis für die hier begehrte Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG aus.
Darüber hinaus fordert die Vorschrift nicht, dass ein entsprechendes Hauptsacheverfahren anhängig ist.
Zur Überzeugung des Senats besteht vorliegend bereits kein Anordnungsanspruch. Die Beschwerdegegnerin hat dem
Beschwerdeführer zu Recht keine berufsgenossenschaftliche Unbedenklichkeitsbescheinigung erstellt. Das Verfahren
zur Ausstellung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung ist nicht gesetzlich geregelt. Ein Anspruch kann aber aus
Artikel 3 des Grundgesetzes (GG) dann folgen, wenn der Antragsteller alle Voraussetzungen erfüllt, bei deren
Vorliegen die Verwaltung in anderen Fällen eine entsprechende Bescheinigung erteilt. Die Beschwerdegegnerin hat
zum 1. Januar 2007 ein einheitliches Verfahren zur Ausstellung von Unbedenklichkeitsbescheinigungen eingeführt und
geregelt, dass eine Unbedenklichkeitsbescheinigung nur dann ausgestellt wird, wenn das Beitragskonto der
Mitgliedsunternehmen ausgeglichen ist. Kommt ein Unternehmer seinen Beitragsverpflichtungen nicht oder nur
teilweise nach, muss ihm hiernach die angeforderte Unbedenklichkeitsbescheinigung versagt werden. Geregelt ist
auch, dass diese Versagung normalerweise telefonisch ausgesprochen wird, und nur im Einzelfall oder auf
ausdrücklichen Wunsch des Unternehmers eine schriftliche Mitteilung über die Ablehnung erfolgt. Die
Beschwerdegegnerin hat eine entsprechende Information zur Ausstellung der Unbedenklichkeitsbescheinigung unter
anderem in das Internet unter www.bgbau.de gestellt. Der Beschwerdeführer erfüllt die Anforderungen der
Beschwerdegegnerin bereits deswegen nicht, weil er den Beitragsverpflichtungen aus den ebenfalls zwischen den
Beteiligten streitigen Beitragsbescheiden vom 25. April 2008 und 20. April 2007 nicht nachgekommen ist. Diesen
Verpflichtungen ist er nicht nachgekommen, weil er den Veranlagungsbescheid der Beschwerdegegnerin vom 8. März
2007, der wiederum Grundlage der Beitragserhebung ist, für rechtswidrig erachtet. Da die vorgenannten Bescheide
allesamt nicht bestandskräftig geworden sind und Gegenstand des vor dem Sozialgericht Gotha anhängigen
Klageverfahrens mit dem Az.: S 17 U 3076/08 sind, konnte der Senat über den Anspruch auf Erteilung einer
Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht entscheiden, ohne auch diese Bescheide summarisch zu überprüfen.
Fehler aus der Beitragsberechnung an sich sind nicht ersichtlich und wurden von dem Beschwerdeführer nicht
behauptet. Auch der Veranlagungsbescheid vom 8. März 2007, der als Teilabhilfebescheid zu dem ursprünglich
geänderten Veranlagungsbescheid vom 5. Juli 2006, den der Kläger rechtzeitig mit Schreiben vom 15. Juli 2006
angefochten hatte, nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden ist, erscheint rechtmäßig.
Hierin hat die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer erstmals ab 1. August 2006, das heißt für die Zukunft, zu
dem Unternehmenszweig "Abbruch, Entsorgung und Sprengung" mit den entsprechend höheren Gefahrklassen
veranlagt. Der Senat hat aufgrund der summarischen Überprüfung keine Zweifel daran, dass diese Veranlagung
rechtens war. Unstreitig führte das Unternehmen des Beschwerdeführers Entkernungsarbeiten durch. Insoweit hat
sich der Beschwerdeführer während des Verwaltungsverfahrens auch dagegen gewandt, dass man Entkernung nicht
mit Abbruch oder Sprengung gleichsetzen könne. Der Senat schließt sich jedoch im Ergebnis den Ausführungen der
Beschwerdegegnerin an, die bezogen auf den hier maßgeblichen Gefahrtarif für 2006 ausgeführt hat, dass der
Beschwerdeführer typische Arbeiten ausgeführt hat, um einen Teilrückbau von Gebäuden durchzuführen, so wie sie
von dem Gewerbezweig erfasst werden. Dies wird sowohl durch das Hauptzollamt (Blatt 72 der Verwaltungsakten -
VA -) sowie den Mitarbeiter der Abteilung Prävention (Blatt 62 VA) und durch die Betriebsprüfer in dem Bericht vom
15. Februar 2007 bestätigt. Die Argumentation des Beschwerdeführers, dass Entkernung kein Eingriff in die Statik
eines Gebäudes beinhalte, wird nach Recherche des Senats im Internet nicht bestätigt. Hiernach bezeichnet
Entkernung den Teilabriss eines bestehenden Gebäudes, bei dem in der Regel lediglich die Fassaden erhalten
bleiben. " ... Entkernungen werden durch professionelle Abbruchunternehmen oder spezialisierte Bauunternehmen
durchgeführt ... Bei der Entkernung handelt es sich um einen massiven baulichen Eingriff, der auch vor tragenden
Elementen nicht halt macht" (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Entkernung). Unter www.industrie-lexikon.de wird die
Entkernung von Bauwerken unter dem NACE Code 45.11, der beschrieben ist als "Abbruch-, Spreng- und
Erdbewegungsarbeiten" aufgeführt.
Auch der zugrundeliegende erste Gefahrtarif der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, gültig ab dem 1. Januar
2006, ist nach derzeitigem Sach- und Kenntnisstand nicht rechtswidrig. Nach § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB VII hat der
Unfallversicherungsträger die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu Gefahrklassen zu veranlagen.
Dieser Gefahrtarif ist vom Unfallversicherungsträger als autonomes Recht festzusetzen, und in ihm sind zur
Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen (§ 157 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB VII). Er ist nach
Gefahrtarifstellen zu gliedern, denen jeweils eine aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den
Arbeitsentgelten errechnete Gefahrklasse zugeordnet ist (§ 157 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 SGB VII). In den
Tarifstellen sind Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines
versicherungsmäßigen Risikoausgleichs zu bilden (§ 157 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Gefahrtarife sind durch die Gerichte
der Sozialgerichtsbarkeit als autonom gesetztes objektives Recht allerdings nur daraufhin überprüfbar, ob sie mit dem
Gesetz, das die Ermächtigungsgrundlage beinhaltet und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar sind. Den
Unfallversicherungsträgern ist ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der
ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung Recht setzen. Die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste,
vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, ist nicht Aufgabe der Gerichte. Den Unfallversicherungsträgern ist bei
komplexen und sich sprunghaft entwickelten Sachverhalten ein zeitlicher Anpassungsspielraum zuzubilligen, um
weitere Erfahrungen zu sammeln, Klarheit zu gewinnen und Mängeln in den Regelungen abzuhelfen. Die Bildung des
Gefahrtarifs muss allerdings auf gesichertem Zahlenmaterial fußen und versicherungsmathematischen Grundsätzen
entsprechen. Ob dies der Fall ist, kann alleine der Überprüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Konkrete
Anhaltspunkte für diesbezügliche Fehler sind auch unter Zugrundelegung des Vorbringens des Beschwerdeführers
nicht ersichtlich. Die Gliederung des Gefahrtarifes 2006 mit einer Tarifstelle für den Bereich "Abbruch, Entsorgung und
Sprengungen" ist hiernach nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat in diesem Gefahrtarif als Anknüpfungspunkt die
Gewerbezweige gebildet. Ein solcher Gewerbezweigtarif basiert auf der Erkenntnis, dass technologisch artverwandte
Unternehmen gleiche oder ähnliche Unfallrisiken aufweisen und der Gewerbezweig deshalb eine geeignete Grundlage
für die Bildung möglichst homogener Gefahrgemeinschaften darstellt. Diese Risikobewertung ist mit den
Zielvorstellungen und Wertentscheidungen des Gesetzes und der Verfassung vereinbar.
Der Senat folgt insoweit auch dem Vorbringen der Beschwerdegegnerin, dass die Tarifstelle 500 die tatsächliche
Risikosituation in dem betroffenen Unternehmen zutreffend widerspiegelt. Eine Zuordnung zu einem Gewerbezweig
ohne Berücksichtigung technologischer Zusammenhänge allein nach der Größe des Unfallrisikos scheidet aber aus,
weil damit das Gewerbezweigprinzip aufgegeben und die Systementscheidung für einen Gewerbezweigtarif
konterkariert würde. Die Forderung eines Unternehmens, wegen eines erheblich abweichenden Grades der
Unfallgefahr einem anderen Gewerbezweig zugeteilt zu werden, kann danach überhaupt nur mit Aussicht auf Erfolg
erhoben werden, wenn der Gefahrtarif der Berufsgenossenschaft mehrere für die betreffende Unternehmensart in
Betracht kommende Gewerbezweige ausweist und unklar ist, welchen von Ihnen sie nach Art und Gegenstand
zuzurechnen ist.
Nach den obigen Ausführungen spricht aber mehr dafür, dass die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer dem
richtigen Gewerbezweig zugeordnet hat. Er kann deswegen nicht verlangen, mit dem Hinweis auf eine
unterschiedliche Belastungssituation einem anderen Gewerbezweig zugeordnet zu werden. Dass einzelne
gewerbezweigzugehörige Betriebe und Einrichtungen stärker mit Beiträgen belastet werden, als es ihrem tatsächlichen
Gefährdungsrisiko entsprechen würde, ist als Folge der bei der Tarifbildung notwendigen Typisierung hinzunehmen
(vgl. BSG, Urteil vom 28. November 2006, Az.: B 2 U 10/05 R m.w.N.).
Soweit die Arbeitnehmer des Klägers tatsächlich auch Bauhilfsdienste und Baustellenreinigung durchgeführt haben,
sind dies nach dem Ergebnis der Betriebsprüfungen im Februar 2006 dieselben Arbeitnehmer die auch im Bereich der
Entkernung und Entsorgung tätig waren. Eine getrennte Veranlagung ist daher nicht möglich.
Da nach jetzigem Sachstand eine Leistungsklage unbegründet wäre, somit kein schützenswertes Recht vorhanden
ist, kommt es auf die Eilbedürftigkeit nicht mehr an. Allerdings kann unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die
Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt hatte, eine Bankbürgschaft zu erbringen und
er dies mehrfach abgelehnt hat, vorliegend auch ein Anordnungsgrund verneint werden. Selbst eine
Interessenabwägung würde dazu führen, den Antrag auf die einstweilige Anordnung abzulehnen. Das folgt aus der
besonderen Bedeutung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung im Hinblick auf die ohne Exkulpationsmöglichkeit
bestehende Auftraggeberhaftung nach § 150 Abs. 3 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII). Denn den
erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen, die dem Beschwerdeführer bei Versagung einer solchen Bescheinigung
drohen, stehen mindestens gleichwertige Nachteile von möglichen Auftraggebern (Generalunternehmern) entgegen,
die den Beschwerdeführer wegen der erteilten Bescheinigung als Subunternehmer einsetzen würden.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung der §§ 197a Abs. 1, 183 Satz 1 SGG und §§ 161
Abs. 1, 154 Abs. 1 und 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Der Streitwert wird mangels ausreichender Anhaltspunkte nach § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 2 des
Gerichtskostengesetzes (GKG) auf 5.000 EUR festgesetzt. Die vom Beschwerdeführer begehrte Regelungsanordnung
beinhaltet die Vorwegnahme der Hauptsache (Leistungsklage). Daher ist der volle Streitwert festzusetzen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).