Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 16.06.2003

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Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
Beschluss vom 16.06.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Schleswig S 2 SF 13/00 SK
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht L 5 B 13/03 SF SK
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 28. Dezember 2002
aufgehoben. Über den Betrag von 858,40 DM hinaus ist dem Antragsteller nichts zu erstatten.
Gründe:
Mit Beschluss vom 11. August 1999 gewährte das Sozialgericht dem Kläger des Verfahrens S 7 RJ 53/99
Prozesskostenhilfe mit Ratenzahlung und ordnete den Antragsteller als Prozessbevollmächtigten bei. In dem
Verfahren ging es um eine Rente wegen Erwerbsminderung. Es endete in der ersten Instanz nach Vernehmung zweier
medizinischer Sachverständiger mit dem klagabweisenden Urteil vom 18. Juli 2000.
Mit Antrag vom 7. August 2000 machte der Antragsteller u. a. eine Gebühr nach § 116 Abs. 1 Nr. 1
Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) in Höhe von 1.000,00 DM geltend. Die Kostenbeamtin gestand dem
Antragsteller nur die Mittelgebühr in Höhe von 700,00 DM zu. Außerdem entschied sie, dass die Kosten für 151
Kopien aus der Verwaltungsakte nicht erstattungsfähig seien. Der Antragsteller habe nicht mitgeteilt, weshalb diese
Kopien notwendig gewesen seien (Beschluss vom 31. August 2000).
Auf die Erinnerung hiergegen äußerte sich der Geschäftsleiter des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts als
Vertreter der Landeskasse am 21. September 2000. Entgegen dessen Rechtsauffassung setzte das Sozialgericht
Schleswig mit Beschluss vom 28. Dezember 2002 fest, dass der Antragsteller Anspruch auf die Gebühr von 1.000,00
DM habe. Rentenstreitigkeiten wie der anhängig gewesene hätten existenzielle Bedeutung und ragten daher nach ihrer
wirtschaftlichen Bedeutung für den Kläger aus der Menge der übrigen Streitigkeiten beim Sozialgericht heraus. Ihm
seien auch die Kosten für die 151 Fotokopien zu erstatten. Es spreche nichts dafür, dass diese Kosten unnötig
gewesen seien.
Gegen diesen Beschluss hat der Vertreter der Landeskasse am 28. Januar 2003 Beschwerde eingelegt und auf seine
bisherige Stellungnahme verwiesen. Der Antragsteller hat sich am 11. Februar 2003 geäußert. Auf die umstrittene
Entscheidung und die gewechselten Schriftsätze wird im Übrigen Bezug genommen. Dem Senat liegen die Streit- und
die Prozesskostenhilfeakte vor.
Die rechtzeitige Beschwerde ist begründet.
Dem Antragsteller sind außer den bereits gezahlten 858,40 DM keine weiteren Beträge zu erstatten. Das ergibt sich
aus den §§ 116 i. V. m. 12 und 126 BRAGO. Diese Vorschriften sind den Beteiligten bekannt, so dass auf sie
verwiesen werden kann.
Das Sozialgericht führt aus, das Landessozialgericht betrachte als Normalfall in der Sozialgerichtsbarkeit den Streit
um eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Diese Behauptung negiert die schon immer differenzierende
Betrachtung des Landessozialgerichts. Deshalb stellt der Senat nochmals seine grundsätzlichen Erwägungen dar:
Aufgabe des Gesetzgebers war es, für die der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesene Menge der
Sozialrechtsstreitigkeiten ein angemessenes Kostenrecht zu gestalten. Sozialrechtsstreitigkeiten drehen sich fast
ausschließlich um Leistungen, die als Mittel der sozialstaatlichen Daseinsfürsorge gedacht sind und ihren Empfängern
zu den vom Grundgesetz geforderten erträglichen Lebensbedingungen verhelfen sollen. Solche Streitigkeiten sind für
den betroffenen Personenkreis grundsätzlich von großer Wichtigkeit. Deshalb müssen solche Leistungen
kostengünstig zu erstreiten sein - auch wenn ein Rechtsanwalt beauftragt wird.
Der Gesetzgeber hat seine Aufgabe gelöst, indem er den Gebührenrahmen des § 116 Abs. 1 BRAGO geschaffen und
dessen Ausfüllung dem Rechtsanwalt überlassen hat. Der Anwalt ist derjenige, der dem Leistungsempfänger am
nächsten steht und dessen Verhältnisse am besten überblickt. Ein Gebührenrahmen geht davon aus, dass es ganz
einfache, leicht zu bearbeitende und wenig bedeutungsvolle Streitigkeiten gibt. Für sie ist an der unteren Grenze des
Rahmens die angemessene Gebühr zu finden. Er akzeptiert aber auch, dass es sehr schwierige, sehr umfangreiche
und höchst bedeutungsvolle Verfahren gibt, die mit dem Höchstwert angemessen zu vergüten sind. Die Anzahl dieser
Extremfälle ist gering. Unausgesprochen besagt ein Gebührenrahmen, dass die große Masse aller Streitfälle in der
Mitte zwischen den beiden Extremwerten liegt. Hierbei handelt es sich um die als durchschnittlich schwer,
durchschnittlich umfangreich oder normal bedeutungsvoll zu bezeichnenden Verfahren. Diese Masse der Normalfälle
ist nach dem Willen des Gesetzgebers mit der Mittelgebühr abzugelten.
Der Rechtsanwender - und das ist zunächst der Rechtsanwalt - hat die Schwierigkeit, den Fall seines Mandanten in
dieses Gefüge einzuordnen. Dazu gibt ihm aber § 12 BRAGO gewisse Hilfen und einen Spielraum. Mit den Kriterien
des § 12 BRAGO ist zugleich die Möglichkeit der Überprüfung geschaffen. Denn die Gebühr kann sich nicht nach der
rein subjektiven Einschätzung des Anwalts oder seines Mandanten über die Bedeutung, den Umfang und die
Schwierigkeit des Rechtsstreits bemessen. Sonst würden dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Es gilt also, § 12
BRAGO aus einer objektiven Sicht heraus auszulegen.
§ 12 BRAGO erhebt zur Norm die "Berücksichtigung aller Umstände". Mit dem Nachsatz "insbesondere ..." erläutert
der Gesetzgeber, was er hierunter versteht. Er gibt Beispiele, die sich in zwei Gruppen teilen lassen: Einmal die
Umstände, die im Interesse des Mandanten zu beachten sind (Bedeutung der Angelegenheit, Vermögens- und
Einkommensverhältnisse). Zum anderen handelt es sich um die Umstände, die im Interesse des Anwalts zu
berücksichtigen sind (Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit). In der ersten Gruppe fällt auf, dass der
Gesetzgeber die Bedeutung des Rechtsstreits für den Mandanten von seinen finanziellen Interessen sprachlich klar
unterscheidet. Wenn der Gesetzgeber einen solchen Unterschied formuliert, kann der Begriff "Bedeutung" sich nicht
auf die wirtschaftlichen oder finanziellen Umstände des Mandanten beziehen. Es kann sich infolgedessen nur um
Streitigkeiten handeln, die z. B. des Rechts wegen, um der Gerechtigkeit willen, aus Ärger über die Verwaltung oder
wegen sekundärer Krankheitsgewinne geführt werden. Solche Streitigkeiten aus nicht finanziellen Gründen sind in der
Sozialgerichtsbarkeit eher selten und zahlenmäßig zu vernachlässigen.
Die große Masse der Streitigkeiten geht um materiell-wirtschaftliche bzw. finanzielle Vorteile aller Art. Sie betrifft also
die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Mandanten. Bei der Auslegung dieses Begriffs darf man sich nicht
zu dem Schluss verleiten lassen, dass die Gebühr umso niedriger sein müsse, je bedürftiger der Mandant ist. Diese
Argumentation läuft darauf hinaus, dass der Anwalt auf seine Kosten quasi eine zusätzliche Prozesskostenhilfe
gewährt. Aber auch der umgekehrte Schluss (je bedürftiger der Mandant, desto höher sein Interesse an einer
Sozialleistung und desto höher die Anwaltsgebühr) entspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers. Er führt Beispiele
in § 12 BRAGO an. Das spricht dafür, dass stets mehrere Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, und zwar nicht
nur die aufgeführten. Vielmehr sind alle Umstände des Einzelfalles zu bedenken und miteinander abzuwägen.
Zu den Verfahren um materiell-wirtschaftliche oder finanzielle Vorteile gehören Verfahren mit und ohne
existenzsichernde Ziele. Die Streitigkeiten um existenzsichernde Ziele erstreben Leistungen, auf die der Empfänger
ganz oder jedenfalls zu einem sehr hohen Anteil zur Lebensführung angewiesen ist. Das kann auf Dauer oder
vorübergehend sein. In erster Linie handelt es sich hierbei um Streitigkeiten auf Lohnersatzleistungen dem Grunde
nach, z. B. Erwerbsminderungsrente, Altersrenten, Verletztengeld und Verletztenrente, Übergangsgelder,
Krankengeld, Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe sowie Entschädigungsleistungen nach dem
Bundesversorgungsgesetz und nach den entsprechend anwendbaren Gesetzen. Darüber hinaus haben aber auch
Streitverfahren aus der Pflegeversicherung eine eminent existenzsichernde Bedeutung. Erziehungsgeld hat nach dem
Urteil des Bundessozialgerichts vom 29. April 1992 - 7 RAr 12/91 Lohnersatzfunktion. Kindergeld ist ebenfalls seinem
Sinn und Zweck nach zur Existenzsicherung gedacht, ebenso wie Leistungen aus der Alterssicherung der Landwirte.
Hierher gehören ferner Streitigkeiten um Sperrzeiten, Hinterbliebenenrenten und solche um die Rückforderung der
oben genannten Leistungen.
Nicht auf Geldleistungen gehen Streitigkeiten, bei denen dem Grunde nach um die Gewährung von Heilbehandlungen,
medizinische und berufliche Rehabilitation und um Heil- oder Hilfsmittel gestritten wird. Nichts desto weniger
ermöglichen aber auch diese Leistungen erst eine sozialstaatlich angemessene Lebensführung.
Nicht existenzsichernd, aber gleichwohl von materieller und finanzieller Bedeutung sind auch die Verfahren um die
Schwerbehinderteneigenschaft oder um die Gleichstellung mit Schwerbehinderten. Sie sind durchaus mit finanziellen
und wirtschaftlichen Vorteilen verbunden (z. B. Kündigungsschutz in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit, Zusatzurlaub,
Steuervergünstigungen). Selbst der Streit um die Merkzeichen des Behindertenrechts hat materielle Bedeutung
(Freifahrt im Nahverkehr, Gebührenbefreiung). Schließlich gehören hierher auch Streitigkeiten um die Höhe von
Sozialleistungen, wenn der umstrittene Betrag die Lebensführung des Klägers nur gering beeinflusst.
Selbst wenn man nur die oben aufgeführten Verfahren um existenzsichernde Leistungen betrachtet, wird deutlich,
dass die weit überwiegende Zahl der Streitigkeiten in der Sozialgerichtsbarkeit auf die Einkommens- und
Vermögensverhältnisse der Mandanten ganz entscheidenden Einfluss hat. Nach dem System, für das sich der
Gesetzgeber entschieden hat, muss also - von den Interessen der Kläger aus betrachtet - in den allermeisten Fällen
eine Mittelgebühr zu Stande kommen.
Nicht anders verhält es sich, wenn man nach der Interessenlage des Anwalts den Blick auf die Kriterien "Umfang und
Schwierigkeiten" in § 12 BRAGO richtet. Sprachlich unterscheidet der Gesetzgeber zu Recht zwischen Umfang und
Schwierigkeit. Denn es gibt umfangreiche, leichte Verfahren und umgekehrt wenig umfangreiche schwierige. Im
Normalfall ist es aber so, dass umfangreiche Verfahren auch schwierig sind und schwierige auch umfangreich. Von
dieser Erfahrung ausgehend ist bei der Beurteilung von Umfang und Schwierigkeit grundsätzlich zu berücksichtigen,
dass das Amtsermittlungsprinzip in der Sozialgerichtsbarkeit die anwaltliche Tätigkeit eher reduziert und erleichtert.
Auch die Tatsache, dass allen Streitigkeiten ein Verwaltungsverfahren vorausgeht, dass dessen Ergebnis in den
Verwaltungsakten nachgelesen werden kann und dass in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht eine
Zusammenfassung des Streitstoffs in den überprüfbaren Bescheiden vorliegt, macht es dem Anwalt relativ leicht, die
entscheidenden Tatsachen und rechtlichen Vorschriften zu erkennen und entsprechend vorzutragen.
Erfahrungsgemäß ist der Umfang des anwaltlichen Vortrags während des Verfahrens auf ergänzende Hinweise zur
Sachaufklärung beschränkt. Umfangreich kann allerdings die Würdigung des Gesamtergebnisses der Ermittlungen
und der Beweisaufnahme sein. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist dann im Einzelfall festzustellen.
Als Schwierigkeit in sozialrechtlichen Streitigkeiten wird immer wieder angegeben, dass medizinische Sachverhalte zu
würdigen sind. Das Problem, sich mit Sachverständigengutachten auseinander zu setzen, obwohl dem Anwalt die
Fachkenntnisse fehlen, ist aber ein grundsätzliches und kommt in Zivil- und Strafprozessverfahren genauso vor wie in
sozialgerichtlichen Streitigkeiten. Es ist deshalb jedem Anwalt bekannt und rechtfertigt keineswegs, allein deswegen
schon die anwaltliche Tätigkeit im Sozialgerichtsverfahren als überdurchschnittlich schwer zu betrachten.
Als besonderer Schwierigkeitsfaktor kann auch nicht berücksichtigt werden, dass Anwälte vor den Sozialgerichten
eine oft unbekannte und ihnen unübersichtlich erscheinende Rechtsmaterie zu behandeln haben. Eine Rechtsmaterie
ist nicht schon deswegen schwierig, weil man sie nicht täglich praktiziert. Das subjektive Vermögen eines Anwalts,
sich mit dem Sozialrecht auseinander zu setzen, ist nicht ausschlaggebend, im Gebührenrahmen die angemessene
Gebühr zu finden. Entscheidend ist der Einzelfall, der nach objektiver Betrachtungsweise besondere Schwierigkeiten
aufweisen muss.
Der Normalfall nach Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeiten ist in der Sozialgerichtsbarkeit bei den
Streitigkeiten um existenzsichernde Leistungen zu suchen. Es handelt sich hierbei um Verfahren, bei denen der
Anwalt ein Beweis- und Ermittlungsergebnis zu würdigen hat. Dabei ist - anders als das Sozialgericht meint - nicht
allein auf die medizinische Beweisaufnahme in Rentenangelegenheiten abzustellen. Die Vernehmung von
berufskundigen Sachverständigen und Zeugen über Unfallhergänge, bei Streitigkeiten über die Anerkennung von
Versicherungszeiten und über Sperrzeitsachverhalte ist das Alltagsgeschäft der Sozialgerichte. Zu den Normalfällen
gehören auch die, in denen die Amtsermittlung eine förmliche Beweisaufnahme überflüssig gemacht hat, gleichwohl
aber das Ergebnis zu würdigen ist wie nach einer förmlichen Beweiserhebung. Der Normalfall ist also der, in dem der
Anwalt eine Prozess-, eine Verhandlungs- und eine Beweisgebühr verdient hätte, wenn es sich um ein zivilrechtliches
Verfahren gehandelt hätte.
Von der Statistik her gesehen gibt es ein unrichtiges Bild, wenn man nur die Zahl der
Rentenversicherungsstreitigkeiten mit denen gegen die Bundesanstalt für Arbeit vergleicht (so das Sozialgericht).
Selbst wenn man in der Krankenversicherung und in den Streitigkeiten um die Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit
nur die Hälfte aller Verfahren mit Beweisaufnahme oder beweisaufnahmeähnlicher Tätigkeit berücksichtigt und einen
Prozentsatz für Extremfälle nach oben und unten abzieht, dann ist doch die ganz weit überwiegende Zahl als
mittelschwer im obigen Sinn zu bezeichnen. Aus all diesen Gründen lehnt der Senat deshalb die Rechtsprechung ab,
nach der die Höchstgebühr immer anfällt, wenn der Mandant eine Dauerrente begehrt, um davon seinen
Lebensunterhalt zu bestreiten (so das Landessozialgericht Thüringen in NZS 2002 Seite 496). Solche Fälle sind für
die Sozialgerichte typische und normale Streitigkeiten und - wenn nicht besonders umfangreiche und schwierige
Anwaltstätigkeiten anfallen - nach dem Willen des Gesetzgebers mit der Mittelgebühr abzugelten.
So ist es auch im Verfahren S 7 RJ 53/99. Dieses Verfahren ragte durch nichts aus der Menge der
Sozialrechtsstreitigkeiten heraus. Es handelte sich um einen Streit, der Rente wegen eingeschränkter
Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt betraf. Die anwaltliche Tätigkeit bestand darin, eine dreiseitige
Klagebegründung und ein vom Kläger ausgefülltes Formblatt über ärztliche Behandlungen vorzulegen. Ärztliche
Berichte zog die Kammer von Amts wegen bei. Die mündliche Verhandlung mit zwei Sachverständigen dauerte 48
Minuten. Insgesamt gibt es kein Kriterium des § 12 BRAGO, das eine überdurchschnittliche Vergütung rechtfertigt.
Zutreffend hat schließlich auch die Kostenbeamtin entschieden, dass die Aufwendungen für 151 Kopien aus der
Verwaltungsakte der Beklagten nicht zu erstatten sind. Diese Entscheidung beruht auf § 126 BRAGO. Danach werden
Auslagen nicht vergütet, wenn sie zur sachgemäßen Vertretung des Mandanten nicht erforderlich waren. Es ist zwar
richtig, dass zunächst der Anwalt bestimmt, welche Ausgaben er zur Interessenwahrnehmung tätigen muss.
Andererseits ist aber zu bedenken, dass im Falle der Prozesskostenhilfe ein Dritter, nämlich die Staatskasse, Kosten
erstatten soll. Es muss daher ein Prüfungsrecht bestehen. Es kann auch hinsichtlich der Notwendigkeit von Auslagen
nicht auf die subjektive Einstellung des Anwalts ankommen. Der Gesetzgeber hat deshalb das objektive Kriterium
"sachgemäße" Interessenwahrnehmung in § 126 BRAGO eingefügt. Wenn sich demnach der Verdacht ergibt, dass
die Aufwendungen nicht sachgemäß waren, kommt der Anwalt in Begründungszwang. Die Darlegungslast kehrt sich
um (Hartmann, Kostengesetze § 126 BRAGO Rdziff. 14). Vorliegend erregen 151 Kopien in einem normalen Streit um
Erwerbsunfähigkeit den Verdacht, dass aus der Verwaltungsakte nicht gezielt fotokopiert wurde. Der Antragsteller
hätte deshalb darlegen müssen, wieso er 151 Kopien zur sachgemäßen Interessenwahrnehmung benötigt hat. Trotz
zweimaliger Aufforderung ist er dieser Pflicht nicht nachgekommen. Die Erforderlichkeit der Aufwendungen ist daher
nicht nachgewiesen.
Insgesamt bleibt es daher bei der Kostenerstattung, die die Kostenbeamtin in dem Beschluss vom 31. August 2000
festgesetzt hat.
Diese Entscheidung ist nach § 177 Sozialgerichtsgesetz sowie § 10 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 128 Abs. 4 S. 2 und 3
BRAGO unanfechtbar.