Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 26.11.2009

LSG Shs: arbeitsunfähigkeit, stationäre behandlung, krankengeld, eintritt des versicherungsfalls, psychotherapeutische behandlung, psychiatrische behandlung, innere medizin, unverzüglich

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
Urteil vom 26.11.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Itzehoe S 1 KR 127/06
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht L 5 KR 78/08
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 11. Juni 2008 wird mit der Maßgabe
zurückgewiesen, dass das Krankengeld bis zum 23. Januar 2007 zu gewähren ist. Die Beklagte hat die
außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger über den 16. März 2006 hinaus Anspruch auf Krankengeld hat.
Der am 23. November 1947 geborene Kläger war im hier streitigen Zeitraum bei der Beklagten krankenversichert und
bei der Firma M. Partner GmbH in N. als Dozent in der Erwachsenenbildung beschäftigt, zuletzt auch als
Praktikumsbetreuer, Disponent und Profilersteller für Langzeitarbeitslose.
Am 25. Juni 2005 erkrankte der Kläger arbeitsunfähig wegen eines respiratorischen Infekts. Es kam zu einer
ausgeprägten Depression während der Arbeitsunfähigkeit. Diese resultierte nach Aussage des Hausarztes Dr. S. aus
B. aus Problemen mit dem Arbeitgeber. Ein Arbeitsversuch des Klägers im August 2005 musste umgehend
abgebrochen werden. Mit sozialmedizinischer Stellungnahme vom 29. Dezember 2005 befürwortete der Medizinische
Dienst der Krankenversicherung (MDK) die weitere Arbeitsunfähigkeit. Die psychiatrische
Behandlung/Psycho¬therapie sollte abgewartet werden. Der Gutachter erbat eine Wiedervorlage der
Arbeitsunfähigkeitsakte in acht Wochen mit einem aktuellen psychiatrischen Bericht. In der Folgezeit kam jedoch für
den Kläger kein Termin für eine Psychotherapie zustande.
Der MDK gelangte nach Aktenlage und Rücksprache mit dem den Kläger weiterhin allein behandelnden Arzt für Innere
Medizin Dr. S. am 8. März 2006 zu der Auffassung, dass Arbeitsfähigkeit ab dem 11. März 2006 vorliege. Nach
telefonischer Auskunft des behandelnden Arztes gegenüber der Ärztin des MDK (Frauenärztin K.-M.) würden keine
Antidepressiva verordnet. Es finde keine Therapie der Depression und auch keine Mitbehandlung durch einen Arzt für
Psychiatrie statt. Es sei lediglich eine "Schonung" angezeigt. In Absprache zwischen der Ärztin des MDK und Dr. S.
wurde von einem Ende der Arbeitsunfähigkeit des Klägers zum 10. März 2006 ausgegangen.
Mit Bescheid vom 13. März 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dieser könne seiner zuletzt ausgeübten
Beschäftigung weiter nachgehen. Die Arbeitsunfähigkeit ende daher am 16. März 2006.
Der Kläger bot dem Arbeitgeber am 17. März 2006 seine Arbeitskraft wieder an. Der Arbeitgeber lehnte dies jedoch
ab, da der Kläger nicht allein habe Auto fahren können, massive Schwitzanfälle gehabt, gezittert und geweint habe. Er
empfahl dem Kläger, sich an den Nervenarzt Dr. G. zu wenden.
Daraufhin erhob der Kläger am 29. März 2006 Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, er sei weiterhin
arbeitsunfähig. Mehrere Arbeitsversuche seien im letzten Jahr gescheitert. Er fügte einen Bericht der Sa. Kliniken von
Frau Dr. B.-K. vom 14. Dezember 2005 bei, wonach eine hochfrequente psychotherapeutische Behandlung im
gestützten Setting einer entsprechenden Akutsituation erforderlich sei. Eine Krankenhausbehandlung für sechs
Wochen sei nötig. Die Beklagte habe die stationäre Behandlung mit Hinweis auf die ambulanten Möglichkeiten
abgelehnt. Dort seien Termine aber frühestens nach vier bis sechs Monaten zu erhalten. Sein Gesundheitszustand
habe sich durch die unterbliebene Behandlung verschlechtert. Er wolle eine stationäre Behandlung wahrnehmen.
Mit Schreiben vom 29. März 2006 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass sich ihre Entscheidung vom 13.
März 2006 auf ein Gutachten des MDK stütze. Einspruch gegen dieses Gutachten sei nur über den behandelnden
Arzt möglich. Akzeptiere dieser das Gutachtenergebnis des MDK nicht, könne er unter Darlegung seiner Gründe ein
Zweitgutachten schriftlich bei der Beklagten beantragen. Dem Kläger wurde empfohlen, in diesem Sinne Kontakt mit
dem behandelnden Arzt aufzunehmen.
Bei der Beklagten ging in der Folgezeit eine neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Nervenarztes Dr. G. vom 25.
April 2006 ein, nach der der Kläger bis einschließlich 17. Juni 2006 arbeitsunfähig sei. Der Kläger führte dazu aus, er
habe Dr. G. am frühesten ihm eingeräumten Termin aufgesucht. Die Arbeitsunfähigkeit bestehe danach weiterhin.
Die Beklagte informierte den Kläger daraufhin, dass das Versicherungsverhältnis nur bis zum 16. April 2006
aufrechterhalten bleibe. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gelte als fortbestehend solange das
Beschäftigungsverhältnis ohne einen Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauere, jedoch nicht länger als einen Monat. Seit
dem 17. März 2006 erhalte der Kläger aus seinem Beschäftigungsverhältnis kein Entgelt. Deshalb ende die
versicherungspflichtige Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld zum 16. April 2006. Bei Eintritt der
Arbeitsunfähigkeit am 25. April 2006 habe daher keine Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld mehr bestanden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. August 2006 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass
der MDK keine Arbeitsunfähigkeit über den 16. März 2006 hinaus festgestellt habe. Dies habe die Beklagte zu
beachten.
Hiergegen hat der Kläger am 26. September 2006 vor dem Sozialgericht Itzehoe Klage erhoben. Zur Begründung hat
er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und insoweit ergänzt, dass eine Psychotherapie weiterhin nicht stattfinde, da
die Beklagte das Versicherungsverhältnis gekündigt habe. Er lebe von seinem Ersparten. Seit März 2006 habe er von
keinem Sozialleistungsträger Leistungen erhalten. Er habe auch keinen Krankenversicherungsschutz mehr.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 13. März 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2006
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Krankengeld über den 16. März 2006 hinaus bis zum Ablauf der
Höchstbezugsdauer unter den gesetzlichen Voraussetzungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie auf ein weiteres MDK-Gutachten vom 28. Februar 2007 sowie zwei weitere Stellungnahmen
des MDK vom 10. Januar und 3. April 2008 verwiesen.
Das Sozialgericht hat einen Befund- und Behandlungsbericht von Dr. S. vom 9. Februar 2007 und ein Gutachten von
Dr. H. (Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Z.f.I.P. gGmbH) aus K. vom 15. November 2007 eingeholt mit
ergänzender Stellungnahme vom 12. März 2008.
Mit Urteil vom 11. Juni 2008 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger Krankengeld über den 16. März
2006 hinaus bis zum Ablauf der Höchstbezugsdauer zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger
über den 16. März 2006 hinaus bis zum Ablauf der Höchstbezugsdauer des Krankengeldes nicht in der Lage gewesen
sei, seine Tätigkeit bei der Firma M. Partner GmbH auszuüben. Bei dem Kläger bestehe eine wiederkehrende
depressive Störung, gegenwärtig eine mittelgradige depressive Episode mit somatischem Syndrom sowie ein
schädlicher Gebrauch von Alkohol. Aufgrund dieser Gesundheitsstörungen sei im streitigen Zeitraum sein
Leistungsvermögen im Erwerbsleben für schwere, mittelschwere und/oder leichte Arbeiten zeitlich vollständig
eingeschränkt. Dies habe der medizinische Sachverständige Dr. H. überzeugend dargelegt. Daran ändere auch die
entgegenstehende Auffassung des MDK nichts. Ebenso sei die von Dr. G. ausgestellte
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom MDK nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die einzige Untersuchung durch
den MDK habe im August 2005 stattgefunden. Die weiteren Stellungnahmen des MDK seien lediglich aufgrund der
Aktenlage erfolgt. Es sei nicht verständlich, wie der MDK im Fall des Klägers zu einer qualifizierten Einschätzung der
Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit kommen wolle, ohne diesen im Rahmen einer persönlichen Vorstellung seit August
2005 selbst untersucht zu haben. Wegen der feststehenden Arbeitsunfähigkeit zumindest bis zum letzten
Untersuchungsdatum durch Dr. H. am 15. Oktober 2007 sei die Beklagte zur Krankengeldzahlung bis zum Ablauf der
Höchstbezugsdauer zu verurteilen gewesen. Die fehlende fortlaufende Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch den
behandelnden Arzt sei dem Kläger nicht anzulasten, da die Beklagte den Krankenversicherungsschutz beendet habe
und dem Kläger deshalb ein Aufsuchen des Arztes nicht möglich gewesen sei.
Gegen dieses der Beklagten am 29. Juli 2008 zugestellte Urteil richtet sich ihre Berufung, die am 5. August 2008 bei
dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Es sei nicht richtig, dass der Kläger
Arbeitsunfähigkeitsnachweise nicht hätte vorlegen können, weil die Beklagte ihm den Versicherungsschutz entzogen
habe und dieser daher den Arzt nicht habe aufsuchen können. Der Kläger habe sich zu Lasten der Beklagten am 25.
April 2006 und am 17. Mai 2006 durch Dr. G. Arbeitsunfähigkeit bestätigen lassen. Das Sozialgericht habe vom
Bundessozialgericht aufgestellte Grundsätze zum Anspruch von Krankengeld missachtet, wonach für die Dauer des
Anspruchs eine durchgehende und lückenlos ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 11. Juni 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung am 26. November 2009 angehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf
den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass der Kläger Anspruch auf Krankengeld über den 16. März 2006
hinaus hat. Der Urteilstenor war lediglich insoweit zu präzisieren, dass die Höchstbezugsdauer am 23. Januar 2007
endet.
Versicherte haben nach § 44 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) Anspruch auf Krankengeld,
wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Arbeitsunfähigkeit liegt nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (u. a. Urteil vom 8. Februar 2000 – B 1 KR 11/99 – m.w.N.) vor, wenn der Versicherte seine
zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls konkret ausgeübte Arbeit wegen Krankheit nicht (weiter) verrichten kann.
Dass er möglicherweise eine andere Tätigkeit trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung noch ausüben könnte, ist
unerheblich.
Diese Grundvoraussetzung für den vom Kläger eingeklagten Anspruch ist erfüllt. Das hat das Sozialgericht in dem
angefochtenen Urteil überzeugend dargelegt und ist dabei zu Recht dem Gutachten von Dr. H. gefolgt. Diese
Ausführungen des Sozialgerichts macht sich der Senat zu eigen und nimmt hierauf gemäß § 153 Abs. 2
Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass der
fachkompetenten Begutachtung durch Dr. H. auf Seiten der Beklagten nur eine oberflächliche Sachverhaltsermittlung
und Begutachtung vorausgegangen ist. Die seit Juli 2005 bestehende Arbeitsunfähigkeit wegen einer psychischen
Erkrankung des Klägers wurde aufgrund eines MDK-Gutachtens nach Aktenlage am 11. März 2006 der Frauenärztin
K.-M. im "Einvernehmen" mit dem Hausarzt Dr. S. beendet, der seinerzeit dem MDK nicht widersprochen hatte, in
einem Befund- und Behandlungsbericht an das Sozialgericht vom 9. Februar 2007 aber eine Arbeitsunfähigkeit des
Klägers seit 2003 bescheinigt. Ab 25. April 2006 wurde Arbeitsunfähigkeit durch den Nervenarzt Dr. G. festgestellt.
Eine eigentliche Therapie der psychischen Erkrankung des Klägers hat bislang nicht stattgefunden. Vor diesem
Hintergrund folgt der Senat dem Gutachten von Dr. H. mit den gleichen Argumenten wie vom Sozialgericht dargelegt.
Neue – insbesondere dem entgegenstehende – Gesichtspunkte haben sich im Berufungsverfahren nicht ergeben.
Der Anspruch auf Krankengeld ist hier auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil – wie die Beklagte meint – der Kläger
für die Dauer des Anspruchs eine durchgehende und lückenlos ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit nicht
nachgewiesen hat.
Es fehlt zwar an der grundsätzlich erforderlichen durchgehenden und lückenlos ärztlich festgestellten
Arbeitsunfähigkeit über den 16. März 2006 hinaus bis zum Ende der Höchstbezugsdauer am 23. Januar 2007. Ab 17.
März 2006 bis 24. April 2006 und ab 18. Juni 2006 bis 23. Januar 2007 wurde keine Arbeitsunfähigkeit ärztlich
festgestellt. Auch für den dazwischen liegenden Zeitraum besteht dann kein Krankengeldanspruch, da das
Beschäftigungsverhältnis ab 17. März 2006 ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt nur für höchstens einen Monat
fortdauerte (§ 7 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Viertes Buch - SGB IV -). Dies zugrunde gelegt endete die
versicherungspflichtige Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten mit Anspruch auf Krankengeld – wie von der
Beklagten angenommen – am 16. April 2006.
Die hier vorliegende Fehlbeurteilung der Arbeitsunfähigkeit durch den behandelnden Arzt und den MDK kann unter
engen Voraussetzungen jedoch eine Ausnahme von der wortgetreuen Auslegung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V und
des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V rechtfertigen.
Hat nämlich der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan, um seine Ansprüche zu
wahren, wurde er daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert (z. B. durch
die Fehlbeurteilung der Arbeitsunfähigkeit des Vertragsarztes und des MDK), und macht er seine Rechte bei der
Kasse unverzüglich (spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) nach Erlangung der
Kenntnis von dem Fehler geltend, kann er sich auf den Mangel auch zu einem späteren Zeitpunkt berufen. Unter
diesen engen Voraussetzungen kann die Unrichtigkeit der ärztlichen Beurteilung gegebenenfalls auch durch die
nachträgliche Einschätzung eines anderen ärztlichen Gutachters nachgewiesen werden und der Versicherte
ausnahmsweise rückwirkend Krankengeld beanspruchen. Diese Mitwirkungsobliegenheit des Versicherten ist auf das
ihm Zumutbare beschränkt. Wenn der behandelnde Vertragsarzt und der MDK Arbeitsunfähigkeit ablehnen, ist dem
Versicherten nicht anzusinnen, sich unter Berufung auf den Grundsatz freier Arztwahl und der Vorlage der
Krankenversicherungskarte solange um eine vertragsärztliche Diagnostik zu bemühen, bis ihm "endlich" ein Arzt
bescheinigt, er sei arbeitsunfähig (Bundessozialgericht, Urteil vom 8. November 2005 – B 1 KR 30/04 R).
Diese Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der der Senat sich anschließt, zugrunde gelegt, hat der Kläger das
ihm Zumutbare getan, indem er sich umgehend nach Ablehnung der Arbeitsunfähigkeit durch den Hausarzt Dr. S. und
den MDK an einen Facharzt für Neurologie und Psychiatrie gewandt hat. Dass er dort erst am 25. April 2006 (also ca.
nach einem Monat) auch wegen der dazwischen liegenden Osterferien und der Belastung des Arztes einen Termin
bekommen hat, ist dem Kläger nicht anzulasten. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Nervenarztes Dr. G. vom
25. April 2006 mit Folgebescheinigung bis 17. Juni 2006 hat der Kläger dann jeweils umgehend eingereicht.
Der Kläger hat auch seine Rechte gegenüber der Beklagten unverzüglich geltend gemacht. Der Versicherte muss
unverzüglich nach Kenntnisnahme die Fehlbeurteilung der Arbeitsunfähigkeit seiner Krankenkasse melden, um sich
sein Recht auf nachträgliche Zuerkennung der Ansprüche wegen zurückliegender Arbeitsunfähigkeit zu erhalten.
Anderenfalls beruht die Verzögerung der Arbeitsunfähigkeitsmeldung nicht mehr wesentlich auf einem Fehler, der dem
Verantwortungsbereich der Krankenkasse zuzurechnen ist. Die Wochenfrist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V gibt auch
insoweit den äußersten zeitlichen Rahmen vor, der dem Versicherten bei nachträglicher Meldung der
Arbeitsunfähigkeit verbleibt. Die nachträgliche Meldung muss demnach spätestens innerhalb einer Woche nach
Kenntniserlangung des Versicherten erfolgen (Bundessozialgericht, ebenda).
Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Kenntnis von der Fehlbeurteilung durch den behandelnden Arzt Dr. S. und den
MDK hat der Kläger am 25. April 2006 erhalten, als er Dr. Güls¬dorff aufsuchte. Zu diesem Zeitpunkt bestand noch
Versicherungsschutz bei der Beklagten, wie diese im Schriftsatz vom 13. August 2008 selbst ausgeführt hat. Auch
hatte der Kläger zu diesem Zeitpunkt ihr gegenüber bereits durch seinen Widerspruch vom 29. März 2006 (und zuvor
am 27. März telefonisch) gegen den Bescheid vom 13. März 2006 kundgetan, dass er die Einschätzung von Dr. S.
und des MDK für eine Fehlbeurteilung halte. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von Dr. G. ist bei der Beklagten am
28. April 2006 eingegangen. Mithin hat der Kläger die Fehlbeurteilung der Arbeitsunfähigkeit unverzüglich nach
Kenntnisnahme der Beklagten gemeldet.
Dies hat zur Folge, dass der Anspruch auf Krankengeld durchgehend ab 17. März 2006 bis zum Ende der von der
Beklagten mit dem 23. Januar 2007 festgestellten Höchstbezugsdauer gegeben ist.
Denn auch für den Zeitraum ab 18. Juni 2006 bis zum Ende dieser Höchstbezugsdauer ist der Anspruch nicht wegen
fehlender Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgeschlossen. Vor Ablauf der von Dr. G. bescheinigten
Arbeitsunfähigkeit bis 17. Juni 2006 hatte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 31. Mai 2006 mitgeteilt, dass
bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 25. April 2006 keine Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld bestanden
habe. Wegen dieser Ablehnung des Anspruchs auf Krankengeld unabhängig von einer etwaig bestehenden
Arbeitsunfähigkeit aus Rechtsgründen gibt es für den Versicherten keinen Sinn mehr, weitere
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen einzureichen. Deshalb kann in diesem Fall dem nachträglich erhobenen
Leistungsbegehren auch nicht entgegengehalten werden, dass der Versicherte das Fortbestehen der
Arbeitsunfähigkeit nicht im Sinne von § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V "gemeldet" habe (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom
8. Feb¬ruar 2000, B 1 KR 11/99 R).
Im Ergebnis steht damit fest, dass der Kläger über den 16. März 2006 hinaus bis zum 23. Januar 2007 arbeitsunfähig
war und Rechtsgründe dem Anspruch auf Krankengeld für den gesamten Zeitraum nicht entgegenstehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
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