Urteil des LSG Thüringen vom 28.02.2006

LSG Fst: arbeitsförderung, aktiven, auflage, anschaffungskosten, form, software, weiterbildungskosten, drucker, auskunft, lehrmittel

Thüringer Landessozialgericht
Urteil vom 28.02.2006 (rechtskräftig)
Sozialgericht Altenburg S 11 AL 398/03
Thüringer Landessozialgericht L 3 AL 503/05
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 18. Mai 2005 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Antrags auf Übernahme der Anschaffungskosten für einen im
Zusammenhang mit einer Weiterbildungsmaßnahme erworbenen Laptop und Drucker.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger die Teilnahme an der Maßnahme zur beruflichen Weiterbildung zum "Fachmann
industrielle Vernetzung/Datenkommunikation". Die Maßnahme fand in der Zeit vom 10. Juni 2002 bis zum 6. Juni
2003 statt. Sie schloss mit einer trägerinternen Prüfung ab. Die Beklagte erstattete die Lehrgangsgebühren
einschließlich der Lernmittelkosten im Wege der Direktzahlung an die Maßnahmeträgerin, die e. e. gmbh.
Mit Schreiben vom 12. November 2002 beantragte der Kläger die Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines
Laptops und eines Druckers. Dem Antrag legte er eine Bescheinigung der e. e. gmbh vom 13. November 2002 bei,
nach der die Maßnahme, "( ) fast ausschließlich PC-orientiert durchgeführt ( )" und für "( ) den erfolgreichen Abschluss
des Kurses ( ) ein privater PC dringend empfohlen" werde.
Mit Bescheid vom 4. Dezember 2002 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Eine entsprechende Förderung sei weder
dem gesetzlichen Leistungskatalog noch dem "Maßnahmenkatalog der Freien Förderung" der Beklagten zu
entnehmen.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 24. Dezember 2002, bei der Beklagten am 30. Dezember 2002
eingegangen, Widerspruch ein, da der Ablehnungsbescheid jegliche Einzelfallprüfung vermissen lasse.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie trage bereits mit der
Übernahme der Teilnahmegebühr einschließlich der Lernmittelkosten alle für einen erfolgreichen Abschluss der
Teilnahme erforderlichen Kosten. Die begehrten Lernmittel seien nach Auskunft der e. e. gmbh für einen erfolgreichen
Abschluss der Maßnahme zwar empfehlenswert, nicht aber erforderlich. Zudem könne jeder Teilnehmer die Lehrmittel
der e. e. gmbh auch nach dem Unterricht zu Übungszwecken bis ca. 18.00 Uhr nutzten. Die Übernahme nicht
erforderlicher Lernmittelkosten verstoße gegen das Aufstockungsverbot des § 10 Abs. 1 S. 2 Drittes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB III).
Gegen den Widerspruchsbescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 5. Februar 2003 am 26. Februar 2003 beim
Sozialgericht Altenburg Klage ein.
Er beantragte, den Bescheid vom 4. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2003
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seinen Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts
positiv neu zu bescheiden. Die Übernahme der Anschaffungskosten stelle eine gesetzliche Leistung der
Ausrüstungsbeihilfe bzw. der Förderung der beruflichen Weiterbildung dar. Anderenfalls bestehe ein Anspruch gemäß
§ 10 SGB III. Bei Nichteingreifen einer gesetzlichen Anspruchsgrundlage könne das Aufstockungsverbot des § 10
SGB III per se nicht greifen. Unabhängig von verwaltungsinternen Festlegungen müsse die Beklagte eine
Einzelfallprüfung vornehmen und beachten, dass er nicht über die dringend empfohlenen Lernmittel verfüge und diese
auch für seine künftige Arbeit benötige. Als Pendler benötige er einen mobilen Rechner. Die Rechner der
Maßnahmeträgerin habe er nur bis maximal 17.00 Uhr nutzen können.
Das Sozialgericht Altenburg wies die Klage mit Urteil vom 18. Mai 2005 ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf
Kostenübernahme. Ein solcher folge auch nicht aus § 10 SGB III. Eine freie Förderung gemäß § 10 SGB III stelle
eine Ermessensleistung der aktiven Arbeitsförderung dar. Die Kostenübernahme sei vorliegend jedoch weder
erforderlich noch wirtschaftlich. Es könne davon ausgegangen werden, dass eine anerkannte Maßnahme durch den
Besuch der geförderten Unterrichtsstunden und die Nutzung der gleichfalls bereits geförderten Lernmittel erfolgreich
abgeschlossen werden könne, zumal der Kläger die Lehrmittel der Maßnahmeträgerin nach deren Auskunft auch nach
dem Unterricht bis ca. 18.00 Uhr habe nutzen können. Im Übrigen sei das Aufstockungsverbot des § 10 Abs. 1 S. 2
SGB III zu beachten.
Das Urteil wurde dem Kläger am 15. Juni 2005 zugestellt. Er legte mit Schreiben vom 07. Juli 2005, am gleichen Tag
beim Sozialgericht Altenburg eingegangen, hiergegen Berufung ein und verwies zur Begründung auf die von ihm
bereits vorgetragenen Argumente.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 18. Mai 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter
Aufhebung der Bescheide vom 27. November 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2003 die
Kosten für den von ihm erworbenen Laptop und Drucker zu erstatten, hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung der
angefochtenen Bescheide zu verurteilen, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie schließt sich den Ausführungen des Sozialgerichts an und wiederholt ihre bislang vorgetragenen Argumente.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den
sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Die den Kläger betreffende Verwaltungsakte, einschließlich der zu § 10 SGB
III erlassenen Dienstanweisung Nr. 1/01 vom 14. Dezember 2000, Stand 01/2002, nebst zugehörigem Ablaufschema
lagen vor und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Der Anfechtungs- und Leistungsantrag des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf
Übernahme der Lernmittelkosten.
Ein solcher Anspruch folgt nicht aus § 77 SGB III. Nach dieser Vorschrift kann die Teilnahme an einer Maßnahme der
beruflichen Weiterbildung u.a. durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden. Förderfähige
Weiterbildungskosten sind u.a. die durch die Weiterbildung unmittelbar entstehenden Lehrgangskosten, etwa in Form
von Lehrgangsgebühren einschließlich der Kosten für erforderliche Lernmittel (§§ 81 Abs. 1 Nr. 1, 82 S. 1 SGB III; seit
dem 1. Januar 2003: §§ 79 Abs. 1 Nr. 1, 80 S. 1 SGB III). Lernmittel in diesem Sinne sind Hilfen für die Teilnehmer,
die vermittelten Kenntnisse und Erfahrungen zu erfassen, zu üben und zu bewahren, um so das Maßnahmeziel zu
erreichen (Stratmann in Niesel SGB III, Kommentar, 3. Auflage, 2005, § 80 Rn. 4). In Abgrenzung zu den
Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens, die dem eigenverantwortlichen Lebensbereich des Teilnehmers
zuzuordnen sind, müssen Lernmittel aufgrund besonderer Merkmale oder Ausstattung einen ganz spezifischen Bezug
zur konkreten Weiterbildungsmaßnahme aufweisen (Olk in PK-SGB III, 2. Auflage, 2004, § 80 Rn. 9). Lernmittel sind
nur förderungsfähig, wenn sie unmittelbar durch die Teilnahme an der Weiterbildung verursacht werden (§ 81 Abs. 1
SGB III) und darüber hinaus erforderlich sind (§ 82 SGB III).
Computer sowie sonstige Hard- und Software sind grundsätzlich Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens (Olk
aaO, § 80 Rn. 9). Ob der Laptop und der Drucker vorliegend aufgrund aufgespielter Software und
Ausstattungskomponenten einen spezifischen Bezug zur absolvierten Weiterbildungsmaßnahme haben, ist fraglich,
kann jedoch dahin stehen. Ihre Anschaffung ist jedenfalls nicht erforderlich iSd § 82 SGB III. Zunächst sollen
Lernmittel, die zur erfolgreichen Durchführung einer Weiterbildungsmaßnahme erforderlich sind, aus Kostengründen
zentral durch den Maßnahmeträger für alle Teilnehmer der Maßnahme angeschafft werden. Hiermit korrespondiert die
Regelung in § 81 Abs. 2 SGB III, wonach Weiterbildungskosten von der Beklagten unmittelbar an den Träger der
Maßnahme ausgezahlt werden können. Dementsprechend hat die Beklagte die Lehrgangskosten, bestehend aus den
Lehrgangsgebühren und den Kosten für die erforderlichen Lernmittel, im Wege der Direktzahlung unmittelbar an die e.
e. gmbh gezahlt. Mit der unmittelbaren Auszahlung an den Maßnahmeträger hat die Beklagte den Anspruch des
Klägers auf Übernahme der erforderlichen Lernmittelkosten erfüllt (Olk aaO, § 79 Rn. 10). Die Anschaffung weiterer
Lernmittel war für den erfolgreichen Abschluss der Weiterbildungsmaßnahme nicht erforderlich. Nach dem allgemeinen
Sprachgebrauch ist etwas erforderlich, wenn es für einen bestimmten Zweck unbedingt notwendig, mithin unerlässlich
ist. Das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit bezweckt die Abgrenzung solcher Lernmittel, die zum erfolgreichen
Abschluss der Maßnahme unbedingt notwendig sind, von solchen Hilfsmitteln, die für das Maßnahmeziel zwar
sinnvoll und empfehlenswert sein mögen, nicht aber unerlässlich. Nach Auskunft der Maßnahmeträgerin vom 13.
November 2002 wird die Anschaffung privater Hard- und Software nur empfohlen. Das Maßnahmeziel kann auch
erreicht werden, wenn eine Anschaffung unterbleibt. Zudem bestand die Möglichkeit, die Lehrmittel der
Maßnahmeträgerin auch nach dem Unterricht zu Übungszwecken zu nutzen.
Ein Anspruch auf Übernahme der Anschaffungskosten folgt nicht aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 SGB III. Nach dieser
Vorschrift kann eine Mobilitätshilfe in Form einer Ausrüstungsbeihilfe gezahlt werden, wenn diese notwendig ist, damit
ein Arbeitsloser oder ein von Arbeitslosigkeit bedrohter Arbeitssuchender eine versicherungspflichtige Beschäftigung
aufnehmen kann. Die Gewährung einer Mobilitätshilfe ist notwenig, wenn die Prognose angestellt werden kann, dass
ohne diese Zahlung das Beschäftigungsverhältnis voraussichtlich nicht zu Stande kommt (Thüringer
Landessozialgericht 6. November 2003 – L 3 Alg II-VO 755/01 – nv). Vorliegend steht die Anschaffung des Laptops
und des Druckers in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit einem konkreten Beschäftigungsverhältnis.
Ein Rechtsanspruch auf Übernahme der Anschaffungskosten folgt auch nicht aus § 10 SGB III. Nach dieser
Vorschrift können die Arbeitsämter bis zu zehn Prozent der im Eingliederungstitel enthaltenen Mittel für
Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung einsetzen. Ziel dieser Regelung ist es, die gesetzlich geregelten
Leistungen der aktiven Arbeitsförderung durch freie Leistungen der aktiven Arbeitsförderung zu erweitern. Im Rahmen
dieser freien Förderung ist der Beklagten ein weites Ermessen eingeräumt. Es erstreckt sich grundsätzlich sowohl auf
die Entscheidung, überhaupt nach § 10 SGB III vorzugehen, als auch auf die Wahl und Ausgestaltung der freien
Förderung. Ergreift die Beklagte grundsätzlich die Möglichkeit einer freien Förderung gemäß § 10 SGB III, steht ihr
hinsichtlich des Einsatzes freier Leistungen der aktiven Arbeitsförderung im konkreten Einzelfall wiederum ein weites
Ermessen zu (Mutschler in PK-SGB III, 2. Auflage, 2004, § 10 Rn. 9; Niesel in Niesel SGB III Kommentar, 3.
Auflage, 2005, § 10 Rn. 3).
Zwar benennt § 10 SGB III für eine freie Förderung keine weitergehenden besonderen Eingangsvoraussetzungen. § 10
Abs. 1 S. 2 SGB III normiert jedoch in Form negativer Leistungsvoraussetzungen zwingende Förderungshindernisse.
Die freien Leistungen müssen den Zielen und Grundsätzen der gesetzlichen Leistungen entsprechen. Sie dürfen
gesetzliche Leistungen nicht aufstocken.
Dies wäre vorliegend jedoch der Fall. Der Kläger absolvierte eine Weiterbildungsmaßnahme nach Maßgabe der §§ 77
ff. SGB III und damit eine gesetzlich geregelte Maßnahme der aktiven Arbeitsförderung. Das Gesetz bestimmt in den
§§ 77 ff. SGB III, welche Leistungen bei Vorliegen welcher konkreten Voraussetzungen im Rahmen dieser gesetzlich
geregelten Maßnahme der aktiven Arbeitsförderung erbracht werden können. Ein wesentliches Kriterium für die
Übernahme von Lernmittelkosten ist hierbei u.a. deren Erforderlichkeit. Die Übernahme nicht erforderlicher
Lernmittelkosten würde den Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Leistungen der Arbeitsförderung gemäß §§ 77 ff.
SGB III überschreiten. Hierfür bieten die §§ 77 ff. SGB III keine rechtliche Grundlage. Eine solche kann auch nicht
über eine freie Förderung gemäß § 10 SGB III herbeigeführt werden. Würde die Beklagte entgegen des ausdrücklichen
Willens des Gesetzgebers, dass nicht erforderliche Lernmittelkosten auch nicht gefördert werden, gleichwohl die
Kosten im Wege einer freien Förderung gem. § 10 SGB III übernehmen, würde sie die gesetzlich vorgesehenen
Leistungen nach §§ 77 ff. SGB III gesetzwidrig aufstocken. Ziel der freien Förderung nach § 10 SGB III ist es aber
nicht, fehlende gesetzliche Leistungsvoraussetzungen zu ignorieren, sondern gesetzlich nicht geregelte neue Wege
der Arbeitsförderung zu eröffnen.
Aus diesem Grund bleibt auch der Hilfsantrag ohne Erfolg. Wegen des Verstoßes gegen das Aufstockungsverbots
muss die Beklagte den Antrag des Klägers ablehnen, ohne dass ihr hierbei ein Ermessen eröffnet wäre. Die
Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nicht
vorliegen (§ 160 SGG).