Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 28.09.2006

LSG Shs: betriebskrankenkasse, innere medizin, satzung, verfassungsbeschwerde, disziplinarverfahren, auskunftserteilung, patient, rechtskraft, verkündung, fax

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
Beschluss vom 28.09.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Kiel S 15 KA 130/03
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht L 4 KA 3/06
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 11. Juni 2006 wird zurückgewiesen. Der
Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Disziplinarmaßnahme.
Der 1945 geborene Kläger ist seit 1991 als praktischer Arzt und seit 1992 als Facharzt für innere Medizin zur
vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Beklagte hatte dem Kläger bereits mit Beschluss vom 15. Juli 1998
einen Verweis wegen Nichterfüllung seiner Auskunftspflicht erteilt. Der Kläger hat dagegen ohne Erfolg Klage,
Berufung und Revision eingelegt (vgl. BSG, Urteil vom 6. November 2002 - B 6 KA 9/02 R - SozR 3-2500 § 81 Nr. 9).
Eine dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde des Klägers wurde in das allgemeine Register eingetragen. Dort
werden nach einer Auskunft des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Februar 2005 Verfassungsbeschwerden
registriert, bei denen eine Annahme zur Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht nicht in Betracht kommt,
weil sie offensichtlich unzulässig sind oder unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts offensichtlich keinen Erfolg haben können. Der Kläger wurde durch das
Bundesverfassungsgericht auf Zulässigkeitsbedenken hingewiesen und das Verfahren wird dort nur weitergeführt, falls
der Kläger dies ausdrücklich wünscht (§ 61 Abs. 2 GOBVerfG). Der Vorgang wurde bis auf Weiteres weggelegt.
Mit Schreiben vom 21. Mai 1999 bat die Betriebskrankenkasse Ahlmann den Kläger um Erteilung einer Auskunft zu
den ärztlich behandelten Folgen eines Unfalles, den der Patient M F am 18. September 1998 erlitten hatte. Das
Schreiben der Betriebskrankenkasse Ahlmann enthielt den Zusatz "Für die Beantwortung dieser Anfrage ist die Nr. 77
BMÄ/EG-O berechnungsfähig". Ferner war ein Freiumschlag sowie ein der Vordruckvereinbarung (Anlage 2 EKV-Ä)
entsprechendes Formblatt beigefügt. Dieses Schreiben blieb ebenso wie Erinnerungen der Betriebskrankenkasse
Ahlmann vom 3. März 2000 und vom 5. April 2000, die ebenfalls den o. g. Hinweis auf die Berechnungsfähigkeit
enthielten, unbeantwortet. Auf eine weitere Erinnerung der Betriebskrankenkasse Ahlmann sandte der Kläger das
nicht ausgefüllte Formblatt mit dem Hinweis "nicht Patient bei mir" mit Telefax vom 25. Mai 2000 an die
Betriebskrankenkasse Ahlmann zurück. Daraufhin wies die Betriebskrankenkasse Ahlmann den Kläger mit Schreiben
vom 25. Mai 2000 darauf hin, dass das Krankenhaus R seinerzeit einen Befundbericht nachrichtlich an ihn
weitergeleitet habe. Er werde um nochmalige Durchsicht seiner Unterlagen gebeten. Der Kläger beantwortete auch
dieses Schreiben nicht. Ferner blieben telefonische Nachfragen in der Praxis des Klägers vom 28. Juni, vom 30. Juni,
vom 4. Juli und vom 7. Juli 2000 ohne Erfolg. Mit Schreiben vom 22. August 2000 erinnerte die Betriebskrankenkasse
Ahlmann den Kläger erneut eindringlich an die Beantwortung der Anfrage vom 21. Mai 1999 und beantragte am 23.
August 2000 bei der Beklagten unter Hinweis auf dieses Schreiben die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen
den Kläger. Schreiben der Beklagten vom 19. September 2000 und vom 12. Oktober 2000, mit denen der Kläger um
Stellungnahme zu dem Sachverhalt gebeten wurde, blieben unbeantwortet. Auf ein weiteres Schreiben der Beklagten
vom 27. November 2000 teilte der Kläger schließlich mit Telefax vom 14. Dezember 2000 mit, dass sich das
Schreiben der Betriebskrankenkasse Ahlmann vom 22. August 2000 in "unbewiesenen Behauptungen" ergehe. Es sei
sachlich nicht nachzuvollziehen, was es der Krankenkasse bringe, wenn ihr die Behandlungsdaten genannt würden,
"da an denselben Behandlungstagen möglicherweise auch andere unfallunabhängige Krankheiten behandelt wurden".
Ihm sei von der Betriebskrankenkasse Ahlmann bedeutet worden, dass seine Bemühungen nicht vergütet würden.
Daraufhin klärte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 23. Januar 2001 über seine Verpflichtung zur
Beantwortung der Anfrage der Betriebskrankenkasse Ahlmann auf und forderte die Betriebskrankenkasse Ahlmann
dazu auf, die Anfrage unter Beifügung des entsprechenden Formblatts erneut an den Kläger zu richten. Dem kam die
Betriebskrankenkasse Ahlmann mit Anfragen an den Kläger vom 26. März 2001, vom 10. April 2001, vom 3. Mai
2001, vom 20. Juli 2001 und vom 5. Juli 2001 nach. Eine Antwort ging bei der Betriebskrankenkasse Ahlmann
weiterhin nicht ein.
Mit Schreiben vom 12. Februar 2002 beantragte die Beklagte bei dem Disziplinarausschuss die Einleitung eines
Disziplinarverfahrens gegen den Kläger.
Der Disziplinarausschuss hörte den Kläger mit Schreiben vom 14. März 2002 zu dem Sachverhalt an. Der Kläger
teilte dazu mit Schreiben vom 23. Mai 2000 mit, dass er der Betriebskrankenkasse Ahlmann den ausgefüllten
Vordruck am 30. März 2001 ausgefüllt zurückgesandt habe.
Mit Beschluss vom 22. November 2002, zugestellt an den Kläger am 6. Februar 2003, erlegte der
Disziplinarausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein dem Kläger eine Geldbuße in Höhe von
2.500,00 EUR auf und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Der Kläger habe gegen seine im
Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) und im Bundesmantelvertrag-Ärzte-/Ersatzkassen (EKV-Ä) geregelten Pflichten
zur Auskunftserteilung gegenüber der Krankenkasse verstoßen. Er habe auf ausdrückliches und wiederholtes
Verlangen der Betriebskrankenkasse Ahlmann und der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein keine oder
keine hinreichende Auskunft über den Behandlungsfall F im Zusammenhang mit dessen Unfall vom 18. September
1998 erteilt. Die Rücksendung des Antwortformulars am 25. Mai 2000 mit dem Bemerken, Herr F sei kein Patient bei
ihm, stelle keine hinreichende Beantwortung dar, da sie nicht den Tatsachen entspreche, wie sich auch aus der
schriftlichen Einlassung des Klägers vom 23. Mai 2002 ergebe. Die Einlassung des Klägers, er habe die Aufforderung
der Betriebskrankenkasse Ahlmann durch die Übersendung des ausgefüllten Vordrucks am 30. März 2001
beantwortet, könne ihn nicht entlasten. Die Einlassung sei unzutreffend. Der Kläger sei insgesamt neunmal schriftlich
und viermal telefonisch durch die Betriebskrankenkasse Ahlmann zur Auskunft aufgefordert worden. Außerdem habe
er vier schriftliche Aufforderungen der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein erhalten. Es sei auch
unzutreffend, dass er unter dem 30. März 2001 das Antragsformular an die Betriebskrankenkasse Ahlmann
zurückgesandt habe. Die Betriebskrankenkasse Ahlmann habe dieses Fax offensichtlich nicht erhalten. Selbst wenn
er das Fax an die Betriebskrankenkasse Ahlmann abgesandt hätte, hätte er seine vertragsärztlichen Pflichten
verletzt, weil zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere vergebliche schriftliche und telefonische Anfragen an ihn gerichtet
worden waren. Der Kläger habe auch schuldhaft gehandelt, weil er die Auskunft bewusst und gewollt nicht erteilt habe.
Der Disziplinarausschuss gelange zu der Überzeugung, dass das Verhalten des Klägers disziplinarisch zu ahnden sei.
Ihm müsse deutlich vor Augen geführt werden, dass er ein derartiges Verhalten gegenüber der Krankenkasse nicht
wiederholen dürfe. Ohne eine disziplinarische Ahndung bestünde die erhebliche Gefahr, dass sich der Kläger auch
künftig nicht an seine Auskunftspflichten gegenüber der Krankenkasse halten werde. Bei der Auswahl der
Disziplinarmaßnahme sei berücksichtigt worden, dass der Kläger bereits wegen desselben Verstoßes disziplinarisch
belangt worden sei. Diese Maßnahme sei offensichtlich nicht ausreichend gewesen, um ihn zur Einhaltung der
vertragsärztlichen Pflichten zu bewegen. Ferner müsse berücksichtigt werden, dass er auch im vorliegenden
Verfahren keine Einsicht gezeigt habe. Er habe vielmehr versucht, mit unzutreffenden Angaben einer Maßnahme zu
entgehen. Er habe auch in keiner Weise zu erkennen gegeben, dass er künftig seine Auskunftsverpflichtungen
erfüllen werde. Sein Schreiben vom 14. Dezember 2000 an die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein lasse
vielmehr erwarten, dass er die Notwendigkeit der Auskunftserteilung weiterhin nicht einsehe. Daher käme als
Disziplinarmaßnahme nur eine Geldbuße in fühlbarer Höhe in Betracht. Die festgesetzte Geldbuße in Höhe von
2.500,00 EUR sei notwendig, aber auch ausreichend, um den Kläger mit dem in seinem Fall erforderlichen Nachdruck
zur Einhaltung seiner Auskunftspflichten gegenüber den Krankenkassen anzuhalten.
Gegen den ihm am 6. Februar 2003 zugestellten Beschluss hat sich der Kläger mit der am 6. März 2003 erhobenen
Klage gewandt und zur Begründung im Wesentlichen wiederholt, dass er die Frage der Betriebskrankenkasse
Ahlmann beantwortet habe. Der Disziplinarausschuss habe bei seiner Entscheidung über die Auferlegung einer
Geldbuße in Höhe von 2.500,00 EUR zu Unrecht berücksichtigt, dass er bereits wegen eines entsprechenden
Verstoßes disziplinarisch belangt worden sei. Der vorangegangene Beschluss sei noch nicht rechtskräftig und die
Verfehlung, auf der der Beschluss beruhe, liege schon mehr als zehn Jahre zurück.
Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
den Beschluss der Beklagten vom 20. November 2002 aufzuheben, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, eine
geringere Geldbuße zu verhängen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat sich zur Begründung auf die Gründe des Beschlusses vom 20. November 2002 bezogen und
ergänzend ausgeführt: Die behauptete Antwort des Klägers vom 30. März 2001 auf die Anfrage der
Betriebskrankenkasse Ahlmann sei dort nicht angekommen. Die Angaben des Klägers ließen sich nicht beweisen.
Nach dem auch im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast gehe dies zu Lasten
des Klägers. Im Übrigen läge eine Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten auch vor, wenn der
Betriebskrankenkasse Ahlmann das Antwortschreiben des Klägers vom 30. März 2001 tatsächlich zugegangen wäre,
weil der Kläger dann seiner Verpflichtung zur Auskunftserteilung gleichwohl nicht nachgekommen sei und die
Anfragen der Betriebskrankenkasse Ahlmann aus der Zeit von Juni 1999 bis Januar 2001 ignoriert habe. Der Antrag
auf Einleitung des Disziplinarverfahrens sei innerhalb der Fristen des § 7 Abs. 2 ihrer Satzung gestellt worden. Die
Auffassung des Klägers, dass das vorangegangene Disziplinarverfahren (Beschluss des Disziplinarausschusses vom
15. Juli 1998) nicht hätte berücksichtigt werden dürfen, weil der Beschluss nicht rechtskräftig gewesen sei, sei
unzutreffend. Zwar treffe es zu, dass das Urteil des Bundessozialgerichts vom 6. November 2002 zum Zeitpunkt der
Entscheidung des Disziplinarausschusses am 20. November 2002 formal betrachtet noch nicht rechtskräftig gewesen
sei. Dennoch habe der Disziplinarausschuss den Tenor der Entscheidung des Bundessozialgerichts bei seiner
Beschlussfassung berücksichtigen dürfen. Im Übrigen dürften Vortaten bei der Strafzumessung in Anlehnung an § 46
Strafgesetzbuch (StGB) auch dann berücksichtigt werden, wenn sie nicht rechtskräftig abgeurteilt seien.
Mit Urteil vom 11. Januar 2006 hat das Sozialgericht Kiel die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen
ausgeführt: Die Beklagte habe den Antrag auf Einleitung einer Disziplinarmaßnahme innerhalb der in der Satzung
geregelten Frist von zwei Jahren nach Bekanntwerden und innerhalb der Frist von fünf Jahren nach der Verfehlung
gestellt. Die in der Satzung geregelten Voraussetzungen für die Auferlegung einer Geldbuße seien erfüllt. Der Kläger
habe die ihm obliegenden vertragsärztlichen Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt, indem er die Anfrage der
Betriebskrankenkasse Ahlmann vom 21. Mai 1999 auch auf mehrfache Erinnerung hin nicht oder falsch beantwortet
habe. Der Kläger könne nicht belegen, dass er die Anfrage der Betriebskrankenkasse Ahlmann am 30. März 2001
beantwortet habe. Die Betriebskrankenkasse Ahlmann habe die Antwort nicht erhalten. Selbst wenn der Kläger die
Anfrage am 30. März 2001 beantwortet haben sollte, hätte er seine vertragsärztlichen Pflichten nicht ordnungsgemäß
erfüllt, weil zu diesem Zeitpunkt bereits fast zwei Jahre seit der ersten Anfrage vergangen seien. Dies sei der
Krankenkasse nicht zuzumuten, zumal der Kläger auch keine Umstände vorgetragen habe, die ihn an einer zeitnahen
Beantwortung gehindert hätten. Vielmehr habe der Kläger in seinen Schreiben deutlich gemacht, dass er den Vordruck
in der Annahme nicht übersandt habe, dass ihm keine Kosten erstattet würden. Diese Annahme sei jedoch nicht
verständlich, da mit den Anfrageschreiben auf die Berechnungsfähigkeit der Beantwortung hingewiesen worden sei.
Dass der Kläger die Anfragen der Betriebskrankenkasse Ahlmann bewusst unbeantwortet gelassen habe, werde auch
durch sein Schreiben vom 14. Dezember 2000 deutlich, in dem er den Sinn der Auskunft in Frage gestellt habe. Die
Verhängung einer Geldbuße in Höhe von 2.500,00 EUR sei nicht zu beanstanden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass
die Auswahl der Disziplinarmaßnahme in dem gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Ermessen des
Disziplinarausschusses liege. Der Disziplinarausschuss habe das ihm eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Es
sei nicht zu beanstanden, dass der Disziplinarausschuss das vorangegangene Disziplinarverfahren in seine
Erwägungen einbezogen habe. Dieses Verfahren sei entgegen der Auffassung des Klägers im Zeitpunkt der
Beschlussfassung durch den Disziplinarausschuss rechtskräftig abgeschlossen gewesen, da die Entscheidung des
Bundessozialgerichts vom 6. November 2002 nicht mehr anfechtbar gewesen sei. Die vom Kläger eingelegte
Verfassungsbeschwerde ändere daran nichts. Diese hemme nicht die Rechtskraft. Auch sei nicht zu beanstanden,
dass der Disziplinarausschuss der Beklagten vor dem Hintergrund des bereits erfolgten Verweises wegen eines
hartnäckigen Verstoßes gegen Auskunftspflichten eine Geldbuße als Disziplinarmaßnahme ausgewählt habe. Auch
die gewählte Höhe der Geldbuße stoße auf keine Bedenken.
Gegen das ihm am 29. März 2006 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am Dienstag, den 2. Mai 2006
beim Sozialgericht Kiel eingegangenen Berufung, zu deren Begründung er im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem
Klageverfahren wiederholt und vertieft. In Ansehung der Art. 103 Abs. 1 und 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) könne ihm
nur auferlegt werden, den Abgang des Schreibens an die Betriebskrankenkasse Ahlmann vom 30. März 2001 zu
belegen, nicht jedoch dessen Zugang. Ergänzend nimmt der Kläger auf sein Vorbringen gegenüber dem
Disziplinarausschuss Bezug. Durch die Berücksichtigung des bereits lange zurückliegenden vorangegangenen
Disziplinarverfahrens werde er bis an das Lebensende wie ein Vorbestrafter angesehen. Ferner müsse geklärt werden,
ob das vorangegangene Verfahren beim Bundesverfassungsgericht als abgeschlossen gelte. Außerdem macht der
Kläger unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 19. Juli 2006, Az. B 6 KA 1/06 R,
geltend, dass sein Wohlverhalten während der mehrjährigen Laufzeit des Verfahrens berücksichtigt werden müsse. Er
habe sich seitdem nichts mehr zu Schulden kommen lassen. Die Höhe der Geldbuße sei für ihn existenzbedrohend
und komme fast dem Entzug der Kassenzulassung gleich. Insofern bestünden direkte Parallelen zwischen der
genannten Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 19. Juli 2006 und dem vorliegenden Verfahren.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 11. Januar 2006 sowie den Beschluss der Beklagten vom 20. November 2002
aufzuheben, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag auf Durchführung einer Disziplinarmaßnahme
unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils.
Die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten zu den Aktenzeichen S 14 KA
516/98 = L 6 KA 22/01, S 8a KA 5/94, S 8a KA 126/92, L 6 SF 21/03 SG, S 14 SF 17/01 SG sowie die Prozessakte
haben dem Senat vorgelegen. Diese sind Gegenstand der Beratung gewesen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf
ihren Inhalt verwiesen.
II.
Gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Landessozialgericht außer in den Fällen des § 105 Abs. 2
Satz 1 SGG die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine
mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Der Senat hat die Beteiligten
mit gerichtlichem Schreiben vom 17. August 2006 (Zustellung an den Kläger am 18. August 2006) angehört und auch
die übrigen genannten Voraussetzungen liegen vor.
Der Senat weist die zulässige Berufung aus den Gründen der Entscheidung des Sozialgerichts als unbegründet
zurück und sieht daher gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Ergänzend ist
lediglich auszuführen:
Wie das Sozialgericht bereits zutreffend dargelegt hat, ist nicht zu beanstanden, dass der Disziplinarausschuss vor
dem Hintergrund des bereits erfolgten Verweises wegen der hartnäckigen wiederholten Verstöße gegen
Auskunftspflichten eine Geldbuße als Disziplinarmaßnahme ausgewählt hat. Die Beklagte ist damit zu Gunsten des
Klägers davon ausgegangen, dass eine Anordnung des Ruhens der Zulassung noch nicht erforderlich ist, um ihn in
Zukunft zur Beachtung seiner vertragsärztlichen Pflichten anzuhalten. Auch die Höhe der Geldbuße ist in Anbe-tracht
der Nachhaltigkeit der Pflichtverletzung und der Tatsache, dass der Kläger seine Auskunftspflicht über einen langen
Zeitraum erkennbar vorsätzlich verletzt hat, nicht zu beanstanden. Die Geldbuße in Höhe von 2.500,00 EUR liegt
deutlich unter der in § 3 Abs. 8 der Satzung (Stand 1. März 2000) vorgesehenen Obergrenze von 20.000,00 DM bzw.
der in § 8 Abs. 1 der Satzung in der Fassung vom 28. April 2004 vorgesehenen Obergrenze von 10.000,00 EUR.
Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte den ihr zustehenden Ermessensspielraum überschritten hätte, sind nicht
ersichtlich.
Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es nicht darauf an, ob das seine Verfassungsbeschwerde gegen das
Urteil des Bundessozialgerichts vom 6. November 2002 betreffende Verfahren abgeschlossen ist. Es spricht bereits
vieles dafür, dass vorangegangene Pflichtverletzungen bei der Bemessung der Höhe der Geldbuße auch dann
berücksichtigt werden können, wenn das diese Pflichtverletzungen betreffende Disziplinarverfahren noch nicht
abgeschlossen ist. Jedenfalls können nach der zu § 46 StGB ergangenen Rechtsprechung Taten, deretwegen das
Verfahren nach §§ 153, 153a Strafprozessordnung (StPO) oder nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt wurde, bei der
Strafzumessung berücksichtigt werden. Die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 Menschenrechtskonvention
(MRK) zwingt nicht zu der Unterstellung, dass sich der Sachverhalt einer strafbaren Handlung nicht zugetragen habe,
bevor er rechtskräftig festgestellt ist (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl. 2004, § 46 Rdnr. 40 m.w.N.). Im Ergebnis
kommt es darauf jedoch nicht an, weil das den vorangegangenen Pflichtverstoß des Klägers betreffende Urteil des
Bundessozialgerichts vom 6. November 2002 entgegen der Auffassung auch der Beklagten bereits mit ihrer
Verkündung am 6. November 2002 und damit vor der Beschlussfassung des Disziplinarausschusses am 20.
November 2002 Rechtskraft erlangt hat. Entscheidungen des Bundessozialgerichts, gegen die Rechtsmittel nicht
gegeben sind, werden bereits mit ihrer Verkündung rechtskräftig (vgl. Meyer-Ladewig in: Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 141 Rdnr. 2a, m.w.N.). Dass der Kläger dagegen
Verfassungsbeschwerde eingelegt hat, ändert daran nichts. Die Verfassungsbeschwerde ist kein Rechtsmittel,
sondern ein außerordentlicher Rechtsbehelf (BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 1978 - 1 BvR 475/78 - BVerfGE 49,
252, 258). Dieser Rechtsbehelf hat keinen Suspensiveffekt und hemmt damit insbesondere nicht die Rechtskraft des
angegriffenen Urteils (BVerfG, Beschluss vom 18. Januar 1996 - 1 BvR 2116/94 - BVerfGE 93, 381, 385). Auch
darauf hat das Sozialgericht bereits zutreffend hingewiesen.
Auch soweit der Kläger geltend macht, dass er sich während der mehrjährigen Verfahrensdauer nichts habe zu
Schulden kommen lassen und dass dies zu seinen Gunsten hätte berücksichtigt werden müssen, vermag der Senat
dem nicht zu folgen. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 19. Juli 2006 (- B 6 KA 1/06 R -), auf die der
Kläger in diesem Zusammenhang Bezug nimmt, liegt in den Gründen noch nicht vor. Nach der vorliegenden
Pressemitteilung gibt es allerdings keine Anhaltspunkte dafür, dass das Bundessozialgericht von den Maßstäben
abweichen wird, die es insbesondere in dem Urteil vom 20. Oktober 2004 (- B 6 KA 67/03 R - BSGE 93, 269 = SozR
4-2500 § 95 Nr. 9) dargelegt hat. Danach gilt auch für das Zulassungsentziehungsverfahren der Grundsatz, dass im
Rahmen der reinen Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) für die Beurteilung des
Klagebegehrens die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich ist.
Allerdings ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bei der Entscheidung über die Entziehung der
Zulassung zu berücksichtigen, dass der Arzt damit in der Regel seine Praxis verliert und vielfach keine Chance hat,
eine solche neu aufzubauen. Der erneuten Zulassung am bisherigen Ort der Praxis stehen oftmals auch rechtliche
Hindernisse wie die Sperrung des Planungsbereichs wegen Überversorgung oder die Überschreitung der Altersgrenze
des § 25 Satz 1 Ärzte-ZV entgegen. Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf die Bedeutung des Grundrechts aus
Art. 12 Abs. 1 GG ist es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erforderlich, Änderungen der Sach- und
Rechtslage während des Prozesses zu Gunsten des Arztes zu berücksichtigen. Eine vergleichbare Fallgestaltung, die
ein Abweichen von dem Grundsatz gebieten würde, nach dem bei reinen Anfechtungsklagen für die Beurteilung des
Klagebegehrens allein die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgebend ist, liegt hier
nicht vor (siehe zu einer Disziplinarmaßnahme auch Urteil des Senats vom 20. Juni 2006 – L 4 KA 20/05 -). Bei der
Geldbuße in Höhe von 2.500,00 EUR handelt es sich nicht um eine den Status als zugelassener Vertragsarzt
verändernde Maßnahme. Soweit der Kläger allgemein und ohne nähere Begründung geltend macht, dass die Höhe der
Geldbuße existenzbedrohend sei und dem Entzug der Kassenzulassung gleichkomme, kann der Senat dies nicht
nachvollziehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung
(VwGO).
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 SGG) liegen nicht vor.