Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 23.06.2009

LSG Shs: örtliche zuständigkeit, offensichtliches versehen, irrtum, bindungswirkung, kreis, bezirk, verfassungskonform, niedersachsen, rechtsmittelbelehrung, rechtsgrundlage

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
Beschluss vom 23.06.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Itzehoe S 17 AS 384/09
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht L 5 SF 24/09 SA
Zum örtlich zuständigen Gericht wird das Sozialgericht Schleswig bestimmt.
Gründe:
I.
Der Beschluss betrifft die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 58 Abs. 1 Nr. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Mit seiner am 16. März 2009 beim Sozialgericht Schleswig erhobenen Klage wendet sich der Kläger gegen einen
Aufhebungs- und Erstattungsbescheid hinsichtlich der Leistungen nach dem SGB II. Der Kläger hat seinen Wohnsitz
in B ...
Mit Beschluss vom 6. April 2009 hat sich das Sozialgericht Schleswig für örtlich unzuständig erklärt und den
Rechtsstreit an das Sozialgericht Itzehoe verwiesen. Durch Beschluss vom 6. Mai 2009 hat sich das Sozialgericht
Itzehoe ebenfalls für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit dem Schleswig-Holsteinischen
Landessozialgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
II.
Der Senat bestimmt das Sozialgericht Schleswig zum örtlich zuständigen Gericht.
Die örtliche Zuständigkeit des Sozialgerichts Schleswig ergibt sich aus § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG. Danach ist das
Sozialgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Kläger zurzeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz hat. Der
Kläger hat seinen Wohnsitz in B ... Dieser Ort liegt im Kreis R.-E. und gehört für Verfahren nach dem SGB II zum
Gerichtsbezirk des Sozialgerichts Schleswig (Schleswig-Holstei¬nisches Ausführungsgesetz zum
Sozialgerichtsgesetz). Auf die Zuständigkeit des Sozialgerichts Schleswig weist auch die Rechtsmittelbelehrung im
angefochtenen Widerspruch der Beklagten zutreffend hin.
Das Sozialgericht Schleswig ist auch nicht durch seinen Verweisungsbeschluss örtlich unzuständig und das
Sozialgericht Itzehoe durch diesen örtlich zuständig geworden. Zwar ist ein Verweisungsbeschluss unanfechtbar und
für das Gericht, an das verwiesen wird und somit auch für den beschließenden Senat grundsätzlich bindend (§ 98
SGG, der den den Rechtsweg betreffenden § 17a Abs. 2 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) auch hinsichtlich
der örtlichen Zuständigkeit für anwendbar erklärt). Eine solche Bindungswirkung hat der Senat in Übereinstimmung mit
der herrschenden Auffassung aber u. a. dann nicht angenommen, wenn der Verweisungsbeschluss jeder
Rechtsgrundlage entbehrt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 15. August 2007, L 5 AR 24/07 mit weiteren Nachweisen und
vom 12. Dezember 2008, L 5 AR 43/08 SA). Diese Voraussetzung sieht der Senat in dem Fall als gegeben an, in dem
das verweisende Gericht sich offensichtlich über die Zuordnung des maßgebenden Orts zu einem Gerichtsbezirk
geirrt hat (so auch Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 31. Januar 1994, 5 AS 23/93 und Landessozialgericht für
das Land Niedersachsen, Beschluss vom 14. August 1998, L 4 SF 6/98). Ein solches offensichtliches Versehen,
möglicherweise hier dadurch begünstigt, dass die nahezu wortgleiche Nachbargemeinde Ba. im Kreis S. und damit im
Zuständigkeitsbereich des Sozialgerichts Itzehoe liegt, hat zur Folge, dass der Verweisungsbeschluss für das
Sozialgericht Itzehoe keine Bindungswirkung entfaltet. Dies ist bei einem derart offensichtlichen Irrtum des
verweisenden Sozialgerichts geboten, um den in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) verankerten Grundsatz,
wonach niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf, zu wahren. Die Durchbrechung dieses
Grundsatzes in § 17a Abs. 2 Satz 2 GVG muss verfassungskonform in dem Sinne ausgelegt werden, dass die
Bindungswirkung bei einem offensichtlich groben Irrtum des verweisenden Gerichts, zumal dieses selbst seinen
Irrtum im Nachhinein nicht mehr korrigieren kann, nicht zum Tragen kommt.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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