Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 15.03.2017

LSG Schleswig-Holstein: fernseher, kaution, anteil, immaterialgüterrecht, zivilprozessrecht, verfahrensmangel, leistungsbezug, darlehen, zugang, quelle

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Landessozialgericht
9. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 9 B 426/07 NZB
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 28 Abs 1 S 1 SGB 12, § 28
Abs 1 S 2 SGB 12, Art 5 Abs 1
GG
Sozialhilfe - Hilfe zum Lebensunterhalt - Anschaffung eines
Fernsehgerätes aus dem Ansparbetrag des Regelsatzes -
Verfassungsmäßigkeit
Tenor
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des
Sozialgerichts Schleswig vom 17. April 2007 wird zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Beschwerdeverfahren sind nicht zu
erstatten.
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 145
Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes
übersteigt mit den geltend gemachten 480,16 EUR als Darlehen für die
Anschaffung eines Fernsehgerätes den Wert von 500,00 EUR nicht, so dass die
Berufung der Zulassung bedarf, die im Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 17.
April 2007 nicht zugelassen wurde. Die am 3. Mai 2007 erhobene Beschwerde
gegen das Urteil vom 17. April 2007 ist fristgemäß.
Die Zulassungsbeschwerde ist jedoch nicht begründet.
Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des
Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des
Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung
beruht oder
3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel
geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruht.
Keine dieser Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Die mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachte grundsätzliche
Bedeutung der Rechtssache besteht nicht. Grundsätzliche Bedeutung hat eine
Rechtssache nur dann, wenn sie klärungsbedürftige Rechtsfragen aufwirft und die
Klärung im allgemeinen Interesse steht (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, §
144, Rdnr. 28). Nicht klärungsbedürftig ist weiterhin eine Rechtsfrage, wenn ihre
Beantwortung sich unmittelbar und ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt oder
unzweifelhaft ist (a.a.O., § 160, Rdnr. 7, 7b).
Die vom Kläger als rechtsgrundsätzlich angegebene Frage, ob der Anteil der
Regelleistung, der den Rückstellungen für Anschaffungen dient, nur angerechnet
werden kann, soweit für einzelne Bedarfspositionen Beträge angespart sind, oder
ob eine Umschichtung aus anderen Bedarfspositionen möglich sind, ist in diesem
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ob eine Umschichtung aus anderen Bedarfspositionen möglich sind, ist in diesem
Sinne nicht klärungsbedürftig und eine Klärung ist nicht von allgemeinem
Interesse. Es liegt auf der Hand, dass nicht die Ansparbeträge maßgeblich sind,
die für bestimmte Bedarfssituationen zurückgelegt wurden, sondern dass insoweit
auch Umschichtungen vorzunehmen sind. Durch die Erhöhung des Regelsatzes
um ca. 50,00 EUR soll den Hilfeempfängern die Möglichkeit gegeben werden, im
Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten sich selbstbestimmt verhalten zu können.
Daher werden für besondere Bedarfe nur noch die Leistungen nach den §§ 30 ff.
Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII), gewährt. Die übrigen Bedarfe sind aus
dem sog. Ansparbetrag von knapp 50,00 EUR zu bedienen. Das Gesetz sieht auch
keine Übergangslösung dahingehend vor, dass unmittelbar nach dem Bezug von
Leistungen, also zu einem Zeitpunkt, als Ansparbeträge noch nicht in wesentlicher
Höhe vorhanden sind, Sonderbedarfe durch das Sozialamt befriedigt werden
sollen. Vielmehr geht es davon aus, dass unmittelbar ab Leistungsbezug, also zu
einer Zeit, als ein nennenswerter Betrag z. B. für einen Fernseher noch nicht
angespart ist, die Anschaffung eines Fernsehers - sofern er nicht zur
Erstausstattung gehört - vom Hilfebezieher zu bewerkstelligen ist. Somit setzt das
Gesetz unzweifelhaft voraus, dass Umschichtungen vorzunehmen sind und
durchaus auch in einem Monat der gesamte Ansparbetrag für einen besonderen
Bedarf ausgegeben werden kann. Das Sozialgericht ist somit zutreffend davon
ausgegangen, dass der Kläger darauf zu verweisen ist, sich entweder einen
gebrauchten oder einen günstigen neuen Fernseher anzuschaffen. Auch mit
einem gebrauchten oder einem kleineren Fernseher kann der Kläger seinem Recht
auf Zugang zu den Medien und Informationsfreiheiten nach Art. 5 Grundgesetz
nachkommen. Dabei ist unerheblich, dass ein neuer, teurer Fernseher eine höhere
Funktionsdauer hat sowie die Anschlussmöglichkeiten für Kabel und andere
Geräte. Auch insoweit hat das Sozialgericht zutreffend ausgeführt, dass die
Anschaffung eines solchen Fernsehers für ca. 500,00 EUR zur
Informationsbeschaffung aus den Medien nicht unabweisbar geboten ist. Dass der
Kläger altersbedingt und wegen seiner Erkrankungen einen größeren und teueren
Fernseher benötigt, ist nicht annähernd ersichtlich.
Die geltend gemachte Abweichung von einer Entscheidung höherer Gerichte nach
§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG liegt ebenfalls nicht vor. Soweit der Kläger sich ausdrücklich
auf den Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. Februar
2007 - L 20 B 129/06 SO - bezieht, weicht - abgesehen davon, dass das
Landessozialgericht im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG hier das Schleswig-
Holsteinische Landessozialgericht ist - die angegriffene Entscheidung des
Sozialgerichts Schleswig davon nicht ab, denn dort lag ein anderer Sachverhalt
zugrunde. In dieser Entscheidung wird der dortigen Klägerin eine von einer
Telefongesellschaft verlangte Kaution zur Errichtung eines Festnetzanschlusses
zugesprochen wegen der krankheitsbedingten besonderen Situation im Einzelfall.
Diese Kaution wurde ihr im Rahmen der Eingliederungshilfe zugebilligt. Im Fall des
Klägers ist nichts dafür vorgetragen, dass auch hier der Fernseher als
Eingliederungshilfeleistung gewährt werden müsste.
Schließlich liegt auch der geltend gemachte Verfahrensfehler nach § 144 Abs. 2
Nr. 3 SGG nicht vor. Der Kläger rügt, dass das Sozialgericht in der angegriffenen
Entscheidung sich nicht ausführlich auseinandergesetzt hat mit der vom Kläger
verneinten Möglichkeit der Umschichtung der Ansparbeträge. Das Sozialgericht
war hierzu bereits nicht gehalten, weil ausweislich der Gerichtsakte der Kläger
diesen Gesichtspunkt erst im Beschwerdeverfahren vorgetragen hat und er im
sozialgerichtlichen Verfahren nicht angesprochen wurde. Im Übrigen ist das
Sozialgericht - wie oben angeführt - zutreffend davon ausgegangen, dass eine
Umschichtung die Rechte des Klägers nicht verletzt. Weitere Verfahrensmängel
sind weder ersichtlich noch vorgetragen.
Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung von § 193 Abs. 1,
Abs. 4 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).