Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 29.10.2009

LSG Shs: einkünfte, sozialversicherungsrecht, auskunft, steuerrecht, erwerbstätigkeit, geschäftsführung, geschäftsführer, ergänzung, rechtsschein, behandlung

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
Urteil vom 29.10.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Itzehoe S 1 KR 22/06
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht L 5 KR 109/08
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 16. Juli 2008 sowie der Bescheid der
Beklagten vom 28. September 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2006 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass die Beigeladene auch 1999 und 2000 in der gesetzlichen Krankenversicherung
familienversichert war. Die Beklagte hat dem Kläger und der Beigeladenen die ihnen zur Rechtsverfolgung
entstandenen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Eine weitere Kostenerstattung findet
nicht statt. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte zu Recht die Familienversicherung der Beigeladenen in den Jahren
1999 und 2000 aufgehoben hat.
Der 1944 geborene Kläger war als Vermögensverwalter bei der Beklagten freiwillig gegen Krankheit versichert. Die
1946 geborene Beigeladene war als Ehefrau familienversichert. In den Fragebogen zur Überprüfung der
Familienversicherung hatten der Kläger und die Beigeladene mindestens seit 1999 angegeben, die Beigeladene habe
kein eigenes Einkommen. Im Rahmen von Ausein¬andersetzungen über Leistungsansprüche schaltete der Kläger das
Bundesversicherungsamt ein, dem er den Einkommensteuerbescheid vom 8. März 2005 für das Jahr 2003
übersandte. Dieser Steuerbescheid wies Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb der Beigeladenen in Höhe von 34.539,00
EUR aus bei Einnahmen des Klägers aus Gewerbebetrieb in Höhe von 7.400,00 EUR. Ein weiterer Steuerbescheid für
das Jahr 2001 wies Einkünfte des Klägers in Höhe von 25.547,00 EUR aus, die Beträge der Beigeladenen waren
geschwärzt. Zur Überprüfung der Voraussetzungen für die Familienversicherung der Beigeladenen forderte die
Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 19. Mai 2005 auf, die Einkommensteuerbescheide für die Kalenderjahre 2001
bis 2004 ohne handschriftliche Änderungen oder Schwärzungen vorzulegen, ferner Informationen über die Einkünfte
aus Gewerbebetrieb, die im Einkommensteuerbescheid ausgewiesen worden seien, und über die Art und Dauer der
selbstständigen Tätigkeit der Beigeladenen, gegebenenfalls den Auszug aus dem Handelsregister und eine
Gewerbean- bzw. –ab¬meldung. Hierzu führte der Kläger aus, die Einkünfte resultierten aus einer
Versicherungsagentur "I. Versicherung E. G.", deren Bezeichnung bis zu seiner Selbstständigkeit 1992 zutreffend
gewesen sei. Die Beigeladene sei nicht versicherungspflichtig gewesen, da der zeitliche Aufwand und der Ertrag
geringfügig gewesen seien. Sie habe das Gewerbe 1992 abgemeldet, seitdem werde die Versicherung unter seinem
Namen fortgeführt. Die Beigeladene sei vielfach erkrankt und daher nicht in der Lage gewesen, einer wesentlichen
Tätigkeit nachzugehen. Die Beklagte erinnerte wiederholt an die Vorlage der Unterlagen. Der Kläger antwortete, er
habe die erforderlichen Angaben gemacht. Mit dem an den Kläger gerichteten Bescheid vom 28. September 2005
stellte die Beklagte das Ende der Familienversicherung rückwirkend zum 31. Dezember 1998 mit der Begründung
fest, ein Gesamteinkommen der Beigeladenen, das regelmäßig im Monat 1/7 der monatlichen Bezugsgröße nicht
überschreite, habe als Voraussetzung für die Familienversicherung nicht festgestellt werden können; der Kläger sei
seiner Nachweispflicht nicht nachgekommen. Die Beklagte forderte die Versichertenkarte bis zum 15. Oktober 2005
zurück und teilte dem Kläger mit, die Beigeladene habe die Möglichkeit zur freiwilligen Weiterversicherung; sie müsse
dies innerhalb von drei Monaten nach Beendigung der Familienversicherung schriftlich anzeigen. Sollte sie die
Versicherung nicht weiterführen wollen, werde sie – die Beklagte – die zu Unrecht erbrachten Leistungen ermitteln und
zurückfordern. Mit seinem Widerspruch vom 20. Oktober 2005 machte der Kläger geltend, er habe alle Unterlagen
eingereicht. Aus der Krankenakte der Beigeladenen sei zu ersehen, dass sie zu einer Arbeit nicht in der Lage
gewesen sei. Die Geschäftsjahre 2001 bis 2003 würden derzeit vom Finanzamt überprüft. Die Beklagte wies den
Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2006 zurück. Mit dem an die Beigeladene gerichteten
Schreiben vom 22. Februar 2006 forderte sie deren Krankenversicherungskarte zurück und wies sie darauf hin, dass
sie keinen Leistungsanspruch habe.
Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 24. Februar 2006 beim Sozialgericht Itzehoe Klage erhoben.
Er hat Einkommensteuerbescheide für 2001 bis 2004 vom 14. März 2006, ausweislich derer die Beigeladene keine
Einkünfte erzielt hatte, sowie Außenprüfungsberichte des Finanzamts P. für die Kalenderjahre 2001 bis 2003
vorgelegt. Die Beklagte hat daraufhin die Familienversicherung der Beigeladenen ab 1. Januar 2001 anerkannt und
insoweit den Bescheid vom 28. September 2005 und den Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2006 aufgehoben.
Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen.
Er hat vorgetragen, die Beigeladene habe auch 1999 und 2000 keine Einkünfte gehabt. Wäre die Betriebsprüfung des
Finanzamts auch auf die Zeit vor dem 1. Januar 2001 erstreckt worden, wäre für die Jahre 1999 und 2000 eine
Zuordnung der Einkünfte aus beiden Betrieben auf ihn vorgenommen worden. Die Verhältnisse hätten sich insoweit
nicht geändert. Die Steuerbescheide der Jahre 1999 und 2000 lägen ihm nicht mehr vor. Der Kläger hat Schriftwechsel
mit der Itzehoer Versicherung für diese Jahre vorgelegt und ausgeführt, die Beigeladene versehe für die
Versicherungsagentur den Telefondienst, ohne eine Vergütung zu erhalten. Aus steuerlichen Gründen werde hierfür
ein Betrag in Höhe von 400,00 EUR monatlich ab 2005 veranschlagt. Die Beklagte habe stets das gesamte zu
versteuernde Einkommen der Eheleute bei der Bemessung seiner Beiträge zugrunde gelegt.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 28. September 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Ja¬nuar
2006 sowie des angenommenen Teilanerkenntnisses vom 27. Juli 2006 abzuändern und festzustellen, dass für seine
Ehefrau auch in den Jahren 1999 und 2000 ein Anspruch auf Familienversicherung bestand.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
In Ergänzung zum Inhalt des angefochtenen Bescheides hat sie ausgeführt, der Beitragsbemessung sei stets nur das
Einkommen des Klägers zugrunde gelegt und er sei in den letzten Jahren nach der Mindesteinnahmegrenze eingestuft
worden. Unter zusätzlicher Berücksichtigung des Einkommens der Beigeladenen hätte er höhere Beiträge entrichten
müssen. Für die Beurteilung der Familienversicherung seien allein die amtlichen Feststellungen maßgeblich. Zu einer
eigenständigen Prüfung über die Zuordnung von Arbeitseinkommen sei sie nicht berechtigt.
Das Sozialgericht hat eine Auskunft vom Finanzamt P. eingeholt, der zufolge der Kläger bis einschließlich des
Kalenderjahres 2000 Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus seiner Tätigkeit als Vermögensberater erklärt hat, die
Beigeladene gewerbliche Einkünfte aus der Vermittlung von Versicherungen. Die Veranlagungen seien entsprechend
durchgeführt worden. Ab dem Kalenderjahr 2001 seien die Einkünfte aus der Versicherungstätigkeit aufgrund von
Feststellungen der Betriebsprüfung dem Kläger zugerechnet worden; für die Jahre 1999 und 2000 sei keine
Betriebsprüfung durchgeführt worden und es lägen keine Erkenntnisse vor. Mit Urteil vom 16. Juli 2008 hat das
Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklage sei berechtigt
gewesen, rückwirkend festzustellen, dass keine Familienversicherung bestehe. Denn ein bindender Verwaltungsakt
über den Bestand der Familienversicherung sei nicht ergangen. 1999 und 2000 hätten die Voraussetzungen für die
Familienversicherung der Beigeladenen nicht vorgelegen. Denn diese sei in den beiden Jahren hauptberuflich
selbstständige Erwerbstätige gewesen. Nach Auskunft des Finanzamts P. habe sie gewerbliche Einkünfte
angemeldet, die als solche veranlagt worden seien. Erst ab dem Kalenderjahr 2001 sei eine Änderung hierzu
vorgenommen worden. Zwar habe der Kläger angegeben, bereits 1998 die Geschäftsführung der Versicherungsagentur
von der Beigeladenen übernommen zu haben. Dies habe er steuerlich jedoch nicht umgesetzt, sondern weiterhin die
gewerblichen Einkünfte der Beigeladenen zugeschrieben. Dies erwecke den Rechtsschein, dass diese tatsächlich
selbstständig tätig gewesen sei. Angesichts dessen beständen Zweifel, dass die Voraussetzungen für die
Familienversicherung vorlägen. Dem Kläger sei ein Nachweis darüber, dass seine Ehefrau nicht hauptberuflich
selbstständig tätig gewesen sei, nicht gelungen.
Gegen die seinem Prozessbevollmächtigten am 13. Oktober 2008 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung
des Klägers, die am 12. November 2008 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Er trägt
vor, 1999 und 2000 hätten die gleichen Verhältnisse geherrscht wie ab 2001. Die steuerliche Betriebsprüfung sei auf
einen Zeitraum von höchstens drei Jahren beschränkt, daher habe das Finanzamt für die Zeit vor 2001 keine
Feststellungen getroffen. Die Verhältnisse seien aber gleich gewesen. Die Beigeladene habe die Vertretung der I.
Versicherung 1983 übernommen. Der Umfang ihrer Tätigkeit sei zu Anfang begrenzt gewesen und habe sich in erster
Linie darin erschöpft, Deckungskarten für Pkw-Versicherungen und andere Formulare auszugeben. Hierfür habe sie
eine Aufwandsentschädigung erhalten. Später habe sie einen nebenberuflichen Festvertrag abgeschlossen; dies habe
ein Büro im Haushalt ohne feste Öffnungszeiten und ohne Mindestvorgaben bei geringerer Provision erlaubt. Trotz
steigender Umsätze habe sie nicht länger als zwei Stunden wöchentlich arbeiten müssen. Als die Beigeladene
erkrankt sei, habe er die Tätigkeit fortgeführt. Er und die Beigeladene hätten zwei Betriebe geführt, da dies Vorteile bei
der Gewerbesteuer, deren Besteuerungspflicht erst bei einem Gewinn von 25.000,00 EUR einsetze, geboten habe.
Dies habe ihn von den Gewerbesteuervorauszahlungen befreit. Nach der Betriebsprüfung habe das Finanzamt P.
festgestellt, dass die Betriebsaufspaltung nicht zulässig gewesen, sondern ein einheitlicher Betrieb anzunehmen sei.
Während der gesamten Zeit habe er allein die Einkünfte erzielt; dies belegten die Schreiben der I. Versicherung aus
den Jahren 1999 und 2000, die ihn als Vertragspartner angesehen und ihm Bescheinigungen für das Finanzamt
ausgestellt habe. Ein Rechtsschein für ein eigenes Einkommen der Beigeladenen sei nicht gesetzt worden. Bei der
Bemessung seiner Beiträge seien die Gesamteinkünfte zugrunde gelegt worden. Ein Steuerbescheid sei allenfalls
geeignet, nachzuweisen, welches Einkommen ein selbstständig Versicherter habe; im Falle einer
Zusammenveranlagung von Ehegatten gebe er jedoch nicht Auskunft über die Zurechnung der Einnahmen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 16. Juli 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Sep¬tember 2005
in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2006 aufzuheben und festzustellen, dass die
Beigeladene ab 1999 und 2000 familienversichert war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält an der bisher geäußerten Rechtsauffassung fest.
Der Senat hat Auskünfte von dem Finanzamt P. eingeholt. In der mündlichen Verhandlung hat der Senat den Kläger
und die Beigeladene angehört. Die Verwaltungsakte der Beklagten und die Verfahrensakte haben vorgelegen. Zur
Ergänzung der Einzelheiten wird darauf Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und die
Bescheide der Beklagten bestätigt. Diese waren nicht rechtmäßig. Denn die Beigeladene war auch in dem Zeitraum
vom 1. Januar 1999 bis zum 31. Dezember 2000 bei dem Kläger familienversichert.
Die Familienversicherung von Ehegatten richtet sich nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB
V). Die Vorschrift stellt fünf Voraussetzungen für die Familienversicherung auf, die kumulativ erfüllt sein müssen. Die
Voraussetzungen 1. bis 3. sind im Fall der Beigeladenen ohne weiteres erfüllt. Sie hat ihren Wohnsitz im Inland (Nr.
1), ist nicht nach anderen Vorschriften versicherungspflichtig und nicht freiwillig versichert (Nr. 2) und weder
versicherungsfrei noch von der Versicherungspflicht befreit (Nr. 3).
Die Beigeladene war 1999 und 2000 auch nicht hauptberuflich selbstständig erwerbstätig im Sinne der Nr. 4. Dabei
kann die Abgrenzung einer selbstständigen Tätigkeit als Hauptberuf gegenüber anderen Tätigkeiten hier dahinstehen.
Denn eine hauptberufliche selbstständige Erwerbstätigkeit setzt voraus, dass überhaupt eine Erwerbstätigkeit
selbstständig und mit dem Ziel einer Gewinnerzielung ausgeübt worden ist (Peters in Kasseler Kommentar, SGB V, §
10 Rz. 13 unter Hinweis auf § 5 Rz. 155). Dies war bei der Beigeladenen nicht der Fall, vielmehr hat sie überhaupt
keine Erwerbstätigkeit ausgeübt. Daran ändert auch nichts die Tatsache, dass ihr steuerlich die Erträge aus der
Versicherungsagentur zugerechnet wurden. Denn tatsächlich hat sie die Agentur nicht mehr geführt. Ab 1. März 1998
war der Kläger Geschäftsführer der Agentur, der Vermittlungsvertrag der Beigeladenen mit der I. Versicherung vom 1.
Januar 1992 wurde auf ihn übertragen. Die Übertragung des Provisionskontos mit Soll- oder Haben-Salden schloss
alle damit verbundenen Rechte und Pflichten ein. Sowohl der Kläger als auch die Beigeladene wurden in dem
Schreiben von der Versicherung aufgefordert, den Inhalt unterschriftlich zu bestätigen. Danach hatte die Beigeladene
ab dem 1. März 1998 keine Rechte mehr aus dem Agenturvertrag. Allein dieser hätte jedoch Grundlage für eine
selbstständige Tätigkeit sein können. Zwar trägt der Kläger vor, auch in der Folgezeit habe die Beigeladene
gelegentlich Telefondienst für die Agentur verrichtet. Diese allenfalls familienhafte Mithilfe ändert jedoch nichts daran,
dass sie damit nicht selbstständig erwerbstätig war.
Die Beigeladene hatte auch kein Gesamteinkommen, das regelmäßig im Monat 1/7 der monatlichen Bezugsgröße
nach § 18 Sozialgesetzbuch, Viertes Buch (SGB IV) überschritt (Nr. 5). Auch die Tatsache, dass für 1999 und 2000 –
anders als für die Folgejahre – keine Änderung der steuerlichen Festsetzung vorgenommen worden ist, sondern dass
es bei der originären Steuerfestsetzung blieb, ändert daran nichts. Steuerlich festgesetzt wurden für sie Einkünfte in
Höhe von 46.181,00 DM für das Jahr 1999 und 47.813,00 DM für das Jahr 2000. Hierbei handelt es sich aber nicht um
Einkommen in diesem Sinne. Der Begriff des Gesamteinkommens ist in § 16 SGB IV definiert. Danach ist das
Gesamteinkommen die Summe der Einkünfte im Sinne des Einkommenssteuerrechts; es umfasst insbesondere das
Arbeitsentgelt und das Arbeitseinkommen. Die Definition gilt insbesondere für die Frage der Zugehörigkeit zur
Familienversicherung im Sinne des § 10 SGB V (BSG vom 25. Januar 2006, B 12 KR 2/05 R = SozR 4-2500 § 10 Nr.
6; Klattenhoff in Hauck/Noftz, SGB IV, § 16 Rz. 8). Trotz des Verweises auf das Einkommenssteuerrecht umfasst
das sozialversicherungsrechtliche Gesamteinkommen nicht zwingend das vom Finanzamt festgesetzte steuerliche
Einkommen. § 16 SGB IV nimmt vielmehr eine Verweisung auf das im Einkommenssteuergesetz (EStG) definierte
und damit umschriebene Einkommen vor. Damit sind die Einkunftsarten beschrieben und deren steuerliche
Behandlung, einschließlich steuerlicher Vergünstigungen (BSG, Urteil vom 22. Mai 2003, B 12 KR 13/02 R = SozR 4-
2500 § 10 Nr. 2). Dies führt dazu, dass für das Sozialversicherungsrecht kein neuer Einkommensbegriff definiert
werden muss, sondern dass im Steuerrecht und im Sozialversicherungsrecht ein einheitlicher Einkommensbegriff
zugrunde gelegt wird (Fischer in juris PK-SGB IV § 16 Rz. 16). Die Regelung führt dazu, dass hinsichtlich der
Bedeutung des Einkommens für die Sozialversicherungspflicht, die Familienversicherung oder die Beitragshöhe keine
eigenständige sozialversicherungsrechtliche Betrachtung vorzunehmen ist, sondern dass insoweit das
Einkommenssteuerrecht und das Sozialversicherungsrecht parallel sind. Die Art und die Höhe der Einkünfte leiten
sich aus dem Steuerrecht ab und sollen für die Frage der Familienversicherung nicht neu ermittelt werden (BT-Drucks.
12/ 5700 Seite 92 zu Art. 3 Nr. 2 für das Arbeitseinkommen nach § 15 SGB IV).
Diese Parallelität zwischen Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht geht jedoch nicht so weit, dass die
Festsetzungen der Finanzbehörden für die Tatbestände der Sozialversicherung verbindlich wären (BSG, Urteil vom 6.
August 1997, 3 RK 25/86, SozR 2200 § 205 Nr. 63; Klattenhoff, a.a.O., Rz. 9; Fischer, a.a.O., Rz. 12). Vielmehr ist §
16 SGB IV lediglich eine Be¬griffsdefinition, die die Einkunftsarten und deren Umfang umschreiben, nicht aber eine
konkrete Zuordnung vornimmt. Eine derartige Zuordnung ist vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen (BT-Drucks.
7/4122, Seite 32 zum Gesetzentwurf zum SGB IV vom 23. Dezember 1976). Sie ließe sich rechtstechnisch auch
nicht konstruieren. Denn sie hätte zur Voraussetzung, dass die steuerliche Festsetzung eine Tatbestandswirkung für
den sozialversicherungsrechtlichen Tatbestand – hier den Anspruch auf Familienversicherung – ausübt. Eine derartige
Tatbestandswirkung muss jedoch im Gesetz selbst angelegt sein (Hauck/Noftz, § 39 SGB X Rz. 14), anderenfalls
besteht keine Grundlage dafür, dass eine Verwaltungsentscheidung im anderen Verwaltungsbereich verbindliche
Wirkung hat. Eine derartige Tatbestandswirkung ist in § 16 SGB V nicht angelegt. Allein die Aussage, dass das
Gesamteinkommen die Summe der Einkünfte im Sinne des Einkommenssteuerrechts ist, sagt nichts darüber aus,
dass die Festsetzungen des Finanzamtes auch in der personellen Zuordnung des ermittelten Einkommens im
sozialversicherungsrechtlichen Zusammenhang verbindlich ist.
Danach muss sozialversicherungsrechtlich eine von den Festsetzungen des Finanzamtes vom 26. Juli 2001 für 1999
und zuletzt vom 14. März 2006 für 2000 losgelöste Betrachtung über die Zuordnung der Einkünfte vorgenommen
werden. Der Senat legt hierzu die Schilderung des Klägers in der Berufungsverhandlung zugrunde, dass dieser selbst
bereits ab 1998 Geschäftsführer der Versicherungsagentur gewesen ist und dass die Beigeladene lediglich noch
aushilfsweise gelegentlich gearbeitet hat. Dieser Vortrag wird nachhaltig gestützt durch das Schreiben der Itzehoer
Versicherung vom 9. März 1998, in dem diese die Übernahme der Geschäftsführung durch den Kläger von seiner
Ehefrau, der Beigeladenen, ab 1. März 1998 bestätigt. Ferner spricht die steuerrechtliche Behandlung der Steuerjahre
1999 und 2000 für eine derartige Betrachtungsweise. Die Steuerbescheide sind rückwirkend bis zum Jahr 2001
entsprechend der tatsächlichen Verhältnisse abgeändert worden. Ausweislich des Schreibens des Finanzministeriums
des Landes Schleswig-Holstein vom 2. April 2009 ist aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen
Festsetzungsverjährung für die Jahre 1998 bis 2000 für 1999 und 2000 von einer entsprechenden Änderung
abgesehen worden. Diese Tatsachen deuten darauf hin, dass die personelle Zuordnung der Einkünfte letzten Endes
nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprochen hat, dass infolge der eingetretenen Verjährung jedoch, anders als
für die nachfolgenden Jahre, von einer Aufhebung der Steuerfestsetzungsbescheide abgesehen wurde. Dies ändert
jedoch nichts daran, dass tatsächlich eine Zuordnung der Einkünfte bei dem Kläger vorzunehmen ist. Danach hat er
und nicht die Beigeladene die Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Sie hatte damit 1999 und 2000 kein
Gesamteinkommen, das regelmäßig im Monat 1/7 der monatlichen Bezugsgröße im Sinne der Nr. 5 des § 10 Abs. 1
Satz 1 SGB V überschritt.
Die Voraussetzungen für die Annahme einer Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung waren
daher 1999 und 2000 vollumfänglich erfüllt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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