Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 15.03.2017

LSG Schleswig-Holstein: gebühr, beteiligter, zahl, immaterialgüterrecht, zivilprozessrecht, auszug, widerspruchsverfahren, begriff, aufteilung, link

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Landessozialgericht
1. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 1 SK 9/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 113 Abs 1 SGG, § 184 Abs 1
S 2 Halbs 2 SGG, § 185 SGG,
§ 187 SGG, § 189 Abs 2 S 1
SGG
Leitsatz
1. Nach einem Berufungsverfahren, in dem der Kläger drei materiellrechtliche, durch
erstinstanzliche Beschlüsse miteinander verbundene Ansprüche gegenüber zwei
Berufungsbeklagten verfolgt, fällt nur eine Pauschgebühr an.
2. Die Berufungsbeklagten haben je zur Hälfte die Pauschgebühr zu tragen; eine
Verteilung der Kostenlast nach der Zahl der Ansprüche findet nicht statt.
Tenor
Die Beschwerde der I. wird als unzulässig verworfen.
Die Beschwerde der I. wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Kläger hatte nach erfolglosen Widerspruchsverfahren erstinstanzlich drei
Klagen erhoben, von denen sich zwei gegen die I. und eine gegen die I. Schleswig-
Holstein (später I. genannt) richteten. Diese Klagen waren unter den Aktenzeichen
S 1 KR 11/05, S 1 KR 104/05 und S 1 KR 56/06 eingetragen. Mit Beschlüssen vom
26. Juli 2005 und 27. April 2006 verband das Sozialgericht diese Verfahren
miteinander nach § 113 SGG und führte sie unter dem Aktenzeichen S 1 KR 11/05
fort. Unter diesem Aktenzeichen entschied es auch über die erhobenen Ansprüche
durch ein abweisendes Urteil.
Hiergegen legte der Kläger Berufung ein (Aktenzeichen L 5 KR 12/07). Mit Urteil
vom 12. Dezember 2007 wurde seine Berufung zurückgewiesen. Als Beklagte sind
in diesem Urteil zu 1) die I. und zu 2) die I. aufgeführt.
Am 8. April 2008 übersandte der Kostenbeamte des Schleswig-Holsteinischen
Landessozialgerichts den Beklagten einen Auszug aus dem Gebührenverzeichnis,
mit welchem beide Beklagte nach § 184 ff. SGG jeweils zur Zahlung einer halben
Pauschgebühr in Höhe von 112,50 EUR aufgefordert wurden. Hiergegen legten
beide Beklagte rechtzeitig Erinnerung ein und begehrten, die Gebühr so
aufzuteilen, dass die I. 2 x 75,00 EUR = 150,00 EUR und die I. 75,00 EUR zu tragen
hätten. Ferner begehrte die I., die gegen sie erhobene Forderung mit einem
Guthaben aus dem Verfahren L 3 AL 112/06 in Höhe von 56,25 EUR zu
verrechnen.
Der Kostenbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache dem
zuständigen Kostensenat vorgelegt. Auf die beigezogenen Streitakten und die
gewechselten Schriftsätze wird im Übrigen Bezug genommen.
II.
Die Erinnerung der I. ist unzulässig, weil kein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Käme
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Die Erinnerung der I. ist unzulässig, weil kein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Käme
es zu der von ihr beantragten Drittelung der Gebühr, müsste sie 150,00 EUR
zahlen. Nach der Entscheidung des Kostenbeamten soll sie aber nur 112,50 EUR
entrichten. Somit ist sie nicht beschwert.
Die Erinnerung der I. ist dagegen nach § 189 Abs. 2 Satz 2 SGG zulässig. Sie ist
aber nicht begründet.
Vorliegend ist umstritten, wie die Gebühr von 225,00 EUR unter den
Berufungsbeklagten aufzuteilen ist. Maßgebliche Vorschrift ist § 187 SGG. Sind an
einer Streitsache mehrere nach § 184 Abs. 1 SGG Gebührenpflichtige beteiligt, so
haben sie nach dieser Vorschrift die Gebühr zu gleichen Teilen zu entrichten.
Danach trägt jeder Erinnerungsführer eine halbe Gebühr.
Unstreitig sind die I. und die I. Gebührenpflichtige im Sinne des § 184 Abs. 1 SGG.
Die Berufung L 5 KR 12/07 war auch eine Streitsache. Unter Streitsache ist das
Verfahren zu sehen, unabhängig davon, wie viele Ansprüche materiellrechtlich
verfolgt und gegen wie viele Beklagte diese Ansprüche erhoben werden (Hennig,
Kommentar zum SGG, § 184 Rdz. 8 und 10). Es ist daher unerheblich, ob eine
objektive (§ 56 SGG) oder eine subjektive (§ 74 SGG) Klaghäufung vorliegt. Der
Begriff der Streitsache ist rein prozessrechtlich zu verstehen. Hatte der Kläger
ursprünglich drei materiellrechtliche Ansprüche in drei Verfahren geltend gemacht,
so ist durch die Verbindung nach § 113 SGG prozessrechtlich daraus eine
Streitsache, d. h. ein Verfahren mit dem Aktenzeichen S 1 KR 11/05 geworden.
Dieses eine Verfahren ist in die Berufung gegangen. Dadurch hat sich am
Fortbestand eines Verfahrens nichts geändert, obwohl der Kläger in der Berufung
weiterhin drei materielle Ansprüche gegenüber zwei Beklagten geltend gemacht
hat. Mit der Berufung ist daher nur eine Gebühr nach § 184 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz
2 SGG in Höhe von 225,00 EUR entstanden. Sie ist mit dem Berufungsurteil vom
12. Dezember 2007 nach § 185 SGG fällig geworden.
Für die Aufteilung der Gebühr von 225,00 EUR unter den beiden Beklagten ist
entscheidend, ob die Worte „sind … beteiligt“ in § 187 SGG prozessrechtlich oder
materiellrechtlich ausgelegt werden müssen. Der Wortlaut lässt § 69 SGG
anklingen, wo der Beklagte als Beteiligter aufgeführt ist. Beklagter ist jeder, den
der Kläger als verpflichtet in Anspruch nimmt (Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl., § 69
Rz. 2). Dies kann aber nur im Rahmen eines Verfahrens geschehen. Die Begriffe
Beteiligter und Beklagter in § 69 SGG sind daher sowohl materiellrechtlich wie auch
prozessrechtlich zu verstehen. Der Wortlaut gibt für die Auslegung nichts her.
§ 187 SGG ist daher nach seinem Sinn und Zweck zu interpretieren. Der
Gesetzgeber fordert wegen der Privilegierung in § 183 SGG von den meisten
Klägern keine Gerichtshaltungskosten ein. Er will aber auch nicht die gesamten
Gerichtshaltungskosten auf die Beklagten abwälzen. Er hat sich daher für
ermäßigte Pauschgebühren entschlossen, die für jedes Verfahren unabhängig von
seinem Ausgang anfallen. Er gewinnt dadurch ein leicht handhabbares
Gebührenrecht, dessen Ausführung er vorrangig den Urkundsbeamten überlassen
kann (§ 189 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Gesetzgeber orientiert die Höhe der
Gebühren aus Vereinfachungsgründen bewusst nicht am
Kostenverursachungsprinzip. Es ist daher vom Kostenbeamten nicht zu prüfen, wie
schwierig die Streitfrage materiellrechtlich ist, wie umfangreich sich der
Schriftwechsel der Beteiligten gestaltet oder wie viele Ansprüche vom Kläger
geltend gemacht werden.
Der Verzicht auf das Kostenverursachungsprinzip löst nicht das Problem, wie die
Gebühren auf mehrere Beklagte an einem Verfahren zu verteilen sind. Mehrere
Beklagte werden in aller Regel höhere Gerichtshaltungskosten verursachen,
sodass die Gebühr nach der Anzahl der Beklagten eigentlich erhöht werden
müsste. Eine solche Regelung käme aber auf das Verursachungsprinzip zurück,
das der Gesetzgeber aus Vereinfachungsgründen aber gerade nicht
berücksichtigen will. Nach seinen Vorstellungen soll es daher nicht nur unerheblich
sein, um wie viele Ansprüche in einem Verfahren gestritten wird, sondern auch, wie
viele Verpflichtete dem Kläger in einem Verfahren gegenüber stehen. Demnach ist
in § 187 SGG schlichtweg die Zahl derer entscheidend, gegen die der Kläger das
Verfahren führt.
Vorliegend sind im Berufungsverfahren zwei Beklagte zu zählen. Infolgedessen hat
jeder die halbe Gebühr zu tragen. Auf die Anzahl der umstrittenen Ansprüche
gegen die I. und gegen die I. kommt es nicht an. Der Kostenbeamte hat die
Gebührenanteile zutreffend festgesetzt.
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Auch die Abrechnung ist zutreffend erfolgt. Wie die I. in ihrem Schreiben vom 22.
Juli 2008 einräumt, ist das Guthaben von 56,25 EUR aus dem Verfahren L 3 AL
112/06 verrechnet worden. Sie hat zutreffend den Betrag von 56,25 EUR
überwiesen.
Ihre Erinnerung ist infolgedessen unbegründet.
Diese Entscheidung ist nach § 189 Abs. 2 Satz 2 SGG unanfechtbar.