Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 15.03.2017

LSG Schleswig-Holstein: berufskrankheit, anerkennung, bevölkerung, belastung, wissenschaft, bandscheibenschaden, entstehung, wiederaufleben, unfallversicherung, entschädigung

1
2
3
4
Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Landessozialgericht
8. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 8 U 87/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 2 Abs 2 S 1 BKVO7ÄndV 2
vom 18.12.1992, Anl 1 Nr
2108 BKVO, § 551 Abs 2 RVO,
§ 551 Abs 1 S 3 RVO
gesetzliche Unfallversicherung - Berufskrankheit -
Stichtagsregelung - Quasi-Berufskrankheit - neue
Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft -
bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule
- Proficatcher
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 21. Juni
2004 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der 1933 geborene Kläger begehrt die Anerkennung seiner Hals- und
Lendenwirbelsäulenerkrankung als bzw. wie eine Berufskrankheit.
Am 18. Juli 1995 beantragte der Kläger, diverse Erkrankungen der Knie, der
Wirbelsäule, der Schultern sowie der Hüfte als Berufskrankheit anzuerkennen.
Hinsichtlich der Hüft-, Schulter-, Sprung-, Knie-, Großzehen-, Hand-, Finger- und
Ellenbogengelenke wurde ein gesondertes Verfahren eröffnet. In diesem wurde der
Antrag hinsichtlich der Kniegelenke mit Bescheid vom 22. Juli 1997 und
Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 1998 abgelehnt. Die dagegen erhobene Klage
wurde mit Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 8. Februar 1999 abgewiesen (S 9
U 101/99). Hinsichtlich aller aufgeführten Gelenksbeschwerden wurde mit weiterem
Bescheid vom 22. Juli 1997 und Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 1998 die
Anerkennung einer Berufskrankheit abgelehnt. Die dagegen erhobene Klage wurde
mit Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 28. November 2000 abgewiesen (S 1 U
100/98). Zur Begründung wurde hinsichtlich der Kniegelenke auf das rechtskräftige
Urteil vom 8. Februar 1999 verwiesen. Im Übrigen wurde ausgeführt, dass die
übrigen Beschwerden nicht wie eine Berufskrankheit nach § 551 Abs. 2
Reichsversicherungsordnung (RVO) anerkannt werden könnten, denn es gebe
keine ausreichenden Hinweise für ein gruppenspezifisches Auftreten von
Gelenksarthrose aufgrund der Tätigkeit als Ringer bzw. als Catcher. Die Berufung
blieb erfolglos (Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 20. März
2002 - L 8 U 3/01 -).
Hinsichtlich der Wirbelsäulenerkrankungen gab der Kläger an, dass er ab 1970
durchgehend Beschwerden gehabt habe sowohl beim Training als auch während
der Kämpfe und nach den Kämpfen. In einer Dokumentation seiner Kämpfe ist
aufgeführt, dass er im Jahre 1987 seinen letzten Kampf ausgetragen habe. Laut
eines Vermerks über ein Gespräch am 26. Juli 1996 gab der Kläger an, er habe
seine Laufbahn 1955 begonnen und sie 1987 beendet. Pro Jahr habe er ca. 200
Kämpfe durchgeführt. Dabei seien Meisterschaftskämpfe über eine Zeitdauer von
15 Runden a 4 Minuten gelaufen, normale Kämpfe über eine Zeitdauer von 5
Runden a 4 Minuten. Kämpfe im nicht europäischen Ausland hätten zwischen einer
halben und einer vollen Stunde gedauert. Trainiert worden sei täglich zwischen
zwei bis drei Stunden. Besonderer Belastungen sei die Wirbelsäule ausgesetzt
5
6
7
8
zwei bis drei Stunden. Besonderer Belastungen sei die Wirbelsäule ausgesetzt
gewesen bei Griffen am Kopf, die zu einem Verdrehen des Kopfes geführt hätten,
bei Schlägen im Bereich des Kopfes und Halses, bei so genannten Beinhebeln,
Überwürfen und Aushebern. In einem Schreiben der Beklagten vom 7. August
1996 wurde der Kläger gefragt, ob nach dem 8. November 1987 noch ein
Wettkampf ausgetragen worden sei. Daraufhin übersandte der Kläger einen
Vertrag über das Auftreten bei Catch-Turnieren auf dem Schützenplatz in
Hannover bis zum Jahre 1989, der bis zum Jahre 1990 verlängert worden war.
Insoweit teilte der Kläger aber mit, dass er diesen nicht habe erfüllen können, da
seine Karriere aus verletzungsbedingten Gründen im Jahre 1987 beendet gewesen
sei. Telefonisch teilte er jedoch mit, dass er noch nach dem 1. April 1988 in H beim
Frühjahrs- und Herbst-Dom aufgetreten sei. Die Firma S, bei der der Kläger unter
anderem im Jahre 1988 auf dem Frühjahrs- und Winter-Dom beschäftigt gewesen
war, teilte mit, dass die Beschäftigung nur an den Wochenenden stattgefunden
und dass es täglich zwischen zwei und vier Vorstellungen gegeben habe, wobei die
Kampfdauer jeweils 3 Minuten betragen habe. Der Kläger selbst gab an, dass er in
den Sommermonaten des Jahres 1988 noch einige inoffizielle Kämpfe in Österreich
bestritten habe. Auf Befragen der Beklagten informierte die Berufsgenossenschaft
Nahrungsmittel und Gaststätten in Hannover unter dem 24. März 1997 darüber,
dass der Versicherte (der Kläger) während des Frühlings- und Winter-Doms im
Jahre 1988 an drei Tagen in der Woche bis zu fünf Kämpfe durchgeführt habe a 3
Minuten. Wegen der Kürze der verbrachten Zeiten im Rahmen dieser Sport-Show
seien die Voraussetzungen für die Anerkennung als Berufskrankheit nicht
gegeben, und diese Tätigkeit sei auch nicht dazu geeignet gewesen, zu
degenerativen Schädigungen zu führen.
In einer Stellungnahme des Bereichs Arbeitsmedizin der Beklagten führte Dr. S
aus, dass die Tätigkeit als Catcher ohne Zweifel eine Belastung der Wirbelsäule
und des gesamten Bewegungsapparates darstelle, die weit über derjenigen der
übrigen Bevölkerung liege. Durch die Aktionen des Kampfgegners würden
praktisch alle Gelenke mit Gewalt über den physiologischen Winkelbereich hinaus
in Extremstellungen gezwungen. Statistisch epidemiologische Erkenntnisse seien
wegen der geringen Anzahl von Berufscatchern hinsichtlich einer Berufskrankheit
nicht zu erwarten. Bei der Berücksichtigung einer Berufskrankheit habe der
Verordnungsgeber die spezielle Gefährdung der Berufsgruppe der Berufscatcher
wegen ihrer geringen Zahl überhaupt nicht in seinem Blickfeld gehabt. In dem
fachchirurgischen Zusammenhangsgutachten von M.-C. /Dr. E vom 27. Mai 1997
führen diese aus, dass bei der Halswirbelsäule eine schwerstgradige
Spondylarthrose aller Segmente mit Betonung C2/C3, C3/C4 vorliege. Eine
bandscheibenbedingte Erkrankung lasse sich zwar unter die
Berufskrankheitslisten-Nr. 2109 einordnen, dabei handele es sich aber um eine
Erkrankung der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der
Schulter, wie sie bei Fleischträgern in der DDR oder bei Sackträgern, die Säcke
zwischen 80 und 100 kg tragen müssten, festgestellt worden seien. Das vermehrte
Auftreten von Bandscheibenschäden und Verschleißumformungen der
Halswirbelsäule durch Kampftechniken sei der sportmedizinischen Literatur nicht
zu entnehmen. Es gäbe Erfahrungsberichte, dass bei Ringern bei bestimmten
Griffarten vermehrt Verletzungen an der Halswirbelsäule auftreten könnten,
daraus könne aber keine Berufskrankheit abgeleitet werden. Eine Anerkennung als
Berufskrankheit Nr. 2109 könne daher nicht festgestellt werden.
Auch der monosegmentale Bandscheibenschaden im Segment L4/L5 sei nicht
unter die Berufskrankheit Nr. 2108 einzuordnen. Biomechanisch gäbe es keine
Gründe, dass lediglich im Segment L4/L5 ein Bandscheibenschaden auftrete,
jedoch nicht in den angrenzenden Segmenten. Eine auf die Wirbelsäule
einwirkende Kraft, die lediglich ein Segment schädige, gäbe es nicht. Ein so
genanntes belastungskonformes Schadensbild im Bereich der Lendenwirbelsäule
läge demnach nicht vor. Der monosegmentale Schaden im Segment L4/L5 sei
nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch die Tätigkeit als Ringer verursacht
worden. Die Erkrankungen könnten auch nicht wie eine Berufskrankheit anerkannt
werden.
Mit Bescheid vom 22. Juli 1997 wurden daraufhin die Wirbelsäulenerkrankungen
des Klägers weder als Berufskrankheit noch wie eine Berufskrankheit anerkannt.
Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 23. am 25. Juli 1997 Widerspruch ein.
Zur Begründung führte er aus, die festgestellten Erkrankungen seien durch
Abnutzung während seiner 34-jährigen Karriere als Profi-Sportler entstanden.
In einem Schreiben von Dr. D. vom 18. Februar 1998 ist angeführt, dass mit
8
9
10
11
12
13
14
In einem Schreiben von Dr. D. vom 18. Februar 1998 ist angeführt, dass mit
Sicherheit davon ausgegangen werden könne, dass die arbeitstechnischen
Voraussetzungen im Sinne der BK 2109 im vorliegenden Falle nicht gegeben
seien.
Dr. R. kommt in seinem fachorthopädischen Gutachten vom 19. Januar 2000 zu
der Überzeugung, dass Berufsringer und Catcher in einem erheblich höheren Grad
als die übrige Bevölkerung einer Schädigung der Halswirbelsäule und
Lendenwirbelsäule ausgesetzt seien und dass bei dem Kläger eine Berufskrankheit
nach Nr. 2109 und Nr. 2108 anzuerkennen sei. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit
(MdE) für die Halswirbelsäulenerkrankung betrüge 20 v. H., für die
Lendenwirbelsäulenerkrankung 10 v. H.
In einer Stellungnahme vom 22. September 2000 nimmt der Gutachter M.-C.
hierzu Stellung und erläutert, dass der monosegmentale Bandscheibenschaden
im Segment L4/L5 für eine anlagebedingte Störung spreche. Ein
monosegmentaler Bandscheibenschaden stelle kein belastungskonformes
Schadensbild dar, und dies sei in Sachverständigenkreisen eine weit verbreitete
Ansicht, die sich auch die Gerichte nahezu ausschließlich zu eigen gemacht
hätten. Es gäbe auch keine Hinweise auf eine Berufskrankheit nach Nr. 2109 und
2108. Der Kläger habe seine Betätigung als Berufsringer im Jahre 1987
aufgegeben. Die danach erfolgten Kämpfe bei kleineren Veranstaltungen hätten
zu keiner gefährdenden Belastung mehr geführt. Daher seien die
versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, um eine Berufskrankheit nach diesen
Ziffern anzuerkennen, nicht gegeben. Im Übrigen sei die Karriere als Berufsringer
aufgegeben worden wegen der Funktionsstörung der Hüftgelenke und nicht wegen
der Erkrankungen der Hals- und Lendenwirbelsäule. Die Auswertung der
wissenschaftlichen Literatur ergebe, dass es bei Ringern häufiger zu Zerrungen,
Prellungen oder Stauchungen der Halswirbelsäule komme, seltener zu ernsten
Verletzungen, äußerst selten zu Bandscheibenschäden, jedoch nicht zu
chronischen Rückenschmerzen mit oder ohne degenerative Veränderungen. Man
könne von einer gewissen Verletzungshäufigkeit oder Verletzungsmöglichkeit bei
Ringern jedoch nicht auf das vermehrte Auftreten einer bandscheibenbedingten
Erkrankung schließen, denn es handele sich um zwei völlig unterschiedliche
Tatbestände. Es sei daher durch keine einzige wissenschaftliche Veröffentlichung
belegt, dass bei Ringern in höherem Maße als in der Normalbevölkerung
Bandscheibenschäden der Hals- oder Lendenwirbelsäule aufträten.
In einem weiteren Gutachten vom 22. August 2000 zum Aktenzeichen S 1 U
100/98 kommt der Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. H. zu dem Ergebnis,
dass bei dem Kläger eine Verschleißumformung der Halswirbelsäule mit einer
segmentalen Lockerung im Bereich der oberen Halswirbelsäule zwischen dem
zweiten und dritten, dritten und vierten sowie dem vierten und fünften Halswirbel
vorliege. Des Weiteren bestünden degenerative Veränderungen der Wirbelsäule im
Bereich der oberen Halswirbelsäule sowie eine Arthrose, eine
Verschleißumformung im Bereich des ersten Halswirbels am Übergang zum Kopf.
Aufgrund seiner Tätigkeit als Berufsringer sei es aufgrund von Überstreckungen
sowie übermäßiger Beugung im Bereich der Halswirbelsäule zu Verletzungen
gekommen, die in der Folge zu den festgestellten Verschleißumformungen geführt
hätten.
Im Bereich der Lendenwirbelsäule finde sich bei dem Kläger ein
Bandscheibenschaden in dem Zwischenwirbelraum zwischen dem 4. und 5.
Lendenwirbelkörper mit fast völliger Aufhebung des Zwischenwirbelraumes sowie
eine Verschleißumformung mit beginnender Spangenbildung. Insoweit sei
zumindest der Verdacht auf das Vorliegen einer bandscheibenbedingten
Erkrankung durch die Berufstätigkeit gegeben. Es sei daher anzunehmen, dass die
Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit im Sinne der BK 2108
vorlägen.
Hinsichtlich der Halswirbelsäule sei eine Berufskrankheit wie nach BK 2109 mit
einer MdE von 20 v. H. anzunehmen und hinsichtlich der Lendenwirbelsäule eine
Berufskrankheit nach BK 2108 mit einer MdE ebenfalls von 20 v. H.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30. August 2001, zugestellt
am 3. September 2001, zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die
Voraussetzung, dass der Versicherungsfall nach dem 31. März 1988 eingetreten
sei, sei nicht erfüllt, denn der Kläger habe seine Karriere als Berufsringer im Jahre
1987 aufgegeben, und die danach durchgeführten Kämpfe stellten keine
15
16
17
18
19
20
21
22
23
1987 aufgegeben, und die danach durchgeführten Kämpfe stellten keine
regelmäßige belastende Tätigkeit dar. Im Übrigen lägen aber auch die
Voraussetzungen für die Anerkennung von Berufskrankheiten nach Nr. 2108 und
2109 nicht vor, und es könnte auch keine Berufskrankheit wie nach Nr. 2108 oder
2109 anerkannt werden.
Der Kläger hat am 2. Oktober 2001 Klage erhoben und dazu ausgeführt, es gebe
einen Zusammenhang zwischen seiner Tätigkeit als Berufsringer und den
streitgegenständlichen Krankheiten. Das könnte auch von Zeugen bestätigt
werden, die ebenfalls Berufsringer gewesen wären und vergleichbare Krankheiten
hätten (Bl. 17 GA). Zur Bestätigung hat er ein Attest der chirurgischen
Gemeinschaftspraxis Dr. G. u.a. vom 10. September 2001 über einen anderen
Berufsringer vorgelegt, in welchem ein Wirbelsäulensyndrom bei erheblichen
umformenden Wirbelkörperveränderungen im LWS-Bereich festgestellt wurde
sowie, dass die Veränderungen als Folge der erlittenen Verletzungen und der
Belastung als Berufsringer anzusehen seien.
Der Kläger hat beantragt, 1. den Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 1997 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2001 aufzuheben 2. die
Beklagte zu verurteilen, seine Hals- und Lendenwirbelsäulenerkrankung als bzw.
wie eine Berufskrankheit im Sinne der Nummern 2108 bzw. 2109 der Anlage 1 zur
Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen und nach Maßgabe des Gesetzes zu
entschädigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat darauf verwiesen, dass die Berufskrankheit nicht nach dem Stichtag
aufgetreten sei, sowie auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und im
Gutachten von M.-C.
Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Orthopäden Dr. N. eingeholt. In seinem
Gutachten vom 2. Dezember 2003 hat dieser ausgeführt, dass Voraussetzung für
die Anerkennung einer BK 2108 ein belastungskonformes Schadensbild mit einem
von oben nach unten zunehmenden Verschleiß sei und ein solches
belastungskonformes Schädigungsbild bei dem Kläger nicht vorläge. Bei diesem
läge vielmehr in der Etage L4/5 ein schicksalhafter Verschleiß vor. Auch in der nicht
belastend tätigen Bevölkerung unterliege gerade die Bandscheibe L4/5 einer
bevorzugten Degeneration. Der Gesetzgeber habe aber mit Einführung der BK
2108 nicht den auch sonst häufig in der Bevölkerung vorkommenden
Bandscheibenvorfall entschädigen wollen, sondern die berufsbedingte Zerrüttung
der Bandscheiben eines Wirbelsäulenabschnitts.
Bezüglich einer BK 2109 lägen bei einem Ringer die klassischen Belastungen durch
stundenlanges Tragen unförmiger Lasten auf der Schulter mit verstärkter
Seitneige und Rückneigung des Kopfes nicht vor. Die geforderten Kriterien zur
Anerkennung einer solchen Berufskrankheit bezögen sich auf lang einwirkende
Belastungen, durch die die Ernährungssituation der Bandscheiben verschlechtert
werde. Eine massive Überstreckung und Überbeugung der Halswirbelsäule bei
Ringern dürfte - wenn überhaupt - allenfalls wenige Minuten bestanden haben.
Diese kurze Zeitdauer reiche nicht aus, um eine nachhaltige Störung der
Ernährungssituation der Bandscheiben zu bewerkstelligen. Hingegen sei von
massiven, plötzlichen, relativ kurz anhaltenden Gewalteinwirkungen auf
Bandscheibe, Bänder und Wirbelgelenke auszugehen, die im Einzelnen für sich
keine Schädigung herbeiführen dürften. Es handele sich daher allenfalls um
plötzliche, immer wiederkehrende kleinste Traumata mit zunächst minimalen
Strukturverletzungen, die sich später ausweiteten.
Die bei dem Kläger bestehende bandscheibenbedingte Erkrankung der HWS und
LWS stellten somit keine BK 2108 oder 2109 dar. Erkenntnisse, dass bei
Profiringern eine wesentliche Inzidenz für degenerative HWS-Erkrankungen
vorlägen, seien ihm nicht bekannt und ließen sich bei einer Internet-Recherche im
Rahmen des Gutachtens nicht in der Literatur finden. Die geschilderten
Grundlagenuntersuchungen stammten sämtlich aus den 60er bis 80er Jahren und
seien somit bei der Fassung der BK 2108 und 2109 bekannt gewesen.
Das Sozialgericht Itzehoe hat mit Urteil vom 21. Juni 2004 die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt:
"Die Voraussetzungen für die Anerkennung und Entschädigung einer BK 2109
liegen nicht vor. Diese Listenerkrankung umfasst bandscheibenbedingte
24
25
26
27
liegen nicht vor. Diese Listenerkrankung umfasst bandscheibenbedingte
Erkrankungen der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf
der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die
Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit
ursächlich waren oder sein können. Hierfür ist ein fortgesetztes Tragen schwerer
Lasten auf der Schulter einhergehend mit einer statischen Belastung der
zervikalen Bewegungssegmente und außergewöhnlicher Zwangshaltung der
Halswirbelsäule zu fordern. Einer derartigen Belastung war der Kläger während
seiner Tätigkeit als Berufsringer nicht ausgesetzt. Zwar wirken beim Ringen und
Catchen durch die massive Überstreckung oder auch Überbeugung des Kopfes
Schädigungsmechanismen auf die Halswirbelsäule ein. Hierbei handelt es sich
jedoch nicht um Schädigungsmechanismen auf die Bandscheiben im Sinne der BK
2109. Eine Überstreckung oder Überbeugung der Halswirbelsäule beim Ringen -
wenn sie überhaupt täglich stattgefunden hat - dürfte allenfalls wenige Minuten
bestanden haben. Diese kurze Zeitdauer reicht jedoch nicht aus, um eine
nachhaltige Störung der Ernährungssituation der Bandscheibe zu bewerkstelligen.
Der Verordnungsgeber wollte mit der BK 2108 Dauerbelastungen entschädigen,
durch die durch langanhaltende hohe Druckbelastung die Diffusionswege innerhalb
der Bandscheiben gestört werden und die eine vorzeitige Austrocknung des
Bandscheibengewebes bedingen. Demgegenüber ist beim Kläger aufgrund der
Schädigungsmechanismen bei seiner Tätigkeit als Ringer von plötzlichen, relativ
kurz anhaltenden Gewalteinwirkungen auf die Bandscheiben, Bänder und
Wirbelgelenke auszugehen, die dann zu immer wiederkehrenden kleinsten
Traumata mit zunächst minimalen Strukturverletzungen auszugehen, die sich
später ausweiteten. Diese Mikrotraumatisierungen von bradytrophem Gewebe
durch sportliche Belastungen ist seit langem bekannt, wird jedoch von der BK 2109
nicht erfasst.
Aus diesem Grunde scheidet auch die Anerkennung der
Halswirbelsäulenerkrankung des Klägers wie eine BK 2109 aus. Die Anerkennung
einer Erkrankung nach § 551 Abs. 2 RVO erfordert zudem grundsätzlich die
Feststellung einer gruppenspezifischen Risikoerhöhung. Diese Risikoerhöhung ist
bei der Überstreckung und Überbeugung der Halswirbelsäule bei Berufsringern
hinsichtlich der Bandscheibe nicht gegeben. Vielmehr kommt es zu den
geschilderten Mikrotraumatisierungen im Bereich des Bandapparates und der
Wirbelgelenke. Damit sind jedoch Strukturen erfasst, die nicht von der BK 2109
erfasst werden. Auch im Falle des Klägers ist die Bandscheibenhöhe im Segment
C3/C4 und C4/C5 relativ gut erhalten und erklärt nicht den massiven Verschleiß der
Wirbelgelenke in diesen Etagen.
Die Beklagte hat auch zu Recht die Anerkennung einer BK 2108 abgelehnt. Dabei
kann die Kammer dahingestellt sein lassen, ob der Kläger überhaupt nach dem
Stichtag am 31. März 1988 noch eine wirbelsäulenbelastende Tätigkeit ausgeübt
hat bzw. ob die Aufgabe der Tätigkeit als Berufsringer aufgrund des
Bandscheibenschadens im Bereich der Lendenwirbelsäule zu diesem Zeitpunkt
geboten war. Beim Kläger liegt im Bereich der Lendenwirbelsäule kein
belastungskonformes Schadensbild mit einem von oben nach unten
zunehmenden Verschleiß vor. 1988 zeigte lediglich die Bandscheibe L4/L5 einen
nennenswerten Verschleiß. Es gibt keinen plausiblen Grund dafür, warum lediglich
ein Bewegungssegment im Lendenwirbelsäulenbereich durch berufliche
Belastungen geschädigt werden sollte, während sämtliche anderen Bandscheiben
gegen die Belastung resistent zu sein scheinen. Ein generalisiert anlagebedingt
minderwertiger Knorpel ist beim Kläger auszuschließen. Ansonsten wäre zu
erwarten, dass auch die anderen Lendenwirbelsäulen-Bandscheiben einen
höhergradigen Verschleiß aufweisen würden, zusätzlich auch im Brustwirbel- und
Halswirbelsäulenbereich. Im Falle des Klägers ist daher eher von einem
schicksalhaften Verschleiß der Bandscheibe L4/L5 auszugehen. Auch in der
nichtbelastend tätigen Bevölkerung unterliegt gerade diese Bandscheibe neben
der Bandscheibe L5/S1 einer bevorzugten Degeneration."
Gegen das am 12. Juli 2004 dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellte
Urteil hat der Kläger am 6. August 2004 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt
er aus, dass die Erkrankungen der Halswirbelsäule und der Lendenwirbelsäule als
Berufskrankheiten anzuerkennen seien, denn diese seien berufsbedingt
entstanden, da sie bei vielen Ringern festzustellen seien (Beweis: diverse Zeugen -
Bl. 118 GA -).
Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts
Itzehoe vom 21. Juni 2004 den Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 1997 in der
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
Itzehoe vom 21. Juni 2004 den Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 1997 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2001 aufzuheben und die
Beklagte zu verpflichten, seine Hals- und Lendenwirbelsäulenerkrankung als bzw.
wie eine Berufskrankheit im Sinne der Nummern 2108 bzw. 2109 der Anlage 1 zur
Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen und ihn nach Maßgabe des Gesetzes
zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf das erstinstanzliche Urteil.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Beiakten sowie
auf die Gerichtsakten im Verfahren S 9 U 101/98 und S 1 U 100/98 bzw. L 8 U 3/01
Bezug genommen. Diese sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gemacht worden.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Sozialgericht hat zutreffend die Anerkennung einer Berufskrankheit zugunsten
des Klägers abgelehnt.
Die beim Kläger festgestellten Gesundheitsstörungen im Bereich der Wirbelsäule
sind keine entschädigungspflichtigen Berufskrankheiten und auch nicht wie
Berufskrankheiten zu entschädigen.
Eine berufsbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule oder der Halswirbelsäule
kann erst aufgrund der in der 2. Änderungsverordnung vom 18. Dezember 1992
(BGBl. I 2343) eingefügten Nummern 2108 und 2109 der Anlage 1 zur
Berufskrankheitenverordnung (BKV) als BK im Sinne des § 551 Abs. 1
Reichsversicherungsordnung (RVO) anerkannt werden. In die vorausgegangene
Anlage 1 zur BKV in der Fassung der 1. Änderungs-VO vom 22. März 1988 (BGBl. I
400) waren diese Krankheiten nicht aufgenommen. Für neu in die Anlage 1 zur
BKV aufgenommene Krankheiten bestimmt Art. 2 Abs. 2 Satz 1 der 2. Änderungs-
VO ausdrücklich, dass nur dann eine BK auf Antrag anzuerkennen ist, wenn der
Versicherungsfall nach dem 31. März 1988 eingetreten ist. Diese
Stichtagsregelung ist zulässig und auch verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Januar 1995 - 2 RO 14/94 -,
HVBG-Info 16/1995 S. 1331). Nach § 551 Abs. 1 RVO, der gemäß § 212
Sozialgesetzbuch, Siebentes Buch (SGB VII) für Versicherungsfälle vor In-Kraft-
Treten des SGB VII am 1. Januar 1997 weiter gilt, sind Berufskrankheiten die
Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit
Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in
den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Die
Bundesregierung wird ermächtigt, in der Verordnung solche Krankheiten zu
bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch
besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen
durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung
ausgesetzt sind. Sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann
Berufskrankheiten sind, wenn sie durch die Arbeit in bestimmten Unternehmen
verursacht worden sind.
Nach Anlage 1 zur BKV Nr. 2108 können als Berufskrankheiten anerkannt werden:
bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges
Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer
Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die
für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit
ursächlich waren oder sein können.
Nach Nr. 2109 können als Berufskrankheiten anerkannt werden:
bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule durch langjähriges
Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten
gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das
Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Die vom Kläger geltend gemachten Voraussetzungen der Anerkennung einer
Berufskrankheit waren aber bereits vor dem 1. April 1988 erfüllt. Der Kläger hatte
39
40
41
Berufskrankheit waren aber bereits vor dem 1. April 1988 erfüllt. Der Kläger hatte
wegen erheblicher Erkrankungen seine Karriere als Proficatcher im Jahre 1987
beendet. Das hat er sowohl bei Antragstellung und ebenfalls im Gespräch am 26.
Juli 1996 ausgeführt. Das geht auch aus der Dokumentation seiner Catcherkarriere
von G. S. hervor. Das hat der Kläger nochmals dokumentiert, als er mitteilte, dass
der bis 1990 verlängerte Vertrag nicht erfüllt werden konnte, da er 1987 seine
Karriere beendet habe. Da somit das Unterlassen aller Tätigkeiten, die für die
Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit
ursächlich waren oder sein können, vor dem Stichtag eingetreten ist, kann eine
Berufskrankheit nicht mehr anerkannt werden. Insoweit ist auch unerheblich, ob
der Kläger seine Berufskarriere wegen der Hüfterkrankung beendet hat - wofür
einiges spricht, da er alsbald an der Hüfte operiert wurde - oder ob hierfür die
Wirbelsäulenerkrankungen maßgeblich waren. Selbst unterstellt, Letztere hätten
das Ende der Karriere bewirkt, bleibt es weiterhin dabei, dass eine Berufskrankheit
wegen der Stichtagsregelung nicht in Betracht kommt. Zwar hat der Kläger nach
diesem Zeitpunkt noch auf dem Frühjahrs- und Herbst-Dom in H. gearbeitet bzw.
nach seinen Angaben inoffiziell in Österreich. Bei der Wiederaufnahme der Tätigkeit
ist aber darauf abzustellen, ob die erneut aufgenommene Tätigkeit nach ihrer
Dauer geeignet war, die Krankheit nennenswert zu verschlimmern.
Vorübergehende Tätigkeiten, etwa Aushilfstätigkeiten, die für das Schadensbild
irrelevant sind, blieben damit außer Betracht (Brandenburg,
Wirbelsäulenerkrankungen als Berufsbild, BG 1993, S. 791 f.). Nach Auffassung des
Senats haben die nach dem Stichtag durchgeführten Kämpfe das Krankheitsbild
nicht nennenswert verschlimmert. Die Kämpfe auf dem H. Dom dauerten jeweils
längstens 3 Minuten und fanden auch nur an Wochenenden statt. Im Übrigen ist
davon auszugehen, dass der Kläger aufgrund seiner Erfahrung den gegen ihn
angetretenen Gegnern weitaus überlegen war, so dass es ihm möglich gewesen
sein wird, Verletzungen bzw. wesentliche Einwirkungen auf seine Wirbelsäule zu
vermeiden. Hinsichtlich der angegebenen Kämpfe in Österreich ist nicht dargelegt,
dass diese sich wesentlich auf die Wirbelsäule des Klägers ausgewirkt hätten. Auch
dürfte es sich insoweit lediglich um vorübergehende Tätigkeiten handeln.
Das kann aber letztlich dahinstehen, denn auch unabhängig von der
Stichtagsregelung kommt eine Anerkennung als Berufskrankheit nicht in Betracht.
Die Voraussetzungen der Nummern 2108 und 2109 der Anlage 1 zur BKV sind
nicht gegeben, wie das Sozialgericht in seinem Urteil vom 21. Juni 2004 zutreffend
ausgeführt hat, auf das insoweit entsprechend § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz
(SGG) Bezug genommen wird.
Die Wirbelsäulenerkrankungen des Klägers können auch nicht nach § 551 Abs. 2
RVO Berücksichtigung finden. Nach dieser Vorschrift sollen die Träger der
Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der
Rechtsverordnung bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht
vorliegen, wie eine Berufskrankheit entschädigen, sofern nach neuen
Erkenntnissen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind. § 551 Abs.
2 RVO ist aber keine Auffangnorm zur Entschädigung von Berufskrankheiten, die
nach neuem Recht mangels weitergehender Rückwirkung nicht entschädigt werden
können (Eilebrecht, Die Rückwirkungsklausel der 2. Verordnung zur Änderung der
Berufskrankheitenverordnung, BG 1993, S. 187, 189). Wegen der
Stichtagsregelung kommt hier ebenfalls keine Anerkennung wie eine
Berufskrankheit in Betracht.
Aber selbst bei Außerachtlassen der Stichtagsregelung wäre hier die Anerkennung
wie eine Berufskrankheit nicht möglich. § 551 Abs. 2 RVO soll Härten für den
Einzelnen beseitigen helfen, die dadurch entstehen, dass die Voraussetzungen für
das Anerkennen einer Krankheit als Berufskrankheit vorliegen, aber der
Verordnungsgeber, der die Verordnung in Abständen von jeweils mehreren Jahren
ergänzt, diese nicht unmittelbar nach der Erkenntnis angepasst hat. Eine
Krankheit kann daher wie eine Berufskrankheit anerkannt werden, wenn nach
neuen medizinischen Erkenntnissen die Krankheit durch besondere Einwirkungen
verursacht wird, denen bestimmte Personengruppen durch die Arbeit in erheblich
höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (Schönberger u. a.,
Arbeitsunfall und Berufskrankheit, S. 92 f. - auch zum Folgenden -). Dabei sind
besondere Einwirkungen solche, die über die in der Arbeitswelt allgemein üblichen
Belastungen qualitativ oder quantitativ hinausgehen. Diese Einwirkungen müssen
auch nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet sein,
Krankheiten solcher Art zu verursachen. Maßgebend ist die herrschende
Auffassung der Fachwissenschaftler. Vereinzelte Meinungen auch von
Sachverständigen reichen nicht aus. Die Erkenntnisse sind als neu anzusehen,
42
43
Sachverständigen reichen nicht aus. Die Erkenntnisse sind als neu anzusehen,
wenn sie erst nach der letzten Änderung der Berufskrankheitenliste gewonnen
oder jedenfalls bekannt geworden sind oder sich erst nach der letzten Änderung
der Berufskrankheitenlisten zur Allgemeingültigkeit verdichtet haben oder zwar
objektiv alt sind, dem Verordnungsgeber aber nicht bekannt waren und daher von
ihm nicht berücksichtigt werden konnten, oder dem Verordnungsgeber zwar
bekannt, aber dennoch nicht geprüft oder gewürdigt worden sind. Zwar dürften die
Einwirkungen bei den Kämpfen von Catchern weit über die allgemein üblichen
Belastungen in der Arbeitswelt hinausgehen, wie unter anderem in der
arbeitsmedizinischen Stellungnahme von Dr. S. vom 1. November 1996
dargestellt ist. Es ist aber nichts dafür nachgewiesen, dass nach den
Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Einwirkungen geeignet sind, die
bei dem Kläger vorliegenden Krankheiten hervorzurufen. M.-C. stellt in seinem
Gutachten vom 27. Mai 1997 und insbesondere in der gutachterlichen
Stellungnahme vom 22. September 2000 ausführlich dar, dass es dahingehende
feststehende Erkenntnisse in der Wissenschaft gerade nicht gibt. Das wird auch
von Dr. N. in seinem Gutachten vom 2. Dezember 2003 gestützt, der überdies
neben den wissenschaftlichen Veröffentlichungen auch über das Internet keine
derartige Aussage gefunden hat. Zwar hat Dr. R. in seinem Gutachten vom 19.
Januar 2000 anhand der Literatur näher ausgeführt, dass Berufsringer erheblichen
Verletzungsgefahren ausgesetzt seien. Wie von M.-C. in seiner gutachterlichen
Stellungnahme vom 22. September 2000 ausgeführt wird, ist eine vermehrte
Verletzungshäufigkeit nicht aussagekräftig für eine vermehrte
bandscheibenbedingte Erkrankung bei Ringern. Es gibt somit gerade keine
wissenschaftlichen Erkenntnisse für eine berufsbedingte Erkrankung bei Ringern.
Daher war auch dem Beweisangebot des Klägers, andere Ringer als Zeugen hierzu
zu hören, nicht nachzugehen, denn deren Meinungen können die Erkenntnisse der
medizinischen Wissenschaft nicht ersetzen. Im Übrigen handelt es sich bei der
überwiegenden Anzahl der von Dr. R. und Herrn M.-C. sowie Dr. N. angeführten
Literaturstellen um solche älterer Art, so dass die Erkenntnisse nicht neu sind.
Eine Kostenerstattung findet nach § 193 Abs. 4 SGG nicht statt bzw. ist nach § 193
Abs. 1 SGG nicht geboten.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht
ersichtlich.