Urteil des LSG Thüringen vom 29.05.2008

LSG Fst: eintragung im handelsregister, verfassungskonforme auslegung, ddr, umwandlung, zugehörigkeit, verfahrenskosten, drucksache, aussichtslosigkeit, ingenieur, verordnung

Thüringer Landessozialgericht
Urteil vom 29.05.2008 (rechtskräftig)
Sozialgericht Nordhausen S 16 RA 892/04
Thüringer Landessozialgericht L 2 R 1154/06
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 28. August 2006 wird
zurückgewiesen.
Die Beteiligen haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Dem Kläger werden Verfahrenskosten in Höhe von 1.500,00 EUR auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob für den Kläger Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der
technischen Intelligenz festzustellen sind.
Der 1952 geborene Kläger erhielt mit Urkunde der Technischen Hochschule Karl-Marx-Stadt vom 8. Oktober 1974 den
akademischen Grad "Diplom-Ingenieur" verliehen. Nach einer Tätigkeit als Technologe im VEB Schiffsarmaturen- und
Leuchtenbau F. war der Kläger bei dem VEB IFA Motorenwerke N. beziehungsweise bei der am 29. Juni 1990 in das
Handelsregister eingetragenen IFA Motorenwerke N. GmbH tätig.
Mit Bescheid vom 25. Februar 2004 lehnte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte - Versorgungsträger für die
Zusatzversorgungssysteme - die Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem der
Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) ab, weil der VEB IFA Motorenwerke N.
bereits vor dem 30. Juni 1990 privatisiert worden sei. Der dagegen gerichtete Widerspruch des Klägers blieb erfolglos
(Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2004).
Die anschließende Klage hat das Sozialgericht Nordhausen mit Urteil vom 28. August 2006 abgewiesen, weil der
Beschäftigungsbetrieb des Klägers am 30. Juni 1990 bereits privatisiert gewesen sei.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er hat zunächst vorgetragen, dass der im Handelsregister
ausgewiesene Eintragungszeitpunkt nicht mit dem tatsächlichen Zeitpunkt der Eintragung übereinstimme, zumal im
entsprechenden Handelsregisterauszug die Unterschrift des Registermitarbeiters fehle. Nach einer Klärung des
Sachverhalts hat er sein Begehren sodann vor allem darauf gestützt, dass die Eintragung nach dem Willen der
Vertragsparteien erst mit Ablauf des 30. Juni 1990 erfolgen sollte.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 28. August 2006 und den Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für
Angestellte - Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme - vom 25. Februar 2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 1. Oktober 1974
bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz sowie die
währenddessen erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass die angegriffene Entscheidung rechtmäßig ist.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
In der mündlichen Verhandlung hat der Vorsitzende den Kläger auf die Möglichkeit der Auferlegung von
Verfahrenskosten nach § 192 Absatz 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hingewiesen. Eine solche
Kostenentscheidung war auch schon zuvor Gegenstand eines Erörterungstermins am 13. März 2007. In der
Verhandlung vom 29. Mai 2008 hat der Kläger dazu vorgetragen, dass die Kosten gegebenenfalls von einer
Rechtsschutzversicherung getragen würden.
Die Beteiligten haben Kopien zum ursprünglichen Registerblatt HR B Nr. 226 sowie vom Schreiben des
Bezirksvertragsgerichts Erfurt vom 29. Juni 1990 erhalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten
Schriftsätze Bezug genommen. Die Verwaltungsakte der Beklagten lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen
Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht ist die Vorinstanz davon ausgegangen, dass dem Kläger ein Anspruch auf
Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nicht zusteht.
Als Rechtsgrundlage kommt hier nur § 8 Abs. 1 bis 3 AAÜG in Betracht. Der Kläger hat nach dieser Vorschrift aber
keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die von ihm beantragte Feststellung trifft. Er konnte schon deshalb mit
seinem Begehren keinen Erfolg haben, weil das AAÜG auf ihn nicht anwendbar ist (vgl. Urteil des
Bundessozialgerichts - BSG - vom 18. Dezember 2003, Az.: B 4 RA 14/03 R).
Maßstabsnorm ist insoweit § 1 Abs. 1 AAÜG. Nach Satz 1 dieser Vorschrift gilt dieses Gesetz für Ansprüche und
Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Die
Sonderregelung des Satzes 2 ist hier offensichtlich nicht einschlägig, weil der Kläger (unstreitig) zu keinem Zeitpunkt
in ein Versorgungssystem einbezogen war und folglich die Fiktion der Vorschrift, wonach bei einem Ausscheiden aus
dem Versorgungssystem der Verlust der Anwartschaft als nicht eingetreten gilt, in seinem Fall nicht greift.
Einen "Anspruch" auf Versorgung (damit ist das Vollrecht gemeint) hat der Kläger bei Inkrafttreten des AAÜG am 1.
August 1991 nicht gehabt. Denn ein "Versorgungsfall" war bis zu diesem Zeitpunkt nicht eingetreten. Dem Kläger
stand am 1. August 1991 aber auch keine "Anwartschaft" zu (damit ist die Versorgungsberechtigung gemeint).
Insofern ist allein auf das zu diesem Zeitpunkt gültige Bundesrecht abzustellen. Dieses Bundesrecht verbietet es, ab
dem 1. Juli 1990 noch neue Versorgungsberechtigungen zu begründen. Dies ergibt sich aus der Anlage II Kapitel VIII
Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchst. a Satz 1, 2. Halbsatz zum Einigungsvertrag (EV) vom 31. August 1990 in
Verbindung mit dem am 3. Oktober 1990 zu (sekundärem) Bundesrecht gewordenen § 22 Abs. 1 des
Rentenangleichungsgesetzes der DDR vom 28. Juni 1990. Nach diesen Regelungen sind Neueinbeziehungen ab dem
1. Juli 1990 nicht mehr zulässig; folglich ist rückschauend auf die tatsächlichen Verhältnisse am 30. Juni 1990
abzustellen. Bei Personen, die zu diesem Zeitpunkt nicht in ein Versorgungssystem einbezogen waren und die
nachfolgend auch nicht durch originäres Bundesrecht einbezogen wurden (z.B. nach Art. 9 Abs. 2, 17, 19 EV), ist
allerdings im Wege einer verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG zu prüfen, ob sie aus der
Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechts nach den am 30. Juni 1990 gegebenen Umständen einen
Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten.
Dem Kläger war eine solche Versorgungszusage jedenfalls nicht in Form eines bindend gebliebenen Verwaltungsaktes
erteilt worden (Art. 19 Satz 1 EV). Er war aber auch nicht durch eine Einzelentscheidung (z.B. aufgrund eines
Einzelvertrages) zu DDR-Zeiten einbezogen worden. Das Vorliegen einer nachträglichen Rehabilitierungsentscheidung
wird ebenfalls nicht geltend gemacht. Da er früher nicht in ein Versorgungssystem einbezogen worden war, kann bei
ihm auch keine wegen grober Rechtswidrigkeit unbeachtliche Aufhebung einer solchen Einbeziehung verbunden mit
deren Fortwirkung vorliegen (Art. 19 Satz 1 bis 3 EV).
Nach dem am 1. August 1991 gültigen Bundesrecht und aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen tatsächlichen
Umstände hatte der Kläger auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage. Dieser fiktive
bundesrechtliche Anspruch auf Erteilung einer Zusage ist vom BSG in erweiternder verfassungskonformer Auslegung
des § 1 Abs. 1 AAÜG entwickelt worden, um Wertungswidersprüche innerhalb des Gesetzes zu vermeiden. Der
erkennende Senat hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen. Im Bereich der so genannten technischen
Intelligenz hängt der Anspruch nach § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen
Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (ZAVO-techInt) vom 17. August 1950 (GBl. I Nr.
93 S. 844) und der zweiten Durchführungsbestimmung zur ZAVO-techInt (2. DB) vom 24. Mai 1951 (GBl. Nr. 62 S.
487) von drei Voraussetzungen ab. Dieses Versorgungssystem war geschaffen worden für 1. Personen, die berechtigt
waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und 2. die entsprechende Tätigkeit
tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar 3. in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im
Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
Der Kläger erfüllt die erste Voraussetzung, weil er berechtigt war, den Ingenieurstitel zu führen; es spricht auch viel
dafür, dass er entsprechende ingenieur-technische Tätigkeiten ausgeübt hat. Aber zum 30. Juni 1990 bestand kein
Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und einem Arbeitgeber im Sinne der ZAVO-techInt in Verbindung mit § 1 der 2.
DB z. ZAVO-techInt, weil er bereits zuvor bei den IFA Motorenwerken N. GmbH beschäftigt war. Dies folgt aus § 7
der Verordnung des Ministerrates der Deutschen Demokratischen Republik vom 1. März 1990 zur Umwandlung von
volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften (Umwandlungsverordnung - GBl. I Nr.
14 S. 107). Hiernach wird die Umwandlung vom volkseigenen Betrieb mit der Eintragung der GmbH in das Register
wirksam. Mit der Eintragung wird die GmbH Rechtsnachfolgerin des umgewandelten Betriebes, und der vor der
Umwandlung bestehende Betrieb ist hiermit erloschen. Das Erlöschen des Betriebes ist noch in das Register der
volkseigenen Wirtschaft einzutragen; dies ist aber im Hinblick darauf, dass die Rechtswirkung bereits von Gesetzes
wegen eintritt, nur ein deklaratorischer Akt. Mit einem erloschenen Betrieb kann aber kein Arbeitsverhältnis mehr
bestehen. Nach der Umwandlung des VEB IFA Motorenwerke N. (am 29. Juni 1990) konnte der Kläger am 30. Juni
1990 nicht mehr bei einem VEB beschäftigt gewesen sein.
Der Ansicht des Klägers, es komme nicht auf das Datum der Eintragung im Handelsregister, sondern auf einen
(behaupteten) mutmaßlichen Willen der Vertragsparteien an, die Umwandlung erst zum 1. Juli 1990 wirksam werden
zu lassen, ist angesichts der eindeutigen Regelung des § 7 der Umwandlungsverordnung abwegig.
Auch die vom Kläger gegen die Wirksamkeit der Eintragung der GmbH in das Handelsregister vorgebrachten
Einwände greifen nicht durch. Insbesondere der Vortrag, es fehle an der Unterschrift des Urkundsbeamten, verfängt
nicht: Auf der den Beteiligten übermittelten Kopie zum Originalregisterblatt des "Bezirksvertragsgerichts Erfurt" wird
die Eintragung unter dem 29. Juni 1990 durch den "Beauftragten für Registerfragen Verdieck" mit seiner Unterschrift
zweifelsfrei bestätigt. Soweit diese Unterschrift in anderen Handelsregisterunterlagen nicht vorhanden ist, beruht dies
ersichtlich darauf, dass am 12. April 1995 von Amts wegen eine Neuerfassung mit berichtigender Übertragung erfolgt
ist. Die Wirksamkeit der davon betroffenen Eintragungen berührt dies in keinster Weise. Auf dieser Grundlage war
auch den vom Kläger "ins Blaue hinein" geäußerten Spekulationen zur Historie der GmbH-Eintragung nicht weiter
nachzugehen.
Die Begrenzung der vom BSG vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG
auf den Personenkreis, der nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage die drei Voraussetzungen der
Altersversorgung der technischen Intelligenz erfüllte, steht im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 und 3 des Grundgesetzes
(GG); eine Verfassungswidrigkeit macht der Kläger auch nicht geltend, wie er in der mündlichen Verhandlung betont
hat. Die Ungleichbehandlung des Klägers gegenüber denjenigen, die am 30. Juni 1990 die Voraussetzungen der
Versorgungsverordnung erfüllten, und denjenigen, die bereits früher einmal in ein Versorgungssystem im Sinne des §
1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG einbezogen waren, ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt.
Der Einigungsvertrag hat nur die Übernahme vor dem 1. Juli 1990 bestehender Versorgungsansprüche und -
anwartschaften vorgesehen und neue Einbeziehungen ab 1. Juli 1990 ausdrücklich verboten (Artikel 9 Abs. 2 in
Verbindung mit Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchst. a EV; Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet
F Abschnitt III Nr. 8 EV i.V.m. § 22 des Rentenangleichungsgesetzes der DDR). Der Bundesgesetzgeber hat das
grundsätzliche Verbot der Neueinbeziehung für den persönlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes durch § 1 Abs.
1 Satz 2 AAÜG modifiziert. Um einem Wertungswiderspruch zu begegnen, hat das Bundessozialgericht durch eine
ausdehnende verfassungskonforme Auslegung die nicht in ein Versorgungssystem Einbezogenen, die am 30. Juni
1990 nach den Regelungen der Versorgungssysteme alle Voraussetzungen für die Einbeziehung an diesem Stichtag
erfüllt hatten, aber im Regelfall aus Gründen, die bundesrechtlich nicht anerkannt werden dürfen, nicht einbezogen
waren, den Fällen des § 1 Abs. 1 Satz 2 des Rentenüberleitungsgesetzes (RÜG) gleichgestellt.
Eine Gleichstellung weiterer Personengruppen war nicht geboten. Der Bundesgesetzgeber durfte an die im Zeitpunkt
der Wiedervereinigung vorgefundene Ausgestaltung der Versorgungssysteme in der DDR sowie an die gegebene
versorgungsrechtliche Lage der Betroffenen ohne Willkürverstoß anknüpfen und damit davon ausgehen, dass nur
derjenige in das Zusatzversorgungssystem der Altersversorgung der technischen Intelligenz einbezogen werden
durfte, der am 30. Juni 1990 in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens
oder in einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt war. Art. 3 Abs. 1 und 3 GG gebietet nicht, von jenen zu
sekundärem Bundesrecht gewordenen Regelungen der Versorgungssysteme sowie den historischen Fakten, aus
denen sich etwa die hier vorliegenden Ungleichheiten ergeben, abzusehen und sie "rückwirkend" zu Lasten der
heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen (vgl. unter anderem BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003, B 4 RA
18/03 R).
Die Kostenentscheidung hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 SGG. Die Auferlegung von
Kosten für den Kläger beruht auf § 192 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 SGG. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht einem
Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass er den Rechtsstreit
fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden und er auf die
Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist. Eine entsprechende
Belehrung ist in der mündlichen Verhandlung und zuvor in einem Erörterungstermin erfolgt.
Die Rechtsverfolgung ist im vorliegenden Fall missbräuchlich. Ein solcher Missbrauch ist in Anlehnung an die
ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 34 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (vgl. z.B.
die Beschlüsse vom 11. Dezember 2001, Az.: 1 BvR 1821/01, und vom 18. September 2000, Az.: 2 BvR 1407/00)
auch für das sozialgerichtliche Verfahren unter anderem dann zu bejahen, wenn eine Berufung offensichtlich
unbegründet ist und sie von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss. Dass diese
offensichtliche Aussichtslosigkeit für den Tatbestand des Missbrauchs genügt, ergibt sich aus dem Willen des
Gesetzgebers, wie er bei der Novellierung des Sozialgerichtsgesetzes im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck
gekommen ist: Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucksache 14/5943, S. 60 zu Nr. 65) rechtfertigen
die Aussichtslosigkeit des Rechtsstreits und ein entsprechender Hinweis des Vorsitzenden auf eine mögliche
Kostentragungspflicht die Auferlegung von Kosten. Im Übrigen ergibt sich auch aus dem Bericht des Ausschusses für
Arbeit und Sozialordnung (BT-Drucksache 14/6335, S. 35 zu Nr. 65), dass es sich bei dem Tatbestand der
offensichtlichen Aussichtslosigkeit um einen Unterfall der Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung handelt (vgl. auch
Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, Rdnr. 9 zu § 192).
Die offensichtliche Aussichtslosigkeit ist für jedes Verfahren individuell zu prüfen; sie ist vor allem danach zu
beurteilen, ob die Gesetzeslage einfach und eindeutig ist und ob die interessierenden Rechtsfragen durch
höchstrichterliche Rechtsprechung des BSG geklärt sind. Jedenfalls seit dem 9. und 10. April 2002 und zusätzlich
nach den Urteilen zur Stichtagsproblematik vom 8. Juni 2004 (Az.: B 4 RA 56/03 R) und vom 29. Juli 2004 (Az.: B 4
RA 12/04 R) muss hier davon ausgegangen werden, dass die Rechtslage durch die Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts geklärt ist. Angesichts einer ganzen Serie von einander ergänzenden Entscheidungen konnte
der Kläger nicht erwarten, dass der erkennende Senat, der sich mittlerweile bereits in mehr als 240 Fällen der
Rechtsprechung des BSG angeschlossen hat, nunmehr von seiner eigenen ständigen Rechtsprechung abweicht, und
der Kläger kann nach Auffassung des Senats auch nicht erwarten, dass er mit seiner Argumentation im Falle einer
Nichtzulassungsbeschwerde beim BSG durchdringt. Eine nachvollziehbare Begründung der Verfassungswidrigkeit von
hier anzuwendenden Vorschriften (nur darum kann es angesichts der geklärten Rechtslage noch gehen) ist weder
vorgetragen noch sonst ersichtlich. Das Bundesverfassungsgericht hat vielmehr die Rechtsprechung des BSG
bestätigt und festgestellt, dass aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist, dass sich das BSG bei der
Prüfung der Zugehörigkeit zu einer zusätzlichen Altersversorgung am Wortlaut der Versorgungsordnungen orientiert
und nicht an eine Praxis der DDR anknüpft. Damit wird zwar möglicherweise anders verfahren als zu DDR-Zeiten; die
Gerichte sind aber verfassungsrechtlich nicht gehalten, die in der DDR herrschende Praxis der Aufnahme in Systeme
der Zusatzversorgung, soweit sie dem Text der Zusatzversorgungssysteme entgegenstand, im gesamtdeutschen
Rechtsraum fortzusetzen. Die Auslegung der Rechtsvorschriften der DDR durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit
kann vom Bundesverfassungsgericht im Übrigen nur darauf überprüft werden, ob diese Auslegung willkürlich ist. Für
das Vorliegen von Willkür bieten die einschlägigen Urteile des BSG jedoch keine Anhaltspunkte (vgl. BVerfG,
Beschluss vom 4. August 2004, Az.: 1 BvR 1557/01).
Hinsichtlich der Höhe der auferlegten Kosten ist zunächst zu beachten, dass bei einer Missbräuchlichkeit der
Rechtsverfolgung das Privileg der vom Staat finanzierten Kostenfreiheit der sozialgerichtlichen Verfahren entfallen
soll. Damit wird dem Schadensersatzprinzip Rechnung getragen (vgl. BT-Drucksache 14/5943, Seite 60 zu Nr. 65). Zu
den Kosten des Gerichts zählen auch die allgemeinen Gerichtskosten. Nach Auskunft der Gerichtsverwaltung des
Thüringer Landessozialgerichts belaufen sich die Kosten für ein Verfahren in zweiter Instanz für Personal, Material,
Entschädigungen, Miete, Nebenkosten, Technik und Literatur im Durchschnitt auf über 2.000,00 EUR pro Verfahren
(Auskunft vom 22. April 2004, Az.: 5600 E – 1/04). Dieser Betrag wird dadurch bestätigt, dass die durchschnittlichen
Verfahrenskosten in Hessen schon vor zehn Jahren bei über 3.000,00 DM lagen (Gesetzentwurf der hessischen
Landesregierung vom 29. Juni 1989, Landtags-Drucksache 12/4740, Seite 7). Das Bayerische Landessozialgericht
ging im Jahre 1996 von durchschnittlichen Verfahrenskosten in Höhe von 6.000,00 DM aus (vgl. Urteil vom 10.
Oktober 1996, Az.: L 8 Ar 640/95). Die Auferlegung von Kosten in Höhe von 1.500,00 EUR im vorliegenden Fall
erscheint daher im Verhältnis zu den Gesamtkosten eines durchschnittlichen Verfahrens auf jeden Fall berechtigt. Die
Erhöhung des zunächst im Erörterungstermin in Aussicht gestellten Betrages rechtfertigt sich daraus, dass der Kläger
auch in der mündlichen Verhandlung keine rechtlich maßgeblichen Gründe dafür angeben konnte, warum vorliegend
eine Entscheidung zu treffen war, obwohl die Berufung im Parallelverfahren der Ehefrau des Klägers
zurückgenommen wurde. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers dazu mitgeteilt hat, dies sei geschehen, um
die Rechtsschutzversicherung zur Übernahme der Missbräuchlichkeitskosten zu bewegen, kann dies eine juristisch
vertretbare Argumentation nicht ersetzen. Sinn und Zweck des § 192 SGG werden vereitelt, wenn finanzstarke
Rechtsschutzversicherungen auch solche Verfahren finanzieren, die von vornherein aussichtslos sind.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, weil die Rechtslage bereits geklärt ist (§ 160 Abs. 2 SGG).