Urteil des LSG Thüringen vom 25.10.2010

LSG Fst: untätigkeitsklage, reformatio in peius, gebühr, widerspruchsverfahren, vergütung, aufwand, verfügung, minimal, verwaltungsverfahren, auflage

Thüringer Landessozialgericht
Beschluss vom 25.10.2010 (rechtskräftig)
Sozialgericht Altenburg S 36 SF 216/09 E
Thüringer Landessozialgericht L 6 SF 652/10 B
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 2. Juni 2010 wird
zurückgewiesen.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht
Altenburg streitig (Az.: S 36 AS 3995/08).
Die von dem Beschwerdeführer vertretenen Kläger, eine Bedarfsgemeinschaft von drei Personen, bezieht Leistungen
nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 17. Dezember 2007 setzte die beklagte
Stadtverwaltung J. die Leistungen für Oktober 2007 auf 826,74 Euro und ab November 2007 auf 854,84 Euro fest. Der
Beschwerdeführer legte am 14. Januar 2008 für die Kläger Widerspruch ein und trug mit Schriftsatz vom 28. März
2008 vor, die Beträge hätten nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16. Mai 2007 (Az.: B 11 AS 29/06
R) für die Bedarfsgemeinschaft auf 827,00 Euro (Oktober 2007) bzw. 856,00 Euro (November 2007) aufgerundet
werden müssen. Am 30. Oktober 2008 erhob der Beschwerdeführer Untätigkeitsklage, weil der Widerspruch gegen
den Bescheid vom 17. Dezember 2007 noch nicht entschieden war und beantragte die Gewährung von
Prozesskostenhilfe (PKH). Am 5. Februar 2009 übersandte die Beklagte ihren Widerspruchsbescheid vom 28. Januar
2009, in dem sie u.a. den Widerspruch vom 28. März 2008 zurückwies. Unter dem 9. Februar 2009 fragte das
Sozialgericht bei dem Beschwerdeführer an, ob er das Anerkenntnis der Beklagten annehme. Dieser bat "vor Abgabe
prozessleitender Erklärungen" um Entscheidung über die PKH. Unter dem 21. April 2009 erklärte die Beklagte, sie
übernehme die notwendigen außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach. Mit Schriftsatz vom 2. Juni 2009 bestand
der Beschwerdeführer auf einer Entscheidung über die PKH, weil die Beklagte sich regelmäßig weigere, die Kosten zu
erstatten und auf die gerichtliche Kostenfestsetzung verweise. Das Sozialgericht bewilligte den Klägern mit Beschluss
vom 9. Juni 2009 PKH und ordnete den Beschwerdeführer bei. Dieser erklärte, die Kläger nähmen "das Anerkenntnis
der Beklagten" an; damit habe sich der Rechtsstreit erledigt.
Am 18. Juni 2009 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung folgender Gebühren:
Verfahrensgebühr Nr. 3102, 1008 VV RVG 200,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 50,00 Euro Post- und
Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro USt 51,30 Euro Gesamtsumme 321,30 Euro
Mit Beschluss vom 16. Juni 2009 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) die aus der Staatskasse zu
erstattende Gebühr auf 91,39 Euro fest. Zur Begründung führte sie aus, die Untätigkeitsklage habe nur beabsichtigt,
die Beklagte zum Tätigwerden zu veranlassen; dies genüge niedrigsten Ansprüchen anwaltlicher Tätigkeit. Angesichts
der Rundungsregelungen sei das Interesse der Kläger von untergeordneter Bedeutung gewesen. Daher werde eine
Mindestgebühr nach Nr. 3102 VV RVG von 40,00 Euro festgesetzt, die sich für zwei weitere Auftraggeber auf 64,00
Euro erhöhe. Eine Terminsgebühr komme nicht in Betracht, weil das Verfahren nicht durch Abgabe eines
Anerkenntnisses, sondern durch Erlass des Widerspruchsbescheids erledigt worden sei.
Mit der Erinnerung hat der Beschwerdeführer vorgetragen, die festgesetzten Gebühren seien unbillig. Der Ansatz der
Mindestgebühr sei nicht zu rechtfertigen, denn er habe die Klage in einem zweiseitigen Schriftsatz begründet.
Dadurch seien der Beklagten und dem Gericht sofortige Entscheidungen möglich gewesen.
Mit Beschluss vom 2. Juni 2010 hat das Sozialgericht Altenburg die Erinnerung zurückgewiesen. Es sei auf den
Gebührenrahmen nach Nr. 3103 VV RVG und nicht nach Nr. 3102 VV RVG abzustellen. Er sei auch dann
gerechtfertigt, wenn das Gesetz kein förmliches Vor- oder Widerspruchsverfahren vorschreibe. Berücksichtigt werde
nach dem Wortlaut der faktische Kenntnisvorsprung, der dem Rechtsanwalt durch eine Befassung im Vorfeld des
gerichtlichen Verfahrens zukomme. Unter Berücksichtigung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG sei die Festsetzung
der doppelten Mindestgebühr (= 40,00 Euro) nicht zu beanstanden. Die Bedeutung der Sache sei für die Kläger gering
gewesen. Die Untätigkeitsklage habe keine Auseinandersetzung mit dem materiellen Recht erfordert, sondern sich auf
die Prüfung der formellen Frage beschränkt, ob über den Antrag innerhalb der gesetzlichen Frist ohne zureichenden
Grund entschieden wurde.
Gegen den am 10. Juni 2010 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 15. Juni 2010 Beschwerde
eingelegt und ausgeführt, nach dem Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 5. Mai 2008 - Az.: L 19 B 24/08
AS sei Nr. 3102 VV RVG einschlägig. Nach den Richtlinien des Sächsischen LSG vom 31. März 2010 - Az.: L 6 AS
99/10 B KO habe sich die Gebühr bei Untätigkeitsklagen an dem Streitgegenstand zu orientieren und sei dann zu
halbieren. Tatsächlich sei Gegenstand des Widerspruchsverfahrens nicht nur der Rundungsfehler gewesen, sondern
nach Ansicht der Beklagten auch ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 13. November 2008, nach dem die
Kläger 256,10 Euro zurückzahlen sollten. Bei einer solchen Fallkonstruktion sei nach der Rechtsprechung des BSG
die Mittelgebühr anzusetzen. Seine eigene Tätigkeit sei umfangreicher gewesen, als das Sozialgericht angenommen
habe, denn der Aufwand habe sich nicht nur auf die Fristüberwachung, Fertigung der Klageschrift und
Erledigungsanzeige beschränkt. Vielmehr habe er wie in jedem anderen Verfahren seine Mandanten über
Auswirkungen und Risiken der Untätigkeitsklage beraten, die Vollmacht ausstellen lassen, auf die Möglichkeit der
PKH hingewiesen, bei der Ausfüllung der Formulare Hilfestellung geleistet und eine Handakte angelegt. Zu
berücksichtigen sei weiter, dass er als Fachanwalt für Sozialrecht erhöhte Fortbildungskosten habe. Zudem müssten
bei der Festsetzung generalpräventive Gesichtspunkte gegenüber den Behörden der Grundsicherung berücksichtigt
werden, denn die drohenden Kosten einer Untätigkeitsklage seien ein geeignetes Mittel, die Behörde zur Einhaltung
ihrer Fristen anzuhalten. Auch bei der Untätigkeitsklage entstehe eine fiktive Terminsgebühr. Nach dem Beschluss
des erkennenden Senats vom 26. November 2008 - Az.: L 6 B 130/08 SF komme es nicht darauf an, ob eine
mündliche Verhandlung vorgesehen sei. Tatsächlich habe hier ein Anerkenntnis der Beklagten vorgelegen, denn es
könne nur auf die rechtlichen Auswirkungen einer Handlung abgestellt werden, nicht aber wie die Beklagte sie
bezeichne. Auch das Sozialgericht sei unter dem 9. Februar 2009 davon ausgegangen.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 2. Juni 2010 aufzuheben und die ihm aus der Staatskasse zu
zahlende Vergütung auf 321,30 Euro festzusetzen.
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf den Beschluss des Sozialgerichts und die Ausführungen der UKB vom 30. Juni 2009.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 6. September 2010) und sie dem Thüringer
Landessozialgericht vorgelegt. Mit Beschluss vom 19. Oktober 2010 hat der Senatsvorsitzende das Verfahren dem
Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen.
II.
Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 des
Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) statthaft. Diese Vorschriften sind nach der ständigen
Senatsrechtsprechung anwendbar, denn die Sonderregelungen des RVG verdrängen die allgemeinen prozessualen
Bestimmungen des Sozialgerichtsgesetzes (vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 26. November 2008 - Az.: L 6 B 130/08
SF und 29. April 2008 - L 6 B 32/08 SF; ebenso LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. August 2101 - Az.: L 3 SF
6/09 E m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Mai 2010 - Az.: L 19 B 286/09 AS m.w.N., beide nach
juris).
Sie ist auch zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 Euro und die Beschwerde ist
rechtzeitig eingelegt worden.
Die Beschwerde ist aber im Ergebnis unbegründet.
Der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts ergibt sich aus § 45 Abs. 1 RVG. Danach erhält der im
Wege der PKH beigeladene Rechtsanwalt in Verfahren vor Gerichten eines Landes die gesetzliche Vergütung aus der
Landeskasse. Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in
denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Beitragsrahmengebühren. Es handelte sich bei den
Klägern des Hauptsacheverfahrens um kostenprivilegierte Beteiligte i.S.d. § 183 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes
(SGG). Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG).
Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 RVG im Einzelfall unter Berücksichtigung
aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der
Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz
1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu
ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei
ihm nach der h.M. in Rechtsprechung und Literatur ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht
(vgl. u.a. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R; BGH, Urteil vom 31. Oktober 2006 – Az.: VI ZR 261/05;
beide nach juris; Senatsbeschluss vom 19. Juni 2007 - Az.: L 6 B 80/07 SF; Mayer in Gerold/Schmidt,
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr. 12). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die
Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet
(vgl. Senatsbeschluss vom 26. November 2008 - L 6 B 130/08 SF; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12.
September 2006 – Az.: L 1 B 320/05 SF SK, nach juris). Dann erfolgt eine Festsetzung in Höhe der angemessenen
Gebühren.
Ein solcher Fall liegt hier vor: Die begehrten Gebühren von insgesamt 321,30 Euro übersteigen die dem
Beschwerdeführer tatsächlich zustehenden Gebühren in Höhe von 45,69 Euro um mehr als 20 v.H.
Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG. Der Senat
schließt sich der Ansicht an, dass bei einer Untätigkeitsklage eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG anfällt
(ebenso Hessisches LSG, Beschluss vom 12. Mai 2010 - Az.: L 2 SF 342/09 E; a.A.: LSG Nordrhein-Westfalen,
Beschluss vom 5. Mai 2008 - Az.: L 19 B 24/08 AS; beide nach juris), denn hier ist eine Tätigkeit im
Verwaltungsverfahren oder in einem weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren
vorausgegangen. Die Untätigkeitsklage setzt immer ein nicht durch Bescheid abgeschlossenes Verwaltungs- oder -
wie hier - Widerspruchsverfahren voraus. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist es nach dem Wortlaut der
Vorschrift nicht erforderlich, dass es sich bei beiden Verfahren um "denselben Streitgegenstand" handelt; eine
Tätigkeit in einem zeitlich früheren Widerspruchsverfahren ist ausreichend (vgl. Beschluss vom 6. März 2008 - Az.: L
6 B 198/07 SF). Nach den Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 15/1971 S. 212) berücksichtigt die niedrigere Gebühr,
dass die Tätigkeit in den Verwaltungsverfahren den Aufwand des Anwalts im gerichtlichen Verfahren erleichtert. Dies
ist hier der Fall, denn durch die Überwachung der Fristen im Widerspruchsverfahren kann der bearbeitende
Rechtsanwalt ein Überschreiten der Sperrfrist einfacher feststellen (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss
vom 5. Mai 2008 - Az.: L 19 B 24/08 AS; nach juris). Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass grundsätzlich die
Zielrichtung im Widerspruchs- und Klageverfahren prozessual unterschiedlich sind. Im Widerspruchsverfahren wurde
ein Anspruch auf eine Berücksichtigung der Rundungsregelung geltend gemacht, im Klageverfahren nach § 88 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ein Anspruch auf formelle Bescheidung (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2007 - Az.: B
4 RS 7/06 R, nach juris). In beiden Fällen ging es den Klägern aber darum, überhaupt einen Bescheid zu erhalten, um
ihn gegebenenfalls gerichtlich auf seine Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen.
Ein gegenteiliges Ergebnis ergibt sich auch nicht aus dem Rechtsgedanken der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG (so
LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Mai 2008 - Az.: L 19 B 24/08 AS, nach juris). Nr. 3103 VV RVG geht ihr
als spezialgesetzliche Norm vor (vgl. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, a.a.O., Vorb. 3 VV Rdnr. 182) und beinhaltet
gerade nicht das dort zu berücksichtigende Tatbestandsmerkmal "desselben Gegenstandes".
Nr. 3103 VV RVG berücksichtigt einen Beitragsrahmen vom 20,00 bis 320,00 Euro. Nach der gebotenen
Gesamtabwägung steht dem Beschwerdeführer hier eine Verfahrensgebühr von 20,00 Euro, d.h. die Mindestgebühr
zu; Anhaltspunkte für die von der Vorinstanz angenommene doppelte Mindestgebühr sieht der Senat nicht. Er weist in
diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Festlegung der konkreten Gebühr in allen Verfahren, also auch bei
Untätigkeitsklagen, konkret auf den Einzelfall anhand der Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG bezogen sein muss (vgl.
Mayer in Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 19. Auflage2010, § 14 Rdnr. 5). Deren Aufzählung ist
nicht vollständig; alle stehen selbständig und gleichwertig nebeneinander (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4
AS 21/09 R, nach juris) und jedes Kriterium kann Anlass sein, vom grundsätzlich auszugehenden Mittelwert nach
oben oder unter abzuweichen, soweit ein Umstand vom Durchschnitt abweicht (vgl. Mayer in Gerold/Schmidt, a.a.O.,
§ 14 Rdnr. 10). Pauschalierungen, wie nach der Tabelle des Sächsischen LSG (vgl. Beschluss vom 31. März 2010 -
Az.: L 6 AS 99/10 B KO, nach juris), sind nicht angebracht.
Der zeitliche Umfang der im Rahmen der Untätigkeitsklage von dem Beschwerdeführer tatsächlich betriebenen und
objektiv erforderlichen anwaltlichen Tätigkeit (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R, nach juris) war
erheblich unterdurchschnittlich. Ein Lesen und Auswerten von umfangreichen Akten war nicht erforderlich. Der
Beschwerdeführer fertigte den Klageschriftsatz an, in der er kurz den Sachverhalt darlegte und PKH beantragte sowie
zwei weitere kurze Schriftsätze zur PKH und erklärte dann das Verfahren für erledigt. Soweit er vorträgt, zusätzlich
habe er die Kläger über Auswirkungen und Risiko der Untätigkeitsklage aufklaren müssen, eine Handakte angelegt,
die notwendige Formulare für die PKH zu Verfügung gestellt und Hilfe beim Ausfüllen geben müssen, kann dieser
Aufwand nur minimal gewesen sein. Zur Berechnung der Fristen war nur eine kurze und einfache Auswertung der
Akten erforderlich. Die Notwendigkeit für eine mehr als ganz kurze Besprechung mit den Klägern ist nicht ersichtlich:
Die Auswirkungen einer Untätigkeitsklage können in Minuten erklärt werden; Risiken sind nicht ersichtlich. Die
Anlegung einer neuen Handakte verursacht nur einen geringen Aufwand. Das PKH-Formular wurde von der Klägerin
nur bezüglich der persönlichen Angaben ausgefüllt und unterschrieben; im Übrigen wurden Bescheide der
Stadtverwaltung J. beigefügt.
Die objektive Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist bei jeder Untätigkeitsklage minimal. Der Beschwerdeführer
musste hier nur die Frist des § 88 SGG berechnen und daraus den einfachen rechtlichen Schluss ziehen, dass sie
offensichtlich überschritten war.
Die Bedeutung der Angelegenheit war ebenfalls minimal. Bei ihr kommt es auf die unmittelbare tatsächliche, ideelle,
gesellschaftliche, wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung für die Kläger, nicht aber für die Allgemeinheit an (vgl.
BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R, nach juris). Die unverzügliche Entscheidung (nicht die
Gewährung) über die geltend gemachten Beträge von 0,26 Euro (827,00 Euro./. 826,74 Euro) für Oktober 2007 und
1,16 Euro (856,00./. 854,84 Euro) ab November 2007 hat selbst für Bezieher von Leistungen nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II) kaum Bedeutung. Es kann dahingestellt bleiben, ob auch der Aufhebungs- und
Erstattungsbescheid vom 13. November 2008 über 256,10 Euro Gegenstand der Untätigkeitsklage war. Eine höhere
Bedeutung könnte dies nicht begründen. Es ist schwer verständlich, weshalb die Kläger überhaupt ein Interesse an
einer schnellen Entscheidung der Beklagten zu einer gegen sie gerichteten Rückforderung haben können. Belegt wird
damit zudem, dass eine pauschalierte Reduzierung der Gebühr um 50 v.H., wie nach der Rechtsprechung des
Sächsischen LSG (vgl. Beschluss vom 31. März 2010 - Az.: L 6 AS 99/10 B KO, nach juris), nicht angebracht ist.
Weit unterdurchschnittlich sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger bezogen auf das
Durchschnittseinkommen der Gesamtbevölkerung. Dies gilt selbst dann, wenn ein Abschlag auf ca. 1.500,00 Euro
wegen des großen Personenbereichs, die von sozialen Transferleistungen leben (vgl. Mayer in Gerold/Schmidt,
a.a.O., § 14 Rdnr. 18), erforderlich wäre; auch dieser Betrag wird deutlich unterschritten. Eine Kompensation durch die
Bedeutung der Sache kommt nicht in Betracht.
Anhaltspunkte für ein besonderes Haftungsrisiko sind nicht ersichtlich.
Der Senat sieht keinen Anhalt für die Ansicht des Beschwerdeführers, die Führung des Titels "Fachanwalt für
Sozialrecht" führe zu einer Erhöhung der Gebührenhöhe. Die vorgetragenen erhöhten Fortbildungskosten spielen für
den konkreten Fall ebenso keine Rolle. Nicht nachvollziehbar ist der Vortrag, die Gebühren seien aus
generalpräventiven Gründen zu erhöhen, um die Beklagten durch die erhöhten Kosten auf die Einhaltung der
gesetzlichen Fristen anzuhalten. Die Anwaltsgebühren haben keinen Sanktionscharakter gegenüber den Unterlegenen.
Nach Nr. 1008 VV RVG erhöht sich die Verfahrensgebühr von 20,00 Euro für die zusätzlichen Kläger (minderjährige
Kinder der Klägerin) um jeweils 30 v.H. auf 32,00 Euro, weil allen Klägern Prozesskostenhilfe gewährt wurde.
Nicht zu erstatten ist dem Beschwerdeführer die begehrte fiktive Terminsgebühr. Nach Nr. 3106 Nr. 3 VV RVG
entsteht sie auch dann, wenn das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet.
Anerkenntnis in diesem Sinn ist die Erledigung im Sinne des § 101 Abs. 2 SGG. Es handelt sich um ein im Wege
einseitiger Erklärung gegebenes uneingeschränktes Zugeständnis, dass der mit der Klage geltend gemachte
prozessuale Anspruch oder ein Teil des Anspruchs besteht (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.
Auflage 2008, § 101 Rdnr. 20), also die Anerkennung einer Rechtsfolge aus einem vom Kläger behaupteten
Tatbestand, nicht der Tatbestand selbst oder ein Tatbestandselement (vgl. BSG, Urteil vom 21. Juni 2000 - Az.: B 12
RJ 3/00 B, nach juris). Es wird durch prozessuale Erklärung des anderen Beteiligten angenommen.
Der Senat ist der Ansicht, dass mit der Bescheiderteilung kein solches Anerkenntnis im Sinne des § 101 Abs. 2 SGG
vorliegt (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Mai 2008 - Az.: L 19 B 24/08 AS, nach juris; VG
Bremen, Beschluss vom 7. August 2009 - S 4 E 1036/09 m.w.N., alle nach juris). Die Verfahrenserledigung erfolgt
durch die Annahme des Anerkenntnisses. Bei der Untätigkeitsklage tritt die Erledigung dagegen automatisch durch
den Erlass des gewünschten Bescheids (hier: Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2009) ein; die Hauptsache ist
dann nach § 88 Abs. 1 S. 3 SGG für erledigt zu erklären. Erfolgt dies nicht, wird die Klage als unzulässig abgewiesen.
Auch ist es auch rechtlich bedeutungslos, dass das Sozialgericht in seiner Verfügung vom 9. Februar 2009 den
Widerspruchsbescheid fehlerhaft als "Anerkenntnis" bezeichnet hat.
Dieses liegt auch nicht in dem Schriftsatz der Beklagten vom 21. April 2009, dass die notwendigen außergerichtlichen
Kosten des Verfahrens dem Grunde nach übernommen werden. Damit hat diese nur den Kostenerstattungsanspruch
dem Grunde nach anerkannt. Bezüglich des Klageanspruchs enthält die Erklärung - auch konkludent - keine Aussage
(vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Mai 2008 - Az.: L 19 B 24/08 AS, nach juris).
Zusätzlich zu erstatten sind die Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen (Nr. 7002
VV RVG) in Höhe von 6,40 Euro und die Umsatzsteuer auf die Vergütung (Nr. 7008 VV RVG) in Höhe von 7,29 Euro.
Obwohl dem Beschwerdeführer nur Gebühren in Höhe von 45,69 Euro zustehen, scheidet deren Herabsetzung wegen
der Unzulässigkeit der reformatio in peius im Beschwerdeverfahren aus (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 24.
September 2008 - Az.: L 19 B 21/08 AS, nach juris; Mayer in Gerold/Schmidt, a.a.O., § 33 Rdnr. 15). Der
Beschwerdegegner hat selbst keine Beschwerde eingelegt.
Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 59 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).