Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 26.09.2008

LSG Shs: grundstück, freibetrag, besondere härte, verwertung, beleihung, bedürftigkeit, auskunft, verkehrswert, wohnfläche, arbeitslosenhilfe

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
Urteil vom 26.09.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Schleswig S 5 AL 132/04
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht L 3 AL 48/06
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 23. März 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren noch über die Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom
1. Januar 2004 bis einschließlich 18. April 2004.
Der 1951 geborene ledige Kläger, der seit dem 19. April 2004 als Diplom-Psychologe selbständig tätig ist, bezog bis
zum 31. Juli 1996 Arbeitslosengeld (Alg) und anschließend ab 1. August 1996 - unterbrochen durch eine
Arbeitsaufnahme ab 15. März 1997 bis 30. Juni 1997 - Alhi. Im Bewilligungsabschnitt bis 31. Dezember 2003 betrug
der wöchentliche Leistungssatz zuletzt auf der Grundlage eines ungerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelts von
674,70 EUR 201,32 EUR.
Der Kläger ist Eigentümer des ca. 284 m² großen Grundstücks B straße in F , das ihm von seinem Vater, dem 1910
geborenen Tischlermeister M E , aufgrund notariellen Vertrages vom 12. März 1982 überlassen worden ist. Ergänzend
gewährte der Kläger seinen Eltern bis zum Tode des Längstlebenden von ihnen ein unentgeltliches Wohnrecht in der
Wohnung im ersten Stock des Hauses, das als beschränkte persönliche Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen ist.
Nach der vertraglichen Regelung nimmt die Wohnung den gesamten ersten Stock des Hauses ein und besteht aus
drei Wohnräumen, einer Küche, Flur und Bad. Das Grundstück war ursprünglich mit einem etwa 1880 errichteten
Mehrfamilienhaus (sog. Vorderhaus) und einer Werkstatt im rückwärtigen Grundstücksteil bebaut; die Werkstatt und
der darin ausgeübte Handwerksbetrieb waren bei der Grundstücksüberlassung verpachtet. Bis zum Auslaufen des
Pachtvertrages sollten dem Vater des Klägers als Überlasser die Pachteinnahmen zustehen. Mit Vereinbarung vom
20. Juni 1994 trat der Vater des Klägers sämtliche Rechte und Pflichten aus dem Pachtvertrag an den Kläger ab;
gleichzeitig wurde formlos eine grundbuchlich nicht eingetragene Verpflichtung des Klägers zur Zahlung einer
monatlichen Altenteilslast in Höhe von ursprünglich 475,00 DM vereinbart. Ab 1995 wurde die im Hofgebäude
befindliche Tischlerei in ein weiteres Wohngebäude umgebaut (sog. Hinterhaus). Das Vorderhaus hat eine Wohnfläche
von 190 m²; die Wohnfläche des Hinterhauses beträgt 160 m². Im Vorderhaus befinden sich vier Wohnungen, von
denen der Kläger drei Wohnungen (insgesamt 130 m²) vermietet hat; eine weitere, 60 m² große Wohnung im
Obergeschoss des Vorderhauses - es handelt sich um die Wohnung, für die den Eltern des Klägers ein Wohnrecht
bewilligt worden ist - ist von der 1918 geborenen Mutter des Klägers vermietet worden, nachdem diese zunächst in
eine Erdgeschosswohnung des Vorderhauses und später in das Hinterhaus umgezogen ist. Im Hinterhaus befinden
sich zwei Wohnungen, die Anfang 2004 von dem Kläger (120 m²) und seiner Mutter (40 m²) bewohnt wurden. Mit
Bescheid vom 17. März 2000 ist der Einheitswert des Grundbesitzes auf 40.900,00 DM festgesetzt worden.
Am 9. Januar 2004 stellte der Kläger einen Fortzahlungsantrag. Dabei gab er - wie in früheren Anträgen - für das
Grundstück B straße Mieteinnahmen in Höhe von 8.727,80 EUR an und machte Belastungen in Höhe von 11.486,70
EUR geltend. Weiterhin machte er Angaben zu Einkünften aus einer selbständigen Tätigkeit, zu vorhandenen Konten
bzw. Geldanlagen sowie zu einer Beteiligung zu 1/40 an einer Eigentümergemeinschaft in Berlin. Wegen der
Einzelheiten wird insoweit auf den ausgefüllten Antragsvordruck Bezug genommen.
Die Beklagte versuchte zunächst, zur Verkehrswertermittlung eine Auskunft der Geschäftsstelle des
Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Katasteramt F aus der Kaufpreissammlung einzuholen. Nachdem der
Bearbeiter mitgeteilt hatte, dass dies wegen Bestehens eines Nießbrauchsrechts nicht möglich sei, bat die Beklagte
den Gutachterausschuss um Erstellung eines Wertgutachtens in Kurzform. Nachdem der Bearbeiter sich vergeblich
bemüht hatte, das Anwesen - auch von innen - zu besichtigen und der Kläger die Sinnlosigkeit der Wertfeststellung
geltend gemacht hatte, erteilte der Gutachterausschuss eine schriftliche Auskunft vom 16. April 2004. In Anlehnung
an drei dem Ausschuss bekannte Kaufpreise bebauter Grundstücke in der B straße bzw. der Ba straße in F aus den
Jahren 1999, 2002 und 2003 ging der Ausschuss von einer Preisspanne zwischen 385,00 EUR und 429,00 EUR und
einem Mittelwert von 400,00 EUR je m² aus. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Auskunft vom 16. April
2004 Bezug genommen. Die Beklagte legte den untersten Wert zugrunde, errechnete einen Grundstückswert von
134.750,00 EUR (385,00 EUR x 350 m²) und zog hiervon einen Betrag von 20.000,00 EUR für den Nießbrauch ab, so
dass ein rechnerischer Grundstückswert von 114.750,00 EUR verblieb.
Gestützt hierauf lehnte sie den Alhi-Antrag mit Bescheid vom 19. April 2004 ab und führte zur Begründung aus: Der
Kläger habe keinen Anspruch auf Alhi, weil er nicht bedürftig sei (§§ 190, 193 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB
III]). Er verfüge über ein Vermögen in Höhe von 114.750,00 EUR, das verwertbar und dessen Verwertung zumutbar
sei. Unter Berücksichtigung eines Freibetrages in Höhe von 10.400,00 EUR verblieben 104.350,00 EUR; dieser Betrag
sei bei der Prüfung der Bedürftigkeit zu berücksichtigen. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und machte
sinngemäß geltend, dass das Rechenwerk des angefochtenen Bescheides ihm nicht nachvollziehbar sei. Im Übrigen
diene das Grundstück seiner Alterssicherung und der Alterssicherung des Nießbrauchers und dürfe deshalb bei der
Bedürftigkeitsprüfung nicht berücksichtigt werden. Die Beklagte hielt bei dem Gutachterausschuss Nachfrage, ob und
ggf. zu welchem Preis sich eine Abtrennung und Veräußerung der vermieteten Wohnungen als Eigentumswohnungen
verwirklichen ließe. Hierzu teilte der Gutachterausschuss in seiner Auskunft vom 4. Mai 2004 mit, dass er die
Durchführbarkeit einer Umwandlung der Mietwohnungen in Wohnungseigentum nicht beurteilen könne. In Ermangelung
auswertbarer Vergleichspreise für Wohnungseigentum in der B straße könne er lediglich Kaufpreise für
Eigentumswohnungen im Stadtteil "Neustadt" mitteilen, die sich in einer Spanne zwischen 620,00 EUR und 750,00
EUR je m² bewegten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie wiederholte sinngemäß
die Gründe des Ausgangsbescheides und führte aus: Zum Vermögen des Klägers zähle das aus einem Vorder- und
einem Hinterhaus bestehende Anwesen in F , B straße. Das Hinterhaus werde von dem Kläger sowie von seiner
Mutter bewohnt; das Vorderhaus bestehe aus mehreren Wohneinheiten, die insgesamt vermietet seien. Für eine
dieser Wohnungen bestehe ein Nießbrauchsrecht der Mutter; über die übrigen Wohnungen könne der Kläger alleine
verfügen. Diese Wohnungen könne er durch Verkauf verwerten. Die Wohneinheiten seien in sich abgeschlossen und
könnten eigentumsrechtlich verselbständigt werden. Eine Verwertung dieser Gebäudebestandteile sei möglich und
zumutbar. Der Verkaufserlös läge erheblich über dem Freibetrag von 10.400,00 EUR (200,00 EUR je am 1. Januar
2004 vollendetem Lebensjahr des Klägers). Die Liquidität im Sinne der sofortigen Verwertbarkeit des Vermögens sei
unbeachtlich. Es komme daher nicht darauf an, in welchem zeitlichen Rahmen die Veräußerung der
Eigentumswohnungen realistisch erscheine.
Der Kläger hat am 2. Juni 2004 bei dem Sozialgericht Schleswig Klage erhoben und zur Begründung sinngemäß sein
Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19. April 2004 und des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai
2004 zu verurteilen, ihm seit dem 1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe in gesetzlicher Höhe
zu gewähren.
Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach mündlicher Verhandlung am 23. März 2006 hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom selben Tage
abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei zulässig, aber nicht begründet. Der
Kläger habe wegen fehlender Bedürftigkeit ab 1. Januar 2004 keinen Anspruch auf Alhi (§ 190 SGB III i.V.m. den
Bestimmungen der Arbeitslosenhilfeverordnung [AlhiV]). Das von ihm selbst bewohnte und zum Teil vermietete
Wohnhaus B straße in F , das vollständig in seinem Eigentum stehe, sei jedenfalls in dem Umfang als Vermögen zu
berücksichtigen, in dem er Leistungen zur Bestreitung des Lebensunterhalts für das Jahr 2004 benötige. Denn es sei
das gesamte Vermögen des Arbeitslosen zu berücksichtigen, soweit es den Freibetrag (200,00 EUR je vollendetem
Lebensjahr, maximal 13.000,00 EUR) übersteige. Das Haus gehöre, da wesentliche grundsätzliche Hindernisse für
eine Beleihung oder Veräußerung nicht erkennbar seien, zum verwertbaren Vermögen. Schonvermögen sei es sich
nicht, da es sich weder um ein von dem Kläger selbst bewohntes Hausgrundstück von angemessener Größe handele
noch um eine Sache, deren Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich sei. Die Verwertung des Hausgrundstücks im
Wege der Veräußerung oder Beleihung bedeute für den Kläger auch keine besondere Härte. Das Eigentum am
Hausgrundstück übersteige wertmäßig auch unter Berücksichtigung des bei der Verkehrswertermittlung zu
berücksichtigenden, zugunsten der Mutter des Klägers an einer der Wohnungen des Hauses eingeräumten
Nießbrauchsrechts den zugunsten des Klägers bestehenden Freibetrag von 10.400,00 EUR deutlich. Dabei
berücksichtige die Kammer den Verkehrswert eines vergleichbaren, nicht durch persönliche Dienstbarkeiten
belasteten Grundstücks in Höhe von mindestens 134.750,00 EUR und bringe davon das Produkt aus der für die vom
Nießbrauchsrecht umfasste Wohnung zu erwartende Jahresnettokaltmiete einerseits und der ferneren
Lebenserwartung der Mutter des Klägers andererseits wertmindern in Abzug. Dieser Wert habe auch am Tag der
Antragstellung als relevantem Stichtag deutlich über dem maßgeblichen Freibetrag gelegen. Einer Feststellung des
Zeitraums fehlender Bedürftigkeit bedürfe es nicht; vielmehr sei bis zum Wegfall der Alhi ab 31. Dezember 2004 keine
weitere Zahlung zu leisten gewesen, weil während des gesamten Zeitraums verwertbares Vermögen im beschriebenen
Umfang existiert habe.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 22. Mai 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 30. Mai 2006 bei
dem Schles¬wig-Holsteinischen Landessozialgericht eingelegte Berufung des Klägers. Mit Schriftsatz vom 3.
September 2007 hat der Kläger auf Nachfrage des Berichterstatters klargestellt, dass er die Gewährung von Alhi nur
für die Zeit bis zur Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit vom 1. Januar 2004 bis einschließlich 18. April 2004
geltend mache. Im Zusammenhang mit der Aufnahme der Tätigkeit als Diplom-Psychologe ab dem 19. April 2004
streiten die Beteiligten außerhalb des vorliegenden Verfahrens um die Gewährung eines
Existenzgründungszuschusses, den die Beklagte mit der Begründung abgelehnt hat, es fehle angesichts des
Nichtbestehens eines Alhi-Anspruchs ab Januar 2004 an dem notwendigen engen zeitlichen Zusammenhang
zwischen dem Bezug von Alhi und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit. Das hierzu von dem Kläger eingeleitete
Klageverfahren (Az. S 4 AL 216/04) hat das Sozialgericht wegen Vorgreiflichkeit des vorliegenden Verfahrens
ausgesetzt.
Zur Begründung der Berufung nimmt der Kläger Bezug auf sein bisheriges Vorbringen und rügt, dass das Sozialgericht
von falschen Tatsachen ausgegangen sei. Zum einen habe er eine Besichtigung des Objekts durch den
Gutachterausschuss nicht verweigert, sondern lediglich die Sinnlosigkeit der Wertfeststellung geltend gemacht. Zum
anderen sei das Sozialgericht davon ausgegangen, dass eine Aufteilung des Hauses in Wohnungseigentum ohne
Weiteres möglich sei. Hierzu habe der Gutachterausschuss der Beklagten jedoch ausdrücklich mitgeteilt, dies nicht
beurteilen zu können. Im Übrigen habe das Sozialgericht verkannt, dass das Grundstück bzw. das entsprechende
Vermögen nicht verwertbar sei. Bereits die Belastung mit einer Nutzungsübertragung verringere den Verkehrswert
erheblich. Außerdem liege das Grundstück in einem Mischgebiet, das zunehmend verfallen und schlecht beleumundet
sei. Nunmehr solle das Gebiet saniert werden; inzwischen sei grundbuchlich ein Sanierungsvermerk eingetragen
worden. All dies mindere den Grundstückswert weiter. Wegen der mit einer Sanierung verbundenen finanziellen
Verpflichtungen der Grundeigentümer hätten sich Nachbargrundstücke als faktisch unverkäuflich erwiesen. Was die
Umwandlung in Eigentumswohnungen betreffe, müsse auch der Wohnungsmarkt in F mit diversen Leerständen
berücksichtigt werden.
Ergänzend reicht der Kläger in Bezug auf den Sanierungsvermerk die Eintragungsbekanntmachung vom 6. März 2006
zur Akte. Darüber hinaus legt er ein das Nachbargrundstück B straße 6 betreffendes, im Zusammenhang mit einer
beabsichtigten Zwangsversteigerung erstelltes Verkehrswertgutachten vom 22. August 2006 vor und macht dazu
geltend, dass die die Versteigerung betreibende Bank vermutlich allenfalls die Hälfte des in dem Gutachten mit
80.000,00 EUR angegebenen Verkehrswerts erzielen könne. Hierzu hat der Kläger in der Berufungsverhandlung am
26. September 2008 ergänzend mitgeteilt, dass das Nachbargrundstück zwischenzeitlich von der Stadt F zum
Mindestgebot von 56.000,00 EUR ersteigert worden sei; andere Bieter hätten sich nicht gefunden.
Weiterhin nimmt der Kläger Bezug auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 6. Dezember 2007 (B 14/7b
AS 46/06 R, veröffentlicht in juris) zur fehlenden tatsächlichen Verwertbarkeit eines mit einem Nießbrauchsrechts
belasteten Erbbaurechts. Durch diese Entscheidung sieht der Kläger sich in seiner Rechtsauffassung bestätigt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 23. März 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2004 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die
Zeit vom 1. Januar 2004 bis einschließlich 18. April 2004 Arbeitslosenhilfe in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie stützt das angefochtene Urteil und erwidert: Die Behauptung des Klägers, sein Grundstück sei wertlos, sei bereits
durch die Tatsache seiner erfolgreichen wirtschaftlichen Nutzung widerlegt. Von dem Kläger geltend gemachte
Aufwendungen für Instandhaltungsmaßnahmen belegten, dass das Haus in einem ordnungsgemäßen Zustand
gehalten worden sei. Für die Verwertbarkeit sei es von untergeordneter Bedeutung, dass eine der Wohnungen mit
einem Wohnungsrecht belastet sei. Insoweit sei lediglich unter Berücksichtigung des Mietausfalls ein entsprechender
Abzug vorzunehmen. Das Gesamtobjekt sei durch dieses Wohnungsrecht keinesfalls für einen Erwerber unattraktiv.
Eine Veräußerung sei auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich. Die Inhaberin des Wohnungsrechts habe auch keine
Möglichkeit, einer Veräußerung des Grundstücks zu widersprechen, so dass die Verwertbarkeit insoweit nicht
erschwert sei. Unter Berücksichtigung des vom Gutachterausschuss ermittelten Mindestwerts für das
Hausgrundstück von 134.750,00 EUR liege Bedürftigkeit auf keinen Fall vor; weiterer Ermittlungen bedürfe es nicht.
Dies gelte auch, wenn man im Sinne jüngerer BSG-Rechtsprechung einen weiteren Freibetrag von 10.400,00 EUR für
die Altersvorsorge berücksichtige, weil der Wert der Immobilie auch das Schonvermögen von 2 x 10.400,00 EUR =
20.800,00 EUR deutlich übersteige. Soweit der Kläger mit dem Wert des Nachbargrundstücks argumentiere, fehle eine
Vergleichbarkeit, weil das Nachbarhaus Leerstände aufweise, in schlechterem Erhaltungszustand sei und unter
Zwangsverwaltung stehe. Auch der zwischenzeitlich eingetragene Sanierungsvermerk führe zu keiner anderen
Beurteilung. Es gebe keinen Grundsatz, wonach ein mit einem Sanierungsvermerk versehenes Grundstück nur mit
erheblichen Verlusten veräußert werden könne. Vielmehr liege ein Verkauf für einen Eigentümer nahe, der nicht über
die erforderlichen Mittel verfüge, um sich an der beabsichtigten Sanierung (für die unter Umständen Fördergelder
gewährt würden) zu be¬teiligen. Die BSG-Entscheidung vom 6. Dezember 2007 sei hier nicht einschlägig, weil die
Sachverhalte beider Verfahren nicht vergleichbar seien. Im Fall des BSG sei ein nießbrauchbelastetes Erbbaurecht
bereits zur Hälfte ausgeschöpft gewesen; das Nießbrauchsrecht beziehe sich dort auch auf das gesamte Haus.
Anders als in dem vom BSG entschiedenen Fall sei vorliegend indessen eine wirtschaftliche Verwertbarkeit nicht
ausgeschlossen, weil lediglich eine Wohnung des Mehrfamilienhauses mit einem Wohnungsrecht belastet sei.
Dem Senat haben die den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die Gerichtsakten vorgelegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird hierauf Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist trotz des beschränkten Leistungszeitraums deutlich überschritten; bei einem in
Streit stehenden Alhi-Bezug für etwas mehr als 15 Wochen errechnet sich auf der Grundlage des Leistungssatzes bis
Ende 2003 in Höhe von 201,32 EUR ein Beschwerdewert von überschlägig 15 x 200,00 EUR = 3.000,00 EUR.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger für die Zeit ab
1. Januar 2004, die im Berufungsverfahren nur noch bis einschließlich 18. April 2004 zu berücksichtigen ist, keine Alhi
zusteht. Denn der Kläger war insoweit - wie das Sozialgericht ebenfalls zu Recht entschieden hat - nicht bedürftig. Die
weiteren Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs (§ 193 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 SGB III in der bis 31.
Dezember 2004 geltenden Fassung [a.F.]: Arbeitslosigkeit, Arbeitslosmeldung, Nichterfüllung eines Anspruchs auf
Alg und Bezug von Alg in der Vorfrist) waren hingegen erfüllt, vermögen den geltend gemachten Anspruch indessen
allein nicht zu begründen.
Gemäß § 193 Abs. 1 SGB III a.F. ist bedürftig ein Arbeitsloser, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere
Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht.
Ergänzend bestimmt § 193 Abs. 2 SGB III a.F., dass nicht bedürftig ein Arbeitsloser ist, solange mit Rücksicht auf
sein Vermögen, das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners oder das
Vermögen einer Person, die mit ihm in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt
ist. § 193 Abs. 2 SGB III a.F. wird konkretisiert durch die Regelungen der jeweiligen AlhiV, die hier in der Fassung
vom 13. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3734) unter Berücksichtigung der Änderung vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I S.
2848) anzuwenden ist.
Nach § 1 Abs. 1 AlhiV ist das gesamte verwertbare Vermögen des Arbeitslosen und seines in § 1 Abs. 1 Nr. 2 näher
umschriebenen Partners zu berücksichtigen, soweit der Wert des Vermögens den Freibetrag überschreitet. Nach § 1
Abs. 2 AlhiV ist Freibetrag ein Betrag von 200,00 EUR je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen und seines
Partners; dieser Betrag darf für den Arbeitslosen und seinen Partner jeweils 13.000,00 EUR nicht übersteigen. Hieraus
errechnet sich für den Kläger, der 1951 geboren ist, ein Freibetrag von 52 x 200,00 EUR = 10.400,00 EUR. Nach der
Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 9. Dezember 2004, B 7 AL 44/04 R, SozR 4-4200 § 12 Nr. 1) sind darüber
hinaus zumindest die Grundfreibeträge des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) bei der Berücksichtigung von
Vermögen nach der AlhiV im Rahmen der Härtefallklausel zu beachten. Das Mindestsicherungssystem des SGB II
enthält zwei Freibeträge von je 200,00 EUR (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 und § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II), so dass hier insgesamt
ein Freibetrag von 2 x 52 x 200,00 EUR = 20.800,00 in Abzug zu bringen ist.
Als zu berücksichtigendes Vermögen kommt hier im Wesentlichen das bebaute Grundstück B straße in F in Betracht.
Das vom Kläger angegebene Kapitalvermögen in Höhe von insgesamt 71,72 EUR kann demgegenüber vernachlässigt
werden. Die Beteiligung zu 1/40 an einer Eigentümergemeinschaft in Berlin mit einem Verkehrswert von insgesamt ca.
400.000,00 DM bei Belastungen von ca. 150.000,00 DM ist wertmäßig kaum zu erfassen, weil bei einem Verkauf
Erbansprüche von 18 Personen zu ermitteln und der Erlös entsprechend aufzuteilen wäre.
Soweit das bebaute Grundstück B straße in F als Vermögen des Klägers in den Blick genommen wird, kann allerdings
nicht unberücksichtigt bleiben, dass es vorliegend nur noch um den beschriebenen begrenzten Leistungszeitraum
vom 1. Januar 2004 bis einschließlich 18. April 2004 mit einem überschlägig zu erwartenden Leistungsbetrag von ca.
3.000,00 bis 3.500,00 EUR geht. Vor diesem Hintergrund stellt sich bei wirtschaftlicher Betrachtung die in den
angefochtenen Bescheiden problematisierte Frage, ob der Kläger sein Grundeigentum durch Gesamtveräußerung bzw.
durch Veräußerung einer bzw. mehrerer Eigentumswohnungen nach Schaffung von Wohnungseigentum verwerten
kann bzw. muss, nicht mehr. Denn der Senat hat keinen Zweifel daran, dass es dem Kläger möglich gewesen wäre,
den strittigen Leistungsbetrag etwa durch ein Bankdarlehen zur Verfügung gestellt zu bekommen, bei dem - soweit
erforderlich - das Grundeigentum als Sicherung hätte verwendet werden können. Soweit der Kläger in diesem
Zusammenhang in der Berufungsverhandlung eingewandt hat, Banken würden - wie er aus eigener Erfahrung wisse -
auf vorrangiger Sicherung bestehen, was hier wegen des eingetragenen Wohnungsrechts nicht möglich sei, überzeugt
dies angesichts der relativ geringen Höhe des in Rede stehenden Darlehensbetrages nicht. Auch der Einwand des
Klägers aus der Berufungsverhandlung, wonach bei der Beurteilung der sich stellenden Rechtsfragen auf den Stichtag
Ende 2003 - vor dem hier strittigen Leistungszeitraum - abgestellt werden müsse, ist unbegründet. Denn bei einer
Leistungsklage, wie sie hier - kombiniert mit einem Anfechtungsteil - erhoben worden ist, ist maßgeblicher Zeitpunkt
der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. allg. Keller in Meyer-Lade¬wig/Keller/ Leitherer, SGG, 9. Aufl.
§ 54 Rz 34). Vor diesem Hintergrund kann die zwischenzeitlich erfolgte Beschränkung des strittigen
Leistungszeitraums nicht unberücksichtigt bleiben.
Das Grundstück des Klägers kann auch im Wege der Beleihung für ein Bankdarlehen (teilweise) verwertet werden. Bei
diesem Grundvermögen handelt es sich nicht insgesamt um Schonvermögen im Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 5 AlhiV.
Danach ist als Vermögen nicht zu berücksichtigen ein Hausgrundstück von angemessener Größe, das der Arbeitslose
bewohnt, oder eine entsprechende Eigentumswohnung. Nach diesen Maßstäben mag die vom Kläger selbst bewohnte
Wohnung im sog. Hinterhaus von § 1 Abs. 3 Nr. 5 AlhiV erfasst sein, nicht jedoch das gesamte Anwesen mit allein
130 m² Wohnfläche der Anfang 2004 vom Kläger vermieteten Wohnungen im sog. Vorderhaus.
Dass die in F belegene Immobilie offenbar bei früheren Leistungsanträgen des Klägers - aus welchen Gründen auch
immer - nur in Bezug auf Mieteinnahmen berücksichtigt worden ist, bedarf hier keiner Vertiefung, weil sich daraus
keine Auswirkungen auf den vorliegenden Rechtsstreit ergeben. Ebenso wenig kann auf eine Berücksichtigung des
Grundstücks im Hinblick darauf verzichtet werden, dass nur ca. 3 ½ Leistungsmonate im Streit sind. Die
Kurzzeitigkeit eines im Streit stehenden Leistungs- bzw. Alhi-Bezugs ist auch nach der Rechtsprechung des BSG
kein Faktor für die Unwirtschaftlichkeit der Verwertung eines Vermögensgegenstandes; sie ist allerdings im Rahmen
der Bedürftigkeitsprüfung bei der weiteren Voraussetzung der Zumutbarkeit der Verwertung zu berücksichtigen (BSG,
Beschluss vom 18. Oktober 2007, B 11a/7a AL 114/06 B m.w.N.).
Es besteht auch kein Zweifel daran, dass das Grundstück den Wert eines etwaigen Bankdarlehens bei weitem
übersteigt. Mit welchem konkreten Wert das Grundstück in Ansatz zu bringen ist, mag zweifelhaft sein. Ob die vom
Gutachterausschuss für Grundstückswerte mitgeteilte Spanne für Kaufpreise von 385,00 EUR bis 429,00 EUR je m²
realistisch ist, bedarf indessen im vorliegenden Verfahren ebenso wenig der Vertiefung wie der vom
Gutachterausschuss mitgeteilte Wert für Eigentumswohnungen (im Stadtteil Neustadt, dessen Vergleichbarkeit der
Senat nicht ohne Weiteres beurteilen kann) zwischen 450,00 EUR und 750 EUR je m². Hierauf kommt es im Rahmen
des vorliegenden Rechtsstreits letztlich nicht an. Wenn nämlich für das Nachbargrundstück, das sich offenbar in
einem eher schlechteren Zustand befindet als das Grundstück des Klägers, ein Verkehrswert (per Bewertungsstichtag
9. Juni 2006) von 80.000,00 EUR ermittelt worden ist und im Versteigerungsverfahren - wie der Kläger in der
Berufungsverhandlung vorgetragen hat - immerhin 56.000,00 EUR erzielt worden sind, übersteigt dieser Wert auch
unter Berücksichtigung des Freibetrages von 20.800,00 EUR die Summe der geltend gemachten Leistungen für die
Zeit vom 1. Januar bis 18. April 2004 um ein Vielfaches. Dies würde selbst dann gelten, wenn man mit dem früheren
Vortrag des Klägers nur die Hälfte des im Wertgutachten angegebenen Wertes für realistisch halten wollte.
Vor dem Hintergrund der vorstehend dargestellten Überlegungen stellt sich hier auch nicht die Frage, inwieweit mit
einem Nießbrauchsrecht belastetes Grundeigentum veräußerbar ist (vgl. dazu Urteil des BSG vom 6. Dezember 2007,
a.a.O.). Anzumerken ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass vorliegend anders als in dem vom BSG
entschiedenen Fall - nicht das gesamte Grundstück mit einem Nutzungsrecht Dritter belastet ist, sondern lediglich
eine einzelne Wohnung. Insoweit ist die BSG-Entscheidung - worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat - nicht
ohne Weiteres auf den vorliegenden Fall übertragbar.
Die (teilweise) Grundstücksverwertung im Wege der Beleihung ist auch nicht im Hinblick auf die Kurzzeitigkeit des im
Streit stehenden Leistungsbezug unzumutbar (vgl. dazu allg. BSG, Beschluss vom 18. Oktober 2007, a.a.O.). Eine
Unzumutbarkeit folgt auch nicht daraus, dass die grundbuchliche Sicherung eines Darlehens angesichts ggf.
erforderlich werdender notarieller Erklärungen und grundbuchlicher Eintragungen einen Aufwand bedeuten würde, der
jedenfalls auf den ersten Blick in einem gewissen Missverhältnis zu dem benötigten Darlehensbetrag zu stehen
scheint. Es wäre dem Kläger nämlich unbenommen gewesen, mit den in Betracht kommenden Kreditinstituten über
die Gewährung eines Darlehens über 3.000,00 bis 3.500,00 EUR auch ohne grundbuchliche Absicherung zu
verhandeln, wobei als Sicherheit etwa ein Teil der fällig werdenden Mieteinnahmen in Betracht gekommen wäre. Wenn
die Banken jedoch letztlich auf einer grundbuchlichen Absicherung bestanden hätten, lässt sich zur Überzeugung des
Senats die Unzumutbarkeit einer (teilweisen) Grundstücksbeleihung nicht allein damit begründen, dass der Kläger ein
Darlehen nur zur Sicherstellung des Lebensunterhalts in dem relativ kurzen Leistungszeitraum vom 1. Januar 2004 bis
18. April 2004 benötigt. Dies gilt umso mehr, als das Darlehen als solches bei zu seiner Rückzahlung mutmaßlich
einen längeren Zeitraum benötigt hätte.
Der Senat verkennt nicht, dass der Arbeitslose auf die Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt durch Verwertung eines
Vermögensgegenstandes zu bestreiten, nur verwiesen werden kann, wenn feststeht, ob und ggf. zu welchem
Zeitpunkt und zu welchen Bedingungen eine Verwertung tatsächlich möglich war oder ist (vgl. so - zur Veräußerung
eines Hausgrundstücks - BSG, Urteil vom 25. April 2002, B 11 AL 69/01 R, veröffentlicht in juris; vgl. zu ähnlichen
Fragestellungen unter Geltung des SGB II auch BSG, Urteil vom 16. Mai 2007, B 11b AS 37/06 R, SozR 4-4200 § 12
Nr. 4 Rz 28ff.). Angesichts der relativen Geringfügigkeit der hier in Rede stehenden Summe kann allerdings zur
Überzeugung des Senats auch ohne weitere Ermittlungen davon ausgegangen werden, dass dem Kläger im Januar
2004 eine entsprechende Beleihung seines Grundstücks möglich gewesen wäre. Ebenso, wie nach der
Rechtsprechung des BSG Nachforschungen des Gerichts zur Veräußerbarkeit eines Hausgrundstücks unterbleiben
können, wenn im Hinblick auf das zu beurteilende Grundvermögen die Marktverhältnisse gerichtskundig sind (BSG,
Urteil vom 25. April 2002, a.a.O., Rz 30, m.w.N.), gilt dies nämlich nach Auffassung des Senats für die Frage, ob die
Beleihung eines Hausgrundstücks zur Erlangung eines Darlehens von ca. 3.000,00 bis 3.500,00 EUR möglich ist.
Dass die Gewährung von Alhi nicht nur Auswirkungen auf den vorliegenden Rechtsstreit hat, sondern - mittelbar -
auch auf die Frage der Gewährung eines Existenzgründungszuschusses (vgl. dazu das ausgesetzte Verfahren des
Sozialgerichts zum Az. S 4 AL 216/04), ist für die hier zu erörternden Fragen ohne Relevanz.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG und orientiert sich am Ausgang des Rechtsstreits.
Der Senat hat keinen Anlass gesehen, nach § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen.