Urteil des LSG Thüringen vom 24.11.2010

LSG Fst: reformatio in peius, gebühr, vergütung, post, telekommunikation, verwaltungsverfahren, widerspruchsverfahren, aufwand, auflage, beiladung

Thüringer Landessozialgericht
Beschluss vom 24.11.2010 (rechtskräftig)
Sozialgericht Altenburg S 36 SF 1939/07
Thüringer Landessozialgericht L 6 SF 653/10 B
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Al-tenburg vom 3. Juni 2010
aufgehoben und die aus der Staatskasse zu gewährende Ver-gütung des Beschwerdeführers auf 512,89 Euro
festgesetzt.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht
Altenburg streitig (Az.: S 27 AS 2998/06 ER).
Die von dem Beschwerdeführer vertretenen Antragstellerinnen, eine Bedarfsgemeinschaft von zwei Personen,
beziehen Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 11. September 2006 hob
die Antragsgegnerin (Stadt J.) ihren Bescheid vom 5. Juli 2006 (673,37 Euro) hinsichtlich der Höhe auf und setzte sie
ab Oktober 2006 auf 570,17 Euro fest. Dagegen erhob die Antragstellerin G. R. am 19. September 2006 Widerspruch.
Am 4. Oktober 2006 erhob der Beschwerdeführer für beide Antragstellerinnen nochmals Wider-spruch und stellte am
30. Oktober 2006 beim Sozialgericht Altenburg einen "Antrag nach § 86b SGG" auf Zahlung von weiteren 123,30 Euro
Fahrtkosten für sechs Monate und beantrag-te Prozesskostenhilfe (PKH). Am 6. November 2006 erkannte die
Antragsgegnerin die Zah-lung von weiteren 91,50 Euro für sechs Monate an. Nach weiterem Schriftverkehr erklärte der
Beschwerdeführer am 7. Dezember 2006 für die Antragstellerinnen den Rechtsstreit für erle-digt und beantragte, der
Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Mit Be-schluss vom 8. Dezember 2006 bewilligte das
Sozialgericht den Antragstellerinnen PKH ab 30. Oktober 2010 und ordnete den Beschwerdeführer bei. Unter dem 28.
Dezember 2006 führte die Antragsgegnerin aus, sie übernehme die notwendigen außergerichtlichen Kosten dem
Grunde nach zu 74 v.H. Am 13. Februar 2007 nahm der Beschwerdeführer seinen An-trag auf Kostenentscheidung
zurück.
Am 27. Dezember 2006 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung folgender Gebüh-ren:
Verfahrensgebühr Nr. 3102, 1008 VV RVG 325,00 Euro Erledigungsgebühr Nr. 1002, 1005 VV RVG 280,00 Euro Post-
und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro USt 16 v.H. 100,00 Euro Gesamtsumme 725,00 Euro
Am 29. Mai 2007 ging beim Sozialgericht folgende "Korrektur des Kostenfestsetzungsantra-ges" ein:
Verfahrensgebühr Nr. 3102, 1008 VV RVG 325,00 Euro Erledigungsgebühr Nr. 1002, 1006 VV RVG 190,00 Euro Post-
und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro USt 19 v.H. 101,65 Euro Gesamtsumme 636,65 Euro
Daraufhin wandte sich die Antragsgegnerin gegen die Festsetzung der Gebühr Nr. 3102 VV RVG und führte aus, nach
dem Beschluss des Bayerischen LSG vom 18. Januar 2007 - Az.: L 15 B 224/06 AS komme nur die Gebühr Nr. 3103
VV RVG in Betracht, weil eine Tätigkeit in einem Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren vorausgegangen sei. Eine
Erledigungsge-bühr scheide aus, weil sich das Verfahren durch die Annahme des Anerkenntnisses erledigt habe.
Insofern liege kein besonderes Zutun des Beschwerdeführers vor.
Mit Beschluss vom 4. Juli 2007 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) die aus der Staatskasse zu
erstattende Gebühr auf 321,30 Euro fest. Zur Begründung führte sie aus, die Gebühr Nr. 3102 VV RVG werde auf die
Mittelgebühr in Höhe von 250,00 Euro gekürzt. Die Erledigungsgebühr Nr. 1002, 1006 VV RVG komme nicht in
Betracht, weil sich der Rechtsstreit durch das Anerkenntnis der Antragsgegnerin erledigt habe; eine besondere an-
waltliche Tätigkeit bei der Erledigung des Rechtsstreits habe nicht vorgelegen. Unter dem 9. Juli 2007 hat die UKB die
Antragsgegnerin in einer "Kostennachricht gem. § 59 RVG" zur Zahlung von 237,76 Euro aufgefordert.
Mit seiner Erinnerung hat der Beschwerdeführer vorgetragen, bei der Gebühr Nr. 3102 VV RVG habe die UKB die
Erhöhung der Mittelgebühr um 30 v.H. nach Nr. 1008 VV RVG nicht beachtet. Ein Anerkenntnis habe nicht
vorgelegen, weil die Antragsgegnerin nur einen Teil der Forderung akzeptiert habe. Ohne seine Mitwirkung hätte das
Gericht über den Restbetrag entscheiden müssen.
Am 30. Juli 2007 hat die Antragsgegnerin gegen den Beschluss vom 4. Juli 2007 Erinnerung eingelegt und die
Anwendung der Nr. 3103 VV RVG gefordert. Auf den Hinweis des Ge-richts, dass die Erinnerung unzulässig sei, hat
sie diese am 20. August 2007 zurückgenom-men.
Der Beschwerdegegner hat unter dem 2. Oktober 2007 vergleichsweise vorgeschlagen, die Gebühr auf 499,96 Euro
festzusetzen (Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 170,00 Euro, Erhöhung Nr. 1008 VV RVG 51,00 Euro, Gebühr Nr.
1006 VV RVG 190,00 Euro, Pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro, 16 v.H. MWSt 68,96 Euro). Nach Ablehnung
des Beschwer-deführers hat der Beschwerdegegner unter dem 2. Juni 2008 ohne weitere Begründung bean-tragt, die
Gebühren auf 499,96 Euro festzusetzen.
Mit Beschluss vom 15. Januar 2010 hat das Sozialgericht die Antragsgegnerin nach § 75 Abs. 2 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum Verfahren beigeladen, weil eine Entscheidung nur einheitlich ergehen könne.
Diese hat unter dem 10. Februar 2010 "erneut" gegen den Be-schluss vom 4. Juli 2007 Erinnerung eingelegt und sich
gegen die Erledigungsgebühr ge-wandt.
Mit Beschluss vom 3. Juni 2010 hat das Sozialgericht die Erinnerung des Beschwerdeführers zurückgewiesen, auf die
Erinnerung der Antragsgegnerin den Beschluss vom 4. Juli 2007 abgeändert und die Vergütung des
Beschwerdeführers auf 279,56 Euro festgesetzt. Zur Be-gründung hat es ausgeführt, die Antragsgegnerin könne
gegen die Kostennachricht nicht aber gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss Erinnerung einlegen. Anzuwenden sei
hier der Ge-bührenrahmen der Nr. 3103 VV RVG, der nach dem Beschluss des erkennenden Senats vom 6. März
2008 - Az.: L 6 B 198/07 SF auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ge-rechtfertigt sei. Angemessen sei
die Mittelgebühr in Höhe von 170,00 Euro. Diese sei nach Nr. 1008 VV RVG um 30 v.H. auf 221,00 Euro zu erhöhen.
Eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG sei nicht angefallen, weil der Beschwerdeführer an der Erledigung
nicht kau-sal mitgewirkt habe. Das Verfahren sei mit Annahme des Teilanerkenntnisses beendet wor-den. Seine
entsprechende Erklärung sei nicht erheblich gewesen, weil das Ziel des Eilverfah-rens, das Existenzminimum
kurzfristig sicherzustellen, bereits vorläufig erreicht sei und we-gen des geringen Differenzbetrages von weniger als 10
v.H. der Eilantrag nach der Rechtspre-chung des Thüringer LSG (Beschluss vom 1. Dezember 2008 - Az.: L 9 B
146/07) mangels Anordnungsgrund nicht aussichtsreich gewesen wäre. Der Verzicht auf ein offensichtlich aus-
sichtsloses Begehren könne nicht als gezielter Beitrag zur Erledigung gewertet werden. Damit seien die Gebühren wie
folgt festzusetzen:
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG 170,00 Euro Erhöhungsgebühr Nr. 1008 VV RVG 51,00 Euro Post- und
Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro USt 16 v.H. 38,56 Euro Gesamtsumme 279,56 Euro
Wegen der Drittbeteiligung der Antragsgegnerin scheide das Verbot der reformatio in peius aus.
Gegen den am 10. Juni 2010 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 15. Juni 2010 Beschwerde
eingelegt und ausgeführt, das Sozialgericht hätte die Vergütung nicht unter dem Antrag des Beschwerdegegners
festsetzen dürfen. Die Verfahrensgebühr sei nach Nr. 3102 VV RVG festzusetzen, weil die Anwendung des Nr. 3103
VV RVG nach dem ausdrück-lichen Willen des Gesetzgebers auf Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht
an-wendbar sei. Die Erledigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG sei festzusetzen, denn er habe daran mitgewirkt, dass das
Verfahren ohne Hauptsacheentscheidung des Sozialgerichts beendet wurde. Dies sei nach dem Beschluss des
erkennenden Senats vom 26. November 2008 - Az.: L 6 B 130/08 SF ausreichend. Die Mehrwertsteuer sei mit 19 v.H.
festzusetzen, weil die Ge-bühr erst mit seiner Erklärung vom 12. Februar 2007 fällig geworden sei.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 3. Juni 2010 aufzuheben und die aus der Staatskasse zu
gewährende Vergütung auf 636,65 Euro festzusetzen.
Der Beschwerdegegner hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 6. September 2010) und sie dem Thüringer
Landessozialgericht vorgelegt. Der Senatsvorsitzende hat mit Be-schluss vom 18. Oktober 2010 den
Beiladungsbeschluss des Sozialgerichts vom 15. Januar 2010 aufgehoben und mit Beschluss vom 5. November 2010
das Verfahren dem Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen.
II.
Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 des
Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) statthaft. Diese Vorschriften sind anwendbar, denn die Sonderregelungen
des RVG verdrängen die allgemeinen prozessualen Bestimmungen des Sozialgerichtsgesetzes (ständige
Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Senatsbe-schlüsse vom 25. Oktober 2010 - Az.: L 6 SF 652/10 B, 26. November
2008 - Az.: L 6 B 130/08 SF, 29. April 2008 - L 6 B 32/08 SF; ebenso LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30.
August 2010 - Az.: L 3 SF 6/09 E m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Mai 2010 - Az.: L 19 B
286/09 AS m.w.N., beide nach juris).
Sie ist auch zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 Euro und die Beschwerde ist
rechtzeitig eingelegt worden.
Das Sozialgericht hatte die Antragsgegnerin unter dem 7. August 2007 zu Recht darauf hin-gewiesen, dass diese
nach § 56 Abs. 1 S. 1 RVG nicht selbst gegen die Festsetzung Erinne-rung einlegen kann. Die Aufgabe dieser
Ansicht entsprechend dem Rubrum des Beschlusses vom 3. Juni 2010 und ihre Begründung erschließen sich dem
Senat nicht. Zudem lagen auch die Voraussetzungen der notwendigen Beiladung nach § 75 Abs. 2 SGG nicht vor. Für
die notwendige einheitliche Entscheidung genügt nicht ein materiellrechtlicher Zusammenhang mit der (späteren)
Anforderung des übergegangenen Gebührenanteils. Allerdings wirkt die fehlerhafte Beiladung bis zur Aufhebung des
Beiladungsbeschlusses am 18. Oktober 2010 durch den Senat weiter.
Die Beschwerde ist in der Sache teilweise begründet. Die Vergütung des Beschwerdeführers war auf 512,89 Euro
festzusetzen.
Der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts ergibt sich aus § 45 Abs. 1 RVG. Danach erhält der im
Wege der PKH beigeladene Rechtsanwalt in Verfahren vor Gerichten eines Landes die gesetzliche Vergütung aus der
Landeskasse. Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG ent-stehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in
denen das Gerichtskos-tengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Beitragsrahmengebühren. Es handelte sich bei den
Klägerinnen des Hauptsacheverfahrens um kostenprivilegierte Beteiligte i.S.d. § 183 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes
(SGG). Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG).
Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 RVG im Einzelfall unter Berücksichtigung
aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der
Angelegenheit sowie der Einkommens- und Ver-mögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz
1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu
erset-zen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbil-lig ist (Satz 4),
wobei ihm nach der h.M. in Rechtsprechung und Literatur ein Spielraum (so-genannte Toleranzgrenze) von 20 v.H.
zusteht (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R; BGH, Urteil vom 31. Oktober 2006 – Az.: VI ZR
261/05; beide nach juris; Senatsbeschluss vom 19. Juni 2007 - Az.: L 6 B 80/07 SF; Mayer in Gerold/Schmidt,
Rechts-anwaltsvergütungsgesetz, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr. 12). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die
Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspiel-raums objektiv nicht hinreichend beachtet
(vgl. Senatsbeschluss vom 26. November 2008 - L 6 B 130/08 SF; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12.
September 2006 – Az.: L 1 B 320/05 SF SK, nach juris). Dann erfolgt eine Festsetzung in Höhe der angemessenen
Gebüh-ren.
Zu Recht hat die Vorinstanz die dem Beschwerdeführer zustehende Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG nur in
der reduzierten Höhe des Nr. 3103 VV RVG zugesprochen. Nach dessen Definition beträgt die Verfahrensgebühr für
Verfahren vor den Sozialgerichten, in de-nen Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG), 20,00 bis 320,00 Euro
(statt 40,00 bis 460,00 Euro), wenn eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder im weiteren, der Nachprü-fung des
Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist. Diese Vor-aussetzungen liegen vor. Wie der
Senat bereits entschieden hat (vgl. Beschluss vom 6. März 2008 - Az.: L 6 B 198/07 SF) findet die Sondervorschrift
auch für die Gebühren eines Verfah-rens des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86b SGG Anwendung. Er hält an
dieser Recht-sprechung fest.
Der Wortlaut der Regelung steht dem nicht entgegen. Zwar setzt "vorausgegangen" ein zeit-lich früheres Verwaltungs-
bzw. Widerspruchsverfahren voraus, es muss jedoch nicht tatsäch-lich abgeschlossen sein (vgl. Senatsbeschluss
vom 25. Oktober 2010 - Az.: L 6 SF 652/10 B zur Untätigkeitsklage). Der Wortlaut setzt nicht voraus, dass es sich
um "denselben Streitge-genstand" handelt, vielmehr ist die Tätigkeit in dem zeitlich früheren Widerspruchsverfahren
ausreichend (vgl. Senatsbeschluss vom 6. März 2008 - Az.: L 6 B 198/07 SF). Nach den Ge-setzesmaterialien (BT-
Drucksache 15/1971 S. 212) berücksichtigt die niedrigere Gebühr, dass die Tätigkeit in den Verwaltungsverfahren den
Aufwand des Anwalts im gerichtlichen Ver-fahren erleichtert. Das ist hier nicht nur bei Klageverfahren der Fall,
sondern auch bei Verfah-ren des einstweiligen Rechtsschutzes (ebenso Bayerisches LSG, Beschluss vom 18. Januar
2007 - Az.: L 15 B 224/06 AS KO; nach juris). Die Prüfung und der Vortrag des Rechtsan-walts sind hinsichtlich des
Anordnungsanspruchs deckungsgleich mit den materiell-rechtlichen Anforderungen der Widerspruchsbegründung.
Dass zusätzlich der Anordnungs-grund glaubhaft gemacht werden muss, steht dem nicht entgegen; dieser Aufwand
tritt übli-cherweise gegenüber dem Aufwand für die Begründung des Anordnungsanspruchs erheblich zurück (vgl.
Senatsbeschluss vom 6. März 2008 - Az.: L 6 B 198/07 SF). Die Behauptung des Beschwerdeführers, der
Arbeitsaufwand sei in einem Eilverfahren "erheblich höher", vermag der Senat nicht nachvollziehen.
Sein Vortrag, in der Gesetzesbegründung werde nur auf § 17 Nr. 1 RVG Bezug genommen, nicht aber auf Eilverfahren
nach § 17 Nr. 4 RVG verfängt nicht, denn in § 17 RVG wird als Gegenstück zu § 16 RVG ("dieselbe Angelegenheit")
ausschließlich definiert, was "verschie-dene Angelegenheiten" sind. Es ist unzweifelhaft, dass Eilverfahren und
Hauptsacheverfahren verschiedene Angelegenheiten sind.
Nicht in Streit steht zwischen den Beteiligten die Höhe der Mittelgebühr. Insofern erübrigen sich weitere
Ausführungen. Diese ist nach Nr. 1008 VV RVG um 30 v.H. zu erhöhen, weil beide Antragstellerinnen den
Beschwerdeführer beauftragt hatten und ihnen PKH gewährt wurde.
Zusätzlich zu erstatten ist eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1002, 1006 VV RVG. Die von der ganz herrschenden
Meinung in Rechtsprechung und Literatur geforderte qualifizierte anwalt-liche Mitwirkung bei der Erledigung (vgl. u.a.
BSG, Urteile vom 5. Mai 2009 - Az.: B 13 R 137/08 R, 21. März 2007 - Az.: B 11a AL 53/06 R, 7. November 2006 -
Az.: B 1 KR 22/06 R,: B 1 KR 23/06; BFH, Beschluss vom 12. Februar 2007 - Az.: II B 140/06, alle nach juris; Müller-
Rabe in Gerold-Schmidt, a.a.O., VV 1002 Rdnr. 38 ff.) liegt vor, wenn ein Rechtsan-walt auf seinen Mandanten
eingewirkt hat, sich mit einem Teilanerkenntnis zufrieden zu ge-ben (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Juni 2007 - Az.: L
6 B 80/07 SF). Dies ist hier geschehen. Der Vortrag der Antragsgegnerin, der Beschwerdeführer habe nur ein
Anerkenntnis ange-nommen, entbehrt jeglicher Grundlage. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz liegt mit der Abgabe
der Erledigungserklärung ein auf die Erledigung gerichtetes ursächliches Tätigwerden vor, das über die reine
Begründung des Antrags hinausgeht und eine streitige Entscheidung des Sozialgerichts vermeidet.
Unerheblich ist angesichts der Definition der Nr. 1006, 1002 VV RVG, ob die Antragstelle-rinnen über den anerkannten
Betrag hinaus einen weiteren materiell-rechtlichen Anspruch hatten (vgl. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt,
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 10. Auflage 2010, VV 1002 Rdnr. 28). Auch die Behauptung der Antragsgegnerin,
diese hätten von An-fang an einen überhöhten Antrag gestellt, ist ohne Belang.
Nachdem der Beschwerdegegner die Höhe der Gebühr offensichtlich nicht bezweifelt und in seinem
Vergleichsvorschlag vom 2. Oktober 1007 selbst die Mittelgebühr angeboten hat, sieht der Senat keine Veranlassung
zu weiteren Erörterungen.
Zusätzlich zu erstatten sind die Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikations-dienstleistungen (Nr. 7002
VV RVG) in Höhe von 20,00 Euro und die Umsatzsteuer auf die Vergütung (Nr. 7008 VV RVG) in Höhe von 19 v.H.
Der Senat folgt nicht der - im Übrigen nicht begründeten - Ansicht der Vorinstanz und des Beschwerdegegners im
Erinnerungsver-fahren, dass der vor dem 1. Januar 2007 geltende Steuersatz von 16 v.H. anfällt. Abzustellen ist
tatsächlich auf den Eintritt der Fälligkeit der Vergütung. Dies ist nach § 8 Abs. 1 Satz 2 RVG in einem gerichtlichen
Verfahren dann der Fall, wenn eine Kostenentscheidung ergan-gen oder der Rechtszug beendet ist oder wenn das
Verfahren länger als drei Monate ruht. Es ist nicht auf den Eingang der Erledigungserklärung am 11. Dezember 2006
abzustellen, weil der Beschwerdeführer dort auch eine Kostenentscheidung beantragt hatte. Diesen Antrag hat er erst
am 13. Februar 2007 und damit nach dem o.g. Zeitpunkt zurückgenommen.
Damit errechnet sich der Anspruch des Beschwerdeführers wie folgt:
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG 170,00 Euro Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG 51,00 Euro Erledigungsgebühr Nr.
1002, 1006 VV RVG 190,00 Euro Pauschale Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro 431,00 Euro
USt 19 v.H. 81,89 Euro Gesamtsumme 512,89 Euro
Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 59 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).