Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 09.12.2009

LSG Shs: ernährung, stadt, bad, alter, private vorsorge, haushalt, sozialhilfe, generalunkosten, pflege, anerkennung

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
Urteil vom 09.12.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Schleswig S 15 SO 530/05
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht L 9 SO 12/08
Bundessozialgericht B 8 SO 8/08 R
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 21. Januar 2008 wird zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird
zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Ansprüche des Klägers auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung
im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Der am 1982 geborene Kläger ist von Geburt an schwerbehindert. Er verfügt über einen Schwerbehindertenausweis
mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 und den Merkzeichen "G", "B" und "H". Mit seiner 1957 geborenen
Mutter, die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) bezieht und keine
Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erhält, bewohnt der Kläger eine gemeinsame
Wohnung. Er ist pflegebedürftig und bezieht Leistungen nach der Pflegestufe III.
Der Kläger bezog bis zum 31. Dezember 2004 Leistungen der Grundsicherung nach dem Grundsicherungsgesetz. Mit
Bescheid vom 23. Dezember 2004 bewilligte das Job- und Leistungscenter des Kreises O in dessen Namen und in
dessen Auftrag Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des
SGB XII für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2005 in Höhe von 109,63 EUR monatlich. Dabei berücksichtigte
es einen Regelbedarf in Höhe von 276,00 EUR, einen Mehrbedarf wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von 46,92 EUR,
Kosten der Unterkunft in Höhe von 220,00 EUR sowie Heizkosten in Höhe von 32,50 EUR. Von dem sich daraus
ergebenden Gesamtbedarf in Höhe von 575,42 EUR zog das Job- und Leistungscenter des Kreises O vom Vater des
Klägers geleisteten Unterhalt in Höhe von 465,79 EUR ab, woraus sich der monatliche Leistungsbetrag in Höhe von
109,63 EUR ergab.
Mit Bescheid vom 3. Februar 2005 bewilligte die Stadt Bad S dem Kläger im Auftrag des Beklagten Leistungen der
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für den Monat Februar 2005 in Höhe von 575,42 EUR. Dabei
berücksichtigte sie einen Gesamtbedarf wie im Bescheid vom 23. Dezember 2004 ausgewiesen, von dem wegen
Wegfalls des Unterhaltsanspruchs des Klägers gegenüber seinem leiblichen Vater aber kein Einkommen mehr
abgezogen wurde.
Gegen den Bescheid vom 3. Februar 2005 legte der Kläger am 7. Februar 2005 Widerspruch ein, mit dem er
einwandte, er habe Anspruch auf den Regelsatz eines Haushaltsvorstandes, da er mit seiner Mutter keine
Bedarfsgemeinschaft bilde. Auch seien die Unterkunftsleistungen zu gering bemessen und
Beitragszahlungsverpflichtungen gegenüber mehreren Versicherungen nicht als Bedarf berücksichtigt worden.
Mit Bescheid vom 10. Februar 2005 bewilligte die Stadt Bad S dem Kläger namens und im Auftrag des Beklagten
Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für den Monat Januar 2005 in Höhe von 134,63
EUR. Dabei berücksichtigte sie neben dem Bedarf in Höhe von 575,42 EUR den vom Vater des Klägers (letztmalig)
tatsächlich geleisteten Unterhalt in Höhe von 465,79 EUR als Einkommen. Von diesem Einkommen zog die Beklagte
den monatlichen Beitrag des Klägers für eine Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht in Höhe von 25,00 EUR ab.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 21. Februar 2005 Widerspruch ein und wiederholte und vertiefte zur
Begründung sein bisheriges Vorbringen.
Mit Bescheid vom 4. April 2005 änderte die Stadt Bad S ihren Bewilligungsbescheid vom 3. Februar 2005
dahingehend ab, dass sie dem Kläger Leistungen für den Monat Februar 2005 in Höhe von 602,92 EUR bewilligte.
Dabei erkannte sie nunmehr einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von 27,50 EUR ab dem 1.
Februar 2005 an. Dieser Anerkennung lag u. a. eine ärztliche Bescheinigung des Hausarztes des Klägers Dr. K vom
15. Januar 2004 zugrunde, der wegen Neurodermitis sowie einer Kuhmilch- und Hühnereiweißallergie die Gewährung
eines solchen Mehrbedarfs befürwortet hatte.
Auch gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 19. April 2005 Widerspruch ein, zu dessen Begründung er
ausführte, er leide nicht nur an Neurodermitis und einer Kuhmilchallergie, sondern darüber hinaus auch an einer Soja-
und Schweinefleischallergie. Die Beschaffung von Nahrungsmitteln sei sehr teuer. Dies sei mit zusätzlichen 27,50
EUR nicht zu bewerkstelligen. Er benötige mindestens 600,00 EUR mehr. Jedenfalls sei ihm aber der höchst
mögliche Diätbetrag zu gewähren. Aufgrund seiner Behinderung sei schließlich die Mietobergrenze zu niedrig
angesetzt.
Wie für den Monat Februar 2005 erkannte die Stadt Bad S mit Bescheid vom 28. April 2005 auch für Januar 2005
einen zusätzlichen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 27,50 EUR an und änderte den Bescheid
vom 10. Februar 2005 im Sinne einer Gesamtleistung in Höhe von 162,13 EUR entsprechend ab. Gegen diesen
Bescheid legte der Kläger am 7. Mai 2005 Widerspruch ein und vertiefte zur Begründung sein bisheriges Vorbringen.
Mit Bescheid vom 23. Juni 2005 bewilligte die Stadt Bad S dem Kläger Leistungen in Höhe von 602,92 EUR für den
Monat Juli 2005, wogegen der Kläger am 27. Juni 2005 Widerspruch einlegte.
Mit – bestandskräftig gewordenem - Bescheid vom 12. Juli 2005 bewilligte das Job- und Leistungs-Center des Kreises
O dem Kläger Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII für die Zeit vom
1. August 2005 bis 30. Juni 2006 in Höhe von monatlich 600,98 EUR.
Die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide der Stadt Bad S vom 3. Februar 2005, 10. Februar 2005, 4. April
2005, 28. April 2005 und 23. Juni 2005 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 2005 zurück. Zur
Begründung führte er aus, da der Kläger mit seiner Mutter in einem gemeinsamen Haushalt lebe und von dieser
betreut werde, müsse er als Haushaltsangehöriger und seine Mutter als Haushaltsvorstand behandelt werden. Es
müsse davon ausgegangen werden, dass die Mutter des Klägers die Generalunkosten des Haushalts trage. In einem
Haushalt könne grundsätzlich nur eine Person als Haushaltsvorstand anerkannt werden. Nach der Verordnung zur
Durchführung des § 28 SGB XII (Regelsatzverordnung) betrage der Regelsatz für Haushaltsangehörige ab Vollendung
des 14. Lebensjahres 80 v. H. des Eckregelsatzes, der für Haushaltsvorstände und Alleinstehende gelte. Dies seien
276,00 EUR. Dieser Betrag sei Inhalt der Berechnungen in den angefochtenen Bescheiden. Unter Berücksichtigung
dessen, dass der Kläger nicht als Haushaltsvorstand anzusehen sei, könne auch nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII nur
von dem für ihn maßgebenden Regelsatz eines Haushaltsangehörigen ein Mehrbedarf von 17 v. H. wegen des
festgestellten Merkzeichens "G" anerkannt werden. Die Berechnung sei auch insofern nicht zu beanstanden. Für
einen höheren Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung aufgrund der angeführten Allergien gebe insbesondere
das bereits 2004 eingeholte amtsärztliche Gutachten nichts her. Ein zusätzlicher Kostenaufwand sei nicht
festzustellen. Die Höhe der anerkannten Kosten der Unterkunft sei auf Grundlage der verwaltungsgerichtlichen
Rechtsprechung zutreffend ermittelt worden. Die geltend gemachten Aufwendungen für Versicherungsbeiträge, die im
Übrigen zum Teil auch nicht hinreichend belegt seien, könnten sozialhilferechtlich allenfalls dann berücksichtigt
werden, wenn der Kläger über Einkommen verfüge, was jedenfalls seit dem 1. Februar 2005 nicht mehr der Fall sei.
Für den Monat Januar 2005 seien Versicherungsbeiträge soweit möglich berücksichtigt worden. Jedenfalls wirkten die
Aufwendungen für die geltend gemachten Versicherungen nicht bedarfserhöhend.
Hiergegen hat der Kläger am 29. Oktober 2005 Klage vor dem Sozialgericht Schleswig erhoben. Er hat zur
Begründung seiner Eigenschaft als Haushaltsvorstand ausgeführt, er und seine Mutter würden eine unterschiedliche
Diät und Verpflegung benötigen. Die Reinigung seiner Kleidung erfordere behinderungsbedingt sechs Waschvorgänge
täglich, die der Kleidung seiner Mutter nur ein bis zwei pro Woche. Es könne nicht sein, dass seine Mutter letztlich
aus ihrer geringen Rente neben den Pflege- und Betreuungsleistungen für ihn – den Kläger - aufkommen müsse.
Seine Mutter pflege ihn kostenlos und werde dann noch indirekt herangezogen, 20 v. H. seines Unterhalts dadurch zu
tragen, dass er – der Kläger – nur 80 v. H. des Regelsatzes erhalte. Der Ernährungsmehrbedarf müsse bei
realistischer Betrachtung mit einem Betrag von monatlich mindestens 100,00 EUR bemessen werden. Dabei sei zu
berücksichtigen, dass er – der Kläger – weder Schweine- noch Hühnerfleisch essen könne. Rindfleisch und sonstige
Fleischsorten (z. B. Hirschfleisch) seien demgegenüber erheblich teurer. Ansonsten könne er zwar Kartoffeln, Reis
und Nudeln ohne Ei sowie Tomaten und Tomatensoße und Gemüse essen. Die Lebensmittel müssten aber
überwiegend frisch angeschafft und zubereitet werden, was zusätzliche Kosten verursache. Zur Bekräftigung seines
Vortrages hat der Kläger eine ärztliche Bescheinigung des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. K vom 2. März 2006
vorgelegt, ebenso ein sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK)
Schleswig-Holstein vom 19. April 2004 aus Anlass von Leistungen zur Verbesserung des Wohnumfeldes.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Bescheide der Stadt Bad S vom 3. Februar 2005, 10. Februar 2005, 4. April 2005, 28. April 2005 und vom 23.
Juni 2005 sowie den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 5. Oktober 2005 abzuändern, 2. den Beklagten dazu
zu verurteilen, ihm seit dem 1. Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Vierten
Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, insbesondere unter Berücksichtigung der tatsächlichen
Unterkunftskosten, des Regelsatzes eines Haushaltsvorstands und der korrespondierenden Mehrbedarfe sowie unter
Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von jedenfalls 100,00 EUR im Monat zu
gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat er sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide bezogen.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 21. Januar 2008 die Bescheide der Stadt Bad S vom 3. Februar 2005, 10.
Feb¬ruar 2005, 4. April 2005, 28. April 2005 und vom 23. Juni 2005 sowie den Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober
2005 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum seit dem 1. Januar 2005 Leistungen der
Grundsicherung bei Erwerbsminderung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft zu
gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Unterkunftsaufwendungen
des Klägers seien bezogen auf die Wohnfläche und den Preis als angemessen anzusehen und daher für den
streitbefangenen Zeitraum seit dem 1. Januar 2005 bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides am 5. Oktober 2005
in tatsächlicher Höhe zu übernehmen. Zum Anspruch auf einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung über den
gewährten Betrag in Höhe von monatlich 27,50 EUR hinaus hat das Sozialgericht ausgeführt, der gewährte
Mehrbedarf liege der Höhe nach bereits über dem vom Deutschen Verein für öffentliche und private Vorsorge bei
Neurodermitis empfohlenen Wert von monatlich 25,56 EUR und "entspreche etwa dem entsprechend den
Regelsatzerhöhungen fortgeschriebenen Wert von 27,52 EUR". In der Person des Klägers liegende Besonderheiten,
die eine abweichende Festsetzung rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich. Wegen der Kuhmilch- und
Hühnereiweiß-, Soja- und Schweinefleischallergie stehe dem Kläger kein weitergehender Mehrbedarf zu. Die Kammer
folge insoweit den überzeugenden Ausführungen des Fachdienstes Gesundheit des Beklagten in seiner
gutachterlichen Stellungnahme vom 17. Februar 2004. Weitergehende medizinische Ermittlungen seien auch in
Ansehung des Vortrages in der mündlichen Verhandlung nicht erforderlich. Vielmehr habe das dortige Vorbringen der
Mutter des Klägers deutlich gemacht, dass die Allergene eben doch ohne wesentlichen finanziellen Mehraufwand
(insbesondere durch Substitution von Schweinefleisch durch Rindfleisch) vermieden werden könnten. Die Substitution
durch sehr viel teureres Hirschfleisch sei insoweit nicht erforderlich und sozialhilferechtlich nicht angemessen. Im
Übrigen hat sich das Sozialgericht auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Oktober 2005 bezogen und von
einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen.
Der Kläger hat am 21. April 2008 gegen das ihm am 31. März 2008 zugestellte Urteil insoweit Berufung eingelegt, als
seine Klage vom Sozialgericht Schleswig abgewiesen worden ist. Zur Begründung wiederholt, vertieft und ergänzt der
Kläger seinen bisherigen Vortrag.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 21. Januar 2008 sowie die Bescheide der Stadt Bad S vom 3. Februar
2005, 10. Februar 2005, 4. April 2005, 28. April 2005 und 23. Juni 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des
Beklagten vom 5. Oktober 2005 abzuändern, 2. den Beklagten zu verurteilen, ihm – dem Kläger - seit dem 1. Januar
2005 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung unter Berücksichtigung des Regelsatzes
eines Haushaltsvorstandes/Alleinstehenden sowie unter Berücksichtigung des Mehrbedarfs für kostenaufwändige
Ernährung in Höhe von mindestens 100,00 EUR im Monat und unter Berücksichtigung der Beiträge für die Sterbe-,
Haftpflicht-, Hausrats- und Kfz-Haftpflichtversicherung zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil, soweit die Klage abgewiesen worden ist, für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf
den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten sowie der Gerichtsakte. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind
Gegenstand der Berufungsverhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist teilweise unzulässig und im übrigen unbegründet.
Die Berufung ist unzulässig, soweit der Kläger eine Berück¬sichtigung der Beiträge für die Sterbe-, Haftpflicht-,
Haus¬rats- und Kfz-Haftpflichtversicherung begehrt. Die Berücksichtigung der entsprechenden Versicherungsbeiträge
als gesonderter Bedarf ist nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Der Klä¬ger hatte bereits im erstinstanzlichen
Verfahren den Streit¬gegenstand in zulässiger Weise auf die Kosten der Unter¬kunft, die Höhe des Regelsatzes und
die Höhe des Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung beschränkt. Nachdem die Klage in Sachen Kosten der
Unterkunft erfolgreich war, hat der damals noch anwaltlich vertretene Kläger die Berufung auf die Höhe des
Regelsatzes und des Mehrbedarfs für kostenaufwändige Er¬nährung beschränkt. Eine derartige Beschränkung ist
nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Abtrenn¬barkeit von rechtlich eigen¬ständigen
Leistungen und Verfü¬gungen im Bereich des Sozialhil¬ferechts auch zulässig. Bei den Bedarfen Regelsatz, Kosten
der Unterkunft und Mehrbedarfe handelt es sich jeweils um eigen¬ständige Anspruchsgrundlagen für eine jeweils
eigenständige Leistung der Sozialhilfe, woraus die Möglichkeit zur Beschrän¬kung des Widerspruchs und der Klage
bzw. der Berufung folgt (BSG, Urteil vom 26. August 2008 – B 8/9 b SO 10/06 R).
Im Übrigen ist die Berufung zulässig, aber unbegründet. Der streitgegenständliche Zeitraum beschränkt sich hier auf
die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Juli 2005, da dem zuletzt angefochtenen Bescheid vom 23. Juni 2005, mit dem
Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für den Monat Juli 2005 gewährt wurden, ein
Bescheid folgte, der den Folge¬zeitraum – inzwischen bestandskräftig - regelt: Mit Bescheid vom 12. Juli 2005
bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen ab dem 1. August 2005 bis 30. Juni 2006. Dieser Bescheid ist nach
Lage der Akten nicht mit einem Widerspruch angefochten worden.
Der Kläger hat im streitgegenständlichen Zeitraum weder einen Anspruch auf den Regelsatz eines
Haushaltsvorstandes noch auf Gewährung eines Mehrbedarfes wegen kostenaufwändiger Ernährung über den bereits
gewährten monatlichen Betrag in Höhe von 27,50 EUR hinaus. Dementsprechend sind die angefochtenen Bescheide
und das Urteil des Sozialgerichts nicht zu beanstanden.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf den Eckregelsatz eines Haushaltsvorstandes in Höhe von 345,00 EUR gemäß §
42 Satz 1 Nr. 1 sowie § 28 SGB XII in Verbindung mit der auf der Grund¬lage der Verordnungsermächtigung des § 40
SGB XII zur näheren Bestimmung der Regelsätze erlassenen Regelsatzverordnung (RSV) in der Fassung vom 3. Juni
2004 (BGBl. I, 1067). Die Aner¬kennung des Klägers als Haushaltsvorstand im Sinne des § 3 Abs. 1 RSV setzt
voraus, dass er entweder dem zusammen mit seiner Mutter bestehenden Haushalt vorsteht oder neben seiner Mutter
einen eigenen Haushalt in der gemeinsam mit ihr be¬wohnten Wohnung führt.
Haushaltsvorstand ist, wer die Generalunkosten des Haushalts trägt (BSG, Urteil vom 16. Oktober 2007, Az. B 8/9b
SO 2/06 R). Generalunkosten des Haushalts sind solche, die üblicherweise nur einmal anfallen. Zu diesen zählen
beispielsweise die Kosten der Energieversorgung (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Dezember 2007, L 9 SO
18/06), des Bezugs einer Tages- oder Wochenzeitung, des Rundfunkempfangs und des Telefonanschlusses
(Frommann, Sozialhilferecht – SGB XII, 3. Auflage 2008, S. 42).
Der Kläger trägt vor, dass seine Mutter für ihn und sich selbst einkaufe, koche und die Wäsche pflege. Dass er die
Kosten für die Energieversorgung, den Rundfunkempfang, den Telefonanschluss und den Bezug einer Zeitung allein
trage, ist nicht vorgetragen worden und auch nicht aus den eingereichten Unterlagen und den beigezogenen Akten der
Beklagten ersichtlich. Das Vorbringen des Klägers, dass für die Pflege seiner Kleidung mehr Waschvorgänge
notwendig seien als für die seiner Mutter, ist nicht geeignet, seine Stellung als Haushaltsvorstand zu begründen.
Dieser Umstand ist insoweit irrelevant. Das Gleiche gilt für den Vortrag, er müsse aufgrund seiner Erkrankungen einen
anderen Diätplan einhalten als seine Mutter, so dass nahezu regelmäßig zwei verschiedene Mahlzeiten zubereitet
werden müssten. Die Berücksichtigung von besonderen Essgewohnheiten oder Notwendigkeiten einer gesonderten
Nahrungszubereitung für eine Person in einer von mehreren Personen bewohnten Wohnung vermag weder dessen
Stellung als Haushaltsvorstand zu belegen noch die Existenz eines eigenen Haushalts neben dem der Mutter zu
begründen. Der Kläger hat alternativ auch nicht dargelegt, dass und ggf. zu welchen Teilen er und seine Mutter die
oben genannten einmalig anfallenden Kosten eines Haushalts untereinander aufteilten.
Ein Anspruch des Klägers auf den Regelsatz eines Haushaltsvorstandes lässt sich auch unter Berücksichtigung des
Urteils des BSG vom 19. Mai 2009 (B 8 SO 8/08 R) nicht begründen. Nach der vorstehend zitierten Entscheidung ist
die Abgrenzung zwischen Haushaltsvorstand und Haushaltsangehörigem im SGB XII aus Gründen der nach Art. 3
Grundgesetz (GG) gebotenen Gleichbehandlung mit Blick auf die Regelungen im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch
(SGB II) vorzunehmen. Denn die Leistungen beider Regelwerke hätten eine identische sozialrechtliche Funktion,
nämlich die Sicherstellung des Existenzminimums. Der Gesetzgeber des SGB II habe die Annahme einer
Haushaltsersparnis und Kürzung der Regelleistung aber nicht mehr mit einer individuellen Prüfung der tatsächlichen
Verhältnisse der zusammen lebenden Personen verbunden, sondern gehe in § 20 SGB II typisierend von prozentualen
Abschlägen von der Regelleistung wegen Haushaltsersparnis nur bei Angehörigen einer Bedarfsgemeinschaft aus. Da
es eine Differenzierung zwischen Haushaltsvorstand und Haushaltsangehörigen im Recht der Grundsicherung für
Arbeitsuchende nicht gebe, könnten Ersparnisse durch eine gemeinsame Haushaltsführung entgegen der
verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und RSV trotz der Übernahme der
Differenzierung nach "Haushaltsvorstand" und "Haushaltsangehörigen" in das SGB XII und trotz der Fortgeltung der
RSV nur dann angenommen werden, wenn die zusammenlebenden Personen eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des
SGB II oder eine Einsatzgemeinschaft im Sinne des § 19 SGB XII bildeten.
Der Senat vermag dieser Rechtsprechung nicht zu folgen. Denn der Gesetzgeber hat für den Bereich des SGB XII –
der Sozialhilfe - das unter Geltung des BSHG angewandte Regelsatzsystem, also die in der Regelsatzverordnung
niedergelegte Haushaltsvorstandslösung, übernommen. Dieses System der Differenzierung zwischen
Haushaltsvorstand und Haushaltsangehörigen hat der Gesetzgeber für den Bereich des SGB II nicht übernommen.
Vielmehr hat er in § 20 SGB II eine eigenständige Regelung getroffen, in welcher Höhe die Regelsatzleistung für die
Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu bestimmen ist. Auch wenn sich der Gesetzgeber des SGB II hinsichtlich der
Ermittlung der Höhe der Regelleistung weitgehend an das Sozialhilferecht anlehnen wollte (BT-Drucks. 15/1516 Seite
56), hat er mit § 20 SGB II eine von der Regelsatzverordnung und damit der Haushaltsvorstandslösung abweichende
Regelung getroffen. Daher handelt es sich nach Überzeugung des Senats um einen Zirkelschluss, wenn einerseits
das Regelsatzsystem des Sozialhilferechts für den Gesetzgeber das Referenzsystem für das SGB II gewesen ist,
andererseits die Regelungen des § 20 SGB II für die Auslegung der §§ 28, 40 SGB XII i.V.m. § 3 RSV herangezogen
werden sollen. Ein solcher Rückschluss ist wegen der dort genannten Unterscheidung von Haushaltsvorstand und
Haushaltsangehörigen gerade nicht möglich. Weiter verkennt das BSG in der zitierten Entscheidung, dass es gerade,
wenn zusammenlebende Verwandte über Mittel verfügen, die der Höhe nach im Bereich des Existenzminimums
liegen, der Lebenswirklichkeit entspricht, dass sie bei der Deckung der Generalunkosten Synergieeffekte nutzen, auch
wenn im strengen Sinne keine Vermutung der Bedarfsgemeinschaft nach § 36 SGB XII angenommen werden darf,
weil das nach dem geringen Einkommen der Betroffenen nicht erwartet werden kann (Dillmann/Dannat, "Neue Besen
kehren gut!?" – Eine Bestandsaufnahme von fünf Jahren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Sozialhilfe,
Zeitschrift für das Fürsorgewesen – ZfF – 2 009, Seite 241, 243). Ferner folgt – selbst wenn man mit dem BSG in der
zitierten Entscheidung einen Gleichheitsverstoß unterstellte – daraus nicht zwingend die Gewährung des vollen
Regelsatzes. Denn der Gesetzgeber könnte den unterstellten – Gleichheitsverstoß auch in der Weise bereinigen, dass
erwerbsfähige Hilfebedürftige ab dem 25. Lebens¬jahr der Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 SGB II zugeordnet
werden (Dillmann/Dannat, a.a.O.). Schließlich sähe der Senat in der Gewährung des Regelsatzes eines
Haushaltsvorstandes für den Kläger eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung des Klägers im Sinne einer
Besserstellung gegenüber Angehörigen einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II, gegenüber den nach dem SGB
XII leistungsberechtigten Personen und Angehörigen einer sogenannten gemischten Bedarfsgemeinschaft und damit
gerade einen Verstoß gegen Art. 3 GG. Denn diese erhalten insgesamt nur 180 % des Eckregelsatzes bzw. der vollen
Regelleistung. So erhalten eine Mutter und ihr in Haushaltsgemeinschaft lebendes erwachsenes Kind, das das 25.
Lebensjahr noch nicht vollendet hat – wie es hier für den streitgegenständlichen Zeitraum der Fall ist -, insgesamt nur
180 % des Eckregelsatzes bzw. der Regelleistung. Auch wenn die Mutter des Klägers weder Leistungen nach dem
SGB XII noch Leistungen nach dem SGB II bezieht, also zwischen ihr und dem Kläger keine Bedarfsgemeinschaft
oder gemischte Bedarfsgemeinschaft besteht, so ist sie allein aufgrund der faktischen Lebensverhältnisse aus den
oben genannten Gründen als Haushaltsvorstand anzusehen und daher rein rechnerisch mit 100 % des Eckregelsatzes
anzusetzen, sodass dem Kläger in Übereinstimmung mit § 3 Abs. 2 Nr. 2 RSV lediglich 80 % des Eckregelsatzes zu
gewähren sind. Es bestünde zur Überzeugung des Senats kein sachlicher Grund dafür, dass der Kläger 100 % des
Eckregelsatzes erhielte, während er – wenn seine Mutter Leistungsbezieherin nach dem SGB II wäre – nur 80 % des
Eckregelsatzes beanspruchen könnte. Ebenso wenig gäbe es zur Überzeugung des Senats einen sachliche Grund für
einen höheren Leistungsanspruch des Klägers im Verhältnis zu einem in Bedarfsgemeinschaft oder in gemischter
Bedarfsgemeinschaft lebenden Ehepaares, dessen Existenzminimum mit 180 % gem. § 20 Abs. 3 SGB II/ § 3 Abs. 3
RSV gedeckt wird. Die Annahme einer mit einem engeren Zusammenleben bestimmter Personen verbundenen
Haushaltsersparnis ist hier wie dort gerechtfertigt.
Das Begehren des Klägers, einen höheren als den für die Erkrankung Neurodermitis bereits von dem Beklagten
bewilligten Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von 27,50 EUR anerkannt zu bekommen, hat
ebenfalls keinen Erfolg.
Die Gewährung von Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung richtet sich nach § 42 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 30
Abs. 5 SGB XII. Danach wird für Kranke, Genesende, behinderte oder von einer Krankheit oder Behinderung bedrohte
Menschen, die einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt. Eine
entsprechende Regelung ist in § 21 Abs. 5 SGB II enthalten. Bei dem Begriff der "angemessenen Höhe" des
Mehrbedarfs handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Ausfüllung in vollem Umfang der
rechtlichen Überprüfung durch das Gericht unterliegt (so auch Behrend in jurisPK, SGB II, 2. Aufl. 2007, § 21 RdNr
42; Lang/Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 21 RdNr 57). Bei der Ausfüllung dieses
unbestimmten Rechtsbegriffs ist es rechtsfehlerfrei, sich an den Empfehlungen des Deutschen Vereins (DV) für die
Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe (im Folgenden: Empfehlungen) zu orientieren (BSG, Urteil vom
27. Februar 2008, Az. B 14/7b AS 64/06 R). Allerdings kommt ihnen keine normative Wirkung zu. Insbesondere
handelt es sich bei den "Empfehlungen" des Deutschen Vereins auch nicht um antizipierte
Sachverständigengutachten, sondern allenfalls um in der Verwaltungspraxis etablierte generelle Orientierungshilfen,
die im Normalfall eine gleichmäßige und schnelle Bearbeitung geltend gemachter Mehrbedarfe im Bereich der
Krankenkost erlauben. Durch diese Empfehlungen wird jedoch die grundsätzliche Verpflichtung der Verwaltung und
der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, die Besonderheiten des jeweiligen Sachverhalts von Amts wegen aufzuklären
(§ 20 SGB X bzw. § 103 SGG), nicht aufgehoben. Macht etwa ein Kläger das Vorliegen mehrerer Erkrankungen
geltend, oder sind sonstige Gesichtspunkte vorgetragen, die ein mechanisches Abstellen auf die Empfehlungen des
DV nicht möglich machen, so ist der Sachverhalt in vollem Umfang aufzuklären (siehe BSG, a.a.O.). Diese
Grundsätze, die das BSG für § 21 Abs. 5 SGB II aufgestellt hat, können auf § 30 Abs. 5 SGB XII übertragen werden.
Beide Normen ermöglichen dem Leistungsträger die Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger
Ernährung in angemessener Höhe und haben somit einen zwar nicht in den Voraussetzungen aber im Ergebnis
identischen Regelungsgehalt.
Die Anerkennung eines höheren als des bereits bewilligten Mehrbedarfs setzt voraus, dass der Kläger an mehreren
Krankheiten leidet, die eine kostenaufwändige Ernährung bedingen. Sofern der Kläger an einer Krankheit leidet, für die
die Empfehlungen des DV keine Aussage enthalten, können sie naturgemäß nicht als Empfehlungen bei der
Anwendung von § 30 Abs. 5 SGB XII herangezogen werden und der tatsächliche Mehrbedarf ist – gegebenenfalls
gutachterlich – zu ermitteln. Den Empfehlungen des DV in der Fassung vom 1. Oktober 2008 sind keine Aussagen
über einen Mehrbedarf für die vom Kläger geltend gemachten Allergien gegen Kuhmilch und Hühnereiweiß, Soja und
Schweinefleisch zu entnehmen. Daher ist sein tatsächlicher Mehrbedarf wegen dieser Allergien konkret festzustellen.
Der Fachdienst Gesundheit des Kreises O hat einen Mehrbedarf des Klägers für kostenaufwändige Ernährung wegen
der Psoriasis bereits festgestellt. Einen Mehrbedarf für die Kuhmilchallergie sowie die Hühnereiweißallergie hat er
hingegen verneint, weil erstere in der Regel in dem Alter, in dem sich der Kläger befindet, unwahrscheinlich sei und
letztere durch Weglassen dieses Nahrungsmittels therapiert werden könne. Diese schlüssigen Ausführungen werden
durch das Vorbringen des Klägers nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen. Er beruft sich zur Unterstützung seines
Begehrens auf eine pauschale Bescheinigung seines Hausarztes, seine Allergien bedingten einen Mehrbedarf in Höhe
von 100,00 EUR monatlich. Eine derart pauschale Behauptung hinsichtlich sämtlicher geltend gemachten Allergien
ermöglicht es nicht, einen Mehrbedarf des Klägers anzunehmen und zu beweisen. Der Kläger hat nicht dargelegt, auf
welche Lebensmittel er verzichten und welche er an deren Stelle erwerben muss und dass diese teurer sind. Mithin
fehlt es bereits an einer schlüssigen Darlegung des Klägers hinsichtlich seines Mehrbedarfs. Im Übrigen ist hier schon
fraglich, ob aufgrund der Psoriasis ein Mehrbedarf gerechtfertigt ist. Die Empfehlungen des Deutschen Vereins in ihrer
neuesten Fassung vom 1. Oktober 2008 verneinen dies. Auch unter Berücksichtigung dessen ist nicht ersichtlich,
unter welchem Aspekt ein Mehrbedarf (Krankenkostzulagen) hier insgesamt über den bereits vom Beklagten
gewährten Betrag von 27,50 EUR hinaus anerkannt werden könnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Der Senat lässt die Revision gemäß § 160 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 SGG wegen des Abweichens von dem Urteil des BSG
vom 19. Mai 2009 (B 8 SO 8/08 R) zu.
¬¬¬¬¬¬¬¬¬