Urteil des LSG Thüringen vom 17.05.2005

LSG Fst: auflage, verfügung, zivilprozessordnung, klagerücknahme, anhörung, beweiskraft, rechtsschutz, meinung, wiederaufnahme, anerkennung

Thüringer Landessozialgericht
Beschluss vom 17.05.2005 (rechtskräftig)
Sozialgericht Gotha S 5 RA 3043/04
Thüringer Landessozialgericht L 6 B 12/05 R
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 12. Januar 2005 wird
als unzulässig verworfen.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer verfolgt mit seiner Beschwerde die vom Sozialgericht abgelehnte Berichtigung des Protokolls
über die mündliche Verhandlung vom 25. März 2004 in seinem rentenversicherungsrechtlichen Verfahren (Az.: S 5 RA
55/03) weiter.
In der Hauptsache (Az.: S 5 RA 3043/04) begehrt der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme seines
rentenversicherungsrechtlichen Verfahrens, mit dem er die Anerkennung von Pflichtbeitragszeiten nach den
Vorschriften des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) beansprucht hat. Im Rahmen der
mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Gotha am 25. März 2004 im rentenversicherungsrechtlichen
Ausgangsverfahren hat der Beschwerdeführer ausweislich des Sitzungsprotokolls nach Erörterung der Sach- und
Rechtslage die Klage zurückgenommen.
Mit Beschluss vom 12. Januar 2005 hat der Vorsitzende der 5. Kammer des Sozialgerichts Gotha die vom
Beschwerdeführer beantragte Protokollberichtigung abgelehnt, ohne zuvor eine Stellungnahme der Protokollführerin
eingeholt zu haben. Zur Begründung führt der Beschluss aus, dass das Protokoll vom 25. März 2004 den
Erfordernissen des § 122 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 160 der Zivilprozessordnung (ZPO) entspreche.
Eine Aufnahme des in der Sitzung erteilten Hinweises auf die Möglichkeit der Verhängung von
Rechtsmissbräuchlichkeitskosten sei entbehrlich, da er weder zwingend aufzunehmen sei, noch sei in der mündlichen
Verhandlung ein entsprechender Antrag auf Aufnahme ins Protokoll gestellt worden. Außerdem sei die Klage
zurückgenommen worden und Rechtsmissbräuchlichkeitskosten seien tatsächlich nicht verhängt worden. Der
Beschluss ist als unanfechtbar bezeichnet.
Gegen den ihm am 15. Januar 2005 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer mit am 31. Januar 2005 beim
Sozialgericht eingegangenem Schreiben Beschwerde eingelegt.
Die Beklagte äußert die Auffassung, dass die Beschwerde unzulässig sei, da der Beschluss des Sozialgerichts
unanfechtbar sei.
Das Sozialgericht hat die Beschwerde mit Verfügung vom 31. Januar 2005 ohne Nichtabhilfeentscheidung – diese sei
aus Gründen der Unanfechtbarkeit des Beschlusses nicht möglich – dem Thüringer Landessozialgericht zur
Entscheidung vorgelegt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der
Beschwerdegerichtsakte und der beigezogenen Prozessakten des Sozialgerichts Gotha (Az.: S 5 RA 3043/04 und S 5
RA 55/03) Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist unzulässig.
Eine Beschwerde gegen die Ablehnung einer Protokollberichtigung ist stets unzulässig (so die wohl herrschende
Meinung: vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. Juli 2002 – Az.: 8 S 1500/02 in NVwZ-RR 2003, S. 318
m.w.N.; Mayer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 7. Auflage 2002, § 172 Rdnrn. 5 und 6d sowie § 122 Rdnr. 9 jeweils
m.w.N.).
Der Mindermeinung, die die Auffassung vertritt, dass sie ausnahmsweise zulässig ist, soweit der Beschwerdeführer
nicht (nur) die inhaltliche Unrichtigkeit des Protokolls rügt, sondern Verfahrensfehler bei der Ablehnung der
beantragten Berichtigung – etwa wenn sie unzutreffenderweise als unzulässig abgelehnt worden sei – geltend macht
(so z.B. der Bayerische VGH in st. Rspr., vgl. etwa Beschluss vom 9. Februar 2000 – Az.: 12 C 99.1576 in NVwZ-RR
2000, S. 843; ebenso LSG Berlin, Beschluss vom 25. März 2003 – Az.: L 6 B 120/02 RA, nach juris), folgt der Senat
nicht. Die Abfassung der Sitzungsniederschrift gemäß § 122 SGG i.V.m. §§ 160 ff. ZPO ist als unvertretbare
Verfahrenshandlung Sache des Instanzgerichts. Das Beschwerdegericht hingegen kann nicht wissen, ob und
inwieweit das Protokoll möglicherweise unrichtig ist. Dem entspricht auch der Wille des Gesetzgebers. So heißt es in
der amtlichen Begründung der Bundesregierung zu § 164 ZPO (BT-Drs. 7/2729 S. 63), dass eine
Anfechtungsmöglichkeit der Protokollberichtigung nicht vorgesehen sei, weil das übergeordnete Gericht, da es an der
Sitzung nicht teilgenommen habe, zu einer Überprüfung des Protokolls nicht geeignet erscheine. Dies muss
umgekehrt auch für die Ablehnung der Protokollberichtigung gelten. Dabei kann hier dahinstehen, ob es sich bei dem
Beschluss, der eine beantragte Protokollberichtigung ablehnt, um eine Entscheidung eigener Art handelt, die nicht
unter § 172 Abs. 1 SGG fällt (so z.B. Geiger in Eyermann/Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, 10. Auflage 1998, §
105 Rdnr. 29 sowie VGH Baden-Württemberg, a.a.O., zum insoweit vergleichbaren § 146 Abs. 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung), oder um eine prozessleitende Verfügung i.S.d. § 172 Abs. 2 SGG, bei der eine
Beschwerde von Gesetzes wegen ausscheidet (so Mayer-Ladewig, a.a.O., § 172 Rdnrn. 5 und 6d; a.A., allerdings
ohne Begründung, LSG Berlin, a.a.O.). Denn jedenfalls sieht das SGG hiergegen keine Beschwerdemöglichkeit vor;
auch die gemäß § 122 SGG entsprechend anzuwendenden §§ 159 bis 165 ZPO sehen keinen besonderen
Rechtsbehelf gegen die Entscheidung über einen Antrag auf Protokollberichtigung vor (VGH Baden-Württemberg,
a.a.O.). Letztlich würde die Einräumung einer Beschwerdemöglichkeit lediglich zur Überprüfung der Einhaltung der
maßgeblichen Verfahrensvorschriften den Rechtsschutz über die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten hinaus
ausdehnen, wofür nach Auffassung des Senats keine Notwendigkeit besteht.
Auch soweit ganz vereinzelt vertreten worden ist, dass eine Beschwerde gegen den die Protokollberichtigung aus
Sachgründen abweisenden erstinstanzlichen Beschluss statthaft sei und sich das Beschwerdegericht durch Anhörung
des Erstrichters und Protokollführers sachkundig machen könne (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 26. Februar 1986
– Az.: 8 W 121/86 in MDR 1986, S. 593), folgt der Senat dem ebenfalls nicht. Denn es ist nicht Aufgabe des
Rechtsmittelgerichts, die Beweiskraft des Protokolls (§ 165 ZPO) zu ändern, so lange nicht eine Protokollfälschung
erwiesen ist (vgl. Stöber in Zöller, Zivilprozessordnung, 25. Auflage 2005, § 164 Rdnr. 11). Eine solche wird vom
Beschwerdeführer ersichtlich nicht behauptet.
Schließlich dürfte dem Beschwerdeführer im vorliegenden Fall darüber hinaus auch die Beschwer hinsichtlich der
abgelehnten Protokollberichtigung fehlen, da es unstreitig und inzwischen auch aktenkundig ist, dass im Termin zur
mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Gotha am 25. März 2004 von dem Vorsitzenden der 5. Kammer vor
der Klagerücknahme die Verhängung von Verschuldenskosten angedroht wurde. Es ist deshalb für den Senat nicht
erkennbar, inwiefern es in dem vom Beschwerdeführer angestrengten Wiederaufnahmeverfahren auf die begehrte
Protokollberichtigung ankommen sollte.
Die Beschwerde war deshalb gemäß § 202 SGG i.V.m. § 572 Abs. 2 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).